Im ersten Teil seines Beitrags umreißt der Verfasser die politischen Beweggründe der Totalitarismus-Debatten und wirft die Frage auf, ob der "klassische" Stalinismus das Signum "totalitär" rechtfertigt. Im zweiten Teil benennt er einige Probleme, die das Wiederaufleben der Totalitarismus-Debatte seit 1989 begleiten. Abschließend diskutiert er die Frage nach einer möglichen Renaissance des Totalitarismus als Realphänomen. Der Verfasser plädiert für eine Begrenzung des Totalitarismus-Ansatzes auf die Periode des Nazismus und des Hochstalinismus. (ICE2)
Die Renaissance ist ein kulturgeschichtlicher Begriff, mit dem die Jahrhunderte vom Ausgang des Mittelalters bis zu den ersten beiden Jahrhunderten der Neuzeit bezeichnet werden. Einen großen Einfluss auf die Prägung des Begriffs hatten Historiker des 19. Jahrhunderts wie Michelet und Burckhardt. Für Michelet war sie der Schritt aus dem dunklen Mittelalter in das helle Licht der Neuzeit. Burckhardt verband sie mit der Entdeckung des Menschen, des Individuums und der Welt. Man denkt gewöhnlich, wenn man von Renaissance spricht, an Italien, an den Humanismus und an das Wiederaufblühen der Kunst. Sie kennzeichnet aber auch das Ineinandergreifen von Wiedergeburt und Neuanfang, von Er-Neuerung und Neuheit, von "regeneratio" und "innovatio". Dies führt zu der Frage, was an der Renaissance eine Wiedergeburt des Alten und was typisch neuzeitlich ist. Man begegnet dabei Mischungen von alt und neu, die in zweifacher Hinsicht für Verwirrung sorgen: Zum einen erscheint als neu und neuzeitlich, was in Wahrheit nur eine Wiedergeburt des Alten ist. Zum anderen wird das wiedergeborene Alte auf eine neue Weise angeeignet, so dass sich die Frage stellt: Bleibt es, was es war? Oder hat es sich in der Erneuerung derart verändert, dass es nicht mehr das Alte ist? Der Autor untersucht diese Frage anhand von drei Beispielen: anhand des Verständnisses von politischer Wissenschaft, anhand der Renaissance-Utopien und schließlich anhand des in der Renaissance aufkommenden neuen Weltbildes. (ICI2)
Die Staatsräson eines demokratischen Verfassungsstaates unterscheidet sich grundlegend von derjenigen eines diktatorischen Staates. Rechtsstaat und Sozialstaat sind in einem demokratischen Verfassungsstaat zwei Seiten einer Medaille. Derjenige, der von der Krise des Staates spricht, ist zuweilen auf die makroökonomische Ebene fixiert. Die staatliche Gestaltungsfähigkeit muss sich ebenso an Handlungsfeldern wie Bildung, Familie, Gesundheit, Verteidigung, Umwelt oder Verkehr zeigen. Selbst wenn Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten bisher von größeren Protesten verschont geblieben ist (das gilt sowohl für die parlamentarische als auch für die außerparlamentarische Ebene), so erwarten die Bürger von der Politik Glaubwürdigkeit und Transparenz, Information und Sicherheit. Wenn der Staat in der Krise mehr reagiert als agiert, so die These, ist er selber in der Krise. Krisenmanagement ist nicht alles. Der Bürger will wissen, wohin die Entwicklung geht. Sonst schwindet sein Vertrauen in den Staat. Wer beständig Räte einsetzt, muss den Vorwurf der Orientierungslosigkeit hinnehmen. Diese Kritik gilt nicht nur für einzelne Regierungen und einzelne Länder. Das Problem ist offenkundig struktureller Natur. Einer Grundsatzdiskussion über die Rolle des Staates - seine Aufgaben, seine Grenzen - geht die offenbar überforderte Politik weithin aus dem Wege. (ICF2)
Die Autorin zeigt in ihrem Beitrag, dass die Renaissance-Utopie ihre Inspirationen vorrangig aus der klassischen Antike und dem Humanismus schöpft. Einflüsse aus dem mittelalterlichen Denken sind, wenn auch weniger augenfällig, ebenfalls vorhanden. Die Vorbildfunktion Platos ist im utopischen Genre am deutlichsten ausgeprägt. Insbesondere Thomas Morus zollt sowohl Platos "Politeia" als auch seinen "Nomoi" Tribut. Platos "Politeia" ist in zwei Hauptteile gegliedert und als Dialog über die Gerechtigkeit konzipiert, wobei sich ein langer Exkurs mit der bestmöglichen Polis befasst. Dieser Exkurs bildet zwar den wichtigsten Abschnitt im Buch, er wird aber von Platon als erweiterte Veranschaulichung zum eigentlichen Thema der Gerechtigkeit präsentiert. Auch wenn die "Utopia" nicht bloß eine Nachahmung von Platos "Politeia" ist, sondern vielmehr ein originelles Werk politischer Philosophie, das den Anstoß für die Entstehung eines ganzen Genres gab, so lässt sich diese Schrift zweifelsohne auf einen Dialog mit dem klassischen Griechenland allgemein und mit Plato im Besonderen ein. Freilich ist der direkte Dialog zwischen den Renaissance-Autoren und den Klassikern eine in der Renaissance weitverbreitete Denkfigur, wie die Autorin näher erläutert. (ICI2)
Ausgehend von der Aufgabe der weiblichen Geschichtsforschung, die herkömmlichen Schemata der geschichtlichen Periodisierung in Frage zu stellen, wird in dem Beitrag diskutiert, daß Ereignisse, die als Befreiung von natürlichen, sozialen oder ideologischen Zwängen für die Entwicklung der Männer förderlich waren, gänzlich andere und sogar entgegengesetzte Auswirkungen auf die Frauen hatten. Es wird die These aufgestellt, daß es eine Renaissance für Frauen nicht gegeben hat. Am Beispiel von Italien wird gezeigt, daß die Gesamtheit der Frauen in den das Stadtleben beherrschenden Schichten eine Beschneidung ihres gesellschaftlichen und persönlichen Spielraums erfuhr, wie die Männer sie im Fall des Bürgertums nicht und im Fall des Adels nur in abgeschwächter Form erfuhren. Um dieses genauer zu analysieren, wird zunächst geklärt, wie sich die Ab- oder Zunahme von Freiheiten für Frauen überhaupt feststellen oder gar messen läßt. Als Beurteilungskriterien werden die sexuellen, ökonomischen, politischen und kulturellen Aktivitäten von Frauen herausgearbeitet. Analysiert werden dann die Veränderungen des Geschlechtsrollenkonzepts insbesondere im Hinblick auf die Sexualität, um herauszufinden, was sie über die Renaissancegesellschaft und die Stellung der Frau in ihr aussagen. Dazu wird das historische Material nach gesellschaftlichen Gruppen geordnet: (1) die höfische Gesellschaft; (2) die bürgerliche Schicht; (3) reformatorische Bewegungen unterer Bevölkerungsschichten. Beispielhaft untersucht wird die höfische Renaissance-Literatur mit dem Ergebnis, daß es eine neuartige Unterdrückung der affektiven Erfahrungen der adligen Frau gab. Im Gegensatz zu dem breiten Erfahrungsspektrum, das ihr in der mittelalterlichen Literatur zugestanden worden war. Die sozialen und kulturellen Gründe dafür werden aufgezeigt. Die unterlegene Position der Renaissancefrau im Vergleich mit ihrem männlichen Partner und im Vergleich mit ihrer mittelalterlichen Vorgängerin wird deutlich. Zusammenfassend wird festgestellt, daß eine neuartige Trennung zwischen persönlichem und öffentlichem Leben der Frau spürbar wurde, d. h. daß in der Renaissance der Ausschluß der Frau aus der Öffentlichkeit begann. (KW)
Der Nationalstaat erscheint nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, der Genese einer einheitlichen weltweiten politischen Kultur und der Ausbreitung der Akzeptanz allgemeiner Menschenrechte in der Welt als Anachronismus. Zugleich jedoch erlebt der Nationalstaat durch den Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus eine beispiellose Renaissance. Der vorliegende Beitrag zeigt durch einen historischen Exkurs, daß der Nationalstaat nur unzeitgemäß ist, wenn die nationalistische Dimension moderner Staatlichkeit überbetont wird. Für voluntaristische Erklärungen der Obsoletheit des Nationalstaats ist es jedoch zu früh, solange die nachholende Modernisierung der neuen unabhängigen Nationalstaaten Osteuropas zur Konsolidierung ihrer Gesellschaften noch auf das Nationalstaatsprinzip angewiesen ist. (pmb)
Der Autor weist in seinem Essay darauf hin, dass in globalisierten Welten das Nicht-Globale, die Gemeinde und die Region vor Ort paradoxerweise an Bedeutung gewinnen. Der Kunstbegriff der "Glokalisierung" verweist darauf, dass die Prozesse der Globalisierung untrennbar mit einer Vitalisierung des Lokalen verbunden sind, und dass Globalisierung und Lokalisierung Teil ein und desselben Prozesses sind. Die Aufforderung "Think global, act local" drückt zumindest in der zweiten Hälfte ein tatsächliches Bedürfnis der Menschen aus, wobei jedoch die Fähigkeit, global zu denken, nach Meinung des Autors in Zweifel gezogen werden muss. Er fragt nach der Bedeutung der Renaissance der Region für das politische Handeln der Bürger und für das politische System und nach den damit verbundenen Konsequenzen. Er reflektiert einige richtungsweisende Antworten in Bezug auf die Frage: Wie ist Demokratie sowohl unter den Bedingungen supranationaler Machtzentrierung und des Souveränitätsverlusts des Nationalstaates als auch einer Revitalisierung des Lokalen und Regionalen neu zu akzentuieren und zu beleben? (ICI2)