Wolfram von Richthofen, die Zerstörung Wieluńs und das Kriegsvölkerrecht
In: Militärgeschichtliche Zeitschrift: MGZ, Band 70, Heft 2, S. 287-328
Abstract
Zusammenfassung
Der Angriff der deutschen Luftwaffe auf die polnische Kreisstadt Wieluń am 1. September 1939 besitzt unter zwei Aspekten einen festen Platz im polnischen Opfermythos. Er gilt als zeitlicher Beginn des Zweiten Weltkrieges und, vergleichbar der Zerstörung Guernicas, als völkerrechtswidriger Terrorakt gegen die Zivilbevölkerung eines militärisch unbedeutenden Ortes. Beide Annahmen halten einer historiografischen Überprüfung nicht Stand. Die erste basiert auf der Voraussetzung einer vermeintlichen Zeitdifferenz zwischen Polen und Deutschland, die nachweislich nicht bestand. Auch die völkerrechtliche Definition des Terrorangriffs trifft für die Bombardierung Wieluńs nicht zu. Es handelte sich vielmehr, in Übereinstimmung mit der Zerstörung der baskischen Stadt, um Lufteinsätze mit Übungscharakter. Bei diesen kam zum einen die Technik spezifischer Flugzeugtypen auf den Prüfstand. Zum anderen galt der Fliegereinsatz gegen Wieluń, wie übrigens während des gesamten Polenfeldzuges, als Generalprobe für die Tauglichkeit des Sturzkampfbombers ("Stuka") Junkers Ju 87 B zum Punktziel- wie Flächenbombardement in Vorbereitung auf spätere Kriegsschauplätze in Europa und Nordafrika. Gleichwohl verletzte der verantwortliche General, Wolfram von Richthofen, flagrant die Haager Landkriegsordnung. Dieser zufolge richtete sich die Behandlung der Zivilbevölkerung im Krieg an den Prinzipien aus, die bei gesitteten Völkern als Gebote der Menschlichkeit und als Forderung des öffentlichen Gewissens Gültigkeit beanspruchen konnten.
Problem melden