Theater als Praxis der Verunsicherung: Die riskante Seite der Avantgarde und ihre Programmatik
In: Paragrana: internationale Zeitschrift für historische Anthropologie, Band 24, Heft 1, S. 189-200
Abstract
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In modernen und zeitgenössischen Ausprägungen partizipatorischen Theaters, insbesondere auch in therapeutischen Theaterformen, wird die Aufführung häufig als eine Art Schutzraum aufgefasst, in dessen Grenzen Experimente, Wagnisse, Wutausbrüche, Beichten, Kämpfe und andere riskante Praktiken mehr als andernorts möglich sind. Heilsame Wirkungen erhofft man sich davon, im Theater Gefühle zuzulassen, die im Alltag nicht ohne Weiteres ihren Platz finden. Die Rede vom Theater als Schutzraum steht allerdings in einem seltsamen Gegensatz zur Denkfigur der Transgression, deren Bedeutung für die programmatischen Diskurse der Avantgarden kaum hoch genug eingeschätzt werden kann. Transgressive Praktiken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie die Grenzen von Räumen mehr oder minder gewaltsam überschreiten - und gerade dadurch ein hohes Maß an Unsicherheit hervorbringen. Wird ein Theater, das sich überschreitenden Handlungen verpflichtet fühlt, jemals Schutzräume bereitstellen können? Übersieht die Rede vom Theater als einem "konsequenzverminderten" Handeln möglicherweise die Risiken, die mit Theaterformen in der Tradition der Avantgarde verbunden sind? Fragen wie diese verweisen auf ein handlungstheoretisches Problem, nämlich auf Dissonanzen zwischen (künstlerischen) Praktiken und ihren jeweiligen Rahmungen bzw. zwischen Akt und Kontrakt.
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