Open Access BASE2016

Psychiatriereform in Deutschland. Vorgeschichte, Durchführung und Nachwirkungen der Psychiatrie-Enquête. Ein Erfahrungsbericht

Abstract

In der Geschichte der Medizin hat kein Ereignis das Schicksal der Kranken und die psychiatrische Versorgung so einschneidend verbessert wie die Psychiatrie-Enquête der Bundesrepublik Deutschland 1971-1975. Dieser radikalen Reform ging der Übergang von der Wegsperrtradition der europäischen Wohlfahrtspolitik zum medizinischen Modell mit der Entstehung der Psychiatrie im 19. Jh. voraus. Der soziale Wandel löste um die Jahrhundertwende einen enormen Versorgungsbedarf aus, der zur Schaffung einer großen Zahl öffentlicher Irrenheilanstalten in Deutschland führte. Der Mangel an Wissen über Ursachen und Behandlung psychischer Krankheiten und die Überzeugung, dass Irre gefährlich seien, hatten langfristige geschlossene Unterbringung zur Folge. 1945, nach Krieg und Massenmord an psychisch Kranken, war das Vertrauen in die Psychiatrie verloren. Die verbliebenen Anstalten waren überfüllt und großenteils verrottet. Es fehlte an Personal, an Nachwuchs, es fehlte an allem. Eine Reform war unvermeidbar. Analysen und Reformvorschläge unserer Denkschrift (1965) wurden noch überhört. Die Rede des CDU-Abgeordneten Walter Picard vor dem Bundestag am 17.04.1970 gab den politischen Anstoß zur Psychiatrie-Enquête. 1971 wurde die Enquête-Kommission unter dem Vorsitz von Prof. Casper Kulenkampff und des Autors als Stellvertreter berufen. Programm, Mitgliedschaft, Organisation und Tätigkeit der Kommission werden berichtet, kritische Ereignisse im Verlauf der Arbeit dargestellt und Nachwirkungen der Empfehlungen erörtert. Der internationale Vergleich zeigt, dass es in keinem anderen Land eine in vollem Maße vergleichbare Psychiatriereform gegeben hat.

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