Aufsatz(elektronisch)2008

Trauer als Biografiegenerator

In: Forum qualitative Sozialforschung: FQS = Forum: qualitative social research, Band 9, Heft 1

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Abstract

Der Tod eines Alter Ego erweist sich für Trauernde als gravierende Kontingenzerfahrung. Sie vermag das individuelle Selbstverständnis in umfassender Weise zu erschüttern, wobei sich Trauer als Schmerz von unvergleichlicher Intensität und Tiefe konstituiert. Die emotionale Erfahrung wird hierbei – nach Maßgabe psychologischer und therapeutischer Vorstellungen – zum Ausgangspunkt und zum Maßstab individueller Selbstvergewisserung. Diese Auffassung von Trauer korrespondiert mit einer allgemeinen, im Kontext moderner Gesellschaften entstandenen Zuschreibung von Emotionalität zur Ebene des inneren Erlebens: Ich bin, was meine Gefühle mir sagen. Dass es gelingen kann, Trauer als persönlichen Schmerz zu thematisieren und zum Ausgangspunkt individueller Selbstthematisierung zu machen, setzt systemtheoretisch gesehen semantische Strukturen zur Kommunizierung von individuellem Leid voraus. Im Rahmen einer auf biografischen Interviews basierenden Studie hat sich die symbolische Codierung von Trauer als individuell einzigartige Erfahrung von Schmerz und Leid erwiesen. Unabhängig von kommunikativen Zurechnungen sozialer Systeme können, so zeigt das Material weiterhin, verschiedenste lebensgeschichtliche Brüche und Diskontinuitätserfahrungen thematisiert werden. Trauer eröffnet aber nicht nur punktuell eine Selbstthematisierung: Die zentrale These lautet, dass Trauer als Biografiegenerator fungiert, indem sie eine systematische und umfassende Rekonstruktion der Lebensgeschichte unter den Aspekten von Leid und Schmerz erlaubt.

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