'Der ärztliche Blick auf den Patienten wird heute stark bestimmt durch Forschungsparadigmata, die mit operationalisierenden Methoden weitgehend generalisierbare und vom Einzelfall abstrahierte Hypothesen prüfen und anwenden lassen. Dadurch entstand eine eigentümliche Leibferne der modernen Medizin, die traditionelle Auseinandersetzungen mit Leib und Krankheit in Vergessenheit geraten ließ. Der menschliche Leibbezug war aber im 20. Jahrhundert Gegenstand einer Reihe von phänomenologischen, anthropologischen, existenzialistischen sowie spezifisch medizinischen Ansätzen, von denen im Folgenden einige in ihren Grundzügen skizziert und zur Diskussion gestellt werden sollen. Diese Traditionen, die sich vor allem durch einen sprachbezogenen Verständnisansatz auszeichnen, bleiben relevant für den klinischen Zugang zum Patienten und die weitere Behandlungspraxis, für die Aus-, Weiter- und Fortbildung in Gesundheitsberufen sowie für die spezifische Forschung zu Themen der Krankheitsverarbeitung und der Psychosomatik.' (Autorenreferat)
This collection responds to recent developments in Gender Medicine and the literary and cultural history of medicine. Bringing together scholars from Medical and Humanities departments, it uses case studies to investigate the gendered construction of disease from medieval times until today. The influence of gender on the creation of medical knowledge is now recognized within various branches of the medical field: genetic research, therapy, and investigations into biologically versus life style induced types of disease. In British and American literary and cultural studies, the narrative, drama
Aus phänomenologisch-empirischer Sicht wird der Wandel der Einstellung zur Technik am Beispiel des Lebens und Gewöhnens von Patienten an eine Dialysestation in einem Krankenhaus analysiert. Bei dieser Population stellt sich die Frage nach der Einstellung radikaler als bei anderen, denn hier ist "Technik" äquivok mit "Leben", ihre Verneinung wäre Selbstmord. Der Autor konzipiert Patientenarbeit als Arbeit der Patienten im Sinne einer Verknüpfungsleistung biographischer und trajektoraler Erfahrungs- und Handlungsketten zur Wiederherstellung lebensweltlicher Idealisierungen in einem Rahmen, der durch die medizinische Technologie gesetzt wird. (psz)
"In der Debatte um ärztliche Entscheidungen am Lebensende wird zwischen aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe unterschieden. Diese Unterscheidung entstammt der Rechtssprechung und wird aktuell kontrovers diskutiert. Die Autoren befragten 1557 deutsche Ärzte und 1254 deutsche Vormundschaftsrichter mittels Fragebogen zu Entscheidungen am Lebensende und baten sie, verschiedene medizinische Maßnahmen den genannten Formen der Sterbehilfe zuzuordnen. Die Antworten waren sehr heterogen. Dies lässt darauf schließen, dass das Konzept der verschiedenen Sterbehilfeformen nicht konsensfähig ist. Es sollte durch die international übliche Klassifikation medizinischer Entscheidungen am Lebensende abgelöst werden, wie sie von der Europäischen Gesellschaft für Palliativmedizin (EAPC) vorgeschlagen wird. Dabei müssen regionale und kulturelle Aspekte berücksichtigt werden." (Autorenreferat)
Dr. Franz von Ottenthal served as a General Practitioner in Sand, in the South Tyrolean Tauferer Ahrntal from 1847 to 1899, over a period lasting more than 50 years. From 1861 until 1882, in a period of great regional and imperial tensions, he even was member of the Tyrolean Landtag (diet). In 1837/8 he began his medical studies at the University of Vienna, where important physicians from the "Zweite Wiener Medizinische Schule" like Carl von Rokitansky, Joseph Skoda and Philipp Semmelweis were teaching.
Ottenthal worked as a medical expert in Windisch-Matrei (East Tyrol) for almost two years. Then he went back home and became a General Practitioner in Neumelans, the residence of his family.
This biography treats particularly the career as a physician, his engagement in the medical service and the difficulties during the collaboration with medical authorities. On the other side it contains further an analysis of the medical records and the letters of his patients for a better patient view. Further this biography discusses open questions like medical development, fees, properties of a noble rural physicians in the second part of the 19 century and the competition with other physicians and healers. A big space is dedicated to the treatment of mental illness. Ottenthal wasn't a 'psychiatrist', but he was as well responsible for the care and the treatment of persons with mental disease. With a report by a physician began - crossing a lot of other institutions - the way in the asylum.
The Ottenthal family, whose everyday life has tried to be reconstructed along private correspondence, is a typical example of a family from the second part of the 19th century between nobility and bourgeoisie characterized on the one hand by qualification, know-how and a lucrative job and on the other by a nobility title, fortune and landed property. Franz von Ottenthal wasn't a famous physician like Rudolf Virchow, Robert Koch or Carl von Rokitansky. Nevertheless he was a modern, political engaged, self-confident practitioner and he is a very good example for the fusion of nobility and bourgeoisie in a rural life of the 19th century.
This publication should be a contribution to the exploration of rural medical practice, which is little known and often poor of sources. It will even be a starting-point for further comparative studies of other medical biographies and legacies. - Franz von Ottenthal war ein Landarzt in Sand in Taufers, im Tiroler (heutigen Südtiroler) Tauferer-Ahrntal, und von 1861 bis 1883, also in einer Zeit großer landes- und reichspolitischer Spannungen, als Abgeordneter im Tiroler Landtag tätig. Ab dem Studienjahr 1837/38 studierte er Medizin an der Universität Wien. Unter seinen Lehrern und Studienkollegen finden sich einige große Namen der "Zweiten Wiener Medizinischen Schule", wie Carl von Rokitansky, Joseph Skoda oder Philipp Semmelweis.
Nach einer ersten fast zweijährigen Berufserfahrung als Gerichts- und Gemeindearzt in Windisch-Matrei (heute Matrei in Osttirol) kehrte Franz von Ottenthal in seinen Heimatort Sand in Taufers zurück, wo er in dem von seiner Familie geerbten Ansitz Neumelans eine Ordination eröffnete. Hier wirkte er knapp mehr als 50 Jahre lang von 1847 bis 1899 ununterbrochen als Privatarzt.
Die vorliegende Biografie befasst sich vorrangig mit dem Werdegang des Arztes, mit seinem sanitätspolitischen Engagement sowie mit den Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit den vorgesetzten Sanitätsbehörden. Auf der anderen Seite wurde aber versucht, durch die Analyse der Krankengeschichten und besonders der PatientInnenbriefe auch die noch unterbelichtete Sicht der PatientInnen und das Arzt-Patienten-Verhältnis zu erfassen. Die Arbeit beschäftigt sich weiters mit den bisher teilweise noch offenen Fragen der ärztlichen Ausbildung, des Arzthonorars und des Vermögens eines adeligen Landarztes der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie der Konkurrenz durch andere Ärzte und Laienheiler. Einen großen Raum nimmt das Thema der Behandlung von Geisteskrankheiten ein. Ottenthal war, obwohl "psychiatrisch" nicht ausgebildet, zuständig für die Versorgung und Behandlung von psychisch Kranken. Mit seinem Gutachten begann meistens, über mehrere Institutionen, der Weg in die Anstalt.
Mit Hilfe der spärlichen Privatkorrespondenz wurde zudem versucht, Einblick in den Alltag der Landarztfamilie von Ottenthal zu nehmen. Dieses typische Beispiel einer adeligen Familie bürgerlichen Stils setzte sich aus Personen zusammen, die im "Schwebezustand" zwischen Adel und Bürgertum waren, die einerseits durch Leistung, Qualifikation, Bildung und einem "Brotberuf" und andererseits durch Adelstitel, Vermögen und Grundbesitz charakterisiert waren.
Franz von Ottenthal war keine berühmte Arztpersönlichkeit wie Rudolf Virchow, Robert Koch oder Carl von Rokitansky. Dennoch stellt er - und das zu zeigen ist Ziel dieser Biografie - einen modernen, politisch engagierten, selbstbewussten Arzt dar und ist ein prägendes Beispiel für die Vermischung von Adel und Bürgertum in einem ländlichen Leben des 19. Jahrhunderts.
Die vorliegende Publikation soll einen Beitrag zur Erforschung der noch wenig beachteten und teilweise quellenarmen Medizin am Lande besonders der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts leisten. Sie versteht sich als Ausgangspunkt für neue Vergleichsstudien mit ähnlich gut erforschten Arztbiografien bzw. ärztlichen Nachlässen.
In dem Beitrag geht es um den sowohl lebenspraktisch als auch theoretisch-analytisch unauflösbaren Zusammenhang von Lebensgeschichte und Tod. Ausgehend von einigen Überlegungen zur Lebensdeutung und zum Sinn des Lebens wird die Professionalisierung des Lebenslaufs am Beispiel des Umgangs mit Sterben und Tod untersucht. Der soziale und komplexe Handlungsprozeß des Sterbens wird aus der Perspektive des Gesundheitsssystems, der Medizin und der helfenden Berufe beleuchtet. Dies entspricht der These einer zweiten Abspaltung des Todes in Form von sich dafür erklärenden Professionen der Medizin, der Psychologie und der Seelsorge, der Thanatogogik und Thanatotherapie und von Institutionen, die den Tod verhindern und das Sterben organisieren und verwalten. Die Überlegungen zusammenfassend wird auf die Gefahr hingewiesen, daß der soziale Dienst vom professionellen Experten nur noch als Arbeitsprozeß und nicht mehr als zwischenmenschlicher Interaktionsprozeß begriffen wird, der den Klienten in seiner psychosozialen Gesamtheit in den Mittelpunkt stellt. (RW)
This paper describes the results of the study on "Family-friendliness of the Medical Studies in Baden-Württemberg" carried out in 2009-2011 by the working group "Family, Time policy and E-Learning" of the University Hospital of Ulm, supported by the Ministry of Science, Research and the Arts of Baden-Württemberg. This state-wide survey of the studying conditions and personal circumstances of medical students with children at the five medical schools in Baden-Württemberg aims to describe existing and necessary factors of family-friendliness. A total of 238 students with children participated in the quantitative online survey conducted during the summer semester 2010 which was based on topics from previous qualitative interviews with student parents.The data shows that even though founding a family while at university is usually planned, student parents are faced with significant compatibility issues, demonstrating the need for additional measures to individualise course organisation and to make the curriculum more flexible. At the same time, the need to significantly increase information and advisory services alongside the establishment of additional support services for student parents is discernable.The study contributes to the debate on the family-friendliness of universities and university hospitals and adds practice-oriented approaches to solutions. ; Die vorliegende Arbeit beschreibt die Ergebnisse der im Zeitraum 2009-2011 durch die Arbeitsgruppe 'Familie, Zeitpolitik und E-Learning' des Universitätsklinikums Ulm durchgeführten, durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg geförderten Studie zum 'Familienfreundlichen Studium in der Medizin in Baden-Württemberg'. Die landesweite Erhebung der Studien- und Lebensbedingungen Studierender mit Kind in der Humanmedizin an den fünf Medizinischen Fakultäten in Baden-Württemberg hat zum Ziel, bestehende und notwendige Faktoren der Familienfreundlichkeit aufzuzeigen. An der quantitativen online-Umfrage im Sommersemester 2010, deren ...
Diese Arbeit widmet sich dem Auslandsstudium von japanischen Medizinern zwischen 1868 und 1900 in deutschsprachigen Ländern und dessen Beitrag zur Professionalisierung der westlichen Medizin in Japan. Die ausgewählten Akteure erhielten ausnahmslos nach ihrem Auslandsstudium Medizinprofessuren an der Tōkyō-Universität (Todai) oder ihren Vorgängerinstitutionen. Im Fokus der Arbeit steht ihre Studien- und Lebenspraxis während des Auslandsaufenthalts. Zusätzlich werden die Zusammenhänge zwischen ihren Lebenserfahrungen im Ausland und der Herausbildung der so genannten deutschen Ära in der japanischen Medizingeschichte der Meiji-Zeit dargestellt. Indem das Auslandsstudium aus der Sicht der Akteure betrachtet wurde, statt, wie in der bisherigen Forschung üblich, ausschließlich aus Sicht der Meiji-Regierung, konnte gezeigt werden, dass die Interessen der Akteure am Fortbestand des Auslandsstudiums in deutschsprachigen Ländern eine wesentliche Rolle gespielt haben. Die Akteure wurden in der vorliegenden Studie aufgrund zweier Kriterien, dem Grad ihrer Deutschkenntnisse und ihrem Ausbildungsstand in westlicher Medizin vor ihren Reisen nach Europa, in drei Gruppen eingeteilt. Beides hatte entscheidenden Einfluss auf die gesetzten Studienziele und auf die Handlungslogik während ihres Auslandsstudiums. Alle betrachteten Akteure sahen die Medizin in Deutschland als das Vorbild für die Professionalisierung der westlichen Medizin in Japan, die sie folglich nach Japan transferieren wollten. Insgesamt strebten die Akteure in ihrer Praxis während des Auslandsstudiums eine Anhäufung von symbolischem Kapital als Schüler deutscher Mediziner an. Dieses Kapital benötigten sie, um sich vor der japanischen Öffentlichkeit, der Regierung und den anderen japanischen Medizinern als Begründer einer westlich orientierten japanischen Medizin zu präsentieren. Eine zunehmende Identifikation der Akteure mit der deutschen Medizin im Laufe des Auslandsstudiums ist an ihrer Praxis auf verschiedenen Ebenen erkennbar. Die von ihnen angeeigneten ...
When looking at the discussion surrounding the disease tuberculosis, it is possible to identify a crucial shift in medical reasoning at the end of the nineteenth century, as regards its modes of perception, its subjective content, its social location and also the positioning of the medical gaze. Beginning with the implementation and experience of the model "Volksheilstätten" (sanatoria for the lower classes), for which there was a strong demand, there gradually emerged a critical evaluation of the model's ability to fight tuberculosis. The problems posed in this context center on the workings of a regulating ratio: An individual ratio confronted with the global risk from the disease and a universal strategic ratio which evaluates tactics in fighting the illness. For medicine ,care of the self' and gouvernementalite become topical. Through the process of pedagogisation and the hygienicisation of the body of the population, new techniques of medical politics emerged as a process leading from the understanding of individual lives and life-styles to the constitution of a complex of knowledge relating to the social and to techniques of ,caring'. ; When looking at the discussion surrounding the disease tuberculosis, it is possible to identify a crucial shift in medical reasoning at the end of the nineteenth century, as regards its modes of perception, its subjective content, its social location and also the positioning of the medical gaze. Beginning with the implementation and experience of the model "Volksheilstätten" (sanatoria for the lower classes), for which there was a strong demand, there gradually emerged a critical evaluation of the model's ability to fight tuberculosis. The problems posed in this context center on the workings of a regulating ratio: An individual ratio confronted with the global risk from the disease and a universal strategic ratio which evaluates tactics in fighting the illness. For medicine ,care of the self' and gouvernementalite become topical. Through the process of pedagogisation and the hygienicisation of the body of the population, new techniques of medical politics emerged as a process leading from the understanding of individual lives and life-styles to the constitution of a complex of knowledge relating to the social and to techniques of ,caring'.
'Dieser Aufsatz untersucht die alterskorrigierten Mortalitätsdaten für beide Geschlechter für ausgewählte Krebsarten (Lungenkrebs, Magenkrebs, Dickdarmkrebs, Brustkrebs, Krebs der Eierstöcke und Prostatakrebs) auf der Ebene der 328 Kreise der alten Bundesländer für die Jahre 1976 bis 1980 (Mittelwerte). Die ökologische Analyse prüft die Relevanz von sozialstrukturellen und soziokulturellen Kontextmerkmale auf der einen und von Indikatoren der Qualität der physischen Umwelt (Luft und Wasser) auf der anderen Seite für die Mortalität dieser Krebsarten. Als Ergebnis zeigt sich, daß die verschiedenen Krebsarten sehr unterschiedlich gut durch diese Prädiktoren erklärbar sind. Während beispielsweise der Lungen- und der Magenkrebs erstaunlich gut durch die genannten Variablen erklärt werden, gilt dies in keiner Weise für den Eierstock- oder den Prostatakrebs. Ferner zeigt sich, daß für verschiedene Krebsarten teilweise identische Prädiktoren bedeutsam sind, sich teilweise jedoch je spezifische Prädiktoren als relevant erweisen. Insgesamt scheint neben den Umweltvariablen (insbesondere Schwefeldioxidgehalt in der Luft und Chloridgehalt des Trinkwassers) jenen Prädiktoren eine erstaunlich große Bedeutung zuzukommen, die für die soziale Lage und für Lebensstile und Konsum- bzw. Gesundheitsverhalten stehen.' (Autorenreferat)
In: Discussion Papers / Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt Bildung, Arbeit und Lebenschancen, Forschungsgruppe Public Health, Band 2008-306
"Die demographische Alterung stellt eine bedeutende Herausforderung der deutschen Gesundheitspolitik dar. Die zentrale Frage lautet heute nicht mehr, ob die Bevölkerung immer älter wird, sondern ob hinzugewonnene Lebensjahre bei guter Gesundheit verbracht werden können. In diesem Beitrag wird ein Überblick über den Forschungsstand zur Entwicklung und zu Einflussgrößen der gesunden Lebenserwartung gegeben. Die für Deutschland vorliegenden Ergebnisse sprechen insgesamt dafür, dass die Bevölkerung immer länger lebt und auch länger gesund bleibt. Diese positive Entwicklung könnte auch den prognostizierten Ausgabenanstieg im Gesundheitssystem dämpfen. Allerdings profitieren nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen vom Anstieg der gesunden Lebenszeit, da große soziale Ungleichheiten in den Chancen auf ein langes und gesundes Leben bestehen." (Autorenreferat)
Thema dieser medizinhistorischen Arbeit ist die Bioergografie des Hamburger Ordinarius für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Karl Schuchardt (1901-1985). Dessen 100.Geburtstag im Jahre 2001 gab Anlaß zu dieser Forschungsarbeit, welche unter Anleitung der Medizinhistorikerin Prof. Dr. Ursula Weisser und des Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen Prof. Dr. Dr. Gerd Gehrke ausgearbeitet wurde. Schuchardt war nach dem zweiten Weltkrieg über zwei Jahrzehnte leitende Persönlichkeit der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Deutschland und eine internationale Fachgröße. In einer umfassenden historischen Würdigung werden sowohl sein persönlicher Lebensweg als auch seine wissenschaftlichen Leistungen unter Einbeziehung des allgemein- und medizinhistorischen Kontextes behandelt. Die Untersuchungen zum biografischen Teil nehmen vorrangig auf die 1920er bis 1950er Jahre Bezug. Ihnen liegen bisher unveröffentlichte schriftliche Quellen aus deutschen Archiven und Interviews mit Zeitzeugen, u. a. seiner Kinder und seines Neffen zugrunde. Berücksichtigung fanden Akten des Bundesarchivs in Berlin, des Staatsarchivs in Hamburg, des Archivs der Humboldt-Universität zu Berlin, des Universitätsarchivs in Freiburg i. Br., des Hamburgischen Architekturarchivs, des Kirchenbucharchivs Itzehoe, des Schularchivs der Kaiser-Karl-Schule in Itzehoe, der Archive des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in der Personalabteilung und im Institut für Geschichte der Medizin in Hamburg sowie graue Literatur aus der Bibliothek für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Schuchardts Werdegang wird in Zusammenhang gestellt mit dem Prozeß der zahnärztlichen Professionalisierung 1869-1952 und der Entwicklung des Fachgebietes Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie nach dem ersten Weltkrieg. Näher beleuchtet werden dabei der in Deutschland erloschene Berufsstand der Dentisten, die Studienbedingungen an den Lehreinrichtungen für Zahnheilkunde der von Schuchardt besuchten Universitäten in Freiburg i. Br., Kiel und München und die Arbeitsschwerpunkte an den im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts gegründeten Berliner Kieferkliniken der Charité und des Rudolf-Virchow-Krankenhauses, wo er seine wissenschaftliche Laufbahn begann. Breiten Raum nimmt die Darstellung der institutionellen Zusammenführung der Nordwestdeutschen Kieferklinik mit der Hamburger Universitätsklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten (ZMK) nach 1945 unter Schuchardt ein. Besonderes Interesse galt auch seiner Tätigkeit als Sanitätsoffizier der Deutschen Wehrmacht und dem Schicksal seiner Ehefrau Dr. med. Eva Schuchardt geb. Ries (1900-1995), deren Eltern jüdischer Konfession waren. Wegen des Antisemitismus in Deutschland emigrierte Frau Schuchardt mit den beiden Kindern des Ehepaares 1939 in die USA. Schließlich wird Schuchardts Verbundenheit mit den bildenden Künsten, insbesondere seine Freundschaft mit dem Itzehoer Künstler Wenzel Hablik (1881-1934) sowie sein Grundentwurf für den Neubau der Nordwestdeutschen Kieferklinik 1953, gewürdigt. Im werkorientierten Teil, dem 165 Veröffentlichungen Schuchardts aus den 1930er bis 1970er Jahren zugrunde liegen, werden seine wissenschaftlichen Schwerpunkte herausgestellt und seine Leistungen eingeordnet. Es überwiegen Publikationen über plastische und wiederherstellende Chirurgie im Kiefer-Gesichtsbereich, besonders über Rundstiellappenplastiken. Hauptwerk ist seine 1944 als Buch erschienene Habilitationsschrift Der Rundstiellappen in der Wiederherstellungschirurgie des Gesichts-Kieferbereiches. Im Streben nach ästhetisch ausgewogenen Operationsergebnissen verstand er sich als Künstler. Er entwickelte ein Dermatom, Unterlippen-Kinnplastiken, die gestielte Fettplastik, modifizierte die Augenhöhlen-, Nasen- und Mundvorhofplastiken nach Ganzer, die Ohrmuschelplastik nach Pierce, die Hautschlaufenbildung nach Rang, die Plastiken bei Mund-Antrumverbindungen nach Rehrmann und nach Kazanjian und die Wangenrotation nach Esser. Weitere Schwerpunkte waren die Chirurgie der Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, die Therapie von Frakturen des Gesichtsschädels, die orthopädische Chirurgie des Gesichtsschädels sowie die Diagnose und Therapie von Tumoren. Zwecks historischer Einordnung seiner Errungenschaften werden Abrisse der Geschichte der Brückenlappenplastik bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, der intraoralen dentalen Schienenverbände und der orthopädischen Chirurgie des Gesichtsschädels gegeben. Zur Abrundung werden eine chronologische und eine thematisch geordnete Bibliografie der Veröffentlichungen Schuchardts sowie ein Verzeichnis der unter seinem Direktorat an der ZMK angefertigten Dissertationen, ein Verzeichnis von Jubiläumsartikeln und Nekrologen, die zu seiner Ehrung erschienen und fünf Tabellen zu Lehrveranstaltungen und Lehrenden im Fach Zahnheilkunde an der Universität Hamburg 1946-1970 vorgelegt. ; The subject of this doctoral dissertation is the bioergography of Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Karl Schuchardt (1901-1985), maxillofacial surgeon and director of the Dental Institute and Clinic at the University of Hamburg from 1945 to 1970, the centenary of whose birth in 2001 prompted an investigation of his work. After the Second World War, Schuchardt became a leading expert in maxillofacial surgery in Germany and was one of the great international specialists. Research for the present work was carried out under the direction of the medical historian Prof. Dr. Ursula Weisser and the maxillofacial surgeon Prof. Dr. Dr. Gerd Gehrke. A critical study will reveal not only the surgeon's success, but also discusses Schuchardt's merits in research, academic life and hospital administration. His life history and career are placed in the political, social and medical context of his time. The biographical part concentrates on the three decades between 1920 and 1950. Extensive search in several archives and libraries all over Germany has yielded a multitude of relevant materials mostly unpublished. Sources from the following institutions have been consulted: Bundesarchiv (Berlin), Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg, Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsarchiv (Freiburg i. Br.), Hamburgisches Architekturarchiv, Kirchenbucharchiv (Itzehoe), Schularchiv der Kaiser-Karl-Schule (Itzehoe), Archiv des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf of the personnel department as well as of the Institut für Geschichte der Medizin (Hamburg) and Bibliothek für Wissenschaftsgeschichte (Berlin). Interviews with Schuchardt's two children and his nephew helped to shed light on his multifaceted personality. The emigration of his wife, the medical doctor Eva Schuchardt, née Ries (1900-1995), who was of Jewish descent, and his children to the USA in 1939 in order to escape antisemitic persecution was the most tragic episode of his life. The process of dental professionalisation in Germany from 1869 to 1952 played a major role in his father´s career as a non-academic dentist. Thus, Schuchardt early became familiar with different models of dental education, which later qualified him to promote unification of the profession on an academic level. Descriptions of the programs of studies at the dental institutes at Kiel, Freiburg i. Br. and Munich elucidate the particulars of Schuchardt's dental education. Research for a doctoral dissertation in medicine at University at Kiel followed. His training as an oral surgeon is strongly related to the establishment of the first civil clinics of oral surgery at the Rudolf-Virchow-Krankenhaus and at the Charité in Berlin in the second quarter of the 20. century. Entering the speciality of maxillofacial surgery was a result of his mobilisation as military surgeon during the Second World War. After the war, Schuchardt distinguished himself as director of a clinic of oral surgery in Hamburg, Nordwestdeutsche Kieferklinik, which he, after his appointment as full professor of dentistry, united with the Dental Institute of the University of Hamburg. In addition, Schuchardt´s lifelong passion for the visual arts and architecture is acknowledged and exemplified by his friendship with the artist Wenzel Hablik (1881-1934) from Itzehoe and Schuchardt´s designing of a new hospital building for his Clinic of Oral Surgery in Hamburg in 1953. Schuchardt´s ergography contains 165 publications, most of them written in the four decades between 1930 and 1970. In addition, he edited 16 works. Among his publications those on plastic and reconstructive surgery are in the majority, and his studies on tube flap plasty occupy a spesial place. His doctoral thesis, published as monograph "Der Rundstiellappen in der Wiederherstellungschirurgie des Gesichts-Kieferbereiches" in 1944, was his most influential book. In his efforts to achive aesthetic results in plastic surgery, he saw himself as an artist. He invented a dermatome and developed methods for cheilomentoplasty and a tubed lipoflap plasty. He modified Ganzer´s orbitoplasty, nasoplasty and vestibuloplasty, Pierce´s auricoloplasty, Rang´s skin loop plasty attaching auricuolar protheses, Rehrmann´s and Kazanjian´s plasties to close oroantral communication and Esser´s buccorotation. Other major contributions Schuchardt´s concern management of cleft lip and palate, management of facial fractures, orthognatic surgery as well as diagnosis and treatment of facial tumours. The significance of his achievements is emphasized by placing them in the general history of the field with special emphasis on the development of Langenbeck´s palatorrhaphy, of dental splints and arch bars and of orthognatic surgery. Nine appendixes contain his bibliography, presented chronologically as well as by theme, a list of the doctoral dissertations completed during his directorship, a list of anniversery articles and obituaries and finally five tables of university courses on dentistry and oral surgery given at Hamburg University Dental Clinic during his directorship.
Seit den späten 80er Jahren versucht man stärker die differentiellen Aspekte herauszuarbeiten, also zu zeigen, welche Personen unter welchen Bedingungen in der Pensionierung Gewinne oder Verluste erleben. Die vorliegende Analyse folgt diesem Trend anhand des Lebenserwartungssurveys, der (vorrangig) untersucht, inwieweit der Übergang vom zumeist recht langen Erwerbsleben in den Ruhestand zu Veränderungen in der subjektiven Bewertung des Gesundheitszustandes führt. Zudem gilt es zu klären, inwieweit Zusammenhänge zwischen der früheren Branchenzugehörigkeit, der beruflichen Stellung (Arbeiter, Angestellte, Beamte, Selbstständige) und der beruflichen Tätigkeit sowie zwischen früheren Arbeitsbelastungen (z.B. lange tägliche Arbeitszeiten, körperlich schwere Arbeit, hohe Verantwortung für Menschen u.a.m.) und dem Gesundheitszustand im Ruhestand gegeben sind.Die Untersuchung beabsichtig auch, den in der Öffentlichkeit noch vielfach anzutreffenden Versionen vom "Pensionierungsschock" oder gar "Pensionierungstod" entgegen zu treten. Die Studie zeigt insgesamt, dass der Übergang in den Ruhestand kein Ereignis für sich ist, sondern eine Veränderung im gesamten Lebenskontext mit einschneidenden Umgewichtungen in den äußeren Dispositionsspielräumen von Arbeit/Beruf/Familie und Privatheit, die auch erheblich geänderte Koordinationsleistungen gegenüber früher verlangen. Die Ergebnisse beruhen auf einer 1998 durchgeführten Wiederholungsbefragung bei Personen (Jahrgänge 1952 und früher), die bei der ersten Erhebung 1984/1986 am Erwerbsleben beteiligt waren (Erwerbstätige und Arbeitslose). (ICA2)