Aufsatz(elektronisch)1. Oktober 2020

Covid-19 als Chance für den Frieden?

In: Zeitschrift für Friedens- und Konfliktforschung

Verfügbarkeit an Ihrem Standort wird überprüft

Abstract

Zusammenfassung Ende März 2020 rief UN-Generalsekretär Guterres angesichts der Bedrohung durch die Covid-19-Pandemie dazu auf, weltweit die Waffen ruhen zu lassen. Obwohl diese Initiative von 171 Regierungen begrüßt wurde, ist es nicht einmal kurzfristig zu einer umfassenden Gewaltreduktion in zentralen Konfliktgebieten gekommen. Der vorliegende Beitrag untersucht die Auswirkungen der Corona-Pandemie in zwei regional wie global bedeutsamen Konfliktländern, Kolumbien mit seiner fragilen Befriedung und Syrien mit einem militärisch fast entschiedenen Krieg. Er fragt, wie die Corona-Krise die Dynamiken von Gewalt und Frieden nach bzw. am Ende von Bürgerkriegen beeinflusst. Kolumbien gilt weltweit als Beispiel dafür, dass umfassende Friedensabkommen auch in komplexen Konflikten möglich sind. Trotzdem ist der kurzfristige, friedenspolitische Trend in Zeiten der Pandemie bestenfalls ambivalent: Zwar hat die absolute Zahl der Morde abgenommen, MenschenrechtsverteidigerInnen und demobilisierte Ex-KombattantInnen bleiben jedoch bevorzugte Gewaltopfer, die Zahl der Massaker hat wieder zugenommen. Die noch aktive Guerillagruppe Ejército de Liberación Nacional (ELN) verkündete zunächst einen einseitigen Waffenstillstand, beendete diesen aber Ende April. Auch in Syrien sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Konfliktdynamik widersprüchlich bis negativ: In der letzten Rebellenhochburg Idlib hat Covid-19 zwar indirekt dazu beigetragen, die russisch-türkische Waffenruhe vom März 2020 über mehrere Monate zu stabilisieren. Im Nordosten Syriens, der teils von der Türkei, teils von den kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) kontrolliert wird, hat sich die humanitäre Lage hingegen seit Beginn der Pandemie deutlich verschlechtert, da das Assad-Regime die internationale Hilfe nicht in das verfeindete Gebiet weiterleitet. Trotz diverser Unterschiede zwischen Kolumbien und Syrien nutzen die jeweiligen Regierungen die mit der Ausbreitung des Virus verbundenen Krisen vor Ort, um ihre politischen Agenden gewaltsam zu festigen. In einem größerem Kontext zeigen die Erfahrungen in beiden Ländern, dass Covid-19 lokal weniger als "game changer" denn als Verstärker und Beschleuniger von Dynamiken wirkt, die bereits vor Ausbruch der Pandemie bestanden hatten.

Problem melden

Wenn Sie Probleme mit dem Zugriff auf einen gefundenen Titel haben, können Sie sich über dieses Formular gern an uns wenden. Schreiben Sie uns hierüber auch gern, wenn Ihnen Fehler in der Titelanzeige aufgefallen sind.