Open Access BASE2021

Das Erdbeben von Lissabon im philosophischen und literarischen Diskurs des 18. Jahrhunderts

Abstract

Das Erdbeben von Lissabon, das sich am 1. November 1755 ereignete, zählt zweifellos zu den Großereignissen des 18. Jahrhunderts. Erderschütterungen, Feuersbrünste und eine 15 Meter hohe Flutwelle hinterließen in der Stadt ein Feld der Verwüstung und des Todes. Die Katastrophe wurde aber auch zu einem Medienereignis: Sie zog eine Welle der Entrüstung und Betroffenheit in ganz Europa nach sich und führte zu einem Katastrophendiskurs, der von kontroversen naturwissenschaftlichen, theologischen und philosophischen Perspektiven geprägt war. Neben dem Wandel der Wissenschaften und der zunehmenden Bedeutung der Medien war es vor allem die zum Beginn des Diskurses noch vorherrschende straftheologische Tradition, die wesentlich zur Emotionalisierung und Verbreitung des Diskurses beitrug. Aber auch die politische Instrumentalisierung der Katastrophe, die Vormachtstellung der portugiesischen Handelsstadt sowie Voltaires Rolle für die Öffentlichkeit des 18. Jahrhunderts waren wichtige Faktoren für das inhaltliche Voranschreiten des Diskurses. Das Bestreben einer Sinngebung und Deutung des kontingenten Ereignisses spiegelt sich auch in den philosophischen und literarischen Texten, die in diesem Zusammenhang entstanden, wider. Das menschliche Wohl und die Beachtung des individuellen Leids und Empfindens rücken in den Mittelpunkt der Betrachtungen und verdrängen das Streben nach der Erkenntnis des göttlichen Willens. Dieses Spannungsfeld zwischen Providenz und Kontingenz ist es auch, das Voltaire und Kleist in ihren Erzählungen Candide und Das Erdbeben in Chili thematisieren, indem sie sich auf kritische Weise von vorherrschenden philosophischen und theologischen Denksystemen zu distanzieren versuchen. ; The Great Lisbon earthquake, which happened on November 1st, 1755, is without a doubt one of the major events of the 18th century. Convulsions, conflagrations, and a 15-meter-high tsunami left the city a place of devastation and death. The catastrophe, however, became a media spectacle. It was followed by a wave of indignation and consternation, which washed over the entire continent bringing with it a calamity-discourse that was coined by controversial scientific, theological, and philosophical perspectives.Besides the changes in science and the increasing significance of the media, it was predominantly the punitive, theological tradition which contributed to emotionalising and spreading this discourse. Furthermore, the political instrumentalization of the catastrophe, the supremacy of the Portuguese trading town as well as Voltaires role in society in the 18th century were all important factors in the content-related progression of this discourse.The endeavour of constructing meaning of and interpreting the continental events were reflected in the philosophical and literary texts which emerged in this context. The human welfare and the notice of the individuals suffering and feelings relocated the centre of observations and usurped the pursuit for recognition of the divine will. It is this area of tension between providence and contingency that Voltaire and Kleist make a subject of discussion in their narratives Candide and Das Erdbeben in Chili in which they both attempt to distance themselves in a critical manner from the predominant philosophical and theological schools of thought. ; Arbeit an der Bibliothek noch nicht eingelangt - Daten nicht geprüft ; Abweichender Titel laut Übersetzung des Verfassers/der Verfasserin ; Karl-Franzens-Universität Graz, Diplomarbeit, 2021 ; (VLID)6499224

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