Aufsatz(gedruckt)1995

Frankfurter Geschichten 1933: aus den Akten eines Gleichschalters ; das Institut für Sozialforschung und die Frankfurter Volksbüchereien als Horte der "jüdisch-marxistischen Zersetzung"

In: Leviathan: Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Band 23, Heft 1, S. 13-26

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Abstract

Der Autor berichtet - mit z. T. makabren Anekdoten - von der Tätigkeit des "fanatischen Bibliotheken-Säuberers der beginnenden Nazizeit" Joachim Kirchner in Frankfurt am Main. Dies wurde möglich aufgrund von Akten, die den "damaligen bürokratischen Totalitarismus in seiner alltäglichen Erscheinungsform" zeigen. Besondere Berücksichtigung findet dabei das Schicksal des Instituts für Sozialforschung und seiner Bibliothek. Kirchner liefert mehrere Berichte beim von der Preußischen Landesregierung nach Frankfurt geschickten Landgerichtsrat Schnöring ab, in denen er die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts, z.B. Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Leo Löwenthal, Friedrich Pollock, Henryk Grossmann, einen Stipendiaten Wittfogel und die Bibliothekarin Mackauer diffamiert und denunziert. Aufgrund der Konkurrenz verschiedener Interessengruppen zog sich die Auflösung des Instituts bis 1938 hin. Neben vielerlei weiteren Aufträgen zur "Gleichschaltung" übernahm Kirchner 1933 als umfangreichsten Auftrag die "Reinigung der Volksbüchereien und Schulbibliotheken von kulturfeindlicher Literatur". Ergebnis war, daß etwa jedes 10. Buch der Volks- und Schulbüchereien in Frankfurt ausgesondert wurde. Was Kirchner über seine Schandtaten dachte, als das NS-Regime vergangen war, wissen wir nicht; denn er hat sich dazu nicht geäußert. (prn)

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