Die Ambition, auf den gesellschaftlichen Raum (erkenntnistheoretisch) einzuwirken, kennzeichnet bestimmte Spielarten kritischer Migrationsforschung. Die Beiträge des Bandes widmen sich der Frage, worin diese Ambition besteht und welche Möglichkeiten und Grenzen sie aufweist. Weiterhin finden sich empirische Studien, die die Möglichkeiten und Spielräume kritischer Migrationsforschung ausloten.
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Mit seinem Überblick über die Entwicklung von Hypothesen, Fragen, Ansätzen und Methoden der Historischen Migrationsforschung führt der Autor gleichzeitig in den IMIS-Arbeitsschwerpunkt "Wanderungen und Wanderungspolitik in Geschichte und Gegenwart" ein. Er betont, dass die Historische Migrationsforschung aufgrund der Breite ihres Forschungsfeldes auf Inter- und Transdisziplinarität angewiesen ist und dabei folgende zentrale Aufgaben verfolgen sollte: die Untersuchung des Wanderungsgeschehens und des Wanderungsverhaltens sowie deren Einbettung im Kontext der Bevölkerungs-, Wirtschafts-, Gesellschafts-, Kultur- und Politikgeschichte. Der Autor zeigt, dass die Historische Migrationsforschung als interdisziplinär orientierte Forschungsrichtung noch relativ jung ist, wobei ein internationaler Vergleich sehr unterschiedliche "Forschungslandschaften" offenbart. In Europa hat der Wandel zum Einwanderungskontingent im späten 20. Jahrhundert die Aufmerksamkeit für historische Wanderungsprozesse wesentlich erhöht, was auch im Hinblick auf Probleme der Selbst- und Fremdzuschreibung von Migranten gilt, die angesichts "multipler Migrantenidentitäten" ein sehr komplexes Forschungsfeld bilden. (ICI2)
"Der ursprünglich ebenfalls für den Historikertag vorgesehene, dann aber in der Festschrift zum zehnjährigen Jubiläum des IMIS vorabgedruckte Beitrag von Klaus J. Bade über 'Historische Migrationsforschung' wird hier in leicht überarbeiteter und aktualisierter Fassung vorangestellt. Er zeigt, daß Migrationen als Sozial- und Kulturprozesse gesellschaftliche Antworten auf mehr oder minder komplexe ökonomische und ökologische, soziale, kulturelle und mentale, aber auch religiös-weltanschauliche, ethnische, politische und andere Existenz- und Rahmenbedingungen sind. Das Beobachtungsfeld der Historischen Migrationforschung hat deshalb eine große Spannweite mit vielfältigen Überschneidungen: Bei der Frage nach Bestimmungskräften bzw. wanderungsbestimmenden Motivationen kann man, neben anderen Formen und Motivationen, z.B. wirtschaftlich und beruflich-sozial motivierte Migrationen eingrenzen und innerhalb dieses Feldes etwa Erwerbsmigrationen als Existenznotwendigkeit oder als Verbesserungschance von Migrationen zu Qualifikations- bzw. Ausbildungszwecken unterscheiden. Von so motivierten Migrationen kann man z.B. religiös-weltanschaulich, politisch, ethno-nationalistisch oder rassistisch bedingte Flucht- und Zwangswanderungen abgrenzen, bis hin zu den Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen des 20. Jahrhunderts, bei denen die Bewegung von Menschen über Grenzen häufig die Folge der Bewegung von Grenzen über Menschen war. Auch die in der öffentlichen Diskussion, in politischen Zuschreibungen und in der Forschung verbreitete Unterscheidung zwischen 'freiwilligen' und 'unfreiwilligen' Migrationen ist - von Zwangswanderungen (Flucht, Vertreibung, Zwangsumsiedlung) abgesehen - mitunter wenig hilfreich und eher irreführend; denn auch 'freiwillige' Migrationen wurden meist von vielerlei materiellen und immateriellen, durchaus nicht immer und insgesamt überblickten oder gar in rationaler Güterabwägung kalkulierten Bestimmungsfaktoren angetrieben. Zwischen 'freiwilligen' und 'unfreiwilligen' Migrationen liegt die in der historiographischen Beschreibung abgebildete historische Wirklichkeit des Wanderungsgeschehens mit ihren vielen Übergangsformen zwischen nach Struktur oder Motivation mehr oder minder unterscheidbaren Wanderungsbewegungen. Beschreibungen, Interpretationen und Analysen der Erscheinungsformen auch des historischen Wanderungsgeschehens bleiben dabei abhängig von historiographischen Zuschreibungen von Migranteneigenschaften und der Einschätzung und Gewichtung ihrer Rolle im Wanderungsverhalten - von Arbeitswanderern bis zu Flüchtlingen aus religiösen oder politischen Gründen. Auch zwischen aktuellen rechtlichen und migrationpolitischen Zuschreibungen und Gruppenbildungen wie 'Arbeitswanderern', 'Flüchtlingen' und 'Asylsuchenden' sind die Grenzen wegen der in aller Regel multiplen Migrantenidentitäten oft fließend. In der Konfrontation mit solchen Konzeptualisierungsproblemen gegenüber dem Phänomen Migration erscheinen Migrationsforschung und Migrationspolitik mitunter nicht sehr weit voneinander entfernt, trotz aller grundlegenden Unterschiede zwischen den Zuschreibungsinteressen auf beiden Seiten." (Autorenreferat)
Der Autor wirft die Frage auf, ob die Paradigmen der Migrationsforschung national in dem Sinne sind, dass sie als jeweilige Hybride zu verstehen sind, die aus der Ineinanderschachtelung politisch konstituierter Problemstellungen und ihrer Be- und Umarbeitung mit wissenschaftlichen Mitteln resultieren. Zur Klärung dieser Frage zeigt er zunächst, in welcher Weise die Migrationsproblematik politisch durch die Organisationsform der Nationalstaatlichkeit konstituiert ist und wie dies in den verschiedenen Nationalstaaten die jeweiligen Problemstellungen begründet, die dann üblicherweise zum Gegenstand der Forschung werden. Im Anschluss daran untersucht er, wie in der Migrationsforschung das Verhältnis zwischen Anwendungsbezug und Wissenschaftlichkeit, zwischen "Engagement und Distanzierung" (Elias) moderiert wird und welche nationalen Paradigmen daraus resultieren. Dabei geht es insbesondere darum, die Modi genauer zu bestimmen, in denen das Verhältnis von Politik und Wissenschaft als wechselseitigem Ermöglichungs- und Einschränkungszusammenhang in den verschiedenen Migrationsforschungen als Grundlage der verschiedenen nationalen Paradigmen ausgestaltet ist. Vor diesem Hintergrund wird schließlich die Frage diskutiert, in welcher Weise diese Konstellationen auch für eine international vergleichende Migrationsforschung von Bedeutung sind. (ICI2)
Der Beitrag resümiert den Forschungsstand der deutschen wie auch der internationalen Migrationsforschung. Diese hat sich in den letzten zehn bis 15 Jahren einer ganzen Reihe neuer Themen angenommen. Migrationstheorien bedienen sich heute, anders als in der Vergangenheit, vielfältiger disziplinärer Ansätze und Methoden. Hervorgegangen aus der die Nationalökonomie und Rechtswissenschaft umfassenden Staatswissenschaften, die das Rationale und Zählbare sowie das staatliche Interesse an ihr in den Vordergrund ihrer Betrachtungen stellten, entwickelt sich Migrationsforschung gegenwärtig noch stärker zu einem disziplinübergreifenden Ansatz, der das individuelle Erleben und die damit verbundenen psychischen Belastungen als wichtigste Phänomene des Migrationsprozesses ansieht. Die Hinwendung zur qualitativen Migrationsforschung hat damit zu tun, dass nicht mehr der Migrationsvorgang selbst, die Zahl der Migranten oder die Beweggründe ihrer Wanderung das Interesse der wissenschaftlichen Öffentlichkeit erregen, sondern dass es heute schon und vermehrt in der Zukunft hauptsächlich um die Eingliederung, um die Integration der Zuwanderer geht, dass es darum geht, ihnen einen Platz in der Aufnahmegesellschaft zuweisen zu können, der ein Zusammenleben von Einheimischen und Zuwanderern erleichtert. Integration wird - jedenfalls in den Einwanderungsländern - in naher Zukunft zum wichtigsten Thema der Migrationsforschung werden. (ICA2)
Migration kann nicht ohne die Differenzierung von Räumen und Orten gedacht werden. Die Art und Weise, wie in Migrationsforschung sowie in Migrations- und Integrationspolitiken Räume gedacht und gemacht werden, ist bislang allerdings nur sehr vereinzelt reflektiert worden. Ausgehend von der Annahme, dass eine solche Reflektion wissenschaftlich fruchtbar und politisch sinnvoll ist, systematisiert und diskutiert der Artikel zentrale Konzeptualisierungen von Räumen und Orten in der interdisziplinären Migrationsforschung und arbeitet ihre jeweiligen Stärken und Schwächen heraus. Ziel des Beitrages ist es, ein Verständnis für die grundsätzliche Kontingenz und Pluralität von Räumen der Migration zu vermitteln und auf diese Weise Grundlagen zu schaffen für eine (selbst-)kritische Weiterentwicklung sowohl der Migrationsforschung als auch des politisch-administrativen Umgangs mit Migration. ; Differentiating spaces and places is a precondition for conceiving migration. However, there has to date been little discussion of the modalities in which spaces are conceptualised and (re-)produced in both migration studies and in politics of migration and integration. Starting from the assumption that such a discussion is scientifically fruitful and politically reasonable, this paper systematises and contrasts important conceptualisations of spaces and places within interdisciplinary migration studies and explains their specific potentials and weaknesses. Understanding the contingency and plurality of spaces of migration is presented as being crucial for the self-critical development of migration studies and the political and administrative "handling" of migration. Migration studies - theories of space - spatial turn