Religiöses Coping bei einer lebensbedrohlichen Krankheit im Vergleich zu anderen Bewältigungsformen: Untersuchungen an HIV-Infizierten vor der Einführung der antiretroviralen Therapie
In: Spiritual care: Zeitschrift für Spiritualität in den Gesundheitsberufen, Band 11, Heft 2, S. 147-160
Abstract
Zusammenfassung
Spiritualität und religiöses Coping bei lebensbedrohlichen Krankheiten finden zunehmendes wissenschaftliches und praktisches Interesse im Sinne des Spiritual Care. Widersprüchlich sind allerdings die Aussagen über die Effekte dieser Bewältigungsform. Am Modell der HIV-Infektion als einer lebensbedrohlichen Krankheit in der Zeit vor Einführung der antiretroviralen Kombinationstherapie wurden die Häufigkeit und der Erfolg des religiösen Copings untersucht.
105 HIV-infizierte Männer und Frauen (55 Homosexuelle, 30 Hämophile und 20 Drogenkonsumenten) wurden in einem sozialpsychologisch-tiefenpsychologischen Interview über ihre Krankheitsbewältigung befragt. Die Auswertung hinsichtlich des religiösen Copings neben anderen Bewältigungsmechanismen erfolgte im Fremdrating mittels der Berner Bewältigungsformen nach Heim et al. (1990). Das Bewältigungsergebnis wurde mittels des Beeinträchtigungs-Schwere-Scores nach Schepank (1995) bestimmt.
25 % der Probanden, darunter fast nur Homosexuelle, hatten ein intensives und der Rest überwiegend kein religiöses Coping. Religiöses Coping führte zu keinem besseren Ergebnis als andere Mechanismen und wurde nicht vom Krankheitsstadium beeinflusst. Religiöses Coping war eng verknüpft mit einem internalen locus of control. Kein Zusammenhang fand sich mit Alter, Religionszugehörigkeit, Sozialschicht und Schuldphantasien.
Religiöses Coping scheint eine relativ unabhängige stabile Verhaltensdisposition zu sein, die mit dem Gefühl der Eigenverantwortlichkeit verknüpft ist. Religiöse bzw. spirituelle Bedürfnisse sollten, falls vorhanden, bei der psychosozialen Betreuung der Patienten unterstützend berücksichtigt werden.
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