Aufsatz(gedruckt)2005

Von der "Eingeborenenpolitik" zur Vernichtungsstrategie: Deutsch-Südwestafrika, 1904

In: Peripherie: Politik, Ökonomie, Kultur, Band 25, Heft 97/98, S. 195-227

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Abstract

Gegenstand des Beitrags ist der Übergang von der kolonialen "Eingeborenenpolitik" zu einem Programm des vorsätzlichen Völkermords in Deutsch-Südwestafrika, gerichtet gegen die Ovaherero und die Witbooi. Die deutschen Übergriffe während des und nach dem Krieg von 1904 waren der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts und damals für eine Kolonialmacht ungewöhnlich. Es handelte sich hier auch rechtlich eindeutig um einen Völkermord, da die Entscheidung zur Vernichtung der Ovaherero vorsätzlich getroffen und von der deutschen Regierung auf höchster Ebene gebilligt wurde. Dies verweist auf die These vom deutschen Sonderweg: War der deutsche Kolonialismus nicht doch außergewöhnlich exterminatorisch? Der Verfasser fragt nach den Gründen für diese Gewalteskalation. Die erste notwendige - wenn auch nicht hinreichende - Bedingung waren die ethnographischen Darstellungen der Ovaherero. Im Gegensatz zu den präkolonialen Bildern von anderen von den Deutschen kolonialisierten Bevölkerungsgruppen - einschließlich der Witbooi - findet sich hier ein außergewöhnlich homogener, dämonisierender Diskurs. Der zweite Faktor bezieht sich auf die Struktur des Kolonialstaats. Der symbolische Klassenkonflikt zwischen den Hauptfraktionen der deutschen Elite - Adel, Wirtschaftsbürgertum, Bildungsbürgertum - wurde in die deutschen Kolonien transponiert. Der Konflikt zwischen dem aus der Mittelschicht stammenden Gouverneur Theodor Leutwein und seinem Nachfolger im Krieg von 1904, General Lothar von Trotha, nahm die epischen Proportionen des Konflikts zwischen Bürgertum und Adel im Wilhelminischen Deutschland an. Beide Parteien wurden zu extremen Positionen getrieben, die die dominante Haltung ihrer jeweiligen sozialen Klasse in der Kolonialpolitik repräsentierten. Während Leutwein "humaner" wurde und sich gegen den Völkermord wandte, wurde von Trotha paradoxerweise zum Abbild des barbarischen und "unbeschreiblich grausamen" Ovaherero. (ICEÜbers)

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