Thesis2003

Die Reportage in der deutschen Tageszeitung zu Beginn des 21. Jahrhunderts: eine Untersuchung des Genres in seinem journalistischen Umfeld

In: Medien

Abstract

Die Reportage wird als "Königsform" des Journalismus bezeichnet. Ihr zu Ehren werden Preise verliehen, besondere Agenturdienste angeboten und ganze Zeitungsseiten eingerichtet. Trotzdem hat es den Anschein, als werde das Genre stiefmütterlich behandelt. Der Anlass dieser Arbeit war der Eindruck der Verfasserin, dass aus Rezipientenperspektive die Reportage in Zeitungen immer seltener zu finden ist. Selbst wo Reportage drauf steht, ist nicht immer Reportage drin. Auch Experten auf dem Gebiet der Medien haben die Vernachlässigung der Darstellungsform moniert. Dieser Eindruck wird zudem durch die praktische Perspektive gestärkt: Im Sommersemester 2000 stand für das damalige vierte Semester des Studienganges Fachjournalistik an der Hochschule Bremen die Reportage auf dem Lehrplan. Die Lehrbeauftragte hatte Mühe, für die in der Theorie erklärte Form praktische Beispiele zu finden. So wurde eine Reportage auf Grund ihres Aufbaus als Beispiel ausgewählt, eine andere auf Grund ihres Einstiegs. Ein Beispiel für eine durchgehend – im Aufbau und Einstieg - gelungene Reportage gab es nicht. Dazu bemerkt Schreiber (1997: 245): "So gut wie jeder Journalist geht um mit der Reportage, so gut wie keiner aber kann sagen, was das ist. Solche Praxis ruiniert auf die Dauer jede verbindliche Form." Die Relevanz des Themas liegt also in der berufsbezogenen Perspektive (vgl. Pätzold 1999: 145). Die Ursache für einen möglichen Formverlust allerdings in der Kompetenz von Journalisten zu suchen, reduziert den Untersuchungsbereich auf nur einen Aspekt des Kontextes der Reportage (vgl. 6.5). Ebenso müssen veränderte Gewohnheiten, Interessen und Fähigkeiten der Rezipienten berücksichtigt werden (vgl. 6.4). Gegenstand der Arbeit ist die Reportage in der deutschen Tageszeitung. Im Bereich des Interesses stehen Reportagen aus Rubriken wie beispielsweise Politik, Lokales, Wirtschaft oder Reise. Auch Tageszeitungen aus dem Boulevardjournalismus fallen im Gegensatz zu Abonnementtageszeitungen, die lokal, regional oder national verbreitet sind, nicht in den Untersuchungsbereich dieser Arbeit. Eine weitere Ursache für einen möglichen Formverlust kann die schwierige wirtschaftliche Lage auf dem Tageszeitungsmarkt sein (vgl. 6.3). Sie hatte und hat Einsparungen sowie Umstrukturierungen in den Redaktionen zur Folge (vgl. 6.6). Demgegenüber stehen die verhältnismäßig hohen Produktionskosten der Reportage. Nicht zuletzt wandeln sich die Aufgabenfelder des Mediums Zeitung (vgl. 6.2). Dies wirkt sich auf den Einsatz der Reportage aus. Diese Bereiche und ihre Veränderungen stehen vor dem Hintergrund einer sich wandelnden normativen Basis von Medien in Deutschland (vgl. 6.1). Vor allem gesellschaftliche Entwicklungen tragen zu diesen Veränderungen bei. Das Umfeld der Reportage entspricht dem der journalistischen Kommunikation in Tageszeitungen insgesamt. Denn das Genre ist Teil dieser Kommunikation, indem es als Darstellungsform eine Vermittlungsfunktion übernimmt. In dieser Arbeit wird angenommen, dass die Funktion der Reportage ihre Form bestimmt. Die These des vorliegenden Beitrages lautet: Die journalistische Darstellungsform der Reportage hat in der deutschen Tageszeitung zu Beginn des 21. Jahrhunderts ihre Vermittlungsfunktion verloren. Der Funktionsverlust führt desweiteren zur Auflösung der Form. Ziel der Arbeit ist es zunächst, die Hypothese zu belegen, dass die Funktion der Reportage ihre Form bestimmt. Auf diese Annahme bezogen zeigt ein Überblick über den historischen Hintergrund des Genres Wurzeln und Entwicklungen auf (vgl. 2). Denn die Darstellungsform ist durch ihre Tradition geprägt. In einem zweiten Schritt werden wesentliche Wege, sich in der Literatur der Reportage zu nähern, dargestellt (vgl. 3). Im Folgenden wird die Wahl des funktionalen Ansatzes in dieser Arbeit, der sich von den vorgestellten Methoden zur Bestimmung der Reportage unterscheidet, erläutert und begründet (vgl. 4.1, 4.2). Die Bestimmung von Funktion, Leistung und Form der Reportage erfolgt innerhalb der journalistischen Kommunikation. Aus diesem Grund werden erst Funktion und Leistung der Darstellungsformen insgesamt (vgl. 4.3) und dann die speziellen der Reportage dargelegt (vgl. 4.4). Im Anschluss wird ein idealtypisches Modell der Reportage erläutert (vgl. 4.5). Hierbei werden die Bereiche Inhalt, formale Merkmale, Aufbau, Thema, Sprache und Arbeitsweise unterschieden (vgl. Haller 1997). Zur Abgrenzung wird der Reportage das Feature gegenübergestellt (vgl. 5). Die Form wurde ausgewählt, da sie der Reportage verwandt ist. In der Praxis wird teilweise zwischen den beiden Formen nicht unterschieden (vgl. Reumann 1999: 105). Das Vorgehen ist hier ebenso wie die Prüfung eines möglichen Funktionsverlustes der Darstellungsform theoriegeleitet. Nachdem ein idealtypisches Modell der Reportage innerhalb der journalistischen Kommunikation bestimmt wurde, wird die These des Funktionsverlustes anhand der einzelnen Bereiche ihres Umfeldes untersucht (vgl. 6). Dadurch soll ein Funktionsverlust entweder bestätigt oder widerlegt werden (vgl. 6.7). Ein möglicher Formverlust soll durch eine Inhaltsanalyse geprüft werden (vgl. 7). Zu diesem Zweck werden jeweils zwei Ausgaben von 15 deutschen Tageszeitungen auf die Form der Reportage hin untersucht. Das erläuterte idealtypische Modell der Reportage dient hierbei als Maßstab. Zu prüfen ist zunächst generell der Formverlust. Desweiteren werden mögliche Tendenzen der Veränderung der Form untersucht. Eine Annahme ist, dass das Feature als verwandte Form der Reportage öfter in Zeitungen zu lesen ist. Eine andere Möglichkeit ist, dass nur noch einzelne Elemente der Reportage verwendet werden, jedoch nicht mehr die ganze Form des Genres. In diesem Fall hätte sich die Reportage von der "Königsform" zu einem "Kessel Buntes" gewandelt. Auf der Summe der Ergebnisse dieser Arbeit basierend, wird schließlich ein Ausblick auf die Zukunft der Reportage gegeben (vgl.8).

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