Thesis2008

Obszöne Lust oder etablierte Unterhaltung?: zur Rezeption pornografischer Filme

In: Medien

Abstract

Inhaltsangabe: "Pornografie ist nicht konstruiert wie sexuelle Wirklichkeit. Das ist das Letzte, was sie abbilden will: sexuelle Realität, das, was sich tatsächlich abspielt. Kein Mensch würde das kaufen. Vielmehr ist sie konstruiert wie sexuelle Phantasien und Tagträume, so unwirklich, so größenwahnsinnig, so märchenhaft, so unlogisch und auch so stereotyp". Vor 30 Jahren hatte Pornografie, insbesondere der pornografische Film, gesellschaftspolitisch weniger wie von Gunter Schmidt in Henner Ertels Studie EROTIKA UND PORNOGRAPHIE behauptet den Anstrich des "Märchenhaften" als vielmehr des Realen. Jedenfalls für Pornografiegegner. Pornografische Filme seien die sexuelle Realität, so die These: Sie zeigten ihre Wirkungsweisen auf den Zuschauer direkt vom Gesehenen zum Gelebten. Die damaligen Diskurse ließen kaum Platz für nuanciertere Stellungnahmen oder wissenschaftlich fundierte Untersuchungen. Die in den 1970er Jahren von Alice Schwarzer und Andrea Dworkin angestoßene PorNO-Debatte zeichnete ein schlichtes Bild des Pornonutzers: Der Zuschauer war der Mann, die Wirkung war die Lust an der Macht über die Frau. Die Rolle der Frau bestand in der Lustbefriedigung des Mannes, der pornografische Film war Ausbeutung des weiblichen Geschlechts per se. Feministinnen und Konservative fanden in Eintracht zusammen unter dem Motto PorNO – Sag Nein zu Pornografie. Wie stellt sich die Situation heute dar? Sind Pornofilme im Post-PorNO-Diskurs inzwischen akzeptierten Medienrealität innerhalb der Populärkultur oder gesellschaftlich verwerflich? Diskurse sind jedenfalls nicht in der "Mottenkiste" der Medienhistorie verschwunden. Nach drei Jahrzehnten relativer Ruhe gewinnt das Thema wieder an Reiz für die Öffentlichkeit. Es ist ein erstarkendes Interesse festzustellen wie z.B. die von der EU-Kommissarin für Beschäftigung und Soziales, Diana Diamantopoulou, angestoßene Anregung, sexistische Darstellungen von Frauen in Werbung, Zeitungen und Fernsehen gesetzlich zu verbieten. Dies brachte ihr heftige Proteste der Medienbranche und Politik ein. Nach vehementer Kritik zog sich die Politikerin auf eine gemäßigte Form zurück. Die Diskussion hierüber ist noch nicht abgeschlossen. Nach den 1970er und 1980er Jahren aktiviert Alice Schwarzer gegenwärtig zum dritten Mal die PorNO-Kampagne über die Zeitschrift EMMA, deren Herausgeberin sie ist. Auch durch die Crossover-Filme – Unterhaltungsfilme mit pornografischen Elementen –, die in den letzten Jahren erschienenen Lektüren, die sich mehr oder minder pornografischer Sprache bedienen, um Pornografie abzubilden wie DER TANZ UM DIE LUST (Ariadne von Schirach), DIE BERLINER ORGIE (Thomas Brussig), HURE (Nelly Arcan), DAS SEXUELLE LEBEN DER CATHERINE M. (Catherine Millet), die Kino-Produktion "Destricted" als Auftakt zur KunstFilmBiennale im Filmforum des renommierten Museums Ludwig, indem internationale Kunststars Episoden von Pornografie zeigen sowie durch Erotik-Messen allerorten ist deshalb eine Fragestellung nach der medialen Akzeptanz der Rezipienten aktueller denn je. Aber wer sind sie, die Rezipienten pornografischer Filme und welche möglicherweise vielfältigen Wirkungsweisen zeigt das Genre heute auf die Zuschauer? Im Zuge dieser Fragestellung wird ebenfalls zu klären sein, ob die Debatte, die sich das erste Mal in den 1970er Jahre um Pornografie entzündete, heute noch im Bewussten oder Unbewussten der Rezipienten verankert ist und dort Wirkung auf ihr Konsumverhalten in Bezug auf Medien, hier insbesondere der DVD-Nutzung, zeigt. Oder ist es nicht vielmehr so, dass die PorNO-Debatte anachronistisch anmutet, ein in die Jahre gekommener Diskurs, weil die Rezeption pornografischer Filme zu Beginn des 21. Jahrhunderts längst akzeptierte Medienrealität geworden ist, die keinerlei öffentlicher Auseinandersetzung mehr bedarf, da sie längst zum alltäglichen Unterhaltungsfaktor wie Thriller, Science-Fiction oder Humor gehört? Wolfram Körner erklärt in seinem Buch EROTISCHES IM ALLTAG: "Im Fernsehen und in Zeitschriften gehören nun Beiträge zu sexuellen Problemen und zur Erotik zum üblichen Programm.". Ariadne von Schirach geht davon aus, dass alles Pornografie sei. Diese Thesen werden im Zuge der Analyse zur Rezeption pornografischer Filme einer kritischen Betrachtung zu unterziehen sein. Grundlage der Arbeit ist die Frage, welche Lesarten, Vergnügen und Rollenverständnisse Rezipienten heute hinsichtlich pornografischer Filme zeigen und ob bzw. in welcher Form sich Änderungen, aber eben auch gleich gebliebene Tendenzen zu den vorangegangenen Jahrzehnten ergeben. Die Basis des Vergleichs schaffen dazu die Debatten der 1970er Jahre und die Studie EROTIKA UND PORNOGRAPHIE von Henner Ertel. Gang der Untersuchung: Um eine adäquate Arbeitsbasis für die Analyse zu schaffen, wird der Begriff des pornografischen Films zunächst definiert sowie juristisch eingeordnet (Kapitel 2). Darüber hinaus wird die historische Entwicklung des pornografischen Films mit seiner Bedeutung für die jeweiligen Jahrzehnte bis heute verfolgt. Die theoretische Grundlage der Analyse bilden die Cultural Studies. Die Wahl fiel auf die Cultural Studies, weil sie nicht den Blick auf einzelne Forschungselemente der Kommunikationswissenschaft richten, sondern kontextuelle Bezüge zwischen etwa Kommunikator (Produzent) und Rezipient (Konsument) herstellen (Kapitel 3). Das Forschungsinteresse besteht aus der Ermittlung des Vergnügens, dem Wissen um (historische) Diskurse und dem Rollenverständnis eines Rezipienten, welche in Kapitel 4 als Fragestellungen konkretisiert werden. Anhand des ausgewählten Films wird eine qualitative Untersuchung mit fokussierten Leitfadeninterviews von vier Frauen und vier Männern durchgeführt: Kapitel 5 legt die Methodik der Arbeit dar. Kapitel 6 analysiert die acht Interviews. Die Zusammenführung und Rekapitulation der Fragestellung und das Ergebnis der Rezipienten-Analysen sind dem Fazit in Kapitel 7 zu entnehmen. Die vollständigen Interviews sind dieser Arbeit als gesonderter Anhang beigefügt. Diskurse und Diskussionen, nicht zuletzt die PorNO-Debatte, zogen Auseinandersetzungen nach sich, die sich in unzähligen schriftlichen Quellen niederschlugen. Diese bedürfen naturgemäß einer Einschränkung. In der vorliegenden Arbeit sind die diskursiv einflussreichsten sowie die spärlich gesäten wissenschaftlich-fundierten Analysen genannt und werden entsprechend des Themas bearbeitet. Eine qualitative Arbeit gerade auf Grundlage der Cultural Studies liefert Hinweise auf die Bedeutungszusammenhänge der Rezipienten und Tendenzen hinsichtlich pornografischer Filme heute, in deren Verlauf sich weitere Fragestellungen für zukünftige Analysen ergeben. Diese zukünftigen Analysen werden sich neuen Gegebenheiten anpassen müssen, da die vorliegende Arbeit lediglich aktuelle Bezüge und Ergebnisse liefern kann. Zur besseren Lesbarkeit ist auf eine weibliche Form wie z.B. "Darstellerinnen und Darsteller" oder "DarstellerInnen" verzichtet worden, gleichwohl sind jeweils Frauen und Männer gemeint. An dezidierten Stellen, die eine Unterscheidung nötig machen, werden sie allerdings entsprechend gekennzeichnet.

Problem melden

Wenn Sie Probleme mit dem Zugriff auf einen gefundenen Titel haben, können Sie sich über dieses Formular gern an uns wenden. Schreiben Sie uns hierüber auch gern, wenn Ihnen Fehler in der Titelanzeige aufgefallen sind.