"Kulturpolitik für die Popkultur" - aber welche Popkultur?: Ein Plädoyer für den Mainstream
In: Kulturpolitische Mitteilungen: Zeitschrift für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V, Heft 148, S. 30-33
ISSN: 0722-4591
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In: Kulturpolitische Mitteilungen: Zeitschrift für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V, Heft 148, S. 30-33
ISSN: 0722-4591
Blog: Rechtspopulismus
In diesem Beitrag stellt Clara Hirn folgenden Aufsatz vor:Klingmann, Heinrich (2022): POPulismus, POPkultur und Pop-Didaktik; in: Beate Flath u.a. (Hg.): Druckwellen, Eskalationskulturen und Kultureskalationen in Pop, Gesellschaft und Politik, S. 57-74.Heinrich Klingmann thematisiert in dem Kapitel seines Buches den Hintergrund und die Beweggründe für die Rede Campinos nach der Echo-Preisverleihung 2018, welche die Hip-Hop-Künstler Kollegah und Farid Bang gewannen. Außerdem behandelt der Autor die Unterschiede zwischen Populismus, Popkultur und Pop-Didaktik in der heutigen Kultur und die Einflüsse des (Rechts-)Populismus auf die zwei anderen Begriffe Popkultur und Pop-Didaktik.Campino vertritt in seinem Statement zwei unterschiedliche Blickwinkel mit je anderen Aspekten. Zum einen geht es um die "Debatte um den ´Geist´" (S. 66), wobei (neu-)rechte Aktivitäten, Interventionen und Attacken im öffentlichen Raum im Zentrum der Betrachtung stehen. Zum anderen geht es um die "Grenzen der Toleranz" (S. 66), wobei weniger gesellschaftliche Umgangsformen als vielmehr musikalische und musikbezogene Umgangsformen aus einer popkulturellen Perspektive in den Blick genommen werden. Hierbei stellt sich die Frage: Inwiefern haben zwei so unterschiedliche kulturelle Manifestationen wie Populismus und Popkultur eine Schnittmenge bzw. Gemeinsamkeiten?Totalitäre Systeme entstehen nicht einfach so, sie entwickeln sich stetig. Diese autoritäre Machtausübung äußert sich vor allem in Suspendierungen und Sanktionen der öffentlichen Debatte, indem sie zunehmend durch gewaltförmige "Gleichschaltung [und eine] nahezu alle und alles ergreifende soziale Kontrolle " (S. 67) ergänzt wird. Ein Ansatzpunkt zum Erlangen einer solchen Kontrolle ist ein erzieherischer Übergriff auf die Gesinnung des Individuums.In der Musikpädagogik beispielsweise steht hierfür eine an einem musischen Menschenbild orientierte musische Erziehung, wobei sich diese grundlegende Orientierung zur Instrumentalisierung für die Zwecke der nationalsozialistischen Diktatur eignete. Wie auch in der ganzen nationalsozialistischen Zeit war eine einzelne Person nichts mehr wert, der Mensch allein war entmündigt.Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte in der Musikpädagogik in Deutschland eine neumusische Phase. Theodor W. Adorno kritisiert diese sogenannte "Erziehung durch Musik zur Gemeinschaft" (S. 68) folgendermaßen: "Der Kultus der Gemeinschaft als Selbstzweck gehört den Nationalsozialisten und Volksdemokraten russischen Stils an. Er ist wesentlich totalitär: stets schwingt in ihm die Tendenz zur Unterdrückung des Einzelnen mit. Eine wirkliche Gemeinschaft aber wäre eine von freien Menschen." (Adorno 1973, zit. nach S. 68).Laut Umberto Eco ist das "Volksganze" (S. 68) ein hermetisch geschlossenes Ganzes, das den Volkswillen mit spezifischer Qualität repräsentiert, bei welchem sich Personen gegen das Volk stellen, indem sie gegen solche Interpretationen opponieren und somit als Volksfeind*in gelten. Die Konstruktion des Volksganzes braucht klare Grenzbeziehungen, die Grenzen der (Mit-)Menschlichkeit mit sich bringen. In diesem Zusammenhang steht auch die Populismus-Definition Jan-Werner Müllers.Vertreter des Populismus sind auch die metapolitischen Faschisten. Die Mitglieder der Identitären Bewegung in Deutschland instrumentalisieren linke Theoriebezüge und geben vor, von diesen Theorien gelernt zu haben. Sie verfolgen das Ziel der Volkskonstruktion auf zwei Weisen. Zum einen wird eine durch kulturelle Praktiken hergestellte Veränderung des gesellschaftlichen "Geistes" im Sinne einer Normalisierung und Legitimation von Ausgrenzungen auf Grundlage rassistisch ethnischer Zuschreibungen betrieben, zum anderen nicht auf unmittelbare politische Erfolge zielende ethnische Zuschreibungen (vgl. S. 72).Der Effekt dieser Strategie ist folgender; Man versucht, die für die pluralistischen Gesellschaften konstruktive Konsensfähigkeit unter Berufung auf die Meinungsfreiheit gleichsam zu überdehnen. Die daraus entstehende "metapolitische Botschaft", deren "suggestiver Charakter nicht klar als solcher [erkannt wird]", zielt damit im Kern darauf, "den allgemeinen Konsens zu zerstören" (Benoist, zit. nach S.73).Mit dem ´Pop` kam in den 1950er Jahren ein neues Spiel in die Welt, welches eine Initialzündung für die produktions- und rezeptionsbezogene Aneignung schwarzer Musik durch Weiße im Kontext des Rock´n´Rolls war (vgl. S. 74). Der Rock´n`Roll dient in diesem Zusammenhang als Mittel der allgemein verständlichen Benennung eines entstandenen Stilmixes, wodurch man deuten kann, dass man Pop nicht klar definieren kann. Es ist ein nicht abschließbares Projekt (vgl. S. 75).In der musikalischen Praktik des Pop geht es nicht darum, eine in einem Werk als "embodied meaning" enthaltende Bedeutung interpretierend darzustellen. Im Gegenteil: Es geht darum, "engendered feelings" herzustellen, welche sich in Form von bedeutsamen Gefühlen, Interaktions- und Kooperationsprozessen äußern und die von der gemeinsamen Gestaltung des Musizierprozesses abhängt (S. 75). Vor diesem Hintergrund kann das Spiel der Neuen Rechten mit Bedeutungszu- und -umschreibungen als eine Umwidmung popkultureller Praktiken gelesen werden: Es gilt, die individuelle Freiheit abzuschaffen, das Pop-Spiel mit Un-Eindeutigkeiten zu beenden."Kulturkämpfe" entfalten sich im Kontext einer Entwicklung, die dazu geführt hat, dass die Orientierung am Allgemeinen zunehmend durch eine Singularisierung abgelöst wird. Eine Singularisierung ist eine zunehmend sämtliche Lebensbereiche umfassende Kultur der Bewertung. Bei dieser Kulturalisierung wird der gegenwärtige Populismus als eine Folge aus der sich ergebenden Desintegration und des Verlusts an Gemeinsamkeiten identifiziert. Dies stellt ein Symptom der Krise des Liberalismus dar (S. 77).In der deutschen Musikpädagogik wiederum war der Unterricht an der "Sache" orientiert. Das bedeutet, dass die musikalische und musikbezogene "Gebrauchspraxis" zunehmend berücksichtigt wurde. Das Statement Campinos zur Echo-Preisverleihung ist also ein Ausweis musikalischer Bildung sowie ein Ausruf der Bedrohung der musikalischen Bildung. Die Pop-Didaktik eröffnet die Möglichkeit, sich in musikalischen und musikbezogenen Tätigkeiten in einem von Heterogenität und Grenzüberschreitungen geprägten kulturellen Feld mit popkulturellen Artefakten über subjektive Ansichten zu streiten (S. 78).
In: Pop: Kultur und Kritik, Band 3, Heft 2, S. 97-120
ISSN: 2198-0322
In: Pop: Kultur und Kritik, Band 2, Heft 1, S. 156-176
ISSN: 2198-0322
In: Medien und Minderheiten, S. 239-249
Der Autor beschäftigt sich mit der Popkultur im Web 2.0. Er zeigt, dass Popkulturen ausgehend von musikalischen Artefakten komplexe Bedeutungsgeflechte aufbauen, die neben der fundierenden, geteilten Ansicht bezüglich des Musikgeschmacks auch verbindliche Moden, Lebensentwürfe, Weltanschauungen und Sprachverwendungen aushandeln. Die Frage, ob die Popkultur minoritäre Positionen begünstigt oder durch Standardisierung und "Einheitsbrei" ersetzt, ist in der akademischen Beschäftigung mit diesem Thema jedoch umstritten. Wie alle gesellschaftlichen Bereiche erfahren Popkulturen durch das Web 2.0 eine grundlegende Transformation, wie der Autor am Beispiel des sozialen Internetradios "Last.fm" verdeutlicht. Die Bewertung dieses Umstands schwankt dabei wiederum zwischen der Betonung der Möglichkeit zur Repräsentation von minoritären Pop-Geschmacks-Positionen (auch über lokale Begrenzungen hinweg) und der Befürchtung einer Nivellierung und Verstärkung des bereits Populären durch Rückkopplung. Dies wirft die Frage auf, inwieweit das Web 2.0 den viel zitierten "Mainstream der Minderheiten" für Popkulturen endlich möglich macht oder ob es vielmehr zu Konzentration und Konformismus führt. (ICI2)
In: Kultur- und Medientheorie
Was ist jüdisch? Die Frage nach kulturellen Zuordnungen und religiösen Traditionen wird in der Popkultur oft auf überraschende und spielerische Weise beantwortet. Auch das Judentum erscheint in der Popkultur des 20. und 21. Jahrhunderts nicht als etwas Festes, sondern als wandelbare Figur in einem immer neu zu inszenierenden Spiel. Caspar Battegays Essay geht diesem Spiel mit Figuren des Jüdischen in einer Auswahl ganz unterschiedlicher Filme, TV-Serien, Songs und Texte nach. Dabei wird nicht nur ein neuer Forschungsbereich für die Jüdischen Studien in Deutschland erschlossen - auch die Theorie der Popkultur wird um die bislang vernachlässigte Dimension des Jüdischen bereichert.
In: Merkur: deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Band 62, Heft 7, S. 630-635
ISSN: 2510-4179
Der Autor zeichnet die Entstehung und Verbreitung der Jugendkultur der "Halbstarken" in der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR gegen Ende der 1950er Jahre nach. Es ist seines Erachtens nicht die angebliche Gewalttätigkeit der jugendlichen Rocker und Motorradfahrer, sondern ihr generationeller Stil, der die Halbstarken deutlich von der älteren Generation abgrenzt. Dennoch haben sie bei ihrem Lebensstil vieles von vorangegangenen Generationen übernommen, z.B. die Musik von den Swings, die bunte Kleidung von den "Zoot Suiters" und die Straße von den wilden Cliquen der vierziger Jahre. Die Halbstarken waren jedoch die erste Generation, die sich weltweit identisch unter den Zeichen einer neuen Zeit formierte. Ihre an technischen Innovationen orientierte Kultur erhob den Rhythmus und die Geschwindigkeit zum Paradigma. Nachfolgende Generationen praktizieren unter Namen wie Mods, Rocker oder Punks nur Variationen dieses erstmals in den 1950er Jahren verbreiteten, transnationalen Identitätskonzeptes im Namen des Pop. Es spricht somit nach Meinung des Autors einiges für die These, dass die Popkultur mit den Halbstarken erst richtig begann. (ICI2)
Die Popkultur liebt den Blick in den Abgrund. In seiner funkelnden Schwärze entdeckt sie einen Spiegel ihrer Selbst, ihrer geheimen Begierden und Leidenschaften, aber auch ihrer Ängste. Die Dialektik der (Nicht)Farbe Schwarz ist der Ariadnefaden, an dem uns das vorliegende Buch auf eine Reise mitnimmt, die gesäumt ist von befremdlichen, beängstigenden und faszinierenden Pflanzen: Sie beginnt 1968, als die moderne Popkultur nach und nach ihre Unschuld verlor, und sie endet in der beängstigenden medialen Selbstdarstellung von Rechtsextremen und Islamisten.
In: Archiv der Jugendkulturen
In der Tradition des 1997 von SPoKK herausgegebenen "Kursbuch JugendKultur" stellt dieser Band Anschlüsse an eine aktuelle Forschungsagenda am Schnittpunkt von Jugend-, Medien- und Popkultur her. Dabei stehen Leitfragen im Mittelpunkt, die zwischen jugendkulturellen Akteuren, Anliegen und Ausdrucksweisen differenzieren und für alternative Sichtweisen sensibilisieren sollen: + Wie verändern Medien popkulturelle Produktion und jugendkulturelle Rezeption? + Wie formiert sich Protest unter den Bedingungen von Globalisierung und Politikverdrossenheit? + Wie werden die aktuellen Veränderungen jenseits des wissenschaftlichen Mainstream reflektiert? Antworten an den Schnittstellen zwischen Feuilleton, Wissenschaft und Literatur liefern u.a. Diedrich Diederichsen, Birgit Richard, Tim Staffel und selbstverständlich die Mitglieder des Autorenkolektivs SPoKK (www.spokk.de)
Die im November 2004 verstorbene Journalistin, DJane und Radiomoderatorin Tine Plesch hat nicht nur frühzeitig die Bedeutung der Band Bikini Kill herausgestellt, sondern auch unzählige weitere feministische Themen im deutschen Popjournalismus lanciert; stets mit dem Enthusiasmus des Fans unter Beibehaltung eines kritischen Blicks. Viele ihrer Texte zu Riot Grrrl und Ladyfesten, elektronischer Musik und weiblicher Repräsentation, Gegenkultur und Gewalt oder Geschlechterverhältnissen in der Popkultur und im Popjournalismus haben bis heute nicht an Aktualität verloren. Tine Plesch hat ihren Blick stets auf jene gerichtet, egal ob Frauen oder Männer, die sich nicht in bequeme Rollen gefügt haben, sondern aus Liebe zum Leben nach etwas Besserem Ausschau hielten. Auf Menschen, die auf der Suche waren, für die Leben kein abgeschlossener Prozess war, sondern ein Abenteuer mit offenem Ausgang. "Als Studentin begann sie ihren "Brotjob" (Aushilfe in der Apotheke des Bruders), verfasste ihre Doktorarbeit über wahnsinnige Frauenfiguren im englischsprachigen Roman, nebenher (dieser Begriff ist in diesem Zusammenhang maximal unpassend) begann sie journalistisch zu schreiben. Vorwiegend über ihre Herzensangelegenheit: Genderverhältnisse in Pop und Rock, die sie mit scharfem Blick und spitzer Feder analysierte, kommentierte, in Frage stellte – klug und klar, nie verletzend oder polemisch. Sie schrieb über queere CountrymusikerInnen, deutsche Hip-Hopper, Janis Joplin, Riot Grrrlsm, Annie Sprinkle und über immer wieder über Krimis, was ihr den Spitznamen "Queen of Crime" einbrachte. Ihre Texte erschienen in Intro, testcard und vielen anderen Publikationen, bildeten einen kritischen Gegenpol zum affirmativen Gutfinde-Stil vieler Schreiber" (culturmag.de)