Blogbeitrag29. Februar 2024

Habermas und wir [updated]

Blog: Political Theory - Habermas and Rawls

Abstract

Der Philosoph: Habermas und wirvon Philipp Felsch(Propyläen Verlag, 2024)256 S.Inhalt Ein Nachmittag in Starnberg [PDF]In der verkehrten Welt [PDF]Täter und OpferAbschied vom TiefsinnDas Bewusstsein der GegenwartThe center does not hold Spießrutenlaufen in FrankfurtRaketenwissenschaft für eine bessere GesellschaftWas wir unterstellen müssenDer Makel des MündlichenUnheimliches DeutschlandTheorie des SinnverlustsMusste das sein?Taxonomie der GegenaufklärungDistanz und ThymosJ'accuseZurück aus der ZukunftGeschichte und GedächtnisDie Stunde der postnationalen EmpfindungPrimat der Weltinnenpolitik Vom Krieg Der Denker der universellen ProvinzAuszüge [Gespräch mit Jürgen Habermas, September 2023]:"Dagegen hält Habermas mit wachsender Verzweiflung an seiner Überzeugung fest, dass das Bemühen um einen Waffenstillstand und die Suche nach einer Verhandlungslösung im Konflikt mit Russland unumgänglich seien. Er nimmt die "Kriegsstimmung" der deutschen Öffentlichkeit als Begleitmusik zu einer fatalen strategischen Fehleinschätzung wahr, die sich als geopolitische Zäsur von großer Tragweite erweisen könnte. Während ich noch von ihm wissen will, was er dem Bundeskanzler jetzt, im Herbst 2023, empfehlen würde, malt er das düstere Szenario vom Abstieg des Westens aus, der für ihn vom Niedergang der politischen Institutionen in den USA nicht zu trennen ist. Er spricht von der Spaltung der amerikanischen Gesellschaft und von der "Auflösung des amerikanischen Parteiensystems", die sich – wenn auch erst seit Trump nicht länger zu ignorieren – schon in der zunehmenden Polarisierung der späten 1990-Jahre angekündigt hätten. Er hält die Erschütterung der politischen Institutionen für so gravierend, dass ihre Legitimität auf lange Sicht beschädigt sei." (……)"Was die Ukraine angeht, so prophezeit er den graduellen Rückzug der Amerikaner, sobald sich der Krieg für Biden im Wahlkampf als innenpolitischer Ballast erweisen werde. Und er befürchtet, dass der Zerfall der Unterstützerkoalition, den das zur Folge haben würde, den Western die Letzten Reste von politischer Glaubwürdigkeit und Autorität kosten könnten, über die er gegenwärtig noch verfüge. Denn dass sich Europa noch zu einem "global einflussreichen Akteur" mausern werde, auch daran glaubt er spätestens seit dem Scheitern von Emmanuel Macrons diesbezüglichen Initiativen nicht mehr. Das betrifft umso mehr seine einstigen Hoffnungen auf weltbürgerliche Verhältnisse: "Das alles ist Vergangenheit". Und dann sagt er einen Satz, der unseren Gesprächsfluss einen Moment lang stocken lässt: All das, was sein Leben ausgemacht habe, gehe gegenwärtig "Schritt für Schritt" verloren. Er wäre nicht der Kämpfer, der er ist, wenn er sich nicht im selben Atemzug gegen die Überheblichkeit derjenigen wappnen würde, die es schon immer besser gewusst zu haben meinen: "Es ist zu billig, sich über einen solchen Idealismus rückblickend lustig zu machen. Jeder gute Zeithistoriker schreibt Geschichte nicht nur zynisch vom enttäuschenden Ergebnis her". Es ist bestürzend, Habermas – den letzten Idealisten – so fatalistisch zu erleben." [Seite 186-187]Interview: * "Habermas ist die Antwort der Frankfurter Schule auf die moderne Gesellschaft" (Philosophie Magazin, 2024-03-04)Rezensionen:* Hans-Peter Müller - "Theoriegeschichten: Jürgen Habermas als Intellektueller" (Soziopolis, 29-02-2024)* Jens-Christian Rabe - "Der letzte Idealist" (Süddeutsche Zeitung, 16-03-2024)* Florian Meinel - "Die Feindortung klappte immer" (FAZ, 08-03-2024)* Moritz Rudolph - "Habermas versteht die Welt nicht mehr" (Philosophie Magazin, blog 28-03-2024)* Ronald Pohl - "Wie das Zeitalter von Philosoph Jürgen Habermas zu Ende zu gehen droht" (Der Standard, 08-04-2024)* Linus Schöpfer – "Apostel der Sprödheit" (Neue Zürcher Zeitung, 07-04-2024)* Felix Kämper - "Der unversöhnte Theoriegeist" (Unireport Frankfurt, 19-04-2024)* Alexander Cammann - "Starnberg lebt" (Die Zeit, 29-02-2024)Cammann: "Bei Felsch ist der Bezugspunkt die Bundesrepublik; hier schreibt ein Kulturhistoriker, kein Philosoph. So liest man noch einmal, wie schon der Mittdreißiger Habermas ein Magnet war, nach dem sich viele ausrichteten, wie wichtig der Suhrkamp Verlag für den Frankfurter Professor gewesen ist, wie heftig die Auseinandersetzungen mit der Studentenbewegung waren und wie intensiv die Beziehungen zu Karl Heinz Bohrer und Martin Walser. Beide Freundschaften gingen später in die Brüche – im Streit um die Nation, um Deutschland. Eine erfolgsverwöhnte, internationale Gelehrtenkarriere als Erbe der Kritischen Theorie, dazu die öffentliche Rolle als sich mit Zeitungsartikeln einmischender, virtuoser Medienstratege – tatsächlich ist es ja unglaublich, wie Habermas das alles stemmte.Zu großer Form läuft Felsch in den Achtzigerjahren auf. Plötzlich, nachdem der 52-jährige Habermas gerade sein gigantisches erstes Hauptwerk, die Theorie des kommunikativen Handelns, veröffentlicht hat, passiert 1982 der Worst Case: Die CDU mit Helmut Kohl übernimmt in Bonn die Macht. Habermas wittert überall den Rechtsschwenk und stürzt sich 1986 in den sogenannten Historikerstreit, versiert in der "Kunst, seine Gegner durch Eingemeindung zu besiegen" (Felsch). Alles oft gelesen – doch Felsch interpretiert den geschichtspolitischen Erfolg des Philosophen luzide als theoretischen Rückschritt: Eben noch auf der Höhe seiner Kommunikationstheorie, praktiziert Habermas jetzt den kulturalistischen Kampf um Hegemonie."

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