"The publications of the interdisciplinary and internationally networked Research Platform "World Order – Religion – Violence" seek to improve our understanding of the relationship between religion, politics and violence. It therefore deals especially with the return of religious themes and symbols into politics, with the analysis of the link between political theory and religion, and finally with the critical discussion of the secularization thesis. At the centre of the research are questions concerning the causes of violent conflict, the possibilities for a just world order and the conditions for peaceful coexistence on a local, regional, national and international/worldwide scale between communities in the face of divergent religious and ideological convictions. Its task is to initiate and coordinate thematically related research-efforts from various disciplinary backgrounds at the University of Innsbruck. It creates a network between departments, research-teams and single researchers working on topics of religion, politics and violence. The overall aim of the research platform World Order-Religion-Violence is to promote excellence in social and human science research on religion and politics at the University of Innsbruck and to guarantee the diffusion of this particular competence on a national and international level."
Mit dem Konzept der Grundordnung verbindet sich eine vieldeutige Semantik, die das Zusammenspiel von Grund (als Boden/Territorium) mit dem Grund der Begründung betrifft, das für die Konstitution wie auch Geltungsbereich von Verfassungen eine wichtige Rolle spielt. Die kulturwissenschaftliche Perspektive der Frage nach Grundordnungen richtet sich auf jene Voraussetzungen, die im Zuge der juristischen Verengung des Begriffs ausgeschlossen worden sind. Damit gehen die Untersuchungen dieses Bandes hinter bzw. vor die juristische Semantik des Verfassungsbegriffs zurück. Untersucht werden die vielfältigen Übergänge zwischen Kultur, Religion und Gesetz und damit diejenigen Praktiken und Konzepte, mit denen das Selbstverständnis eines Volkes in konkrete politisch-juristische Grundsätze oder Grundrechte transformiert wird. "Mit der Frage nach der Grundordnung gehen die Untersuchungen dieses Bandes hinter bzw. vor die juristische Semantik des Verfassungsbegriffs zurück. Denn dieser ist, wie andere moderne Fachtermini auch, das Ergebnis einer Verengung. Die 'Verfassung', zunächst ein 'Erfahrungsbegriff', "der den politischen Zustand eines Staates umfassend wiedergibt", habe sich zum Begriff für den "rechtlich geprägten Zustand eines Staates" verengt und falle "nach dem Übergang zum modernen Konstitutionalismus mit Gesetz in eins", währenddessen der Begriff des Gesetzes nun "die Einrichtung und Ausrichtung der staatlichen Herrschaft regelt" und "damit selbst vom deskriptiven zum präskriptiven Begriff" wird, so Dieter Grimm, der die genannte Verengung damit erklärt, dass der Begriff der 'Verfassung' seine "nichtjuristischen Bestandteile zunehmend" abgestoßen habe. Diese nichtjuristischen Bestandteile aber sind Grundlage und Voraussetzung des Grundgesetzes, das sich eine Gemeinschaft gibt, um sich als politisch-rechtliches Gebilde zu konstituieren. Sie betreffen das Selbstverständnis eines politischen Gemeinwesens, ob Land, Staat oder Föderation, das tiefer und weiter zurück reicht als das Gesetz."
Der Beitrag bettet das Verhältnis von Religion und Politik in den systematischen Rahmen der Theorie funktionaler Differenzierung ein. Dabei wird betont, dass die Grundkonstellation der Trennung zu unterschiedlichen Mustern des In-Be- ziehung-Setzens von Religion und Politik im nationalen und globalen Rahmen geführt hat, die von staatskirchlicher Indienstnahme der Religion, parteipo- litischer Organisation religiöser Interessen über eine fundamentalistische Po- litisierung der Religion bis zum Handeln aus dem Glauben im zivilgesellschaft- lichen Rahmen reichen. Der Beitrag verweist darauf, dass es aus religions- soziologischer Perspektive gute Gründe gibt, den seiner politischen Dimen- sion gewissen christlichen Glauben auf die Zivilgesellschaft als primären Ort des Handelns zu verweisen. The article incorporates the relationship of religion and politics into the syste- matic frame of the theory of functional differentiation. It is highlighted that the fundamental constellation of separation led to different patterns of relating religion and politics in the national and global frame. Those patterns range from state clerical usage of religion, party political organisation of religious interests to fun- damental politicisation of religion and even to acting out of faith in a civil societies' frame. The article states that there are good reasons from a religious sociological perspective to refer the in its political dimension kind of Christian faith to civil society as the primary place of acting.
Das Forschungsinteresse an Ludwig Börne galt und gilt in erster Linie den Bereichen Politik, Kultur und im Besonderen der Thematik Judenemanzipation. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Man sollte bei Börne vor allem kein System suchen. Weder Philosoph noch Theologe, stand für ihn die durchgängige Priorität der Politik einer kohärenten Behandlung religiöser Themen im Wege. Dass in allen seinen, auch den der Aktualität gewidmeten Texten eine dezidiert ethische Grundhaltung wahrnehmbar ist, wurde zwar in der Forschung selten geleugnet: Glaube und Menschenliebe, Toleranz und Wahrheitssuche prägen weitgehend Börnes Bild. Dennoch hält sich daneben das Klischee des exaltierten Jakobiners und naiven, kurzsichtigen Deisten, wie es seit Heine nahezu bis heute tradiert wird. Auch auf diesem Hintergrund wird man die im Folgenden skizzierten Stationen von Börnes religiöser Entwicklung reflektieren müssen.
Das Verhältnis von Religion und Politik ist in den vergangenen Jahren verstärkt in den Fokus der Forschung gerückt. Die Autoren dieses Bandes widmen sich diesem Verhältnis unter einer besonderen Zuspitzung. Ihre Beiträge analysieren, inwiefern es zum Selbstverständnis von Religionen gehört, einen Beitrag zur Gestaltung der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit leisten zu sollen. Mit dieser Problematik verknüpft ist eine zentrale Frage: Wie erklärt und wie äußert sich der Anspruch von Religionen, eine »politische Aufgabe« zu besitzen? Im Fokus stehen die drei großen monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, wobei für das Christentum zusätzlich die konfessionellen Differenzen in den Blick kommen, die zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen der politischen Aufgabe des Christentums geführt haben.Für alle drei monotheistischen Religionen nehmen die Beiträger jeweils eine Doppelperspektive ein: historische Beispiele erhellen die jeweiligen Bedingungen und Kontexte für religiös motivierte Teilhabe an politischer Gestaltung und Verantwortung; Systematische Entfaltungen versuchen eine Einbettung dieser Beispiele in die spezifischen Denkhorizonte der jeweiligen Religionen. Das so erhobene politische Selbstverständnis der Religionen wird schließlich mit der Fremdwahrnehmung dieses Selbstverständnisses aus nichtreligiöser Perspektive kontrastiert.
Das in einer "Gesellschaft des langen Lebens" zunehmend bedeutsame Feld der religiösen/kirchlichenBildung im Alter(n) wird im Horizont dreier unterschiedlicher Zugänge durchbuchstabiert: Ein ersterTeil fokussiert auf die kirchliche Altenbildung, insofern sie sich durch ihre kirchliche Trägerschaft undspeziell über die Kategorie "Alter" definiert; danach richtet sich der Blick – unter besonderer Beachtungdes Bildungsbegriffs – auf die Bildungsarbeit mit alten und älteren Menschen als Bereich kirchlich-konfessioneller Erwachsenenbildung; ein letzter, religionsgeragogisch ausgerichteter Teil stellt aufreligiöse Bildungsprozesse im Alter ab, denkt also religiöse/kirchliche Bildung im Alter als Teilbereichreligiös-spiritueller Erwachsenenbildung. Diese drei Zugänge lassen das Bild einer pluralitätssensiblenreligiösen/kirchlichen Bildung im Alter(n) entstehen, welche alten Menschen – in Ernstnahme derpolitischen, diakonischen, relationalen, der biografischen wie leiblich-seelisch-geistigen Dimensionendes Bildungsbegriffes – Gestaltungs-, Partizipations- und Möglichkeitsräume unter der Perspektive desTranszendenten eröffnet.In a "society of longevity", the field of geragogy (a scientific discipline concerned with educationaltheories, processes and methods for older adults) becomes increasingly significant in society as well asin the realms of religion and church. This article discusses geragogy in three different ways. The firstpart focuses on the education of older adults within the church, in so far as it is funded by church andespecially defined by the category "age". The second part discusses the educational efforts for thebenefit of old and elderly people in the area of denominational andragogy paying special attention tothe theoretical concept of education. The last part deals with religious geragogy pointing to the importanceof the religious-spiritual developments in older people's lives. It describes religious educationin older age as one sector of religious-spiritual adult education. These three accesses lead to theidea of a religious/ecclesiastical geragogy, which is sensitive to the plurality among the elderly. It willtake seriously the political, diaconal, relational, biographic as well as the physical-mental-spiritualdimensions of education and will open up spaces for participation and creative activities in the face ofthe divine.
Den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bildet die Diskrepanz zwischen einer seit der Jahrtausendwende in Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik stark gestiegenen Aufmerksamkeit für die Bedeutung von Religion in Integrationsprozessen von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sowie dem gleichzeitig eklatanten (empirischen) Forschungsdefizit zu diesem Thema. Aufgrund dieser lückenhaften Forschungslage besteht das Ziel der Arbeit darin, die theoretischen Zusammenhänge zwischen einzelnen Dimensionen des Religiösen (insbesondere der religiösen Zugehörigkeit, den religiösen Überzeugungen und der religiösen Partizipation) auf der einen Seite sowie ausgewählten Dimensionen der Sozialintegration (sozial, strukturell und emotional-identifikativ) von Zuwanderern in Deutschland auf der anderen Seite zu spezifizie-ren und auf der Basis unterschiedlicher quantitativer Datensätze empirisch zu analysieren. Die kumulative Dissertation umfasst drei Forschungsartikel, die sich jeweils mit der Rolle von Religion für eine spezifische Dimension des Integrationsprozesses beschäftigen. Die Ergebnisse deuten insgesamt darauf hin, dass die Effekte von Religion für die Integrationsprozesse der betrachteten Zuwanderergruppen in Deutschland eher marginal ausfallen. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu anderen, weitaus gewichtigeren Faktoren wie den Sprachkenntnissen oder der Arbeitsmarktteilhabe. Dies heißt nicht, dass religiöse Aspekte gar keinen Einfluss auf die Integration von Zuwanderern in Deutschland ausüben. Auch in den vorliegenden Arbeiten zeigen sich vereinzelte Effekte wie zum Beispiel, dass eine stärkere Einbindung in religiösen Gemeinschaften unter neu nach Deutschland zugezogenen Muslimen aus der Türkei den Aufbau interethnischer sozialer Beziehungen positiv beeinflusst. Auch zeigt sich im Hinblick auf die Bildungsteilhabe, dass hochreligiöse evangelische Schüler*innen selbst unter Kontrolle sozioökonomischer und demographischer Kontrollvariablen signifikant häufiger ein Gymnasium besuchen als Schüler*innen anderer Religionszugehörigkeit. Und auch bei den aktuell Geflüchteten zeigt sich zum Beispiel, dass hochreligiöse muslimische Männer tendenziell eher traditionelle Geschlechterrollenbilder befürworten als weniger religiöse Personen oder Geflüchtete christlichen Glaubens. Die einzelnen Effekte sind jedoch allesamt eher als gering einzuschätzen, so dass die Arbeit insgesamt zu dem Ergebnis kommt, dass die Bedeutung von Religion für die gesellschaftliche Teilhabe von Zuwanderern in Deutschland in den Integrationsdiskursen der letzten Jahre überschätzt wurde. ; The starting point of this doctoral thesis is a discrepancy between an increased attention paid to the importance of religion in the integration processes of people with a migration background in Germany since the turn of the millennium in academia, the public and politics, and the simultaneously glaring (empirical) lack of research on this topic. Due to this patchy research situation, the aim of the paper is to specify the theoretical relationships between individual dimensions of religiosity (especially religious affiliation, religious beliefs, and religious participation) on the one hand and selected dimensions of integration (social, structural, and emotional-identificational) of immigrants in Germany on the other hand and to analyze them empirically on the basis of different quantitative data sets. The cumulative dissertation includes three research articles, each dealing with the role of religion for a specific dimension of the integration process. Overall, the results suggest that the effects of religion on the integration processes of the immigrant groups considered in Germany are rather marginal. This is particularly true in comparison with other, far more important factors such as language skills or labor market participation. This does not mean that religious aspects have no influence at all on the integration of immigrants in Germany. The thesis also finds isolated effects, such as the fact that stronger involvement in religious communities among Muslims from Turkey who have recently moved to Germany has a positive influence on the development of interethnic ties. With regard to participation in education, it is also evident that highly religious Protestant students attend a Gymnasium significantly more often than students of other religions, even when controlling for socioeconomic and demographic variables. And among refugees, for example, it can be shown that highly religious Muslim men tend to endorse more traditional gender role models than less religious individuals or refugees of Christian faith. However, the individual effects are all to be assessed as rather small, so that the thesis as a whole comes to the conclusion that the importance of religion for the social participation of immigrants in Germany has been overestimated in the integration discourses of recent years.
Burkas in Frankreich, Moscheebau in Köln, Minarette in der Schweiz - der öffentliche Diskurs über die Integration von Muslimen in Deutschland und Europa ist geprägt vom Konflikt zwischen Religionsfreiheit und der westlichen Trennung von Religion und Politik. Doch wie neutral muss der Staat hier eigentlich sein? Wie können die Errungenschaften der Aufklärung verteidigt werden, ohne dass das Recht auf Religionsausübung verletzt wird? Und welchen Stellenwert hat Religion in den modernen westlichen Gesellschaften noch? Diesen und weiteren Fragen gehen die Beiträge in diesem Band nach. Expertinnen und Experten aus den Bereichen der Islamwissenschaft, Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Migrationsforschung beleuchten das Verhältnis von Staatlichkeit und Religion.
Der Glaube an die Wissenschaft scheint derzeit zu erodieren und die Kulturpessimisten sehen das Ende der Aufklärung, der Wissenschaft und der westlichen Gesellschaft nahen. Die Prognose der kulturpessimistischen Philosophen und Autoren wie beispielsweise des französischen Philosophen Michel Houellebecq, des slowenischen Kulturkritikers Slavoj Žižek oder des deutsch-koreanischen Philosophen Byung-Chul Han sind düster. Sie prophezeien die Rückkehr der Religionen und damit das nahe Ende Europas. Die Aufklärung, die Wissenschaften hätten falsche Versprechen gemacht und keinen Werteersatz für die Religionen geboten. Sie hätten komplett versagt. «Der Laizismus, der Rationalismus und die Aufklärung, deren Grundprinzip die Abkehr vom Glauben ist, haben keine Zukunft.» (Houellebecq 2015). Die Kulturpessimisten sehen ein neues Mittelalter aufziehen, in dem religiöse und patriarchale Werte die Gesellschaften prägen werden. Das moderne Europa verschwinde, die Wissenschaften würden irrelevant. Torkelt die Moderne, das Abendland tatsächlich seinem Ende entgegen? Steht Europa kurz vor dem Kollaps?