"Arbeitsstil4 Zuofeng [1], wörtlich (Arbeits-) "Stil1 oder "Arbeitsweise, ist ein Schlüsselbegriff der sinokommunistischen Politterminologie, mit dem die grundlegende Eigenart politischen Führungsverhaltens beschrieben werden soll. Man versteht unter zuofeng die innere Einstellung, mit der ein Funktionär an die Lösung seiner Aufgaben herangeht. Politische "Linid' und "Stil" verhalten sich zueinander wie Inhalt und Form, die untrennbar miteinander verwoben sind. Auch hier gibt es eine konfuzianische Reminiszenz zur Ausgewogenheit zwischen innen und außen: Übertrifft der Inhalt die Form, so erscheint der Mensch ungehobelt, übertrifft aber die Form den Inhalt, so entsteht der Eindruck von "Glattheit1. Nur dort, wo beides sich "harmonisch ergänzt1, entsteht Vorbildhaftigkeit und Vertrauen.
Zur Jahresmitte 1997 entwickelte Nordkorea sich in der chinesischen Außenpolitik wieder einmal zu einem Hauptthema - eine Entwicklung, die von der Beijinger Führung nicht gerade mit Behagen zur Kenntnis genommen wird, obwohl sie sich nach außen hin alle Mühe gibt, freundliche Miene zu zeigen und jene Rituale fortzusetzen, die sich zwischen Pyongyang und Beijing nun einmal seit Jahrzehnten eingespielt haben: Da waren erstens die 36. Gedenkfeiern zu dem am 11.7.1961 zwischen beiden Ländern abgeschlossenen "Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand". Zweitens fanden am 8. Juli die Gedenkfeierlichkeiten anläßlich des dritten Todestags von Kim II Sung statt, an denen diesmal in Beijing kein Geringerer als die Nr.3 in der chinesischen Führung, Qiao Shi, teilnahm. Drittens tauchte ein weiterer "Gedenktag" auf, der zwischen beiden Seiten allerdings nicht offen angesprochen wurde, weil er zu peinlich ist, nämlich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Beijing und Seoul am 24.8.1992. Viertens galt es, wenn auch äußerst taktvoll, die Hungersnot in Nordkorea zu thematisieren, die bis Anfang August offensichtlich schon Zehntausende von Menschen, vor allem Kinder, in Nordkorea dahingerafft hatte und von der sich das durch jahrzehntelange Mißwirtschaft und zusätzlich auch noch durch eine Trockenheitskatastrophe hernuntergewirtschaftete Land offensichtlich auf lange Zeit nicht erholen dürfte. Trotz aller gegenseitigen Spannungen muß Nordkorea doch eingesehen haben, daß die VRCh die einzige noch einigermaßen zuverlässig funktionierende Quelle für Ersatzteile und Lebensmittel geblieben ist. Immer wieder hat die Volksrepublik ja Hilfe geleistet, so z.B. im Oktober 1995. Auch in der Notlage des Jahres 1997 ist die VR China erneut gefragt, wobei sie nicht nur staatliche Hilfe zur Verfügung stellt, sondern auch ihre Privathändler frei gewähren läßt, die durchaus auf Gewinnbasis arbeiten und mit der nordkoreanischen Not einträgliche Geschäfte zu machen wissen, indem sie Lebensmittel ins Nachbarland ...
Obwohl der chinesische Begriff für "Asienkrise" auf den Finanzaspekt {Dongya jin'e weiji, wörtl.: "asiatische Geldmengenkrise") eingeschränkt ist, wird die Gesamtproblematik doch keineswegs spezifisch wirtschaftlich, sondern generell politisch interpretiert. Nur konsequent ist es deshalb, wenn auch die chinesische Außenpolitik dem Thema Rechnung trägt und immer wieder betont, daß China die Herausforderung nicht nur mit Wirtschaftsreformen, sondern auch mit einer Politik besonderer Rücksichtnahme auf nachbarliche Interessen zu beantworten habe.
Während die bisherigen Ausführungen dem außenpolitischen Verhalten der VRCh im allgemeinen (nämlich den historischen Vorgaben, Zielsetzungen und Strategien sowie der Trägerschaft, den Arbeitsstilen und der Methodik) galten, wendet sich die Untersuchung nun dem praktischen Verhalten Beijings zu, das von den feierlich verkündeten Prinzipien nicht selten beträchtlich abweicht und das häufig genug deutlich werden läßt, daß das Agieren der Volksrepublik im internationalen Bereich nicht immer "Außenpolitik", sondern häufig nicht sehr viel mehr als Projektion innenpolitischer Konflikte oder interfraktioneller Kompromisse nach außen ist.
Kapitel 1 hat ein virtuelles Panoramabild Asiens im 21. Jh. vorgestellt. In Kapitel 2 sind die potentiellen Träger künftiger Entscheidungen und in Kapitel 3 die aller Erwartung nach in den Vordergrund tretenden Themen skizziert worden. Kapitel 4 war den Mitteln gewidmet, mit denen drei Hauptherausforderungen voraussichtlich beantwortet werden, nämlich die Wirtschafts-, die Politik- und die Sozialstrategie. Das vorliegende Kapitel 5 wendet sich dem voraussichtlichen "Wie" der Problemlösung, also Stilfragen zu. Dem "Quis?" in Kapitel 2, dem "Quid?" in Kapitel 3 und dem "Quibus auxiliis?" in Kapitel 4 folgt nun also das "Quomodo?", auf das in voraussichtlich drei Folgen einzugehen ist. Abschnitt 1 befaßt sich mit der für Asien so typischen Informalität.
Vom 21. bis 26. August 1997 besuchte Ministerpräsident Li Peng die beiden ASEAN-Mitglieder Malaysia und Singapur. All seine Ansprachen und Initiativen waren bei diesen Visiten so aufgebaut, als richteten sie sich an alle neun Mitglieder, u.a. also auch an Laos und Birma, die nur einen Monat vorher in die Allianz aufgenommen worden waren. In Malaysia, wo Li in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident zuletzt im Dezember 1990 gewesen war, hielt sich der Gast diesmal vier Tage lang auf - also die meiste Zeit seiner insgesamt sechstägigen Südostasi- envisite. Die beiden Länder hatten in den vergangenen Jahren mehrmals hohe Besucher aus der VR China empfangen: Im August und Dezember 1990 z.B. hatte Li Peng bereits einmal Singapur und Malaysia besucht; im Januar 1992 war der damalige Präsident Yang Shangkun und im November 1994 Staatspräsident Jiang Zemin Gast in beiden Ländern gewesen.
Kapitel 1 hat ein virtuelles Panoramabild Asiens im 21. Jh. präsentiert. In Kapitel 2 sind die potentiellen Träger künftiger Entscheidungen und in Kapitel 3 die aller Erwartung nach voraussichtlich in den Vordergrund tretenden Themen skizziert worden. In Kapitel 4 wurden die wirtschafts-, die politik- und die sozialstrategischen Strategien präsentiert. Kapitel 5 wendet sich dem voraussichtlichen "Wie " der Problemlösung, also dem Bereich der Stilfragen zu.Abschnitt 1 bezog die Perspektive von unten nach oben, widmete sich also den Erwartungen, die vom politischen "Verbraucher" an die Führungselite herangetragen werden, und bei denen fast unausweichlich die Thematik der "Informalität" ins Visier rückt. Einige Punkte dieser Thematik sind im vorliegenden Kapitel noch nachzuholen (unter den Punkten 5.1.2.4 und 5.1.3). Abschnitt 2 bezieht die umgekehrte Blickrichtung und skizziert die Verhaltenserwartungen der Führung gegen- über der Bevölkerung.
China und Nordkorea hatten sich Jahrzehnte hindurch "wie Lippen und Zähne" zueinander verhalten, wie es in der offiziellen Terminologie hieß. Stärkster Ausdruck der anscheinend "unverbrüchlichen Freundschaft" war ein chinesisch-nordkoreanischer "Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand" vom 11.7.1961 sowie das Engagement sogenannter "chinesischer Volksfreiwilliger " im Koreakrieg 1950, der rund 1,2 Mio. chinesischen Soldaten das Leben gekostet hatte.
Bis Mitte der 90er Jahre, also noch geraume Zeit über den Zusammenbruch des bipolaren Weltsystems hinaus, hatte Asien als der geopolitisch ruhigste Teil des Raumschiffes Erde gelten dürfen. An die Stelle militärischer Auseinandersetzungen war dort seit den späten 70iger Jahren das wirtschaftliche Wettrennen getreten, das erst mit der Asienkrise von 1997 seine Dynamik einbüßte. Wenige Jahre später, nämlich zu Beginn des neuen Jahrtausends, scheint die asiatische Welt wie ausgewechselt. Indien und Pakistan lieferten sich seit 1998 zunächst ein Wettrennen um Nuklearwaffen sowie um Mittelstreckenraketen und gerieten dann, Mitte 1999, im Zusammenhang mit der alten Kashmir-Frage neu aneinander. Fast zur gleichen Zeit begannen Turbulenzen auch um Nordkorea herum zu entstehen, nachdem es dort zu Hungersnöten und - im Gefolge davon - zu militärischen Kompensationshandlungen gekommen war. U.a. hatte Nordkorea im August 1998 eine Taepodong-Mittelstreckenrakete über Japan hinweg in den Pazifik abgeschossen - und dann auch noch damit gedroht, sein Atomwaffenpotenzial weiter auszubauen.
Seit 221 v. Chr. war das Reich der Mitte, zumindest seiner Papierform nach, ein zentralistisch regiertes Staatswesen von subkontinentalen Ausmaßen, das immer schon mit einer Vielmillionenbevölkerung zurechtzukommen hatte und dem heute 1,270 Milliarden Menschen angehören verteilt über ein Territorium von 9,5 Millionen Quadratkilometern (= 26 Mal die Fläche Deutschlands), dessen Umrisse sich auf der Landkarte wie die Seitenansicht eines Hahns ausnimmt - mit Kopf und gezacktem Kamm im Nordosten, gewaltigem Gefieder in Richtung Westen und mit zwei Krallen in Taiwan und auf Hainan. Anders als es dieses Bild nachzulegen scheint, handelt es sich hier freilich nicht um ein organisch zusammenpassendes Ganzes, sondern um ein Gebiet, das aus den topografisch unterschiedlichsten Elementen besteht, und zwar hauptsächlich aus Gebirgen, vielen Wüsten und aus nur wenigen "Grüngürteln" entlang der Küsten und der Flüsse.
Der Umgang mit Taiwan, die Bauchschmerzen mit Falungong, das kritische Verhältnis zu den USA und Japan, der WTO-Beitritt und nicht zuletzt das permanente Unbehagen mit der Menschenrechtssituation in China haben zu einer brisanten Mischung von Problemen geführt, denen mit der überkommenen Entscheidungsstruktur nicht mehr so recht beizukommen ist. Auch die Widersprüche, wie sie durch die Frage des Umgangs mit einem selbstständiger werdenden Taiwan hochgekommen sind (militärisch zuschlagen oder im Interesse des eigenen Erscheinungsbilds und der künftigen Wirtschaftsentwicklung Zurückhaltung üben?) lassen sich mit den überkommenen Strukturen (Vorherrschaft des Ständigen Politbüro- sowie des ZK-Militärausschusses) nur noch schwer in den Griff bekommen: Die neue Situation der VR China erfordert vielmehr eine mit mehr Fingerspitzengefühl zu handhabende Politik des Ausgleichs zwischen Außen- und Wirtschaftsbelangen. Eine allzu starke Präsenz des Militärs in den Spitzenentscheidungsgremien kann, wie vor allem beim Vorgehen gegen Taiwan deutlich geworden ist (Drohung mit militärischen Sanktionen, ja mit Neutronenbombenangriffen) zu überzogenen Reaktionen und zu schwerenRückschlägen im Erscheinungsbild der VRCh führen, sei es nun in der westlichen Welt oder sei es in der ASEAN.
Im Verlauf der bisherigen "Funktionen"-Analyse wurden zunächst die drei Hauptintegrationsfaktoren (Erziehung, Zentralisierung, Analogisierung) (Abschnit 4.2.1) und drei Hauptverfahrensweisen (nämlich die besonderen Modalitäten beim Informieren, beim Entscheiden und beim Kontrollieren) (Abschnitt 4.2.2) dargestellt. Im Folgenden soll es um die besonderen Formen der Durchführung, also der Exekutive im strengen Sinne des Wortes gehen.
Nachdem es im Vorfeld der auf den 18. März 2000 anberaumten taiwanischen Präsidentschaftswahlen zu Spannungen zwischen "beiden Ufern" der Taiwanstraße gekommen war, 1 ist - nach Wochen der Aufregung und erneuter Angriffsdrohungen Beijings - inzwischen Beruhigung von taiwanischer und neues Nachdenken von volksrepublikanischer Seite angesagt, zumal sich bei den Wahlen ein Politiker durchgesetzt hat, mit dessen Sieg kaum jemand gerechnet hatte, nämlich Chen Shuibian von der Minjindang, also einer Partei, die das Zwei-China-Prinzip offiziell in ihrem Programm stehen hat.
Im Verlauf der bisherigen Untersuchung ist dargelegt worden, welche "Bindemittel" , "Verfahrensweisen " und "Durchführungsmodalitäten" sich als tauglich erwiesen haben, um als solche dem Hauptziel des politischen Systems, nämlich der Bestandserhaltung, möglichst optimal zu dienen. Ganz auf dieser "Funktionalitäts"-Linie sollen nun auch noch die Determinanten für die Formierung der Leitungsorgane, für die Ausgestaltung (oder besser: die Minimierung) der Oppositionsstrukturen und nicht zuletzt für die Rekrutierung der politischen Elite dargestellt werden.
Mit "Orientierung" ist im vorliegenden Kontext der Hang des politischen Systems zu bestimmten Arbeitsweisen und Institutionen gemeint, das sich in seiner Ausrichtung auch dadurch nicht beirren lässt, dass die Hauptziele, vor allem die Bestandserhaltung und die Stabilisierung, mit anders gearteten Methoden und Institutionen vielleicht genauso gut - oder besser - erreicht werden könnten.