Forschungsdaten GESIS2011

Indikatoren des technischen Fortschritts. Eine Analyse der Wirtschaftsentwicklung in Deutschland von 1850 bis 1913

Abstract

Das Interesse am technischen Fortschritt als einer der wichtigsten Determinanten des wirtschaftlichen Wachstums ist sowohl Gegenstand der theoretischen wie der empirischen Forschung. Die vorliegende Arbeit versucht, nach beiden Seiten Beiträge zu liefern. Zunächst wird der Begriff in der Weise kritisch beleuchtet, indem nach den potentiellen Quellen des technischen Fortschritts gefragt wird. Auf dieser theoretischen Grundlage wird im empirischen Teil der Arbeit der Einfluss des technischen Fortschritts auf das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft im Zeitraum 1850 bis 1913 analysiert. Von den im theoretischen Teil als weitere mögliche Wachstumsquellen ausgewiesenen Faktoren wird der Beitrag der Strukturkomponente des wirtschaftlichen Wachstums und der verbesserten Ausbildung quantitativ erfasst. Als Strukturkomponente wird der Anteil des wirtschaftlichen Wachstums betrachtet, der auf die Verlagerung der Produktionsfaktoren aus Sektoren niedriger in Sektoren höherer Produktivität zurückzuführen ist. Der Anteil, der der verbesserten Ausbildung zuzurechnen ist, wird auf Grund eines als realistisch angenommenen Zusammenhangs zwischen verlängerter Ausbildungszeit und höherer Produktivität der Beschäftigten gemessen.
Der Untersuchungszeitraum - die Periode von 1850 bis 1913 - liegt zwar relativ weit zurück, für Untersuchungen mit allgemeiner Fragestellung hat dieser Zeitraum jedoch den Vorteil, dass eine ökonomisch recht einheitlich geprägte Phase vorliegt, innerhalb deren die wirtschaftliche Entwicklung von politischen und sonstigen nicht ökonomischen Faktoren relativ wenig beeinflusst wurde. Auf Grund der in der Arbeit angestrebten engen Verbindung von theoretischer und empirischer Fragestellung sind die Ergebnisse keineswegs nur von historischem Interesse, sondern dienen einem besseren Verständnis der Rolle des technischen Fortschritts für das wirtschaftliche Wachstum.
"Ziel ist dabei nicht eine möglichst umfassende Beschreibung dieses historischen Wachstumsprozesses, sondern die Ermittlung der Fortschrittskomponente. Mit den verschiedenen Messungskonzepten wird eine eindeutige Isolierung der Fortschrittskomponente angestrebt und ihr Beitrag zur Entwicklung des Realprodukts in der Gesamtwirtschaft und ihren einzelnen Sektoren aufgezeigt. Da die als Residualgröße errechnete Fortschrittskomponente noch eine sehr heterogene Größe ist, wird weiterhin versucht, einzelne der sie beeinflussenden Wachstumsfaktoren in die Analyse einzubeziehen und damit die zunächst errechnete Fortschrittskomponente weiter aufzuspalten. Die nachfolgende Analyse der Fortschrittskomponente des Wirtschaftswachstums im Zeitraum von 1850 bis 1913 stützt sich auf das Zahlenwerk, dass HOFFMANN zusammengestellt hat (Hoffmann, W. G. (unter Mitarbeit von F. Grumbach und H. Hesse), 1965: Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Berlin/Heidelberg/New York). Als Beginn der Untersuchungsperiode bietet sich zunächst aus rein statistischen Gründen das Jahr 1850 an, da etwa von diesem Zeitpunkt an von den statistischen Ämtern der Staaten des Deutschen Bundes Erhebungen durchgeführt wurden. Aber auch aus materiellen Gründen ist es zweckmäßig, mit der Analyse um die Jahrhundertmitte einzusetzen. Der Industrialisierungsprozess hatte in Deutschland einige Jahrzehnte vorher begonnen, und mit der Gründung des Deutschen Zollvereins im Jahre 1833 war ein einheitliches Wirtschaftsgebiet entstanden Um 1850 hat sich dann in Deutschland der Wachstumsprozess voll entfaltet. Kennzeichnend für diesen Wachstumsprozess sind Verbesserungen der Transportmöglichkeiten, insbesondere durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes, die Erschließung neuer Energie- und Rohstoffquellen, eine Steigerung der Geldversorgung sowie zunehmende unternehmerische Initiative. Dabei vollzieht sich das wirtschaftliche Wachstum bis zum Beginn des ersten Weltkrieges relativ störungsfrei, verglichen mit der weiteren Entwicklung, die durch die tiefen Einbrüche der Weltwirtschaftskrise und der beiden Weltkriege unterbrochen wird. Im Vergleich zu jeden anderen Zeitraum von mehr als sechs Jahrzehnten in der deutschen Wirtschaftgeschichte seit Beginn der Industrialisierung ist die Zeit von 1850 bis 1913 insgesamt am besten für eine Wachstumsanalyse geeignet. Da der Wachstumsprozess – gerade in den frühen Stadien der Industrialisierung – von Strukturveränderungen begleitet war, ist eine Disaggregation der gesamtwirtschaftlichen Daten – zumindest in einige Sektoren – wünschenswert … Aufgrund des vorliegenden Datenmaterials ist lediglich eine Disaggregation möglich, die nur annähernd der Einteilung, die aus theoretischen Erwägungen anzustreben wäre, entspricht. Mit Hilfe der HOFFMANN'schen Zahlen kann eine Unterscheidung der folgenden drei Sektoren vorgenommen werden: (1) Landwirtschaft; (2) Gewerbe (umfasst Bergbau, Industrie und Handwerk, Handel, Banken, Versicherungen und den Verkehr mit Ausnahme von Eisenbahnen und Post); (3) Übrige Bereiche (umfasst heterogene Bereiche wie nichtlandwirtschaftliche Wohnungen, den öffentlichen Dienst, Eisenbahnen und Post, häusliche Dienste und die Verteidigung). Im Rahmen dieser Unterscheidung werden größere Bereiche des tertiären Sektors dem Sektor 'Gewerbe' zugerechnet, während der dritte Sektor ('Übrige Bereiche') eine Vielzahl von Wirtschaftszweigen enthält, für die jeweils eigene und völlig unterschiedliche Produktionsbedingungen gelten. Die Analyse der auf diese Weise unterschiedenen drei Sektoren erlaubt es u. a., die erheblichen Faktorwanderungen, die sich aus der Landwirtschaft in das Gewerbe vollzogen haben, zu berücksichtigen und – wenn auch mit Einschränkungen – der unterschiedlichen technischen Entwicklung in diesen Sektoren Rechnung zu tragen" (André, D., a. a. O., S. 73-75).



Datentabellen in HISTAT (Thema: Wachstum, Konjunktur und Krisen):


Tab.01 Produktion, Beschäftigte und Kapitalbestand nach Wirtschaftszweigen (1850-1913)

Tab.02 Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten der Produktion, Beschäftigten und des Kapitalbestandes (1850-1913)

Tab.03 Entwicklung der Kapitalintensität (1850-1913)

Tab.04 Prozentuale Anteile der einzelnen Sektoren an Produktion, Beschäftigten und Kapitalbestand der Volkswirtschaft (1850-1913)

Tab.05 Die Entwicklung der Arbeitsproduktivität (Produktion pro Beschäftigten) (1850-1913)

Tab.06 Die Indices der Arbeitsproduktivität (1850-1913)

Tab.07 Durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in Stunden (1850-1913)

Tab.08 Die Indices der Arbeitsproduktivität pro Beschäftigtenstunde (1850-1913)

Tab.09 Sektorale Arbeitsproduktivität und Beschäftigtenanteile in Prozent der insgesamt Beschäftigten (1850-1913)

Tab.10 Die Entwicklung der globalen Faktorproduktivität in der Gesamtwirtschaft (1850-1913)

Tab.11 Die Entwicklung der globalen Faktorproduktivität in den einzelnen Sektoren (1850-1913)

Tab.12 Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten der globalen Faktorproduktivität (1850-1913)

Tab.13 Entwicklung der globalen Faktorproduktivität unter Berücksichtigung der veränderten wöchentlichen Arbeitszeit (1850-1913)

Tab.14 Sektorale Kapitalproduktivitäten und die Kapitalanteile der einzelnen Sektoren in % des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks (1850-1913)

Tab.15 Sektorale Indices der globalen Faktorproduktivität, bezogen auf den gesamtwirtschaftlichen Index mit Basis 1850=100 (1850-1913)

Tab.16 Anteil des Inputs an Arbeit und Kapital der einzelnen Sektoren am Faktorinput der Gesamtwirtschaft (1850-1913)

Tab.17 Die globale Faktorproduktivität der Gesamtwirtschaft unter Berücksichtigung der veränderten Qualität der Arbeit infolge verringerter Arbeitszeit (1850-1913)

Tab.18 Die globale Faktorproduktivität des gewerblichen Sektors unter Berücksichtigung der veränderten Qualität der Arbeit infolge verringerter Arbeitszeit (1850-1913)

Tab.19 Öffentliche Aufwendung je Schüler und Jahr in den öffentlichen Volksschulen (1867-1911)

Tab.20 Die Errechnung eines Qualitätsindex der Arbeit auf Grund verbesserter Ausbildung der Arbeitskräfte

Tab.21 Die Entwicklung der globalen Faktorproduktivität unter Berücksichtigung der Qualitätsverbesserung des Faktors Arbeit infolge verlängerter Ausbildung (1870-1913)

Tab.22 Vergleich der Indices der globalen Faktorproduktivität mit und ohne Berücksichtigung der verbesserten Ausbildung (1870-1913)

Tab.23 Die Berechnung des Auslastungsgrades des Kapitalstocks (1850-1913)

Tab.24 Die Entwicklung der globalen Faktorproduktivität unter Berücksichtigung der veränderten Kapazitätsauslastung des Kapitals (1850-1913)

Tab.25 Die durchschnittliche jährlichen Wachstumsraten der globalen Faktorproduktivität für einzelne Teilperioden und den Gesamtzeitraum (1850-1913)

Tab.26 Die durchschnittlichen Verteilungsquoten in den einzelnen Sektoren und in der Gesamtwirtschaft (1850-1913)

Tab.27 Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten des technischen Fortschritts und Entwicklung der Fortschrittsindices (1850-1913)

Tab.28 Fortschrittskomponente bei Annahme variabler Verteilungsquoten (1850-1913)

Tab.29 Berechnung der Fortschrittskomponente bei Berücksichtigung der geleisteten Arbeitsstunden (1850-1913)

Tab.30 Vergleich der Indices der globalen Faktorproduktivität mit den Fortschrittsindices der Cobb-Douglas-Funktionen (1850-1913)

Tab.31 Die Fortschrittskomponente im gewerblichen Sektor und Gesamtwirtschaft bei Berücksichtigung der Qualitätsverbesserung der Arbeit (verkürzte Arbeitszeit) (1850-1913)

Tab.32 Die Fortschrittskomponente bei Berücksichtigung der Qualitätsverbesserung der Arbeit infolge verbesserter Ausbildung (1870-1913)

Tab.33 Vergleich der Fortschrittsindices mit und ohne Berücksichtigung der verbesserten Ausbildung (1870-1913)

Tab.34 Die Fortschrittskomponente bei Berücksichtigung einer veränderten Auslastung des Kapitalstocks (1850-1913)

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