In diesem Hintergrundpapier werden die wichtigsten Befunde wichtiger neuer (englischsprachiger) Studien für eine deutschsprachige LeserInnenschaft zusammengefasst und kommentiert. Es geht u.a. um den Vergleich von gewaltfreien und gewaltsamen Aufständen, bei denen gewaltfreie als fast doppelt so häufig erfolgreich abschnitten als die gewaltsamen, und um Gemeinschaften, die sich erfolgreich um einen um sie herum tobenden Krieg heraushielten. Dabei fließen, vor allem in den drei Exkursen zu Gene Sharps Theorie der Macht, zum Beispiel des Sturzes von Präsident Milosevic im Jahr 2000 und zur Rolle von Schutzbegleitung beim Umgang mit Repression, auch eigene Arbeiten der Autorin mit ein.
Wie ist es dazu gekommen, dass Krieg heute zu einem normalen Mittel der Politik geworden zu sein scheint? Sind alle Hoffnungen, dass nach der Erfahrung zweier Weltkriege vor fast 100 bzw. 75 Jahren Krieg endlich überwunden werden kann, vergeblich gewesen? Und was kann getan werden, diesem Trend entgegenzuwirken? Genügt es, gegen jeden neuen Krieg auf die Straße zu gehen, später den Abzug der Soldaten aus dem jeweils neuesten Kriegsgebiet zu fordern, um dann früher oder später wieder angesichts eines neuen Kriegsschauplatzes den gleichen Zyklus erneut zu durchlaufen? Und wie sieht es mit der Zivilen Konfliktbearbeitung aus? Ist sie in der Lage, überhaupt adäquat auf die heutigen Herausforderungen zu reagieren? Welche neuen Tendenzen gibt es hier? Diesen Fragen will dieses Papier in drei Teilen nachgehen. In dem ersten soll die Entwicklung seit 1945 nachgezeichnet werden, und gezeigt werden, dass es durchaus auch, längerfristig gesehen, hoffnungsvolle Entwicklungen gibt, wenngleich diese durch die Militarisierung der Außenpolitik Gefahr laufen, zunichte gemacht zu werden. In dem zweiten Teil geht es um das Thema Anspruch und Wirklichkeit von Friedensförderung heute, und zwar im Hinblick auf vier Akteursgruppen: Zivilgesellschaft und Staat in den Ländern, wo Konflikte gewaltsam ausgetragen werden und Zivilgesellschaft und Staat hier bei uns, als einem Land, das in Konflikte anderenorts interveniert bzw. zusammen mit seinen Verbündeten den Krieg gelegentlich auch in andere Länder trägt. Im dritten Teil schließlich sollen dann einige Schlussfolgerungen gezogen und Desiderata benannt werden.
Christine Schweitzer: Introduction - Civilian peacekeeping. A barely tapped ressource (7-16); Rolf Carrière: The world needs 'another peacekeeping' (17-24); Tim Wallis: Best practices for unarmed civilian peacekeeping (25-34); Rachel Julians: Peacekeeping with nonviolence: protection strategies for sustainable peace (35-42); Christine Schweitzer: Humanitarian protection as an additional function of humanitarian, development and peace projects - or rather a task requiring experts? (43-52); Christine Schweitzer: The responsibility to protect: towards an expanded role for global civil society (53-64).
Das Arbeitspapier diskutiert verschiedene Konzepte konstruktiver gewaltfreier Alternativen zu militärischer Gewalt. Diese Konzepte stehen nicht gegeneinander, sondern befassen sich mit unterschiedlichen Problemen und Bedrohungen. Zivile Konfliktbearbeitung ist das umfassendste unter ihnen. Sie umfasst alle Ansätze und Verfahren, Konflikte gewaltlos zu bearbeiten bzw. zu transformieren. Ziviles Peacekeeping ist eine Methode, konkreten Bedrohungen durch Gewalttäter entgegenzutreten. Bei gewaltfreiem Widerstand geht es darum, gesellschaftlichen Wandel durch gewaltfreie Mittel zu bewirken bzw. einen Zustand, der als Unrecht wahrgenommen wird, zu verändern. Soziale Verteidigung ist ein Konzept des Widerstands gegen einen militärischen Angriff oder gegen einen Putsch. Im ersten Kapitel geht es um militärische Interventionen und deren Begründungen. Daran schließt sich im zweiten Kapitel die Frage an, welche Funktionen, die Militär heute ausübt, ersetzt werden können und sollten. Das dritte Kapitel warnt vor den Gefahren, die daraus resultieren, dass zivile Konfliktbearbeitung in verschiedenster Weise missverstanden oder instrumentalisiert kann. Das beiden letzten Kapitel stellen zwei konstruktive Alternativen näher vor, die in der Literatur bislang weniger berücksichtigt werden: Ziviles Peacekeeping und gewaltfreien Widerstand einschließlich sozialer Verteidigung.
Unbewaffnetes Ziviles Peacekeeping - wie man ZivilistInnen wirksam ohne die Drohung mit Gewalt schützt. Das ist die Übersetzung des Titels des englischsprachigen Hintergrund- und Diskussionspapiers, das jetzt neu erschienen ist. Die drei Autorinnen fassen in dem Papier den Stand der wissenschaftlichen Forschung zu Zivilem Peacekeeping zusammen. Sie stellen die Grundgedanken dieses Ansatzes dar, Menschen vor kriegerischer Gewalt auf gewaltfreiem Wege zu schützen, beschäftigen sich mit der Akzeptanz dieses Ansatzes in der Politik und geben einen Überblick über die vorhandene Literatur zum Thema.
Dieses Papier diskutiert auf der Basis von Beispielen von sieben Friedensbewegungen der letzten 110 Jahre, welchen Einfluss Bewegungen auf die Verhinderung oder die Beendigung von Kriegen gehabt haben, in die ihre eigene Regierung verwickelt war. Diese Beispiele sind: Norwegen - Schweden 1905; die Anti-Vietnamkrieg-Bewegung in den 1960er und frühen 1970er Jahren; die Bewegung gegen die Unterstützung der Contras in Nicaragua in den 1980er Jahren; die Friedensbewegung gegen atomare Aufrüstung der 1980er Jahre; der Fall der Frauen in Weiß in Liberia 2002-2003; die Bewegung gegen den Irakkrieg 1991; die Bewegung gegen den Irakkrieg 2003. Das Hauptergebnis des Vergleichs ist, dass einen Krieg zu verhindern oder zu stoppen wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe ist, die sich eine soziale Bewegung setzen kann. Mit der Ausnahme des frühen skandinavischen Falls, der ein Fall einer erfolgreichen Verhinderung von Krieg ist, beeinflussten einige der Bewegungen sowohl den Verlauf wie das eventuelle Ende des Konfliktes, aber keiner von ihnen kann zugeschrieben werden, dass sie die allein Ausschlaggebenden waren. Abgesehen davon konnte eine langfristige Wirkung der Bewegungen auf die öffentliche Meinung und auf verstärktes Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit im Hinblick auf Fragen von Krieg und Frieden und "humanitäre Interventionen" festgestellt werden, was das Verhalten von Regierungen in späteren Krisen beeinflusste.
Paech, N.: Recht oder Gewalt? Unterwegs zu einer neuen Weltordnung. - S. 5-16. Ladwig, B.: Der Kosovokrieg im Spannungsfeld von Moral und Recht. - S. 17-30. Berndt, M.: "Die Geister, die ich rief" oder: die Vorgeschichte des Kosovokonflikts. - S. 31-40. Zitzlaff, K. ; Schmidt, C.: Chronologischer Leitfaden. - S. 41-56. Gose, S.: Der deutsche Weg in den Balkankrieg. - S. 57-65. Müller, H.: Flucht in die Diplomatie: Rußland und der Kosovo-Konflikt. - S. 66-70. Piper, G.: Der Waffeneinsatz im Kosovo-Krieg. - S. 72-81. Bendrath, R.: Der Kosovo-Krieg im Cyberspace. - S. 82-91. Zitzlaff, K.: Die Opfer der Humanität. - S. 92-95. Minkwitz, O.: Was kostet ein Kriegstag? - S. 96-102. Krusewitz, K.: Ein Umweltkrieg in humanitärer Absicht? - S. 103-115. Müller, B. ; Schweitzer, C.: Zivile Konfliktbearbeitung: Möglichkeiten im Kosovo-Konflikt. - S. 116-123. Claßen, E.: Konstruktion von Medienrealität im Kosovo-Krieg. - S. 124-137. Virchow, F.: "Deutsch wählen heißt Frieden wählen": extreme Rechte und der Krieg gegen Jugoslawien. - S. 138-146