Lefort und Clastres: Einheit und Teilung

In: Am leeren Ort der Macht: das Staats- und Politikverständnis Claude Leforts, S. 49-66

Abstract

Der Beitrag setzt sich mit Claude Leforts Sicht auf Einheit und Teilung in der Gesellschaft auseinander. Obwohl die Schriften Claude Leforts nur schwer unter einem einheitlichen Titel zusammengefasst werden können, ist hinreichend klar, dass sie alle in der fundamentalen Einsicht verwurzelt sind, dass keine menschliche Gesellschaft eins mit sich selbst ist; dass vielmehr jede Gesellschaft ursprünglich geteilt ist. Um zu verstehen, was es mit dieser "ursprünglichen Teilung" auf sich hat, ist es wichtig, sie von Anfang an von verschiedenen Arten von "Teilung" zu unterscheiden, die in der Gesellschaft festgestellt werden können. Im Anschluss an Unterscheidungen, die Lefort selbst vornimmt, kann man wohl mindestens drei Typen sozialer Teilung auszeichnen: Ein erster und eher offensichtlicher Typ ist die horizontale Geteiltheit der Gesellschaft, d.h. die Heterogenität und Pluralität der Meinungen und Interessen, die in modernen Gesellschaften häufig festgestellt und diskutiert wird. Lefort bezeichnet diese als die "interne Teilung". Die zweite Teilung, die er erwähnt, ist die Teilung innerhalb des politischen Raums. Wie die Gesellschaft selbst, so ist auch der politische Raum die Bühne einer (ebenfalls horizontalen) Vielzahl konfligierender Interessen und Meinungen, die mehr oder weniger offen dargestellt werden. Die Originalität an Leforts Ansatz besteht nun in seinem Fokus auf eine dritte Art von Teilung, nämlich auf die vertikale Teilung zwischen den beiden Sphären - die Teilung zwischen dem politischen und dem sozialen Raum. Die Teilung zwischen der Gesellschaft und ihren politischen Akteuren ist für Lefort nicht primär funktioneller Art, sondern eng verbunden mit dem Verständnis, das die Gesellschaft von sich selbst hat. Der Beitrag widmet sich Leforts Diskussion der "ursprünglichen Teilung" in seinen Kommentaren zu ethnologischen Thesen - genauer: in den Texten, in denen er sich mit dem französischen Ethnologen Pierre Clastres auseinandersetzt. (ICA2)