Book chapter(print)1984

Sozialgeschichtliche Bedingungen von Judentum und Antisemitismus im Kaiserreich

In: Judentum und Antisemitismus von der Antike bis zur Gegenwart, p. 113-136

Abstract

Der Beitrag untersucht aufgrund gedruckter und ungedruckter Quellen soziale und ökonomische Bedingungen von Judentum und Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich. Der formalen Emanzipation in den Gesetzen des Norddeutschen Bundes 1869 und des Deutschen Reiches 1871 folgte nicht die reale Emanzipation des Judentums. Die demographische, soziale und berufliche Gliederung der jüdischen Bevölkerungsgruppe hob sich deutlich von der der Gesamtbevölkerung ab. Die jüdische Bevölkerung war demographisch durch Ballung in Großstädten, sozial durch überdurchschnittliche Konzentration im Mittelstand und in der bürgerlichen Oberschicht, wirtschaftlich durch extrem hohen Anteil in bestimmten Branchen gekennzeichnet. Ansatzpunkte antisemitischer Agigation waren die Strukturveränderungen des Industrialisierungsprozesses und die Große Depression sowie der überdurchschnittliche Wohlstand und das Ausbleiben einer Berufsumschichtung bei den Juden. Als Partei blieben die Antisemiten ohne größere Bedeutung, führten aber den Antisemitismus als Mittel der Massenmobilisierung in die Parteien der Rechten ein. Die antisemitische Bewegung war mittelständisch, antimodernistisch, antikapitalistisch, antiliberal und antisozialistisch geprägt und vorwiegend auf protestantische Gebiete beschränkt. Die Juden reagierten auf den wachsenden Antisemitismus mit vollständiger Assimilation, Akkulturation oder Distanzierung durch Emigration, Kulturkritik, Sozialismus und Zionismus. (AM)

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