Aufsatz(gedruckt)1984

Belgien - der schwierige Weg zur politischen und wirtschaftlichen Stabilität

In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Heft B 7, S. 3-16

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Abstract

"Das politische System Belgiens ist seit der Gründung des Staates einerseits durch eine tiefgehende Fragmentierung der politischen Kultur und andererseits durch politische Stabilität gekennzeichnet. Drei Konfliktlinien markieren die politische Entwicklung Belgiens: 1. die religiöse bzw. katholisch-klerikal/antiklerikale Spaltung in der Gesellschaft, 2. der sozio-ökonomische Gegensatz und 3. der ethnisch-kulturelle Gegensatz zwischen Flamen und Wallonen. Während die systemgefährdenden zentrifugalen Tendenzen der beiden ersten Konflikte durch bereits im 19. Jahrhundert entwickelte konkordanzdemokratische Regelmechanismen weitgehend gemildert werden konnten, ist dies im Falle des ethnisch-kulturellen Konfliktes noch ungewiß. Mit einer in zwei Stufen 1971 und 1980 vollzogenen Staats- und Verfassungsreform hat Belgien den Weg vom zentralistischen Einheitsstaat zu einer föderativen Ordnung auf der Grundlage eines ethnisch-kulturellen Regionalismus beschritten. Wichtige Probleme wie das der institutionellen Ausgestaltung der Region Brüssel sind jedoch ungelöst. Vor diesem Hintergrund der Regionalisierungs- und Autonomiebestrebungen hat sich die Struktur des belgischen Parteiensystems, das bis Mitte der sechziger Jahre von den drei traditionellen Parteien der Katholiken, Liberalen und Sozialisten dominiert wurde, in wesentlichen Punkten gewandelt; dem Rückgang des Stimmenanteils der drei traditionellen Parteien entsprechen die Erfolge der sog. regionalen Sprachenparteien; in der Reaktion auf diese Entwicklungen haben sich auch traditionelle Parteien in regionale Teilparteien gespalten. Das zweite, eng mit der Regierungspolitik verbundene Hauptthema der belgischen Republik in den letzten Jahren ist die ökonomische Dauerkrise. Während Belgien im 19. Jahrhundert der frühen Industrialisierung das wirtschaftliche am weitesten fortgeschrittene Land Kontinentaleuropas war, sind heute die traditionellen Industriegebiete der Wallonie von einer tiefgreifenden Strukturkrise betroffen. Auf der anderen Seite hat Flandern aufgrund der günstigeren Standortbedingungen einen wirtschaftlichen Aufschwung vollzogen, der das Gleichgewicht zwischen den Regionen zugunsten des flämischen Teils verschoben hat. Dieser Aufschwung ist nicht zuletzt möglich geworden durch die aktive Teilnahme Belgiens am europäischen Integrationsprozeß. Die von allen Parteien getragene Außenpolitik Belgiens orientiert sich an supranationalen Integrationszielen und -methoden, da hierin eine optimale Wahrung der Interessen von Kleinstaaten gesehen wird." (Autorenreferat)

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