Thesis2008

Bildung und Erziehung in den ersten drei Jahren?: Konzepte öffentlicher Kleinstkindererziehung

Abstract

Inhaltsangabe: Dieses Buch beschäftigt sich mit der Frage, auf welcher konzeptionellen Basis öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen in Deutschland Bildung und Erziehung von Kindern unter drei Jahren verwirklichen. In Deutschland werden die Einrichtungen der öffentlichen Kinderbetreuung als Krippen bezeichnet, die ausschließlich Säuglinge und Kleinstkinder (null bis drei Jahre) betreuen. Kinder im Krippenalter werden außerdem seit einiger Zeit auch in Kindergärten aufgenommen. Diese Entwicklung ist auf die immer wieder aktuelle Diskussion um den Ausbau von Betreuungsplätzen für unter dreijährige Kinder zurückzuführen. Dabei werden unterschiedliche Bereiche des Lebens und der Gesellschaft angesprochen: dem ersten Schwerpunkt bilden Familienplanung, Verteilung von Familienarbeit auf die Elternteile, Erwerbsarbeit von Frauen und Familienkonzepte; wirtschaftliche Zwänge in den Familien aber auch die Forderung der Gesellschaft nach mehr und besser ausgebildeten Kindern und der Sicherung des Standortfaktors Bildung. Seit der Einführung des gesetzlichen Anspruches auf einen Kindergartenplatz hat sich die Bedeutung institutioneller Kinderbetreuung. In welchen historischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen diese Veränderung stattgefunden hat, wird deswegen ausführlich im zweiten Kapitel beschrieben. Am Beispiel der Verknüpfung der Rolle der Frau in der Gesellschaft mit der Entwicklung frühkindlicher Betreuungseinrichtungen wird dabei deutlich, wie gesellschaftliche und politische Entwicklungen bis in die Gegenwart hineinwirken. Der Vergleich der unterschiedlichen Entwicklungen in DDR und BRD lässt erahnen, wie sich politisches Interesse und gesellschaftliche Überzeugungen auf das Leben von Kindern und ihren Familien auswirken. Meine persönliche Gegenwart als Mutter eines fast dreijährigen Sohnes und der Kontakt zu anderen Familien mit kleinen Kindern haben mich über die historische Bedeutung hinaus mit der Frage konfrontiert, wie öffentliche Kinderbetreuung den Bedürfnissen der Eltern, im besonderen Maße jedoch den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden können. Deswegen werden in diesem Buch nicht die strukturellen Rahmenbedingungen untersucht, sondern pädagogische Konzepte auf ihr Verständnis von frühpädagogischer Qualität hin geprüft. Als ersten Schritt wird deswegen ein Bild vom Kind gezeichnet und dazu in Kapitel drei die Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie, Soziologie und Pädagogik betrachtet. Das Kind wird im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs als von Geburt an aktiver Gestalter seiner Entwicklung und seiner Bildung gesehen, das auf eine von Erwachsenen geschaffene Umwelt angewiesen ist, um seine Potentiale zu entfalten. Im vierten Kapitel wird das zugrunde liegende Verständnis von Bildung, Erziehung und Lernen vorgestellt. Die drei zentralen pädagogischen Themen sind in vielen Punkten unmittelbar miteinander verbunden. Bildung verstanden als Selbstbildung wird nur möglich durch den von Erwachsenen geschaffenen Kontext eines Kindes. Dieser Kontext wird verstanden als Erziehung. Lernen in all seinen formalen, nonformalen und informellen Ausprägungen stellt die Basis für alle Bildungs- und Erziehungsbestrebungen dar. Im fünften Kapitel werden verschiedene pädagogische Konzepte vorgestellt und auf ihre Entsprechung von Erziehungs- und Bildungsbedürfnissen von Kleinstkindern hin untersucht. Montessori-Pädagogik und Waldorf-Pädagogik sind Konzepte in reformpädagogischer Tradition. Darüber hinaus haben sowohl MONTESSORI als auch STEINER Erziehungsphilosophien entworfen, die ihre Ansätze in einen übergreifenden weltanschaulichen Zusammenhang bringen. Reggio-Pädagogik und Situationsansatz können als Erziehungskonzepte für eine Erziehung nach Auschwitz gesehen werden, die sich an Gemeinschaft, Kommunikation, dem Wert des Einzelnen und der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund oder Behinderung orientieren. Bewegungspädagogik und Waldkindergarten sind Konzepte die als Gegenentwurf zu einer durch Technik und Globalisierung geprägten kindlichen Lebenswelt verstanden werden können. Emmi Piklers Lóczy-Modell basiert auf Erkenntnissen der Bewegungsentwicklung von Kleinstkindern. Das Lóczy-Modell und die Reggio-Pädagogik werden detailliert dargestellt und die Beschreibung mit einem Hospitationsbericht ergänzt. Diese beiden Konzepte wurden genauer untersucht, da sich ihre Theoriebildung und die sich daraus ergebende Praxis explizit mit den Bildungs- und Erziehungsansprüchen von Kleinstkindern auseinandersetzen. Die Hospitationsberichte sollen verdeutlichen, in welcher Weise beide Konzepte im Rahmen einer öffentlichen deutscher Kindertageseinrichtung umgesetzt werden können. Ziel dieses Buches ist es, einen Beitrag zur Diskussion der öffentlichen Betreuung von Kindern unter drei Jahren zu leisten. In Anerkennung der historischen und gesellschaftlichen Entwicklung soll das Verständnis frühpädagogischer Qualität nicht auf die Rahmenbedingungen beschränkt bleiben, sondern der Blick auf die theoretischen und praktischen Gestaltungsmöglichkeiten einer Bildung von Geburt an gelenkt werden.

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