Kaum eine Regierung, ob demokratisch gewählt oder monarchisch geführt, hat jemals binnen weniger Jahre ein derart umfangreiches Reformprogramm ins Werk gesetzt wie Kaiser Joseph II. Kaum ein anderer Reformer ist jedoch gleichzeitig auch so spektakulär gescheitert wie Joseph II. Zeitgenossen und spätere Historiker führten das Scheitern des josephinischen Reformprogramms gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf Umstände zurück, die heute als "handwerkliche Mängel" bezeichnet werden würden. Die Reformen seien zu überhastet und ohne reifliche Überlegung und ausreichende Vorbereitung eingeführt worden, Mit zahllosen Detailbestimmungen hätten sich der Kaiser und seine Mitarbeiter ständig selbst widersprochen, mit ihrer Regelungswut ins Alltagsleben hineinregiert und damit unnötige Widerstände provoziert. Diese Kritik des Josephinismus liest sich nach Ansicht des Autors wie eine Analyse zum Scheitern der rot-grünen Reformpolitik zwischen 1998 und 2005. Er zeigt anhand zahlreicher Beispiele die strukturelle Ähnlichkeit der Reformprozesse auf und betont, dass die Rede vom "schlechten Handwerk" sowohl damals als auch heute nur den Unmut über die Reformen selbst verdeckte. (ICI2)