»Jaja, wir sind halt Scheiße« – Reaktionen auf die Covid-19-Krise: Tiefenhermeneutische Annäherung an Merkels Corona-Rede an die Nation
In: Freie Assoziation: Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie, Band 24, Heft 2, S. 11-35
Abstract
Die am 18. März 2020 von Angela Merkel gehaltene Fernseh-Ansprache angesichts der Corona-Pandemie enthält nicht nur Informationen über die von der Regierung getroffenen Maßnahmen und Verhaltensanweisungen, sondern vor allem emotionale Botschaften und Anrufungen der deutschen Bevölkerung. Im Beitrag werden mithilfe der psychoanalytisch-sozialpsychologischen Methode der Tiefenhermeneutik einerseits die manifesten und latenten Sinnschichten in der Rede ausgelotet, andererseits wird über eine Reflexion der Dynamiken in zwei unterschiedlichen Interpretationsgruppen auch verschiedenen Reaktionsweisen in der Bevölkerung auf die Krisensituation nachgespürt. Es zeigt sich, dass sowohl die reale Bedrohungslage durch Covid-19 wie auch der Umgang staatlicher Organe mit der Pandemie starke Gefühle der Angst, Schuld, Wut und Trauer auslösen, mit denen auf verschiedene Weise umgegangen wird und angesichts derer Ambivalenzen immer schwerer auszuhalten sind. Diese angesichts der überfordernden Situation abnehmende Ambivalenztoleranz begünstigt die gesellschaftliche Spaltung in überstrenge Regelbefolger:innen und autoritär Rebellierende.
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