Das Thema der Studie ist die klassen- und geschlechterspezifische Umsetzung des Rechtes auf Bildung in der Türkei. Für wirtschaftlich benachteiligte Klassen, so die These, ist der Zugang zur Bildung weder quantitativ, also für alle, gegeben, noch erreichen sie ein mit den Möglichkeiten der Mittel- und Oberschicht qualitativ vergleichbares Niveau. Wird hier keine Unterstützung geleistet, führt sie die Schule nicht zu Stärkung und akademischem Erfolg, sondern schwächt sie und treibt sie in eine Ausweglosigkeit, die sie bereits verinnerlicht haben. Denn die Schule ist ein Raum, in dem intellektuelle, akademische, emotionale und soziale Bereiche ineinander fließen. Wenn Schule und Bildung die Kinder schwächen, wird das Kind nicht nur als Akademiker erfolglos bleiben, sondern dem Leben überhaupt negativ und misstrauisch gegenüberstehen und sich deswegen noch schuldig fühlen. Der Bevölkerungsanstieg und die große Zahl junger Menschen bedürfen gut ausgebildeter Lehrpersonen. Diese sind aber nur in geringer Zahl vorhanden. Zudem werden die finanziellen Mittel der Bildung zusehends gekürzt. Als Folge davon sinken die Kapazitäten der staatlichen Schulen von Jahr zu Jahr, die Klassen werden immer größer, und die staatlichen Schulen werden zu Bildungsghettos. Am stärksten unter diesen Verhältnissen leiden die Kinder armer Familien. Sie sind es auch, die die Diskriminierung auf Grund der sozialen Klasse, die seit langer Zeit besteht, immer stärker zu spüren bekommen. Die staatlichen Schulen sind überfüllt mit diesen Kindern aus armen und arbeitslosen Familien. Auf der anderen Seite werden die Privatschulen für diejenigen, die sie bezahlen können, zu Instituten für eine "qualitativ bessere" Bildung. Qualität und Identität der Lehrpersonen, Eltern-Lehrperson- und Lehrperson-Schüler-Beziehung werden in diesen Instituten einem Wandel unterzogen; Lehrberuf und -begriff machen hier eine qualitative Veränderung durch. Zudem wird das Verhältnis der Mittelklasse zu ihrem Bildungssystem zusehends kommerzialisiert. (ICF2).
Zwischen den deutschen Bundesländern herrschen große Unterschiede in Wirtschaftskraft und Beschäftigungsangebot. Grund dafür sind die Entwicklungspotenziale, die nicht überall gleich ausgeprägt sind. Ob Potenziale entstehen und sich auch entfalten können, hängt von den politischen und sozialen Rahmenbedingungen ab - etwa von der Wirtschaftsförderung, vom Maß an Bürokratie, aber auch von der Zahl der kreativen Köpfe. Diese Faktoren entscheiden über die Zukunft der Regionen. Die vorliegende Analyse untersucht die Zukunftsfähigkeit der Regionen nicht nach gängigen marktwirtschaftlichen Kennziffern wie Bruttoinlandsprodukt oder Pro-Kopf- Einkommen, sondern nach neuen Kriterien, die sich in anderen, hoch entwickelten Industrienationen als probate Messgrößen für Innovation und künftiges Wirtschaftswachstum bewährt haben. Demnach gedeihen vor allem "kreative" Gesellschaften, die vorhandenes Wissen am besten und schnellsten zu neuen, lukrativen Produkten und Dienstleistungen kombinieren können. Voraussetzung für diese "kreative Wirtschaft" ist nach dem amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Richard Florida, der die dazugehörige Theorie begründet hat, eine Gesellschaft, in der sich gleichermaßen Talente, Technologie und Toleranz entfalten können. Diese Theorie lässt sich für moderne Wissensgesellschaften belegen: Sie erwirtschaften ihren Wohlstand immer weniger aus Rohstoffen und Massenprodukten, sondern vermehrt aus Know-how und intellektuellen Fähigkeiten. Bildung und Gebildete stellen heute das wichtigste Kapital der hoch entwickelten Gesellschaften, deren Zukunftsaufgabe gerade darin besteht, Lebensqualität mit immer weniger Rohstoffen zu gewährleisten. Aber auch der Umgang mit Neuem und Fremdem hat einen Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit: In einer globalisierten Welt, in der Wanderungsbewegungen zunehmen, profitieren jene am meisten, die Migranten gegenüber offen sind und diese, wie auch fremdes Wissen, möglichst schnell und nutzbringend in die Gesellschaft integrieren. Ohne Talente, Technologie und Toleranz kommt eine moderne Wirtschaft nicht aus.
Das Thema der Studie ist die klassen- und geschlechterspezifische Umsetzung des Rechtes auf Bildung in der Türkei. Für wirtschaftlich benachteiligte Klassen, so die These, ist der Zugang zur Bildung weder quantitativ, also für alle, gegeben, noch erreichen sie ein mit den Möglichkeiten der Mittel- und Oberschicht qualitativ vergleichbares Niveau. Wird hier keine Unterstützung geleistet, führt sie die Schule nicht zu Stärkung und akademischem Erfolg, sondern schwächt sie und treibt sie in eine Ausweglosigkeit, die sie bereits verinnerlicht haben. Denn die Schule ist ein Raum, in dem intellektuelle, akademische, emotionale und soziale Bereiche ineinander fließen. Wenn Schule und Bildung die Kinder schwächen, wird das Kind nicht nur als Akademiker erfolglos bleiben, sondern dem Leben überhaupt negativ und misstrauisch gegenüberstehen und sich deswegen noch schuldig fühlen. Der Bevölkerungsanstieg und die große Zahl junger Menschen bedürfen gut ausgebildeter Lehrpersonen. Diese sind aber nur in geringer Zahl vorhanden. Zudem werden die finanziellen Mittel der Bildung zusehends gekürzt. Als Folge davon sinken die Kapazitäten der staatlichen Schulen von Jahr zu Jahr, die Klassen werden immer größer, und die staatlichen Schulen werden zu Bildungsghettos. Am stärksten unter diesen Verhältnissen leiden die Kinder armer Familien. Sie sind es auch, die die Diskriminierung auf Grund der sozialen Klasse, die seit langer Zeit besteht, immer stärker zu spüren bekommen. Die staatlichen Schulen sind überfüllt mit diesen Kindern aus armen und arbeitslosen Familien. Auf der anderen Seite werden die Privatschulen für diejenigen, die sie bezahlen können, zu Instituten für eine "qualitativ bessere" Bildung. Qualität und Identität der Lehrpersonen, Eltern-Lehrperson- und Lehrperson-Schüler-Beziehung werden in diesen Instituten einem Wandel unterzogen; Lehrberuf und -begriff machen hier eine qualitative Veränderung durch. Zudem wird das Verhältnis der Mittelklasse zu ihrem Bildungssystem zusehends kommerzialisiert. (ICF2)
Teilen ist das neue Besitzen: Der Kapitalismus geht zu Ende? Eine gewagte These! Doch wer könnte eine solch spannende Zukunftsvision mit Leben füllen? Jeremy Rifkin - Regierungsberater, Zukunftsvisionär und Bestsellerautor. Kurz: 'einer der 150 einflussreichsten Intellektuellen der Welt' (National Journal). Rifkin ist überzeugt: Das Ende des Kapitalismus kommt nicht von heute auf morgen, aber dennoch unaufhaltsam. Die Zeichen dafür sind längst unübersehbar: - Die Produktionskosten sinken. - Wir leben in einer Share Economy, in der immer mehr das Teilen, Tauschen und Teilnehmen im Fokus steht. - Das Zeitalter der intelligenten Gegenstände - das Internet der Dinge - ist gekommen. Es fördert die Produktivität in einem Maße, dass die Grenzkosten vieler Güter und Dienstleistungen nahezu null sind, was sie praktisch kostenlos macht. - Eine einst auf Knappheit gegründete Ökonomie macht immer mehr einer Ökonomie des Überflusses Platz. Ein neues Buch für eine neue Zeit. Jeremy Rifkin fügt in seinem neuen Buch 'Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft. Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus' die Koordinaten der neuen Zeit endlich zu einem erkennbaren Bild zusammen. Aus unserer industriell geprägten erwächst eine globale, gemeinschaftlich orientierte Gesellschaft. In ihr ist Teilen mehr wert als Besitzen, sind Bürger über nationale Grenzen hinweg politisch aktiv und steht das Streben nach Lebensqualität über dem nach Reichtum. Die Befreiung vom Diktat des Eigentums hat begonnen und mit ihr eine neue Zeit. - Wie wird dieser fundamentale Wandel unser Leben verändern? - Wie wird der Wandel unsere Zukunft bestimmen? - Was heißt das schon heute für unseren Alltag? Kein anderer könnte die Zeichen der Zeit besser für uns deuten als der Zukunftsvisionär Rifkin in seinem neuen Buch. Jeremy Rifkin ist einer der bekanntesten gesellschaftlichen Vordenker. Zahlreiche Regierungen haben ihn als Berater konsultiert, seine Bücher sind internationale Bestseller. Jetzt prophezeit der Visionär den Untergang des Kapitalismus. Seine Deutung erhellt den Blick in die Zukunft.
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Als Forscher und Hochschullehrer wehrt sich Frank Deppe bis heute gegen eine überzogene, gültige Standards wissenschaftlicher Analyse unterschreitende Politisierung der Wissenschaft. Nicht minder konsequent lehnt er jedoch jenes akademische Gockelgehabe ab, das Distinktionskämpfe um Meriten im virtuellen Ranking des Wissenschaftssystems gelegentlich mit Wahrheitssuche verwechselt. Der schwierige Balanceakt zwischen einem häufig genug um sich selbst kreisenden Wissenschaftssystem und einer politischen Praxis, deren Träger er im Umfeld des linken Flügels der Arbeiterbewegung verortet, hat Frank Deppe wohl mehr belastet, als er nach außen zu erkennen gab. Dass er diesen Spagat dennoch bis heute durchgehalten hat, zeichnet ihn aus. Der Band, der seinem Jubiläum gewidmet ist, soll keine fertigen Antworten auf die Frage präsentieren, wie sich die Rekonstruktion der politischen Linken - analytisch und konzeptionell - heute konkret denken lässt. Es geht vielmehr um eine punktuelle Sondierung des Terrains, auf dem sich eine progressive, kapitalismuskritische Linke zukünftig zu bewegen hat. Die Phänomene, auf die sich die Debatte bezieht, sind neue Bio-, Gen- oder IuK-Technologien, dezentralisierte und flexibilisierte Formen der Produktions- und Arbeitsorganisation, Veränderungen in "Logistik" und "Produktionskette", die Transnationalisierung makroökonomischer Reproduktionszusammenhange, die Durchdringung der (Zivil-)Gesellschaft durch eine "Kultur des Marktes", die Kommerzialisierung des Freizeit- und Kulturbereichs, die Umwälzung der gesellschaftlichen Sozialstruktur, die "Tertiarisierung" und "Feminisierung" des Arbeitskräftepotenzials, Massenerwerbslosigkeit, verschärfte Ungleichheiten und Ausgrenzungsprozesse, soziale Statusängste und auflebende ethnische bzw. rassistische Konflikte. Im ersten Teil des Bandes geht es um die politische Ökonomie des "flexiblen Kapitalismus". Der zweite Teil konzentriert sich auf die staats- und politiktheoretische Dimension der transnationalen und europäischen Vergesellschaftung. Im dritten Teil geht es um die Rolle der Intellektuellen. Der vierte Teil beschäftigt sich mit Perspektiven linker und gewerkschaftlicher Politik. (ICF2)
Aus dem Inhalt: Hans-Werner Goetz: "Wahrnehmung" der Arbeit als Erkenntnisobjekt der Geschichtswissenschaft Bernhard Lang: Der arbeitende Mensch in der Bibel. Eine kulturgeschichtliche Skizze Johannes Engels: Merces auctoramentum servitutis - Die Wertschätzung bestimmter Arbeiten und Tätigkeiten durch antike heidnische Philosophen Thomas Haye: labor und otium im Spiegel lateinischer Sprichwörter und Gedichte des Mittelalters W. Haubrichs: Das Wortfeld von arbeit und mühe im Mittelhochdeutschen Gerhard Dilcher: Arbeit zwischen Status und Kontrakt. Zur Wahrnehmung der Arbeit in Rechtsordnungen des Mittelalters Klaus Schreiner: "Brot der Mühsal". Körperliche Arbeit im Mönchtum des hohen und späten Mittelalters. Theologisch motivierte Einstellungen, regelgebundene Normen, geschichtliche Praxis Dietrich Lohrmann: Die archimedische Schraube in der Geschichte der menschlichen Arbeit bis ins 15. Jahrhundert Horst Kranz: Arbeit und Kapital im Steinkohlenbergbau des Lütticher Zisterzienserklosters Val Saint-Lambert Kay Peter Jankrift: Selbst- und Fremdwahrnehmung ärztlicher Tätigkeit. Arbeit zwischen Handwerk und Kunst Laurenz Lütteken: Musik als "Arbeit" Ute Dercks: Die Monatsarbeiten der ehemaligen Porta dei Mesi des Domes zu Ferrara Gerhard Jaritz: Der Kontext der Repräsentation oder: Die "ambivalente" Verbildlichung von Arbeit im Spätmittelalter In einer Zeit, in der wirtschaftliches Wachstum mit gleichbleibend hoher Arbeitslosigkeit einhergeht, in der vor allem die Jugend den Sinn ihres Lebens nicht mehr wie die Nachkriegsgeneration im (Wieder-)Aufbau von Wohlstand im materiellen Sinn sehen kann, muß Arbeit hinsichtlich ihres Zweckes und Umfangs neu definiert werden. Der gewohnte Zusammenhang von Arbeit und materieller Entlohnung ist gelockert, wenn nicht aufgehoben. Arbeit muß, will sie weiterhin als sinnhaft erlebt werden, ihre Begründung aus anderen Quellen beziehen. Die Betrachtung mittelalterlicher Einstellungen und Wertungen der Arbeit kann in diesem Prozeß der gesellschaftlichen Neuorientierung wertvolle Hilfe leisten, indem sie auf alternative Bewußtseins- und Lebensformen hinweist; indem sie wieder ins Gedächtnis ruft, welche Sinnhaftigkeit und Zielsetzung verschiedenen Formen von Arbeit - von intellektueller Tätigkeit über Handel und Gewerbe bis zum Ackerbau - in unterschiedlichen Segmenten der Gesellschaft und in unterschiedlichen Phasen der mittelalterlichen Geschichte beigemessen wurden. Auf der Basis einer V ...
"Intellektuelle in strategisch relevanten Positionen als oppositionelle und kritische Sozialwissenschaftler bzw. Kulturschaffende oder reformorientierte Parteimitglieder und technokratische Manager bzw. Bürokraten haben sich in unterschiedlichen Handlungskonstellationen am demokratischen Übergang beteiligt und zur Konstituierung einer politischen Öffentlichkeit beigetragen. Insofern sie Bildung von Bürgerbewegungen und neuen Parteien beeinflußt haben, gehören sie nach den ersten parlamentarischen Gründungswahlen zu den neuen politischen Eliten der postsozialistischen Länder. Der damit eingeleitete Perspektivenwechsel von zivilgesellschaftlich orientierten Bürgerbewegungen zur Elitendemokratie hat aktuelle Kontroversen unter Beteiligten wir externen Beobachtern u.a. über den Verfassungspartriotismus als Ausweg ausgelöst. Über den Vorwurf des Elitismus wird leicht vergessen, daß diesem einmalig institutionalisierten Rekrutierungskanal für den politischen Elitenwechsel unter Bedingungen der sich selbstbeschränkenden, ausgehandelten oder sanften Revolutionen eine richtungsweisende Bedeutung für die pluralistische Strukturierung des Politischen wie auch für die Geltung des Rechts zukommt. Die anfängliche und von Szelenyi konstatierte Dominanz der teleologischen Intelligenz mit ihren traditionellen osteuropäischen Vorlieben für Gesellschaftsentwürfe bildet den notwendigen politischen Rahmen für die Einführung der Marktwirtschaft und die unvermeidliche 'Selbsthinüberrettung' der ehemaligen Nomenklatura und der Spezialisten. Wo dieser politische Systemwechsel - wie z.B. in Rußland - ausgeblieben ist, verlagert sich das strategische Gewicht der Transformation zugunsten der manageriellen und bürokratischen Elitegruppen aus spätsozialistischer Zeit, die ihr positionales, kulturelles und ökonomisches Kapital ohne politische Kontrolle und unter Bedingungen der Rechtsunsicherheit für regionale Wirtschaftsinteressen und korporatistische Einflußnahmen im ungewissen Prozeß der Staatenneubildung einsetzen. Wenn gelegentlich in Ostmitteleuropa die bloße Modifikation der ehemals sozialistischen Verfassungen während des Übergangs kritisiert wird, so ist auf die Konsensbildungsprozesse in der politischen Öffentlichkeit nach 1989 zu verweisen, die möglicherweise verfassungsgebende und erneut polarisierende Akte überflüssig machen könnten, wenn sie die Rechtssicherheit und die soziale Akzeptanz von Verfassungsgerichtsbarkeit stützen. Neue Verfassungen wären ohnehin nicht geeignet, die Rekrutierung ökonomisch erfolgreicher Gruppen zu beeinflussen, die inmitten von ungleichzeitigen und vielschichtigen Reproduktionsstrukturen agieren, deren gesamtgesellschaftliche Koordination allerdings des Rechtes bzw. der Legalität bedarf. Neue Verfassungen könnten allenfalls dazu dienen, das - etwa in Polen - virulent gebliebene Verhältnis zwischen Präsidial- und parlamentarischer Demokratie auszubalancieren bzw. einvernehmliche Staatenauflösungsprozesse - wie im Falle der Tschechoslowakei - zu begleiten. Als Gegenbeispiel möge Rußland herangezogen werden, dessen neue Verfassung eine autoritäre und zentralistische Dominanz gegenüber den Regionen zu behaupten versucht." (Autorenreferat)
Der Wunsch der Wissenschaftlichkeit. In einem kürzlich veröffentlichten Artikel unternimmt ganz unerwartet Edmond Malinvaud eine Kritik an den vom Großteil der Okonomen geteilten epistemologischen Prinzipien, namentlich an einer übertriebenen Verwendung der Mathematisierung. Das Ereignis ist nicht nur bemerkenswert durch die eminente Stellung des Wortnehmers innerhalb des Berufsstandes, sondern vor allem auch dadurch, dais es vollständig zugleich einem persönlichen intellektuellen Werdegang, wie zum anderen der Historie eines kollektiven Projekts zu widersprechen scheint, innerhalb dessen Malinvaud die herausragende Figur bildete, d.h. die Gründung einer französischen Schule der mathematischen Ökonomie in der Absicht, sich einer angelsächsischen Norman, am Grad der Mathematisierung ablesbaren Wissenschaftlichkeit einzugliedern, dessen sich bislang die in einer literarischen und historischen Ausübung des Fäches befangene wissenschaftliche Gemeinschaft als unfähig erwiesen hatte. Diese unerwartete Umkehr ist schon für sich allein, wie durch die Art der gewählten Formen, ein aufschlußreiches Indiz der Gesetze des Felds der ökonomischen "Wissenschaft, deren eine ihrer grundlegensten Spaltungen, durch die die Wissenschaftler in ihrem Verhältnis zur Wissenschaftlichkeit des Fäches untereinander geteilt sind, sie aufzeigt. Die Besonderheit dieser Stellungnahme bildet folglich einen in doppelter Richtung verwertbaren Anlaß zu näherer Betrachtung. Zunächst einmal läßt die Textanalyse die Zwänge sichtbar werden, die innerhalb des Feldes zum einen auf « üblicherweise » Gesagtem, zum anderen auf « ausnahmsweise » Gesagtem lasten. Diese Unterscheidung wird an gewissen, vom Autor in Anspruch genommenen stilistischen Freiheiten sichtbar, die unmittelbar die strukturellen Freiheiten widerspiegeln, die ihm seitens des Feldes in seiner Gesamtheit zugestanden werden. So läßt sich denn, namentlich durch das Schreiben in der ersten Person, die vom Autor zur Geltung gebrachte Breite der symbolischen Ressourcen aufzeigen, durch die ein außergewöhnlicher Gedankengang mit dem ganzen Kapital an Legitimität untermauert wird, und ganz offenkundig ist dank seiner Position im Feld jede Art von Abstandnahme dazu völlig ausgeschlossen. Zum zweiten soll die Auf- merksamkeit auf eine grundsätzliche Disposition der Ökonomengemeinschaft gelenkt werden, die sich den Diskursen einer reflexiven Soziologie in dem Maße verschließt, wie sie ihrer eigenen Wissenschaftlichkeit sich nicht sicher ist. Es wird kurz die Analyse dièses schwierigen Verhältnisses zur Wissenschaftlichkeit skizziert, in dem die Frage der Mathematik als unbestrittendstes Wissenschaftsattribut begreiflicherweise einen zentralen Platz innehat. Insbesondere wird gezeigt, wie sich die im Prinzip nützliche und (theoretisch) legitime Mathematisierung in einer Logik der Metonymie verfangen hat, um zuguterletzt ein dermaläen wertvolles epistemologisches Zeichen zu werden, daß ihr fast vollständig die theoretische Ausarbeitung untergeordnet wurde, für die sie nur ein Instrument hätte bleiben dürfen.
Das Gesetz der großen Zahl Messung von Einschaltziffern und politische Vertretung des Publikums Vor allem die Banalisierung der Praxis politischer Meinungsumfragen erklärt, daß wir uns über diese Befragungen, die tendenziell die Logik eines politischen Systems grundlegend ändern, obwohl sie dessen bloße Verbesserung anzustreben vorgeben, kaum noch wundern. Die bedeutsamere Manipulation ereignet sich indes nicht dort, wo sie gewöhnlich erwartet wird, son-dern beruht schon einfach in der Befragung einer Personengruppe, weil man wissen will, und dann bekanntmacht, was sie denken. Die eigentlichen politischen Wirkungen, die durch Meinungsumfragen erzielt werden, sind fast im Reinzustand faßbar, wenn man den Fall der Einschaltziffer-Erhebungen großer audiovisueller Medien betrachtet. Die Geschichte der im Lauf der Jahre nacheinander beim Fernsehen in Betrieb genommenen Systeme läßt erkennen, daß die einfache Messung der Zuschauerzahlen in Wirklichkeit eine wahre politische Vertretung des Publikums beinhaltet. Dieser Zusammenhang wird an dem unterschwelligen Legitimitätskonflikt deutlich, der sich innerhalb des Fernsehens selbst zwischen Produzenten sogenannter « gehobener » « kultureller » Sendungen (solche, die den Fernsehzuschauer « geistig bereichern ») und denjenigen zu entwickeln beginnt, die Sendungen von Spielen (also solche, die ihn « unterhalten » sollen) produzieren und eine immer größere Masse von Zuschauern fur sich verbuchen können. Indem sie die Aufmerksamkeit ausschließlich auf die Leistung der Meßinstrumente lenken, tendieren die technischen Diskussionen über die Gültigkeit von Umfragen dazu zu verschleiern, und daher zu verhindern zu sehen, dafê in Wirklichkeit dahintersteckt, ein neues Prinzip universeller Legitimität durchzusetzen, das unmittelbar auf Zuschauerzahlen, auf direkter Volkszustimmung und auf Beifallsmefëgeräten beruht. Reihe von Wandlungen ausgesetzt, deren sichtbarster Effekt zweifellos das Auftauchen eines neuen intellektuellen Stils ist, bei dem die Zugänglichkeit durch das große Publikum im Vordergrund steht. Der mondänen Seite der Philosophie, die sich offen, bei Gefahr, als solche entlarvt zu werden, nicht zeigen kann, kommt die Vervielfachung von Instanzen, Rollen und Zwischensituationen, in denen die Gegensätze weiter nebeneinander bestehen bleiben, zugute. Und wenn dabei die Rolle der Medien, worauf zahlreiche Indizien (Ausweiten des Themas, pathetischer Ton usw.) hinweisen, ausschlaggebend zu sein scheint, kann man doch nicht übersehen, daß die eigentlichen Bedingungen für deren Erfolg in den internen EntwicklungsMerkmalen des Fäches selbst zu suchen sind. Diejenigen Agenten, die am meisten an die Bewahrung einer angesehenen, durch Konkurrenz aber bedrohten Form eines « humanistischen » kulturellen Kapitals gebunden sind, scheinen keine andere Wahl zu haben, als die verkrampfte Verteidigung einer schulischer Orthodoxie einerseits, oder aber das Erfinden einer, insbe-sondere auf Aktualitätsthemen hin orientierten, profanen Philosophie. Da in beiden Fällen die Verewigung der, einer Geisteselite gewährten, kulturellen Privilegien auf dem Spiel steht, ist nicht verwunderlich, daß Bündnisse und Verbindungen zwischen der akademischen Welt und dem Journalismus zu einer Vervielfachung tendieren.
Aus der Einleitung: Grundlage dieser Arbeit bildet die Verwaltungsmodernisierung, die durch Begriffe wie Neues Steuerungsmodell oder New Public Management gekennzeichnet ist. Wichtigste Modernisierungsziele für die Kommunen sind, den Personal- und Mitteleinsatz zu optimieren, Kostentransparenz herzustellen und die öffentliche Verwaltung zum konzernähnlich gesteuerten Dienstleistungsunternehmen mit kunden- und bürgergerechtem Profil zu entwickeln. Als wesentliche Elemente zukünftiger reformierter leistungsfähiger öffentlicher Einrichtungen sind die Umstrukturierung und Erweiterung des öffentlichen Rechnungswesens sowie ein öffentliches Controlling. Mit Hilfe des Controllings wird versucht die Ressourcenverbrauch in der Kommune effizienter steuern zu können. Die Einführung eines leistungsstarken integrativen Verwaltungscontrollings entlastet Politik durch Verwaltung und schafft damit mehr Freiräume für die eigentliche politische strategische Aufgabe. Für eine klare Orientierung des Modernisierungsprozesses ist eine strategische Ausrichtung erforderlich, in der Ziele, Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren enthalten sind. In der neuen Verantwortungsteilung sind die strategischen Entscheidungen und die strategische Steuerung Aufgaben der Politik. Die Aufgabe der Verwaltung ist es, Produkte und Leistungen festzulegen sowie die Prozesse und Strukturen zu gestalten, um die festgelegten Leistungen zu erbringen und die Wirkungen zu erreichen. Das Controlling soll Führungskräfte durch Bereitstellung von Informationen unterstützen, ihre Ziele besser erfüllen zu können. Ein informations- und wissensbasiertes Controllingsystem ist dafür verantwortlich, dass die Potentiale der Informationstechnik erkannt und in betriebliche Lösungen umgesetzt werden. Es bedarf eines modernen Managementinformationssystems, welches Ziele einschließlich deren Messindikatoren, Produkte, Kosten der Produkterstellung, realisierte Produkte und realisierte Zielerreichungsgrade dokumentiert und Abweichungsanalysen ermöglicht. Personen, Informationen, Arbeitsgruppen, Arbeitsabläufe und Prozesse sind damit leichter erreichbar. Dabei ist das Verwaltungscontrolling auf Effizienz und Effektivität ausgerichtet und erfordert somit die inhaltliche und organisatorische Ausgestaltung eines Informationssystems, das die drei Größen Effektivität, Effizienz und Kostenwirtschaftlichkeit erfasst, abbildet, steuert und kontrolliert. Nicht nur Routinearbeit der Verwaltung, sondern auch komplexe Entscheidungsprozesse können dann besser organisiert und technisch gestaltet werden. Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Ansatz der isolierten Softwaretechniken zu Mehrkosten und Prozessbrüchen führen kann. Deswegen werden diese nicht empfohlen. Es werden unterschiedliche Technologien und Techniken zusammengeführt, die eine gesamte Einheit bilden. Dabei werden komplexe Managementinformationssysteme entstehen, deren Einführung in kreisfreien Städten einen neuen Stoß der Verwaltungsmodernisierung, der dringend erforderlich ist, ermöglicht, um die Leistungsfähigkeit angesichts neuer Herausforderungen zu bewahren und zu stärken. Zum Teil sind technischen Möglichkeiten schon bekannt, aber es geht jetzt um eine neue Anwendungsgeneration in der Entwicklung der Informationstechnik. Moderne Technologien schaffen eine neue Realität. Sie wirken als Plattform für Informationsbereitstellung, Kommunikation und gemeinsames verteiltes Arbeiten von Mensch und Technik. Verbunden mit Verwaltungsreformen nach dem Konzept des Neuen Steuerungsmodells (z.B. Dezentralisierung) wird der verstärkte und veränderte Einsatz von Informationstechnik notwendig. Das Ziel dieser Arbeit liegt darin, die Notwendigkeit des Einsatzes der IT-Unterstützung eines strategischen Controllingsystems in einer kreisfreien Stadt zu zeigen und ein Referenzmodell auf Basis von Business Intelligence vorzustellen. Die Reformstrategien der Stadtverwaltung werden durch die Data Warehouse-Technologie und Anwendungen der OLAP- und Data Mining- Werkzeugen unterstützt. Die Arbeit soll damit Potentiale offen legen und dem Verwaltungscontrolling einer kreisfreien Stadt sinnvolle Unterstützung bringen. Gang der Untersuchung: Das erste Kapitel führt in das Thema ein. Im zweiten Kapitel wird der Begriff 'kreisfreie Stadt' definiert und die damit gebundene Problematik des Neuen Steuerungsmodells erläutert. Weiter wird der Fragestellung, warum für die kreisfreie Stadt eine Einführung des strategischen Controllings an besondere Bedeutung ist, nachgegangen. Einleitend wird das Controlling beleuchtet, wobei begründet wird, warum das operative und das strategische Controlling nicht streng voneinander getrennt werden können. Folgend werden Ziele und Aufgaben des strategischen Controllings dargestellt. Das dritte Kapitel besteht aus sieben Teilen. Im ersten Teil wird ein Modell des strategischen Controllingsystems erstellt, dessen Bestandteile im Weiteren beschrieben werden. Im Vordergrund der Betrachtung steht dabei das Funktionssystem mit dessen Teilsystemen wie Steuerung, Informationsversorgung, Planung und Kontrolle. Nachdem die Controllingkonzeption diskutiert wird, wird im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung eine mögliche Grundlage für ein IT-gestütztes strategisches Controllingsystem geschafft. Informationsversorgung und Informationsbereitstellung beschreiben zentrale Aufgaben vom Controlling. Dafür wird ein Kennzahlensystem im Rahmen der Umsetzung vom Controllingsystem in einer kreisfreien Stadt abgeleitet, welches im Rahmen eines neuen Konzepts wie Balanced Scorecard entwickelt wird. Die Ergebnisse der Entwicklung werden anschließend mit den sich aus dem Ansatz in einer kreisfreien Stadt ergebenden Perspektiven zusammengefasst und anhand des Umsetzungsbeispiels vertieft. Das vierte Kapitel verbindet schließlich das strategischen Controlling und das speziellen DV-technischen Unterstützungskonzept in ein IT-gestütztes Controllingsystem. Um die aktuelle Situation mit der Entwicklung von Managementinformationssystemen aufzuzeigen, werden deren Historie verfolgt und Zukunftsansichten in der Weiterentwicklung vorgestellt. Es wird mit dem Begriffsinhalt von Business Intelligence auseinandergesetzt. Business Intelligence wird dabei als eine Bindung aus Konzeption, Prozessen und Werkzeugen vorgestellt. In diesem Zusammenhang werden herausgearbeitete Konzeption der Balanced Scorecard, der Prozess der Transformation Daten in Wissen und Werkzeuge als konkrete Techniken für die Unterstützung entsprechender Anforderungen betrachtet. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Aufgaben der Managementinformationssysteme in einer kreisfreien Stadt formuliert und Notwendigkeit deren Einführung diskutiert. Im Rahmen der weiteren Betrachtung werden Schichten der Managementinformationssysteme dargestellt. Da zukunftsorientierte Controllingsystemumsetzungen ohne DV-technische Unterstützungen heute nicht mehr vorstellbar sind, werden im weiteren Verlauf die speziellen Unterstützungskonzepte zur Umsetzung vom strategischen Controllingsystem untersucht. Es wird an dieser Stelle die gewöhnliche Architektur eines Data Warehouse-Konzeptes vorgestellt, die auf die kreisfreie Stadt angewandt wird. Das Data Warehouse stellt eine konsistente Datenbasis zur Verfügung. Ausgehend davon wird Informationsversorgung angesprochen, da eine zweckentsprechende Informationsversorgung für das funktionale Zusammenspiel von Planung und Kontrolle notwendig ist. Des Weiteren werden die Standardkomponenten zur Auswertung der Daten eines Data Warehouse, OLAP und Data Mining vorgestellt werden. Auf Basis des Data Warehouse können OLAP-Werkzeuge aufgesetzt werden, um dem Benutzer die entsprechenden Auswertungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Die Daten in mehrdimensionalen Strukturen werden mit dem OLAP-Würfel anschaulich dargestellt. Damit erfolgt die Analyse der Informationen intuitiv und weitgehend manuell durch den Benutzer. Das Data Mining ist die neueste Auswertungstechnologie. Beim Data Mining sollen automatisch neue Muster und Zusammenhänge in den Daten erkannt werden. Den Abschluss bilden Ausführungen zur Business Intelligence-Portale, die so gestaltet werden müssen, dass klar strukturierte Wege zur Erreichung der langfristigen Ziele festgesetzt werden. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick. Hierbei wird insbesondere nach Notwendigkeit und Erfüllung der Voraussetzungen für die Einführung eines Managementinformationssystem zur Unterstützung des strategischen Controlling in einer kreisfreien Stadt gefragt und die Fragestellung beantwortet, ob ein strategisches Controllingsystem mit einer Unterstützung von einem Managementinformationssystem verbessert werden kann und was noch fehlt und nachgeschlagen werden sollte, um eine zukunftsorientierten Umsetzung kennzahlengestütztes Controllingsystem zu realisieren.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: InhaltsverzeichnisII GedankenflussplanIV Verzeichnis der Abkürzungen und AkronymeV AbbildungsverzeichnisVII 1.Einleitung1 1.1Motivation1 1.2Zielsetzung2 1.3Aufbau der Arbeit2 2.Controlling als Steuerungsinstrument einer kreisfreien Stadt5 2.1Kreisfreie Städte und deren Aufgaben5 2.2Das Controlling6 2.2.1Zeitbezogene Formen des Controllings6 2.2.2Beziehung zwischen Formen des Controllings8 2.2.3Strategisches Controlling in einer kreisfreien Stadt?9 2.2.3.1Notwendigkeit und Möglichkeit des Aufbaus der Strategie einer kreisfreien Stadt9 2.2.3.2Ziele und Aufgaben des strategischen Controllings11 3.Strategisches Controllingsystem für eine kreisfreie Stadt14 3.1Controlling-Regelkreis14 3.2Informationsermittlung15 3.2.1Informationsversorgungssystem15 3.2.2Rechnungswesen17 3.2.3Berichtssystem18 3.3Strategische Planung19 3.3.1Produkt als Kernelement19 3.3.2Strategische Analyse20 3.3.3Portfolio22 3.4Strategische Kontrolle25 3.4.1Arten von Kontrolle25 3.4.2Verknüpfung von strategischer und operativer Kontrolle26 3.5Steuerung mit den Kennzahlen27 3.5.1Mögliche Perspektiven27 3.5.2Entwicklung einer Balanced Scorecard29 3.5.3Ursache-Wirkungs-Kette31 3.6Strategisches Controllingsystem33 4.Business Intelligence in einer kreisfreien Stadtverwaltung36 4.1Historische Entwicklung36 4.2Business Intelligence37 4.3Transformationsprozess von Business Intelligence39 4.3.1Daten - Rohstoff von Wissen40 4.3.2Information als Verbindung zwischen Daten und Wissen41 4.3.2.1Informationsbeschaffung und-aufbereitung41 4.3.2.2Informationsübermittlung (Kommunikation)42 4.3.2.3Entdeckung von wichtigen Beziehungen43 4.3.3Wissensgenerierung45 4.3.3.1Wissensidentifikation45 4.3.3.2Wissensmanagement46 4.3.3.3Verteilung, Darstellung und Nutzung des Wissens46 4.4IT- Unterstützung eines strategischen Controllingsystems einer kreisfreien Stadt47 4.4.1Ziele des MIS48 4.4.2Data Warehouse als Informationsspeicher- Architektur49 4.4.2.1Verbesserung der Informationsversorgungsfunktion durch ein Data Warehouse50 4.4.2.2Anforderungen an ein Data Warehouse51 4.4.2.3Data Warehouse Architektur52 4.4.3Data Marts- Ansatz zur Verbesserung der Informationsqualität56 4.4.4OLAP- Ansatz58 4.4.4.1'FASMI' - Regel59 4.4.4.2Navigationsoperationen61 4.4.4.3OLAP - Architektur62 4.4.5Darstellung der BSC67 4.4.6Data Mining - Werkzeuge zur intelligenten Analysen69 4.4.7BI-Portale72 5.Zusammenfassungund Ausblick74 Literaturverzeichnis76 Anhang86Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.4.2, Verknüpfung von strategischer und operativer Kontrolle: Strategische Ziele und Pläne stellen eine aggregierte Zielvorstellung dar, die nur durch eine Vielzahl von Einzelschritten zu realisieren ist, und werden immer erst in einzelne operative Maßnahmen und Pläne umgesetzt. Um überhaupt eine Überprüfung der Umsetzung von Strategien zu ermöglichen, wird eine Verknüpfung von strategischer und operativer Kontrolle notwendig. Werden im Wege des Wird-Ist-Vergleichs Planabweichungen festgestellt oder zeigen sich neue Chancen, sind die Realisationsfehler oder Planungsfehler durch Korrekturmaßnahmen oder Steuerungsmaßnahmen zu beheben. Liegen Planungsfehler vor, d.h., dass die Leistungsstandards unrealistisch sind, müssen die Maßstäbe geändert werden, wenn die Überwachungstätigkeiten für die Zukunft von Bedeutung sein sollen. Deswegen befindet sich die strategische Kotrolle in einem kontinuierlichen Prozess. Er verläuft parallel zur strategischen Planung und überprüft die Richtigkeit der strategischen Planung durch Ermittlung von Abweichungen zwischen Plangrößen und Vergleichsgrößen. Es wäre zu spät, wenn Kontrollen erst stattgefunden hätten, wenn Strategien bereits operativ realisiert worden sind. Die strategische Kontrolle soll vor der Realisationsphase erfolgen. Die exante Kontrolle ist von besonderer Bedeutung und hat dabei die Aufgabe, Kontrollinformationen vor der vollständigen Realisation des Planes zu erfassen, Abweichungen zwischen Plan und Realität möglichst frühzeitig zu erkennen, zu analysieren, durch korrigierende Aktionen zu beheben und damit Vorsteuerungen zu ermöglichen. Das strategische Kontrollsystem sieht seine Hauptaufgabe darin, die kreisfreie Stadt vor 'strategischen Überraschungen' zu schützen. Eine höhere Wahrscheinlichkeit von erforderlichen Änderungen der strategischen Ausrichtung ist immer zu konstatieren, wie die Notwendigkeit festzuhalten, die unterstellten Prämissen der strategischen Pläne stets im Auge zu haben. Mit Hilfe eines Früherkennungssystems kann der Blick für unerwartete Veränderungen frei gehalten werden. Ebenso wie die Planung ist Kontrolle ein informationsverarbeitender Prozess. Dabei ist es erforderlich, dass die Informationen über vorhandene und potenzielle Störgrößen möglichst früh erhalten werden, um rechtzeitig Maßnahmen zur Störungsabwehr zu ergreifen oder die angestrebten Ziele an nicht zu beeinflussende Gegebenheiten anpassen zu können. Steuerung mit den Kennzahlen: Zur strategischen Steuerung ist ein Kennzahlensystem sinnvoll, das nicht nur Wertgrößen, sondern auch qualitative Größen abbildet. Ein solches Kennzahlensystem kann als Steuerungssystem verwendet werden. In diesem Zusammenhang scheint die 'Balanced Scorecard' für eine kreisfreie Stadt ein ernstzunehmender Lösungsansatz zu sein. Die dabei entstehenden Ursache-Wirkungszusammenhänge ermöglichen einerseits die strategische Kontrolle und unterstützen andererseits die strategische Steuerung. Der Ressourceneinsatz wie auch die Wirkung des Handelns kann damit in einer übersichtlichen Form dargestellt werden. Die Balanced Scorecard bietet die Möglichkeit, operatives und strategisches Handeln sowie die Steuerung auf den verschiedenen Ebenen der Organisation zu verknüpfen. Der Grad der Zielerreichung wird durch Verbindung von Messgrößen der strategischen Steuerung mit operativen Maßnahmen zur Erreichung dieser strategischen Ziele sichtbar. Balanced Scorecard ermöglicht durch Festlegung von wesentlichen Sichtweisen (Perspektiven), die gleichgewichtig ausgewogen (balanced) dargestellt werden, eine strukturierte Erfassung der Steuerungsgrößen. Mögliche Perspektiven: Die zukünftigen Entwicklungen einer kreisfreien Stadt hängen in hohem Maß von immateriellen Werten und dem sog. intellektuellen Kapital ab wie Innovationsfähigkeit, Know-how der Mitarbeiter, Bürgerbindungsfähigkeit und Effizienz der Entscheidungsprozesse. Diese spiegeln sich auch in den Scorecard-Perspektiven wider, die neben den bereits bekannten finanziellen Kennzahlen in die Betrachtung mit einbezogen werden, um ein ausgewogenes Bild über die Vision einer kreisfreien Stadt aufzuzeigen. Diese Erweiterung gegenüber herkömmlichen Controlling-Konzepten besteht vor allem in der Aufnahme von 'weichen' und zukunftsgerichteten Faktoren, um sicherzustellen, dass nicht nur der Erfolg der Vergangenheit, sondern auch die Zukunftspotenziale berücksichtigt werden. Die Benennung soll die wichtigen Blickwinkel widerspiegeln. Wichtig ist, dass die Wahl der Dimensionen ein ausgewogenes Bild der Organisation und ihres Umfeldes bildet. Vom Autor dieser Arbeit wird die Anzahl der Perspektiven für eine kreisfreie Stadt auf fünf erweitert und werden Perspektiven vorgeschlagen, die nach seiner Meinung in einer Zweck-Mittel-Beziehung zueinander stehen. Jede Perspektive fokussiert einen bestimmten Teil der kreisfreien Stadt und gleichzeitig ein (strategisches) Erfolgspotenzial, das seinen Teil zum Erreichen des Gesamtergebnisses beiträgt. Die genaue Benennung und Zahl der Dimensionen wird für jede kreisfreie Stadt individuell vorgenommen. Sie markieren die Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, und die Maßnahmen, die durchgeführt werden müssen, damit sich die strategische Steuerung realisieren lässt. In der Politik und Gesellschaftsperspektive werden die Verantwortungen für die Erstellung der ausgewählten Produkte festgelegt. Die Finanz- bzw. Wirtschaftlichkeitsperspektive definiert die finanzielle Leistung, die von einer Strategie erwartet wird. Zugleich wird definiert, anhand welcher Kennzahlen die finanzielle Situation gemessen und überwacht werden soll. Die Bürgerperspektive ist bereits Mittel zum Zweck. Hier werden die Ziele definiert, die beim Bürger erreicht werden müssen, damit sich der Erfolg der kreisfreien Stadt einstellt und die Strategie erfolgreich umgesetzt wird. Die Prozess- bzw. Auftragserfüllungsperspektive beleuchtet den Prozess der Leistungserstellung. Hier werden Zielgrößen definiert und anhand operabler Kennzahlen messbar gemacht, die die Qualität des Verwaltungsprozesses betreffen und letztlich als Voraussetzung angesehen werden müssen, damit sich der bei dem Bürger angestrebte Erfolg einstellt. Die Entwicklungs- bzw. Potenzial- bzw. Wachstums- und Mitarbieter/-innenperspektive schließlich dynamisiert den Leistungserstellungsprozess. Hier geht es darum, Ziele und Kennzahlen zu definieren, die die Voraussetzungen markieren, damit die Organisation jede Chance zur Verbesserung (der internen Prozesse) auch tatsächlich nutzt.
Die Themen 'Alter', 'Bildung', 'Zivilgesellschaft' sind jeweils zentrale Themen des wissen-schaftlichen und politischen Diskurses. Dies trifft für die Altenbildung und für ihr Verhältnis zur Zivilgesellschaft nicht oder nur sehr bedingt zu. Entsprechend hat die Wissenschaft der Altersbildung, die Geragogik, sich noch nicht zu einer eigenen allgemein anerkannten Wis-senschaftsdisziplin etabliert. Allerdings setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Bil-dung im Alter eine Investition ist, die positive psychische, soziale und ökonomische Effekte hat. Bildung ist darüber hinaus einer der wichtigsten Prädiktoren für zivilgesellschaftliches Engagement auch im Alter. Hinzu kommt, dass der Altersstrukturwandel zu ansteigenden (politischen) Aktivitäten von Senioren und zu einer Ausweitung des Berufsfeldes der Arbeit mit älteren Menschen führt. All diese sozialen Prozesse berühren Themen der Altenbildung. Allerdings findet dies kaum eine angemessene Entsprechung in Form der wissenschaftlich beglei-tenden Implementierung, Evaluation von Modellprojekten der Altenbildung, der beruflichen Fort- und Weiterbildung, der Entwicklung von Curricula etc. Aus diesem Grund ist die Gera-gogik wissenschaftshistorisch die adäquate Antwort auf den komplexer werdenden Alters-strukturwandel. So wie sich die soziale Gerontologie ebenfalls im Laufe der gesellschaftlichen Entwicklung des demographischen Wandels herausgebildet hat. Während die Altenbildung wenigstens in Ansätzen in unterschiedlichen Feldern vorhanden ist, so ist das Thema politische Weiterbildung mit älteren Gewerkschaftsmitgliedern ein Desi-derat. Bisherige Altenbildungsansätze bleiben oft auf die individuelle Bewältigung des Über-gangs vom Erwerbsleben zum 'Ruhestand' und der Erschließung individueller Aktivitäten begrenzt. In der vorliegenden Arbeit wird besonders die Frage untersucht, wie eine Altenbil-dung in Theorie und Praxis zu gestalten ist, damit sie sowohl die Identitätsentfaltung als auch gesellschaftspolitische Partizipationsprozesse fördert. Es existiert eine große Forschungslücke im Hinblick auf Bedingungen, Voraussetzungen und Chancen für eine gewerkschaftlich ausgerichtete Altenbildung, die emanzipatorische Po-tentiale im Alter freilegt. Daraus ergibt sich die zentrale Leithypothese dieser Arbeit: Syste-matisch organisierte lebensbe-gleitende Weiterbildung, die sich der Aufklärung verpflichtet fühlt, ist eine wesentliche Voraussetzung, im Alter ein mündiger Bürger zu sein und die Per-sönlichkeitsentfaltung zu stärken. Hieraus leiteten sich zunächst vier erkenntnisleitende Fragestellungen ab:1. Kann kritische Altenbildung einen Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft leisten?2. Kann kritische Altenbildung einen Beitrag zur Stabilisierung der Per-sönlichkeit leisten?3. Welche praxeologischen Konklusionen ergeben sich aus der Analyse der empirischen Ergebnisse einer gewerkschaftlich orientierten Al-tenbildung am Beispiel der Bil-dungsstätte 'neues alter' in Hat-tingen? 4. Welche konzeptionellen Schlussfolgerungen sind für eine gewerkschaftlich orientierte kritische Altenbildung zu ziehen? Im Zuge des wissenschaftlichen Forschens stellte sich die dringliche Frage, wie Altenbil-dung und - umfassender - Geragogik nicht nur durch alterstheoretische Überlegungen fun-diert, sondern auch meta- bzw. wissenschaftstheoretisch begründet werden kann. Nach wie vor gibt es keine allgemeingültige Alterstheorie, denn Alter gilt als normativ und instrumen-tell unter-bestimmt. Von daher hat die Darlegung der wissenschaftstheoretischen Begründung und des eigenen theoretischen Standpunktes, von dem aus zusätzliche ergänzende Aspekte für eine moderne Alterstheorie entfaltet werden, einen größeren Stellenwert erhalten als ur-sprünglich geplant. Das Anliegen dieser Arbeit besteht dann auch darin, Geragogik stärker theoretisch aus kritischer Perspektive zu untermauern. Die Untersuchung gliedert sich in fünf Haupteile, sowie die Einleitung und den Schlussteil. Nach den einleitenden Ausführungen beschreibe ich im zweiten Teil auf der Phänomenebene die gesellschaftlichen Voraussetzungen einer kritischen Geragogik. Arbeiterbewegung und demographischer Wandel werden in den Kontext ge-sellschaftlicher Umbrüche gestellt, um von hieraus erste Konklusionen für eine kritische Ge-ragogik zu beschreiben.Zunächst verdeutliche ich die Schwierigkeiten der Soziologie bei der Suche nach den Struk-turmerkmalen einer Gesellschaft, die sich in einer epochalen Umbruchsituation befindet. Zwischen den Polen der Individualisierung und Globalisierung gelten alte Orientierungen nicht mehr, ohne dass sie aber bereits von neuen abgelöst wären. Nach neuen Antworten wird allerdings intensiv gesucht: Stichworte sind 'Risikogesellschaft', 'Erlebnisgesellschaft', 'Dienstleistungsgesellschaft', 'Bildungsgesellschaft' etc. Sicher ist, dass im Zuge des gesellschaftlichen Strukturwandels proletarische Milieus erodie-ren und damit weitreichende individuelle Unsicherheiten, aber auch Entfaltungspotentiale verbunden sind. Bildung wird dabei zentrale Ressource individueller und gesell-schaftlicher Entwicklung. In diesem Kontext wird auch über die Diffusion des gesellschaft-lichen Zusammenhalts diskutiert. Die 'Zivilgesellschaft' soll dem entgegenwirken. Eine An-nahme dabei ist, dass sich die Erwerbsarbeitsgesellschaft in die Tätigkeitsgesellschaft wan-delt. Relevant ist nicht mehr die Unterscheidung zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Bedeut-sam ist eine neue Zeitstruktur. Danach befindet sich der Einzelne in den unterschiedlichen Zeitzonen der Erwerbszeit, Bildungszeit, Bürgerzeit, Familienzeit und Eigenzeit. Unabhängig von der Richtigkeit der dieser Vorstellung zugrunde liegenden Annahme, dass Vollbeschäfti-gung nicht mehr erreichbar ist, verbergen sich hinter der Debatte um die Bürgergesellschaft Ambivalenzen: Da sind zum einen durchaus Chancen im Sinne der Ausweitung demokra-tischer Beteiligung, der Wohlfahrtsökonomie und der Linderung von Arbeitslosigkeit. Zum anderen besteht aber die Gefahr des Missbrauchs, indem ehrenamtliches Engagement zum Auffangbecken für den Abbau sozialer Leistungen des Staates wird.Für die Arbeiterbewegung und ihre Organisationen sind mit diesem Wandel weitreichende Schwierigkeiten verbunden: Mit dem Wegbrechen der Montanindustrie verliert sie auch die industrielle Arbeiterschaft, die immer den Kern der Arbeiterbewegung bildete. Im Zuge der Individualisierung und der Technisierung der Arbeitswelt ändern sich kollektive Denk- und Handlungsmuster. Es steigen ebenso die Ansprüche an die eigene Organisationen im Hinblick auf Transparenz und Mitgestaltungs-möglichkeiten. Schließlich ist mit dem Scheitern der staatssozia-listischen Länder Osteuropas jede grundlegende Alternative zum Kapitalismus diskreditiert. Neoliberales Gedankengut, dass die betriebswirtschaftliche Sichtweise als Blau-pause für alle gesellschaftlichen Felder nutzen will, ist vorherrschend. Die Gewerkschaften befin-den sich in einer existentiellen Krise. Eine erneuerte Gewerkschaftsbewegung muss sich die Frage nach ihren unabgegoltenen emanzipatorischen Potentialen stellen. Dazu gehören Werte wie zum Beispiel die freie Entwicklung des Einzelnen als Voraussetzung für die Frei-heit aller, die Entfaltung der Demokratie und die allseitige Entwicklung der Persönlichkeit. Gleichzeitig erzeugt der Kapitalismus als einzig vorherrschendes Weltsystem seit der histo-rischen Wende aus sich heraus Widersprüche und Probleme, die die Forderung nach einer sozialeren und demokratischen Regulierung von Wirtschaftsprozessen immer wieder auf die Tagesordnung stellen. Die Gewerkschaften haben sich in ihrem Erneuerungsprozess an einem Paradigmen-wechsel von der Betriebsorientiertheit auf ein politisches Mandat zu orientieren und müssen als Beteili-gungsgewerkschaften eine eigene Vorstellung von gesellschaftspoli-tischer Vernunft ent-wickeln. Die Vorstellung der Dichotomie von Kapitalismus und Sozialis-mus ist nicht mehr aufrecht zu halten. In Zukunft wird es um eine Mischung des Verhältnis-ses zwischen Gesellschaft, Markt und Staat gehen. Zur Bewältigung gesellschaftlicher Um-brüche ist auch der demographische Wandel zu zählen, dem sich die Gewerkschaften eben-falls stel-len müssen.Zentrales Merkmal des Altersstrukturwandels ist nach Naegele und anderen die Differenz des Alters, die sich in der Singularisierung, Entberuflichung, Hochaltrigkeit, Feminisierung etc. ausdrückt. Hierauf sind entsprechend differenzierte sozialpolitikwissenschaftliche Antworten zu finden. In einer erwerbszentrierten Gesellschaft kann es bei dem Übertritt in den 'Ruhe-stand' zu individuellen Krisen kommen. Entscheidend für das Verhalten in der nachberuf-lichen Lebensphase ist die vorangegangene Lebensbiographie. Danach kommt es im 'Ruhestand' lediglich zu einer Ausweitung von Tätigkeiten, die bisher im bisherigen Le-ben in der Freizeit praktiziert wurden (Kontinuitätsthese). Gleichzeitig vollzieht sich ein para-digmatischer Wandel des Alterbildes von der Fürsorge zur Selbstinitiative. Dies kommt in der steigenden Anzahl von Selbsthilfegruppen im Alter und stärkerem politischen Engagement Älterer zum Ausdruck. Senioren sind allerdings eher nach wie vor eine 'latente' Altenmacht. Dazu trägt ihre Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit bei, die die Entfaltung gemeinsamer Akti-vitäten erschwert. Außerdem ist im Alter eine deutliche Präferenz für konservative Ein-stellungen festzuhalten. Der medial oft beschworene 'Generationenkrieg' ist em-pirisch nicht nachweisbar. Eher kommt es zu einer 'Verflüssigung' des Generationenverhält-nisses. Das Verhältnis von Jung und Alt wird für den Zusammenhalt der Gesellschaft in der Zukunft zentrale Bedeutung erhalten. Von besonderem Interesse ist das 'ehrenamtliche' Engagement von Älteren. Vermutet man hier doch enorme - auch ökonomische - Potentiale für die Gesellschaft. Allerdings gilt hier die gleiche Ambivalenz, wie sie grundsätzlich für zivilgesellschaftliche Aktivitäten be-schrieben ist: Chancen und Risiken des Missbrauchs bis hin zu einer erneuten Verpflichtung von Älteren liegen hier dicht zusammen. Besonders bei den 'jungen Alten' werden große Ressourcen vor allem für personale Dienstleistungen vermutet.Die Gewerkschaften hat der demographische Wandel eingeholt, ohne dass sie hierauf zum Beispiel innergewerkschaftlich angemessen reagiert hätten. Die 1,5 Millionen 'Ruheständler' im DGB werden eher negativ im Sinne von 'Überalterung' diskutiert. Die Ressourcen bleiben ungenutzt. Es verdichtet sich die wissenschaftliche Erkenntnis, dass mit der 'Altersfrage' die Handlungsfähigkeit der Gewerkschaften zukünftig berührt ist. Dieser erste Teil schließt mit der Erkenntnis, dass Geragogik ein Erfordernis ist, um die Transferprozesse des sich wechselseitig beeinflussenden Bedingungsgefüges von Gesell-schaft, Kultur und Individuum zu organisieren. Geragogik ist Teil eines neuen Lernzyklus, der sich aus den beschriebenen gesellschaftlichen Umbrüchen ergibt. Dabei sind die Chancen für eine kritische Altenbildung mit älteren Gewerkschaftsmitgliedern günstig, denn erstens sind sie oft politisch interessiert und zweitens durch ihr früheres Engagement eher bereit, weitere Aktivitäten zu entfalten. Bildungsarbeit könnte besonders für Personen in der Übergangsphase zur nachberuflichen Lebensphase bedeutsam sein, um zum Beispiel dem Verlust von Mitglie-dern vor-zubeugen. Gleichzeitig eröffnen sich für den Einzelnen Chancen der Identitäts-entfal-tung im Alter durch einen voranschreitenden tertiären Sozialisationsprozess, der zielge-richtet verläuft. Nach der Beschreibung der gesellschaftlichen Bedingungen einer kritischen Gerago-gik wende ich mich im Folgenden ihren theoretischen Voraussetzungen zu.Im dritten Teil lege ich in Abgrenzung zu gängigen soziologischen Modellen meinen eigenen Theorieansatz dar. Dies begründet die An-lage der gesamten Untersuchung und ist die Grundlage für den rationalen Diskurs. In der Metatheorie wird die Wissenschaft selbst zum Ge-genstand der Wissenschaft. Wissenschaftstheorie befasst sich mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisprozess: Danach gilt ein Aussagesystem als wissenschaftlich, wenn es empirisch gestützt ist, soziale Prozesse erklärt und weitere Entwicklungen prognostiziert. In der Analyse des Theorie-Praxis-Verhältnisses wird herausgearbeitet, dass sich die Diesseitigkeit einer Theorie an ihrer praktischen und problemlösenden Kompetenz erweist. Des Weiteren wird Wissenschaft metatheoretisch als soziales System betrachtet. Sie hat die soziale Funktion, die Existenz und die Fortentwicklung der Gesellschaft zu gewährleisten. Damit ist Wissenschaft als Teil von Wissenschaftsgeschichte zu betrachten. Im Unterschied zur Kunst, in der große Werke nicht veralten, ist es das 'Schicksal' der Wissenschaft, dass ihre Erkenntnisse im Laufe der Zeit anachronistisch werden. Ausgenommen sind hiervon die Methoden der Wissenschaften. Diese Bezogenheit der Wissenschaft auf Gesellschaft und Geschichte führt zum Werturteils-streit in der Soziologie, der auf Weber zurückgeht, aber noch heute wiederzufinden ist. So vertritt zum Beispiel Habermas einen normativen Universalismus, wonach sich Aufklärung an der besseren Gesellschaft zu orientieren hat. Dagegen steht für Luhmann die Frage nach der Funktion von Gesellschaft angesichts der Vielfalt von Problemen im Vordergrund. Für ihn geht es um gesellschaftliche Selbstbeobachtung. Letztlich wird hier der Meinungsstreit über das Selbstverständnis der Soziologie ausgetragen: Sieht sie sich als Ordnungswissenschaft oder als kritische Gesellschaftstheorie mit der Anmaßung des Ganzen? Eine methodologische Schlussfolgerung besteht in dieser Untersuchung darin, dass Werturteile nicht in den unmit-telbaren Forschungsprozess einfließen dürfen: Es existiert eine Dichotomie zwischen Wert-urteilen und Erkenntnissen von Zusammenhängen. Allerdings kommt der Wissenschaftler angesichts der Vielzahl der Probleme ohne Wertbeziehungen nicht aus (Dezisionismus): Wertfragen des Forschers sind bei der Auswahl des Forschungsgegenstandes und der Inter-pretation von Daten bedeutsam. Nach diesen metatheoretischen Überlegungen gehe ich über zur Beschreibung soziologischer Sozialisationsforschung, da meiner Untersuchung die These von Veelken zu Grunde liegt, dass Entfaltungsmöglichkeiten im Alter im Rahmen von 'tertiären Sozialisationsprozessen' zu betrachten sind. Es werden grundsätzliche Überlegungen zur interdisziplinären Anlage der Sozialisationsforschung dargelegt. Deutlich wird: Leistungsfähige Sozialisationstheorien haben das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft als Prozess der Individuation und Vergesellschaftung zu betrachten. Der Sozialisationsforschung liegen wiederum unterschiedliche soziologische Theoriemodelle zu Grunde: In der Systemtheorie nach Parsons und fortentwickelt durch Luhmann interessiert die Frage, unter welchen Bedingungen Gesellschaft und soziale Pro-zesse zu einem gleichgewichtsregulierenden Wirkungszusammenhang kommen. Das Ganze besteht aus gleichrangig angeordneten Subsystemen, die sich im Prozess der Autopoiesis selbsterhalten. Sie bleiben autonom und müssen gleichzeitig ihre Anschlussfähigkeit zu ande-ren Systemen herstellen. Systemisches Denken bedeutet Reduktion von Komplexität ange-sichts einer zunehmend komplexer werdenden Gesellschaft. Subsysteme befinden sich in einem dauernden Austauschprozess. Dadurch wird die Dynamik des gesellschaftlichen Wan-dels erklärt. Ein Vorwurf an diesem Ansatz ist, dass das Individuum vernachlässigt wird. Hier hilft der handlungstheoretische Ansatz des 'symbolischen Interaktionismus' nach Mead weiter, der besonders die individuellen Handlungsoptionen betont. Allerdings besteht hier das Problem, dass der Realität keine eigene Seinsqualität mehr zukommt und nur noch qua sub-jektiver Interpretationen besteht. Im Ansatz der Gesellschaftstheorie, der sich auf den Theo-rietypus Marx bezieht, wird herausgearbeitet, dass 'Arbeit' als bewusste soziale Tätigkeit das Gattungswesen des Menschen ausmacht. Die Verknüpfung von Individuum und Gesellschaft erfolgt über die Tätigkeit, die durch historische Gesellschaftsformationen bestimmt ist. Der historische Prozess wird als voranschreitende Entwicklung der Vernunft begriffen. Im Abgleich der verschiedenen soziologischen Ansätze und ihrer Konsequenzen für die So-zialisationsforschung kritisiere ich, dass das Verhältnis Individuum und Gesellschaft zwischen den Polen der Nach- und Vorrangigkeit des Einzelnen betrachtet wird. Positiv ist hervorzuheben, dass eine sozialisationstheoretische Herangehensweise das Individuum in seinen Entfaltungsmöglichkeiten und seiner permanenten Lernfähigkeit sieht. Für den eigenen Theorieansatz versuche ich diese vorwärtsweisenden Aspekte der Sozialisationstheorie aufzu-nehmen und sie mit einem gesellschaftstheoretischen Gedankengebäude zu verknüpfen. Gesellschaftstheoretisch wird von folgenden Eckpunkten ausgegangen:· Wissenschaft durchdringt die Erscheinungsform eines Phänomens auf sein Wesen.· Die Dialektik ermöglicht die Analyse der Gesellschaft in ihrer Widersprüchlichkeit und Totalität. Das gesellschaftliche Ganze wird durch die Arbeit erzeugt. Somit sind ökonomische Prozesse und Interessen sowie ihre Auseinandersetzungen wesentlich für die Explikation sozialer Vorgänge. · Anthropologisch ist die teleologische, bewusste und soziale Tätigkeit das Gattungsmä-ßige des Menschen.· Geschichte ist ein Prozess menschlicher Selbstverwirklichung auf immer höheren Stu-fen. Mit Bourdieu begründe ich den emanzipatorischen Charakter meines Theorieansatzes. Für ihn ist Soziologie politisch und historisch und hat einen Beitrag zu mehr Demokratie zu leisten, damit sozial Ausgegrenzte zu politischen Akteuren ihrer Interessen werden. Er überwindet die Dichotomie zwischen Individuum und Gesellschaft durch ein relationales Denken. Das heißt: Gegenstand der Soziologie ist nicht der Einzelne oder die soziale Gruppe, sondern sind ihre Bezüge untereinander, ihre Relationen. Er fordert, dass kritische Intellektuelle gegen den vor-herrschenden Neoliberalismus 'wissenschaftliche Gegenautorität' erzeugen. Eine 'neutrale' Wissenschaft hält er für eine interessengeleitete Fiktion. Dazu will er einen 'Generalstand sozialer Bewegungen' formieren, der auch die zu erneuernden Gewerkschaften einschließt. Metatheoretisch versucht er die Antinomien in den Sozialwissenschaften zu überwinden. So geht er von einem praexeologischen Theorieverständnis aus, nach dem Theorie und Praxis sich wechselseitig durchdringen. Aus der Selbstreflexivität der Soziologie erschließt sich ihr emanzipatorischer Charakter: Der Soziologe gewinnt ein Teil Freiheit, indem er Gesetzmä-ßigkeiten sozialer Felder erkennt und sie als veränderbar begreift. Die Analyse sozialer Felder praktiziert er mit seinen theoretischen Werkzeugen 'Kapital', 'Habitus' und 'Feld'. In sozialen Feldern finden Kämpfe um Macht und Einfluss statt. Die Positionen der sozialen Akteure sind in diesem 'Spiel' durch ihre Verfügungsmacht über Kapital bestimmt. Zustimmung zu Herrschaftsstrukturen erklärt er durch den Habitus. Er ist ein inneres Regulativ, das soziale Feldbedingungen inkorporiert, soziale Vorgehen bewertet und interpretiert und soziale Praxis generiert. Der Habitus ist sozial bestimmt und begründet die Relation zwischen Lebensstil und sozialer Position. Die Unterscheidung zwischen sozi-alen Gruppen drücken sich in Distinktionsbeziehungen aus. Gesellschaft besteht aus der Summe sozialer Felder, die relativ autonom sind. Bourdieus politische Soziologie zielt auf eine universell intellektuelle Freiheit, die zu einer rationalen und humanen Veränderung der Gesellschaft führt.Meinen eigenen gesellschaftstheoretischen Ansatz wende ich im vierten Teil auf das Phäno-men 'Alter' an. Zunächst beschreibe ich verschiedene Alterstheorien und arbeite den Para-digmenwechsel von der Theorie des Disengagement zur Aktivitätstheorie heraus. Eine zen-trale Argumentationslinie ist dabei der Ansatz der tertiären Sozialisation. Er impliziert die Möglichkeit für den Einzelnen, seine Identität auch im Alter durch tätige Auseinandersetzung mit der Umwelt fortzuentwickeln. Gleichzeitig sind Ältere als eine sehr differenzierte Grup-pierung zu beschreiben. Die Theorien über das Alter haben sich allerdings noch nicht zu einer allgemein gültig anerkannten Alterstheorie verdichtet.Gemäß meines eigenen dialektischen Ansatzes versuche ich unter soziologischer Perspektive das Verhältnis von Alter und Gesellschaft in seiner Widersprüchlichkeit zu erfassen. Dies impliziert auch eine relationale Betrachtung, die Alter nur im gesellschaftlichen Kontext erfasst. Danach ist die negative Konnotation von Alter vor dem Hinter-grund des wachsenden Widerspruchs zwischen Alter und Gesellschaft zu betrachten, wie dies Backes erläutert. Grund hierfür ist ein Vergesellschaftungsmodell 'Alter', das mit seinen zwei Komponenten der materiellen Abgesichertheit und des 'Ruhestands' hinter den wachsenden Anforderungen Älterer an ihr Leben zurückbleibt. Gemäß des eigenen materialistischen Ansatzes erläutere ich die Zusammenhänge zwischen Alter und Ökonomie, sowie der im Kapitalismus spezifischen Interessen. Ich lege am Beispiel der Analyse der letzten Rentenreform dar, warum eine Politik des Neoliberalis-mus den Wi-derspruch zwischen Alter und Gesellschaft verschärft und hier eine tendenzielle Erosion des Generationenvertrages droht. Schließlich ordne ich die Ausweitung der berufsfreien Lebens-phase in der Jugend und im Alter historisch ein und zeige, dass aufgrund der fortschreitenden Pro-duktivkraftentwicklung in langfristiger Perspektive die Le-bensarbeitszeit potentiell weiter verkürzt werden kann. Hier eröffnen sich Chancen für eine 'Kulturgesellschaft' , in welcher der Einzelne jenseits der Erwerbsarbeit in zunehmender Weise seine Persönlichkeit all-seitig entwickeln kann. Damit wird das Phänomen 'Alter' in den historischen Kontext der wachsenden Selbstverwirklichung des Menschen gestellt.Mithilfe von Bourdieu gehe ich der Frage nach, wer die vordringliche Zielgruppe einer kri-tischen Geragogik sein kann. Hier wird die Verbindung zu den sozialen Bewegungen im all-gemei-nen und den sich zu erneuernden Gewerkschaften im besonderen hergestellt (Bourdieu 2001a). Durch den Bezug auf ältere Gewerkschaftsmitglieder wird auch der Problematik der sozialen Differenz im Alter für gemeinsame politische Aktivitäten Rechnung getragen. Da-durch wird natürlich nicht die Vielfältigkeit im Alter aufgehoben, aber durch den gemeinsa-men gewerkschaftlichen Bezug überdacht. Danach wende ich Bourdieus Kapital- und Habi-tustheorie auf das 'Alter' an, um zu zeigen, unter welchen Voraussetzungen, Senioren sich von einer latenten zu einer realen Macht entwickeln können. Bedeutsam ist hier die These der Herausbildung eines Altershabitus, der durch die Widersprüchlichkeit von Befreiungspoten-tialen und Ausgrenzungstendenzen gekennzeichnet ist und sozial bedingt ist.Zur Beantwortung der Frage, was denn das Sinnvolle im Alter ist, greife ich auf Koflers Tä-tigkeitskonzept zurück und begründe anthropologisch, dass Arbeit im umfassenden Sinn als zielbewusstes Tätigsein das Gattungsmä-ßige des Menschen ausmacht und sich im histo-rischen Prozess als wachsende Selbstverwirklichung realisiert. Daraus entwickle ich ein neues Vergesellschaftungsmodell, das die bisherigen Elemente der sozialen Absiche-rung und der Entpflichtung von Erwerbsarbeit in modifizierter Form enthält und um ein drittes Element zu er-gänzen ist: Dies besteht in der teleolo-gischen, sozialen und be-wussten Tätig-keit, die auch im Alter die Vermittlungsebene zwischen Indi-viduum und Gesellschaft gewährleistet. Diesen Teil beende ich mit Veelkens Ansatz der tertiären Sozialisation. Dieser schließt die Lücke der bisherigen Betrachtungen, die das Individuum eher vernachlässigen. Hiermit wird gezeigt, wie der Einzelne seine Identität im Dreiecksverhältnis zwischen Individuum, Kultur und Gesellschaft entfalten kann. Gleichzeitig eröffnet diese Be-trachtung des Alters den Weg zur Altenbildung. Im folgenden fünften Teil wird der Bogen von der Alterstheorie zur kri-tischen Geragogik gespannt. Dazu werden die sozialisations- und habitustheoretischen Überlegungen auf die Altenbildung übertragen. Altenbildung ist eine zentrale Voraussetzung, damit der Ältere über andere soziale Gruppen seine An-schlussfähigkeit an andere Subsysteme erhält. Kritische Altenbildung knüpft an einem Alters-habitus an, in dem sich lebensbiographische Prozesse mit Einstellungen aus sozialen Her-künften miteinander verbinden. Die Position im sozialen Feld 'Alter' bestimmt sich für den einzelnen Älteren über das Ausmaß der Verfügung über öko-nomisches, kulturelles, soziales und symbolisches Kapital. Entsprechend zielt kritische Gera-gogik darauf ab, die individuelle und gesellschaftliche Handlungskompetenz älterer Gewerk-schaftsmitglieder zu stärken, in-dem sie sich vor allem kulturelles Kapital aneignen. Dieser Aneignungsprozess von kultu-rellem Kapital zielt allerdings nicht auf die Anhäufung abstrak-ten Wissens, sondern ist als Erfahrungslernen zu organisieren. Mit der Reflexion der eigenen Lebensbiographie ist eine visionäre Lebensführung verbunden, die auch im Alter individuelle und gesellschaftliche Zu-kunftsentwürfe erlauben. Dabei kommt älteren Gewerkschaftsmit-gliedern eine besondere Be-deutung zu: Die Gewerkschaften haben aus ihrem Selbstverständ-nis und der Interessenslage ihrer Mitglieder heraus Potentiale für eine Politik gegen den Neoliberalismus. Zudem be-sitzen ältere Gewerkschaftsmitglieder wichtige Lebenserfahrun-gen, die es aufzuheben gilt. Ihre relativ stark ausgeprägten Interessen an politischen Vorgän-gen sind darüber hinaus gute Voraussetzungen für eine politische Weiterbildung im Alter. Anschließend erfolgt die Beschreibung der konkreten historischen Sozialisationserfahrungen der Jahrgänge von etwa 1920 bis ca. 1940. Da bei der vorliegenden Untersuchung Möglich-keiten einer kritischen und politischen Altenbildung ausgelotet werden, be-schreibe ich die kritische Dimension von Bildung und die Bedingungen von politischer und gewerkschaft-licher Weiterbildung im Alter. Daran schließt sich die Schilderung von Eckpunkten einer kri-tischen Geragogik an. Aus der wis-senschaftshistorischen Sicht wird die Herausbildung der Geragogik zu einer eige-nen Wissenschaftsdisziplin als Erfordernis einer zunehmenden Diffe-renzierung des Alters-strukturwandels, der im Kontext gesellschaft-licher Umbrüche zu sehen ist, gesehen. Gerago-gik wird nach Veelken definiert als die Umsetzung der Lehre vom Lebenslauf und Lebensziel in die Praxis des Lehrens und Lernens. Sie befasst sich mit Altenbildung, gerontologischer Aus-, Fort- und Weiterbildung und der Forschung in Theorie und Praxis. Im Zuge der Her-ausbildung der Zivilgesellschaft besteht eine ihre wichtigen Herausforderungen darin, Ältere zu Tätigkeiten zu befähigen, die selbstbestimmt und emanzipatorisch angelegt sind. Damit werden Anforderungen der tertiären Sozialisation mit dem neuen Vergesellschaftungsmodell verknüpft. Insofern ist Geragogik ein wesentliches Element zur Überwindung des Wi-der-spruchs von Alter und Gesellschaft. Weiter werden die Zusammenhänge zwischen Identitätsent-faltung und gesellschaftspolitischer Partizipation ex-pliziert, die zentraler Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind. Ab-schließend werden in diesem Teil die methodisch-didak-tischen Besonder-heiten des Lernens im Alter herausgestellt. Schließlich werden Aussagen zu den Themen der politischen Altenbildung, zur Zielgruppe und zum Verhält-nis von Dozenten und Teilnehmern, die auch die Beziehung von Jung und Alt betrifft, getroffen. Im sechsten Teil werden anhand einer Sekundärbetrachtung empirischer Ergebnisse über ge-werkschaftlich orientierte Altenbildung am Beispiel der Arbeit in der Bildungsstätte 'neues alter' praxeologische Konklusionen ge-zogen, die sich aus dem Kontext des übergeordneten theoretischen Zusam-menhangs ergeben. Dazu werden zunächst die Sozialdaten der Teilneh-mer und ihre politischen Präferenzen erfasst. Die empirischen Daten beantwor-ten die Frage, ob es gelingen kann, bei bildungsungewohnten Personen (Stahlarbeiter), die in der Regel ge-werkschaftlich organisiert sind, über Weiterbildung im Alter die Identitätsentfaltung durch neue Tätigkeiten zu festigen und zu verbessern und zu einem stärkeren politischen En-gage-ment zu kommen. Anhand der Beschreibung unter anderem zweier Projekte zur Ge-schichte und zum Naturschutz werden Handlungsorientierungen für eine kritische Al-tenbildung darge-stellt. Darüber hinaus werden Voraussetzungen für eine erfolg-reiche Altenbildung skizziert. Es wird deut-lich, dass Lernen im Alter erfahrungsbezogen und handlungsorientiert anzulegen ist. Dies kann durchaus dazu beitragen, im Alter neue Hand-lungsfelder zu erschließen, die in der bisherigen Lebensbiographie unerschlossen geblieben sind. Die empirischen Ergebnisse verdeutlichen darüber hinaus, dass das Bildungsprogramm durch eine große Nähe zu den Teilnehmern, die die direkte Beteiligung an der Planung des Bildungsprogramms impliziert, eine starke Akzeptanz erfährt. Es wird der Lebenslagean-satz bestätigt und die Notwendigkeit einer großen Partizipation im Binnenverhältnis betont. Ebenso ist die Ganzheitlichkeit des Bildungsangebotes, das kognitives, emotionales und so-ziales Lernen beinhaltet, wichtig für die Akzeptanz des Bildungsprogramms. Der empirische Teil weist nach, dass praktische Al-tenbildung, wie sie theoretisch begründet ist, sowohl per-sönlichkeitsstabilisierend als auch demokratiefördernd wirksam sein kann. Im Schlussteil bündele ich die Erkenntnisse der Untersuchung, verknüpfe die Geragogik mit der Alterstheorie in nuce und beschreibe Bausteine für eine kritische gewerkschaftlich ausge-richtete Altenbildung. Wichtige davon sind:1. Alter in seiner neuen historischen Qualität ist Ergebnis eines Sozials
Anlässlich des 200. Todestages von Anna Amalia und des 250. Geburtstages des Großherzogs Carl August wurde von der Klassik Stiftung Weimar und dem Sonderforschungsbereich (SFB) 'Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800' der Friedrich-Schiller-Universität Jena 2007 eine interdisziplinäre Tagung veranstaltet, die sowohl "die internen und externen Zusammenhänge von Politik, Gesellschaft und Kultur [.] als auch einzelne künstlerische und wissenschaftliche Leistungen" (S. 8) des Ereignisraumes Weimar-Jena um 1800 thematisierte. Wurde in der nationalen Wissenschaft des späten 19. und auch des 20. Jahrhunderts die 'Weimarer Klassik' ausschließlich als singuläre literarische Periode aufgefasst, so geht der innovative Ansatz sowohl des SFB als auch der Klassik Stiftung Weimar davon aus, dass es sich bei 'der Klassik' um ein höchst komplexes kulturgeschichtliches Phänomen handelt, "um eine solitäre Verdichtung und Aufgipfelung der Wissenschaften und Literatur von globaler Geltung und Wirkungsmacht, sowohl in der Residenzstadt Weimar als auch in der benachbarten Universitätsstadt Jena." (S. 8) Diese "integrative Grundposition" geht auf Goethes 1825 formulierte Einschätzung zurück, wonach er "Jena und Weimar wie zwey Enden einer großen Stadt anzusehen habe, welche im schönsten Sinne geistig vereint, eins ohne das andere nicht bestehen könnten." (S. 8) Georg Schmidt legt in seinem Beitrag "Das Ereignis Weimar-Jena und das Alte Reich" daher auch die methodischen Vorzüge des 'Ereignisbegriffs' dar. Seit den 1780er Jahren verbarg sich hinter "der Chiffre Weimar" die Doppelstadt Weimar-Jena "mit der ganzen Vielfalt ihres geistigen und literarisch-ästhetischen Potentials", nicht "die Normierung eines bestimmten Stils oder Geschmacks" stand im Vordergrund, "sondern die Ausrichtung auf dieses Zentrum kommunikativer Verdichtung, das kulturelle Höchstleistungen provozierte." (S. 31) Überdies lässt sich das 'Ereignis Weimar-Jena' als "ein Laboratorium" verstehen, in dem u. a. "neue Nations- und Staatsideen kreiert wurden." (S. 32) Die Tagungsschwerpunkte bestimmen auch die Gliederung des von Lothar Ehrlich und Georg Schmidt herausgegebenen Sammelbandes. Trotz der interdisziplinären Ausrichtung dominieren germanistische und historische Beiträge. Den Anfang machen Analysen der historischen Zeitumstände, in denen wesentliche politische Einschnitte, wie das Ende des Alten Reichs oder die empfindliche Niederlage des preußisch-sächsischen Heeres gegen die napoleonischen Truppen 1806, stets mit Blick auf die damit einhergehenden Auswirkungen auf Gesellschaft und Kultur dargestellt werden. So kann beispielsweise Gerhard Müller in seinem Beitrag "Kultur als Politik in Sachsen-Weimar-Eisenach" zeigen, dass sich der Ruf Weimars und das internationale Ansehen seiner Dichter und Literaten nach der Niederlage bei Jena und Auerstedt 1806 "als unschätzbares politisches Kapital" erwiesen haben und dass mit Hilfe der von den Dichtern und Intellektuellen über Jahre aufgebauten "personellen Beziehungs- und Kommunikationsnetze" (S. 67) der drohende Untergang des Herzogtums abgewendet werden konnte. "Die Kultur ersetzte in dieser besonderen historischen Situation gleichsam die Politik, genauer gesagt das, was man damals unter Staatspolitik verstand, das Handeln der Regenten, Regierungen und Diplomaten. Daß Weimar in der Krisensituation von 1806 in der Lage war, auf ein solches Potential zurückzugreifen, war das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung." (S. 67) Ein weiterer Schwerpunkt des Bandes widmet sich Interpretationen von wissenschaftlichen und künstlerischen Werken. So liest etwa Ernst Osterkamp Goethes Alterswerk sowohl inhaltlich als auch formal als eine "Poesie der Einsamkeit" (S. 106), die nach Schillers Tod als Ergebnis von Goethes Strategie zur aktiven Bewältigung des Verlustes zu verstehen sei. Die formale Radikalität der späten Werke sei, so Osterkamp, erst durch die gewählte Einsamkeit, durch den Rückzug auf 'das Innere' möglich geworden. Goethe habe darin keinerlei Konzessionen an den Zeitgeist und die Publikumserwartungen mehr gemacht. Wie ertragreich die Erschließung unbeachtet gebliebener Quellen stets sein kann, zeigt Cornelia Brockmann in ihrem Beitrag zum "Repertoire der Weimarer Hofkonzerte", für den sie den umfangreichen 'Katalog über Noten für Instrumentalmusik um 1750' auswertet. Aus theaterwissenschaftlicher Sicht könnten im Katalog verzeichnete Musikalien, die nachweislich in den Zwischenakten des Weimarer Theaters verwendet wurden, weitere Hinweise auf die Aufführungspraxis am lange Zeit unter Goethes Leitung stehenden Hoftheater geben. Die Analyse des Katalogs legt die Vermutung nahe, dass im Bereich der Musik "die Vernetzungen zwischen Wien und Weimar weitaus intensiver waren, als bisher angenommen" wurde. (S. 125) Nicht von ungefähr findet sich im Sammelband daher auch ein eigener Beitrag zum "Ereignis Wien um 1800 – Dichtung und Musik von der Aufklärung zum Biedermeier". Leider erweist sich der von Herbert Zeman verfasste Aufsatz, sowohl was den Zugriff auf die dargestellte Thematik als auch was die verwendete Sekundärliteratur betrifft, als äußerst selbstreferentiell. Während die Herausgeber des Bandes einen klar reflektierten, jeglichem Epochendenken kritisch begegnenden Zugang zum 'Ereignisbegriff' offenlegen, vermisst man in diesem Beitrag über Wien Analoges. Ein großer Schwerpunkt des Sammelbandes ist Beiträgen zu deutschen und europäischen Konstellationen in Bezug auf Weimar-Jena gewidmet. Paul Raabe gibt Einblick in "Herzogin Anna Amalias Lebenshintergrund", indem er das von Sammelleidenschaft, kulturellen Interessen und vor allem von einer hervorstechenden Buchkultur geprägte kulturelle Umfeld der in Wolfenbüttel und Braunschweig aufgewachsenen späteren Regentin skizziert, während Walter Schmitz mit seinem anregenden Beitrag "Stadtbilder und Funktionen der Stadt: Dresden – Weimar um 1800" die neuesten Tendenzen der Stadtforschung reflektiert. So lässt sich nachweisen, wie sich unter der Regierung Carl Augusts Weimar gemeinsam mit Jena "zum Zentrum einer modernen Kultur von Bildung und Wissenschaft, deren Medium die Schrift ist" (S. 167), entwickelt. "Es zeigt sich eben, daß sich in der medialen Karte die Größenverhältnisse durchaus anders gestalten können, als nach den üblichen Maßstäben der Parameter von Politik – Wirtschaftskraft und gesellschaftlichem Einfluß – zu erwarten wäre. In der 'süßen Anarchie' der Medienlandschaft Deutschlands ist Weimar tatsächlich ein Hauptort." (S. 168) Dass in den Untersuchungen der internationalen Beziehungen des Ereignisraumes Weimar-Jena um 1800 zwei Texte Frankreich gewidmet sind, verwundert freilich nicht. Roland Krebs unterstreicht die zentrale Bedeutung Wilhelm von Humboldts "als Mittler zwischen Paris und Weimar". Während seines Paris-Aufenthaltes (1797-1801) habe Humboldt seine Mittlerfunktion in doppelter Weise erfüllt, " indem er einerseits die Pariser Intellektuellen mit der deutschen kritischen und idealistischen Philosophie und ihrer neuen Poesie bekannt zu machen versuchte, andererseits, indem er den Weimarern Auskünfte über die französische Dramatik und Schauspielkunst bot." (S. 230) In seinem amüsant zu lesenden Beitrag "Wie im 19. Jahrhundert der deutsche Geist den englischen gerettet hat" führt Terence J. Reed die Ursprünge und Auswirkungen der großen Vorurteile der Briten gegenüber den Deutschen vor: Schillers Räuber hielt man für zu revolutionär, Goethes Stella für moralisch verwerflich. "Suspekt an den Deutschen waren nicht nur die vermeintlichen moralischen und politischen Tendenzen, sondern auch ihre nationale Vorliebe für Ideen." (S. 236) Dennoch gab es stets Bestrebungen einzelner britischer Schriftsteller, die Vorzüge der deutschen Literatur und der von Humboldt eingeleiteten pädagogischen Reformen für England zu nutzen. Die allererste Goethe-Biografie wurde von einem Engländer, George Henry Lewes, verfasst und 1859 publiziert, zweifellos "für einige Deutsche ein Affront", aber "ein Markstein in der Akzeptanz Goethes und der deutschen Kultur in England" (S. 243). In den Beiträgen Franziska Schedewies über "Dieprivaten politischen Briefe Carl Augusts und Maria Pavlovna, 1805-1815" und Joachim von Puttkamers über die "Ungarischen Hintergründe einer diplomatischen Episode" wird die Figur des Herzogs aus ungewohnter Perspektive beleuchtet. So lässt sich aus den Briefen Carl Augusts an seine Schwiegertochter Maria Pavlovna, die Schwester der russischen Zaren Alexander, deren Funktionalisierung als informelle "Diplomatin zwischen Weimar und St. Petersburg" (S. 247) ablesen. Der Blick auf die Hintergründe bzw. das Interesse, ausgerechnet Carl August die ungarische Königskrone anzutragen, wiewohl in der Forschung nur als Marginalie behandelt, ermöglicht es, "den Horizont europäischer Diplomatie aus den Kommunikationsgeflechten der Epoche zu rekonstruieren" und "die Stellung mindermächtiger Fürstentümer im Vorfeld der großen europäischen Umbrüche um 1800 auszuloten" (S. 265). Auch im Rahmen dieser Untersuchung zeigt sich die um 1800 an Weimar-Jena wahrgenommene enge Verflochtenheit von Politik und Kultur. In seiner Rekonstruktion "der politischen Vorstellungswelt der Verschwörer" kann Puttkamer zeigen, inwiefern Weimar kurzzeitig "zur Projektionsfläche hochfliegender ungarischer Erwartungen geworden" war, "die den Schutz ständischer Freiheiten mit dem Programm nationalkultureller Erneuerung verband" (S. 277). Darüber hinaus lässt die "ungarische Episode [.] das Potential mindermächtiger deutscher Fürsten aufscheinen, neben ihren politischen Beziehungen auch das kulturelle Ansehen ihrer Höfe nicht nur innerhalb Deutschlands nutzbar zu machen, sondern auch außerhalb Deutschlands zu wirklich souveränen Monarchen aufzusteigen" (S. 277). Lothar Ehrlichs Beitrag über die Erforschung und Rezeption der 'deutschen Klassik' in der DDR, vor allem die Darstellung und Einschätzung der höfischen Gesellschaft und ihrer Repräsentanten Anna Amalia und Carl August als "reaktionär" und "im Widerspruch zur Herausbildung der progressiven klassischen deutschen Literatur" (S. 291) stehend, beschließt den Sammelband. Obwohl in Weimar umfangreiches Material lagerte, gab es in der DDR auch in den 1980er Jahren noch keine quellenorientierte Erforschung des höfischen Umfelds und seiner Protagonisten. Erst im Wendejahr 1989 erfolgte ein von Wolfenbüttel ausgehender erster nachhaltiger Impuls "für eine quellengestützte wissenschaftliche Beschäftigung mit Anna Amalia" (S. 293) in den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar (NFG). "Erstmals wurde der Forschungshorizont der Weimarer Institution, der bislang allein auf die klassische deutsche Literatur und Kultur (ohne die höfische Dimension) beschränkt geblieben war, aufgebrochen und erweitert durch das Interesse an der ihre Entstehung fördernde[n] Tätigkeit der Fürstin Anna Amalia" (S. 294). Die Lektüre des vorliegenden Sammelbandes ist aufgrund der nahezu durchgängig hohen Qualität der Beiträge, der Hinweise auf noch unerschlossene Quellen und der in zahlreichen Texten aufgeworfenen Neuperspektivierungen von Fragestellungen äußerst anregend. Mag auf den ersten Blick die Zusammenstellung der Texte willkürlich erscheinen, so vermittelt sich gerade aufgrund der unterschiedlichen thematischen und methodischen Zugänge die Komplexität des Ereignisraumes Weimar-Jena. Ohne immer direkt aufeinander zu verweisen, erschließen sich vielfach innere Bezüge zwischen den einzelnen Beiträgen. Dass diese Vernetzungen nicht redundant, sondern aufschlussreich sind, spricht für die gelungene thematische Streuung und erweist überdies, wie methodisch gewinnbringend die Wahl des 'Ereignisbegriffs' sein kann.
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2019 hat Thomas Hofmann den scheinbar ewigen Präsidenten Wolfgang Herrmann an der Spitze der TU München abgelöst. Was macht er jetzt anders? Ein Gespräch über das bayerische Genderverbot, die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, die Beziehungen zu China – und Hofmanns Verständnis der unternehmerischen Universität.
Thomas Frank Hofmann, Jahrgang 1968, ist Lebensmittelchemiker und war von 2009 bis 2019 geschäftsführender Vizepräsident der Technischen Universität München (TUM) für Forschung und Innovation. Seit 2019 ist er Präsident der TUM. Foto: Astrid Eckert / TUM.
Herr Hofmann, auf Betreiben von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist Anfang April in Bayern das Genderverbot in Kraft getreten. Schulen, Hochschulen und Behörden ist die Verwendung geschlechtersensibler Sprache von nun an ausdrücklich untersagt. Was bedeutet das für die Technische Universität München (TUM)?
Wir glauben, dass Diversität, ihre Förderung und Wertschätzung die Schlüssel sind für den Erfolg unserer Universität. Durch die Nutzung gendersensitiver Sprache versuchen wir seit Jahren eine möglichst große Vielfalt an Talenten anzusprechen. Und das gelingt zunehmend gut, auch wenn wir wie auch andere technische Universitäten gerade bei weiblichen Studierenden und Wissenschaftlerinnen weiterhin Aufholbedarf haben. Wir interpretieren das Verbot so, dass es für die Universität im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben gilt, also beispielsweise bei der Erstellung von Satzungen oder Promotionsordnungen etwa. In anderen Bereichen, wie beispielsweise in der Kommunikation innerhalb unserer Universitätsgemeinschaft verfahren wir im Bestreben einer weiteren Steigerung unserer Vielfalt wie bisher.
Also sämtliche Lehrveranstaltungen, Lehrunterlagen und Forschungsarbeiten fallen nach Ihrem Verständnis nicht unter das Verbot?
Soweit ist unser Verständnis, und ich bin sicher, dass die noch ausstehenden Ausführungsempfehlungen des Freistaats in dieser Form die Autonomie der Hochschulen nicht unnötig einschränken.
"Dieser vermeintliche 'Genderzwang' existiert doch gar nicht."
Ärgert es Sie, dass Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) als Beispiel für den vermeintlichen "Genderzwang" an bayerischen Hochschulen einen inzwischen gelösten Fall angeführt hat, der sich, wie später herauskam, ausgerechnet an der TUM zugetragen hat?
Nein, zumal dieser vermeintliche "Genderzwang" doch gar nicht existiert. Dass die besagte Promotionsordnung gendersensitive Sprache nutzt, ist lediglich Zeichen unseres Inklusionsverständnisses. Im Übrigen entspricht sie auch andernorts dem heutigen Standard. Wenn Sie die Promotionsordnung der TU Berlin oder auch der ETH Zürich anschauen, dann lesen die sich genauso. Die ganze Aufregung, auch in den Medien, halte ich für unangemessen und vor allem für wenig zeitgemäß, zumal in diesen bewegten Zeiten Deutschland doch vor ganz anderen Herausforderungen steht. Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Medien sollten ihre vereinten Kräfte besser auf innovative Lösungsansätze fokussieren, denn der laufende Wettbewerb um die Zukunftsstandorte der Welt wartet nicht auf Deutschland!
Der Vorwurf lautete, dass einer Promovendin die Verleihung des Doktorgrades verwehrt worden sei, solange sie sich geweigert habe, auf dem Titelblatt das Gendersternchen zu verwenden – was, wie Blume sagte, "sogar in der Promotionsordnung so vorgeschrieben ist". Laut dem Minister "ein klarer Fall von sprachlicher Übergriffigkeit".
Es gab den Fall, dass sich die Veröffentlichung einer Dissertation wegen Diskussionen um Formulierungen auf dem Titelblatt der Dissertation verzögerte. Die Promovendin hatte ihre Prüfungen zuvor bereits erfolgreich bestanden. Daran gab es keinen Zweifel. Die Promovendin hatte sich zudem gewünscht, den Titel "Doktor" als Bezeichnung des generischen Maskulinums zu erhalten statt "Doktorin". Dies war lediglich der erste derartige Fall an der TUM seit Inkrafttreten der Neufassung der Promotionsordnung 2021. Deshalb hat sich der Ablauf etwas verzögert, was auch nicht mehr vorkommen sollte. Da wir an der TUM möglichst große individuelle Freiheiten bezüglich geschlechterspezifischer Bezeichnungen gewähren, haben weibliche Promovierende natürlich die Möglichkeit, den akademischen Grad "Doktor" oder "Doktorin" zu wählen, so auch in diesem konkreten Fall. Also erneut: kein Grund zur Aufregung.
Ebenfalls von der Staatsregierung beschlossen wurde ein Entwurf für ein "Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern", das nicht nur Zivilklauseln an bayerischen Hochschulen untersagt, obwohl es gar keine gibt, sondern ein allgemeines Kooperationsgebot für die Hochschulen mit der Bundeswehr festschreibt. Stellt das Wissenschaftsministerium auf Antrag der Bundeswehr fest, dass eine Kooperation für die nationale Sicherheit erforderlich sei, sollen die Hochschulen künftig sogar ministeriell zur Zusammenarbeit gezwungen werden. Eine Grenzüberschreitung?
Die grundgesetzlich verankerte Freiheit von Lehre und Forschung wird an der TUM mit höchster Wertigkeit gelebt und schließt aus meiner Sicht ein Verbot von Forschung zu Dual-Use-Technologien und eine entsprechende Zivilklausel aus. Darum gab es an der TUM auch nie eine Zivilklausel. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass wir uns keiner Technologie verschließen sollten, nur weil sie gegebenfalls Dual-Use-Potential mit sich bringt, also neben zivilen auch für defensiv-militärische Zwecke genutzt werden könnte. Oft genug war es in der Vergangenheit doch sogar umgekehrt: Zahlreiche Technologien wurden beispielsweise in den USA primär für militärische Zwecke entwickelt und führten dann, etwa in der Luftfahrt, zu innovativen Fortschritten in der zivilen Nutzung. Unnötige Einschränkungen bei der Erforschung von Dual-Use-Technologien an der TUM wären somit zum Nachteil des Innovationsfortschritts im zivilen Bereich.
"Wenn der Staat seine Universitäten verstärkt für den Schutz der Bevölkerung in die Verantwortung nehmen will, hat dies aus meiner Sicht nichts mit einem Verlust der Freiheit in der Wissenschaft zu tun."
Außerdem dürfen wir nicht leugnen, dass sich in den vergangenen zwei Jahren die Sicherheitslage in der Welt dramatisch verändert hat. Im Sinne einer friedlich ausgerichteten Verteidigungspolitik sehe ich auch die Hochschulen gefordert, ihre technischen Entwicklungen und Innovationen auch zum Schutz unserer Bevölkerung, der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der nationalen Sicherheit zu nutzen. Wenn der Staat seine Universitäten nun verstärkt in die Verantwortung nehmen will, hat dies aus meiner Sicht nichts mit einem Verlust der Freiheit in der Wissenschaft zu tun. Denn nicht für einzelne Forscher oder einzelne Forscherinnen soll das Gebot zur Kooperation gelten, sondern für die Hochschule als Institution. In die individuelle Entscheidungsfreiheit wird aus meiner Sicht mit dem aktuellen Gesetzesentwurf an keiner Stelle eingegriffen.
Im Oktober 2019 haben Sie Wolfgang Herrmann nach 24 Jahren als TUM-Präsident abgelöst. Herrmann war eine Institution, er hat die Universität zu der gemacht hat, die sie heute ist. Und was machen Sie jetzt anders als er, Herr Hofmann?
Wir sind seit 2019 noch besser geworden, in den Hochschulrankings weiter aufgestiegen und rapide gewachsen bei den Studierendenzahlen, während zahlreiche andere deutschen Hochschulen stagnieren oder schrumpfen. Im aktuellen THE-Universitätsranking besetzen wir Platz 1 in Deutschland und der Europäischen Union. Diese Entwicklung der TUM ist auch Ergebnis mutiger Reformen seit 2019. Also kein einfaches "Weiter so", sondern ständige Veränderung ist unser Gebot der Stunde im international galoppierenden Wettbewerb. In dieser Grundhaltung bin ich geistig sehr nahe bei Wolfgang Herrmann. Wie er bin ich fest davon überzeugt, dass zur erfolgreichen Führung einer Universität Weitsicht, Veränderungsmut und Furchtlosigkeit gehören, immer wieder neu zu denken, innovative Maßnahmen zu entwickeln und Überkommenes einfach zu lassen. Diese operative Agilität und Adaptierungsdynamik sind für zukünftigen Erfolg genauso wichtig wie eine möglichst große Diversität der Talente. Und genau das macht die TUM als "unternehmerische Universität" aus. Aber natürlich gibt es Unterschiede zwischen Wolfgang Herrmann und mir. Viele sagen, dass der größte Unterschied in unseren Führungsstilen liegt. Das mag sein und das ist gut so. Denn der Führungsstil muss zeitgemäß sein, um erfolgreich zu sein, und heute die kreative Kraft der gesamten Universitätsgemeinschaft einbinden.
"Der ewige Patriarch" lautete die Überschrift eines Porträts, das ich einmal über Ihren Vorgänger geschrieben habe.
Mein Führungsstil ist inklusiv und kooperativ. Ich gebe die grobe Richtung vor, höre zu, stimme mich ab und lasse mich hin und wieder mit guten Argumenten auch gerne überzeugen. Und natürlich braucht es manchmal am Ende mutige Entscheidungen, denn wir dürfen unsere Ziele nicht aus dem Blick verlieren.
Mutig ist zum Beispiel, dass die TUM als einzige Universität in Bayern die gesetzlichen Möglichkeiten nutzt und Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einführt, und zwar in beträchtlicher Höhe: zwischen 2000 und 6000 Euro pro Semester. Beunruhigt es Sie nicht, dass keine andere Hochschule mitzieht?
Ich kann nichts zu den Gründen sagen, warum andere die Studiengebühren nicht einführen wollen. Entscheidend ist doch, warum wir uns dazu entschieden haben, Gebühren für Studierende außerhalb der Europäischen Union einzuführen. Als Universität mit internationalem Exzellenzanspruch wollen wir uns nicht nur in der Forschung, sondern gerade auch in der Lehre mit den Besten der Welt messen. Beim Blick auf unsere internationalen Wettbewerber fällt sofort auf, welche enormen Summen die Spitzenuniversitäten in die Erneuerung des gesamten Lehrumfelds investieren, in neue Infrastrukturen, in innovative Lehrtechnologien und -formate oder auch in die weitere Verbesserung der Betreuungsrelationen, die vielerorts völlig anders aussehen als bei uns. Das bedeutet für uns: Um mithalten zu können, um Studiengänge auf höchstem internationalen Qualitätsniveau anbieten zu können und unsere Studierenden wirklich zukunftsfähig auszubilden, braucht es viel mehr Geld als uns staatliche Mittel dazu zur Verfügung stehen. In ganz Deutschland ist die staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen dazu nicht ausreichend. Daher wollen wir unsere Finanzierungsbasis verbreitern und eingenommene Studiengebühren gezielt für die Verbesserung der Lehre einsetzen. Davon profitieren alle Studierenden, die nationalen wie die internationalen, und von den bestausgebildeten Talenten ihre späteren Arbeitgeber.
Und Sie haben keine Sorgen, Sie könnten mit der Einführung internationale Studierende abschrecken? Baden-Württemberg schafft die Gebühren gerade wieder ab mit dem erklärten Ziel, dann wieder mehr Talente aus dem Ausland anziehen zu können.
Es gibt da doch große Unterschiede zu uns. Erstens: Die Universitäten in Baden-Württemberg waren beim Anteil internationaler Studierender nicht ansatzweise auf unserem Niveau. Bei den Master-Studiengängen liegen wir inzwischen bei 57 Prozent internationale Studierende. Zweitens war es ein politischer Fehler der Landesregierung in Baden-Württemberg, dass ein Großteil der Gebühren gleich wieder eingezogen wurde, so dass eine spürbare Verbesserung der Lehrqualität eben nicht erreicht werden konnte. Doch nur spürbare Verbesserungen hin zu einem wirklich exzellenten, modernen Lehr- und Lernumfeld werden internationale Studierenden trotz der (international ohnehin üblichen) Gebühren nach München bringen. Sicher wird es in den ersten zwei, drei Jahren Schwundeffekte geben. Das zeigen die Erfahrungen aus den Niederlanden und anderen europäischen Ländern. Es hat sich aber gezeigt, dass an diesen Hochschulen anschließend die internationalen Studierendenzahlen wieder hochgingen – und dann schnell über den Stand vor der Einführung der Studiengebühren hinausgeschossen sind.
"In international ausgerichteten Berufsfeldern macht es heute keinen Sinn mehr, einen Studiengang auf Deutsch anzubieten."
Aber rechtfertigen die Erträge überhaupt den Aufwand?
Das System fährt stufenweise hoch über mehrere Jahre, weil wir nur von neuen Nicht-EU-Studierenden Gebühren verlangen und nicht von denen, die schon bei uns sind. Außerdem wird es für bis zu 20 Prozent der Studierenden Erlass-Stipendien geben: für die absolut herausragenden Talente genauso wie für finanzschwächere Bewerber, weil wir andernfalls an Diversität verlören, wenn die soziale Herkunft über den Universitätszugang entscheiden würde. Insofern tue ich mich schwer, einen konkreten Eurobetrag zu nennen. Aber wir rechnen mittelfristig schon mit einem signifikanten zweistelligen Millionenbeitrag.
2014 hatte Wolfgang Herrmann angekündigt, bis 2020 alle Masterstudiengänge auf Englisch umstellen zu wollen. Was ist eigentlich daraus geworden?
Das wurde als Ziel diskutiert damals, aber in dieser Absolutheit nie beschlossen. Wir haben den Anteil englischsprachiger Studiengänge seitdem organisch wachsen lassen, heute liegt er im Master bei über 70 Prozent. Darunter sind etliche Studiengänge, die Sie zu großen Teilen auch auf Deutsch studieren können, die also im Prinzip zweisprachig sind. Wir erleben aber, dass der Nachfragetrend immer stärker Richtung Englisch geht. Vor kurzem haben wir sogar den ersten Bachelor-Studiengang auf Englisch, für Luft- und Raumfahrt, gestartet, und seitdem ist die Bewerberlage mehrfach überzeichnet mit Bewerberinnen und Bewerbern aus der ganzen Welt. Wir sehen: In international ausgerichteten Berufsfeldern macht es heute einfach keinen Sinn mehr, einen Studiengang auf Deutsch anzubieten, sondern nur auf Englisch.
Wie aber soll das funktionieren, wenn ein Großteil der Lehrenden deutsche Muttersprachler sind? Führt das nicht zwangsläufig zu einer intellektuellen Verflachung, weil sich die Lehrenden und Lernenden in einer Fremdsprache nicht so präzise ausdrücken können wie in ihrer eigenen?
Wir lassen bei der Beantwortung von Fragen in Klausuren in der Regel beide Sprachen zu. Sie können also, wenn die Frage auf Englisch gestellt ist, auch auf Deutsch antworten. Wir sehen aber, dass für die meisten jungen Leute – unabhängig von deren Herkunft – die Kommunikation auf Englisch überhaupt kein Problem mehr ist. Sie sind damit aufgewachsen und dank Social Media und Internet ganz anders darauf getrimmt als frühere Generationen.
Für die Studierenden mag das stimmen. Aber was ist mit ihren Profs?
Ich kann wieder nur für uns an der TUM sprechen, aber unsere Professorinnen und Professoren sind weltweit unterwegs und auf ihren Dienstreisen, bei Vorträgen und auch der Lehre gewohnt, Englisch zu sprechen. Viele kommunizieren mit ihrem gesamten Mitarbeiterkreis nur auf Englisch. Trotzdem bieten wir über unser Sprachenzentrum Kurse an für Dozenten, die ihr Englisch verbessern wollen. Und diejenigen, die aus dem Ausland zu uns kommen, unterstützen wir beim Deutschlernen. Und das tun wir vor allem, damit sie in Deutschland auch außerhalb der Hochschule sprechfähig sind und sich integriert fühlen. Ohne Sprachkompetenzen ist es einfach schwieriger, ausländische Talente und deren Familien in Deutschland zu halten.
Die TUM ist unter anderem mit einem Verbindungsbüro in der Volksrepublik China vertreten. Im Oktober 2020 haben Sie persönlich eine sogenannte Flaggschiffpartnerschaft mit der Tsinghua-Universität in China besiegelt. Bereuen Sie den Schritt inzwischen?
Keineswegs! Auch wenn der politische Druck auf die deutsch-chinesischen Beziehungen massiv zugenommen hat, stehen wir zu einer Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen mit ausgewählten chinesischen Partneruniversitäten. Erst vergangene Woche bin ich nach China geflogen zum Besuch des Präsidenten der Tsinghua University, nachdem vergangenes Jahr eine chinesische Delegation der Universität bei uns war. Auch die Besuche an der Tongji University und der Shanghai Jiao Tong University waren äußerst spannend und inspirierend. Denn wer glaubt, dass diese Universitäten etwas von deutschen Universitäten lernen können, irrt sich grundlegend. Ich glaube, dass viele deutsche Universitäten von diesen Spitzenuniversitäten aus China lernen können!
"Generalverdacht hilft niemanden weiter und entzieht jeder Zukunft die Grundlage."
Also alles wie immer in den Beziehungen zu Ihren chinesischen Partner?
Unsere Ziele sind beständig, aber der Blick und die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Wir gehen heute mit großem Bedacht in unsere internationalen Partnerschaften. Wir schauen uns schon sehr genau an, mit welchem Partner wir zu welchen Themen zusammenarbeiten, unter welchen Konditionen und mit welchen Standards wir kooperieren und wann wir es eben nicht tun. Und wir bereiten unsere Mitarbeitenden vor; wir unterstützen sie mit Coachings, Reisehandys und Reisecomputern, bevor sie auf Dienstreise gehen. Ich halte es für einen kapitalen Fehler zu glauben, Deutschland könnte sich aus einer Zusammenarbeit mit China zurückziehen. Nur durch internationale Spitzenallianzen werden wir unsere heutigen Herausforderungen wie beispielsweise zu Gesundheit oder Klimaschutz lösen können und auch den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern können.
Was antworten Sie einer Bundesforschungsministerin, die sagt: "Hinter jedem chinesischen Forscher kann sich die kommunistische Partei verbergen"?
Generalverdacht hilft niemanden weiter und entzieht jeder Zukunft die Grundlage! Aus der Geschichte können wir lernen: Unwissenheit und Ignoranz trennen die Welt, nur der Austausch verbindet Menschen und Kulturen – und dies ist die Grundlage für Partnerschaften. Natürlich müssen wir dazu unsere Sicherheitsprotokolle anpassen und achtsamer sein als früher, aber wir müssen auch die über viele Jahre aufgebauten Brücken bewahren, mit denen wir deutsche und chinesische Partner in Austausch bringen. Denn sind diese Brücken einmal abgebrannt, wird es Jahrzehnte dauern, wieder Vertrauen aufzubauen.
Bayerns Staatsregierung brüstet sich damit, wie kein anderes Bundesland in die Wissenschaft und die Hochschulen zu investieren, Überschrift: "Hightech Agenda Bayern" (HTA). Laut Wissenschaftsminister Blume sind darüber über 1000 neue Professuren entstanden und verstetigt worden, außerdem sind die Rahmendaten für die Hochschulfinanzierung schon bis 2027 vereinbart. Glückliches Bayern?
Mit der HTA hat Ministerpräsident Söder einen echten und weit sichtbaren Impuls gesetzt für Innovationen aus Bayern; dieser sucht bundes- und europaweit seinesgleichen. Andererseits wird es überall im Land enger, auch bei uns. Ein insuffizienter Bauunterhalt oder die gestiegenen Energiekosten setzen uns wie alle anderen Hochschulen zunehmend unter Druck. In Verbindung mit der unzureichenden Grundfinanzierung presst die Inflation die Hochschulen in ein Korsett, welches jeglichen Atem für die im heutigen internationalen Wettbewerb so dringend erforderlichen Neuausrichtungen in Forschung und Lehre nimmt. Auf der anderen Seite müssen wir einsehen, dass die Staatshaushalte sowohl im Bund als auch in den Ländern momentan sehr belastet sind. Anstatt nur mehr Geld zu fordern, müssen wir daher als Hochschulen selbst agiler werden und alte Zöpfe abschneiden, um dem Neuen eine Chance zu geben, beispielsweise den Ausbau der Unterstützung von Ausgründungen und Start-ups. Denn nur mit neuer Wirtschaftskraft in Deutschland werden auch die Staatskassen wieder besser gefüllt werden, und das Land kann wieder in seine Hochschulen investieren. Also, nicht Jammern bringt uns weiter, sondern Machen!
Das mit der Agilität ist Ihnen, wie man merkt, sehr wichtig. Können Sie Ihren Anspruch mit ein paar Zahlen unterlegen?
Genau zu der Frage haben wir eine Studie durchführen lassen mit dem Ergebnis, dass jede Personalstelle, die der Freistaat bei uns an der TUM finanziert, im Schnitt 14 neue Arbeitsplätze in unseren Start-ups generiert. Das kann sich doch sehen lassen und ist, neben tausenden Absolventen jedes Jahr und unseren Forschungsallianzen mit der Wirtschaft, ein ganz konkreter Return on Investment.
Mit Verlaub: Solche Studien präsentieren viele Hochschulen und Forschungseinrichtungen, und jedes Mal kommen fast unglaubliche Zahlen dabei heraus.
Unsere Zahlen sind belastbar. In der Wissenschaft streben wir vor allem nach neuem Wissen und Erkenntnissen, aber in einem nächsten Schritt übernehmen wir die Verantwortung dafür, dass aus dem Wissen auch marktfähige Innovationen und neue Arbeitsplätze entstehen. Deshalb ermutigen wir alle Universitätsmitglieder, von den Studierenden bis zu den Professorinnen und Professoren, wenn sie eine tolle Geschäftsidee haben, diese auch zu verfolgen. Und wir unterstützen sie dabei. Mit dem Ergebnis, dass heute fast 500 Gründungsteams durch die TUM gefördert werden und weitere 180 studentische Initiativen, über alle Fächer und Disziplinen hinweg. Gerade war eine Gruppe von Studierenden bei mir, die an einer Methan-Sauerstoff-Rakete arbeitet, um sie Ende des Jahres über die 100-Kilometer-Grenze hinaus in den Orbit zu schießen.
"Die Reduzierung der Höchstbefristung in der Post-Doc-Phase ist ungerecht, denn sie ist zum Schaden der jungen Menschen selbst."
Wenn Sie so viel Wert auf das Schaffen neuer Arbeitsplätze in der Wirtschaft legen, was tun Sie für gute Arbeit an der eigenen Universität? Schließlich sehen sich die Hochschulen selbst mit dem stärker werdenden Fachkräftemangel konfrontiert.
Ich danke Ihnen ausdrücklich für diese Frage, denn damit sind wir an einem Schlüsselpunkt angelangt. Wir Hochschulen müssen als Arbeitgeber attraktiver werden, uns dafür am eigenen Schlafittchen packen und viel mehr tun für verlässliche Karrierewege auch unterhalb der Professur. So sind auch zahlreiche Stückelverträge hintereinander unfair gegenüber den jungen Menschen, die sich uns anvertrauen. Die Ampel will zu diesem Zweck das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) novellieren, doch das wird ins Auge gehen, wenn sie das falsche Modell wählt. Laut aktuellem Entwurf sollen künftig nach der Promotion vier Jahre Befristung erlaubt sein und dann nochmal zwei Jahre – aber nur, wenn klar ist, dass die Person danach einen Dauervertrag erhalten kann. Dies kann aber nur in wenigen Fällen erfolgen, so dass de facto für die meisten nach maximal viel Jahren als Postdoc Schluss wäre. Vier Jahre sind aber oft zu kurz, um sich über exzellente Forschung und hochkarätige Veröffentlichungen tatsächlich für eine Professur zu qualifizieren. So täuscht der Reformvorschlag für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine falsche Gerechtigkeit vor. Tatsächlich ist die Reduzierung der Höchstbefristung in der Post-Doc-Phase ungerecht, denn sie ist zum Schaden der jungen Menschen selbst. Und sie wird einen enormen Brain Drain auslösen, entweder heraus aus der Wissenschaft insgesamt oder hinein in ausländische Universitäten, die sich kein solch wissenschaftsfeindliches Korsett anziehen.
Ihr Alternativvorschlag lautet also: Einfach die Regelung lassen, wie sie ist?
Nein, ich unterstütze prinzipiell ein Tenure-Track-System für den wissenschaftlichen Mittelbau mit Nachdruck. Der aktuelle Gesetzesvorschlag ist allerdings verlogen! Statt den Befristungszeitraum von maximal sechs auf vier Jahre zu kürzen, wäre es im Sinne einer Karriereplanbarkeit sicher sinnvoller, die realen Vertragslaufzeiten für Postdocs generell an die Förder- oder Zuwendungsbescheide für Projekte anzupassen, anstatt sie mit Stückelverträgen zu gängeln. Wie auch immer macht die Umsetzung des aktuellen Gesetzentwurfs nur dann Sinn, wenn im dimensionalen Ausmaß neue entfristbare Stellen an die Universitäten kommen. Und dies halte ich vor dem Hintergrund der heute knappen Staatskassen für schieres Wunschdenken. Die Politik muss sich der Konsequenzen ihres Handelns schon bewusst sein!
Sie sagen, die Hochschulen seien gefragt, sich intelligente Konzepte für Karrierewege auch unterhalb der Professur zu überlegen. Welche fallen Ihnen da konkret für die TUM ein?
Das Wissenschaftsmanagement wird immer wichtiger und ist ein hoch attraktives Aufgabenfeld. Diese Kolleginnen und Kollegen tragen maßgeblich dazu bei, dass an der TUM Spitzenleistungen in Forschung und Lehre erzielt werden. Deswegen haben wir zum Beispiel das berufsbegleitende Qualifizierungsprogramm TUM Science Manager aufgelegt. Es dauert zwischen 12 und 24 Monate und die Teilnahme am Kursprogramm erfolgt während der Arbeitszeit – wird also bezahlt.
"Als Franke müsste ich angesichts der Gründung der TU Nürnberg jubeln, aber eine Spitzenuni lässt sich nicht mit der Brechstange schaffen."
Sie haben es vorhin gesagt: Die Hochschulfinanzierung wird auch in Bayern enger. Gleichzeitig hat der Freistaat vor wenigen Jahren die Technische Universität Nürnberg (UTN) neu gegründet, übrigens mit tatkräftiger Unterstützung Ihres Vorgängers, und massive Investitionen versprochen.
Da sehen Sie, dass wir uns doch in einigen Dingen unterscheiden.
Inwiefern?
Als Franke müsste ich jubeln! Aber wenn wir in die Welt hinausschauen sehen wir, dass sich international führende Forschungsstandorte evolutionär und über lange Zeiträume hinweg entwickelt haben. Eine Spitzenuni lässt sich nicht mit der Brechstange schaffen, sondern braucht Geld und vor allem Zeit – viel Zeit! Ein Professor in Stanford hat zu mir mal gesagt, eine wissenschaftliche Top-Einrichtung zu schaffen, koste 100 Milliarden und dauere 100 Jahre.
Erst neulich hat Ministerpräsident Söder einen Strategiewechsel verkündet: die Fokussierung der UTN auf das Thema Künstliche Intelligenz. Sogar einen schnittigen neuen Titel hatte er im Angebot: "Franconian University of Artificial Intelligence".
Ich habe das nicht zu entscheiden. Ich persönlich würde eine Universität nicht thematisch einschränken, selbst wenn es sich wie bei der KI um eine disruptive Querschnittstechnologie handelt. Aber ich glaube, das ist so auch nicht gemeint.
Vielleicht sagen Sie das nur, weil Sie fürchten, dass die UTN ihnen demnächst Ihre KI-Talente abjagt.
Das erwarte ich nicht, und es wäre auch kein sinnvoller bayerischer Ansatz, dass wir jetzt das Wildern beieinander anfangen.
Wie aber wollen Sie überhaupt all die neuen KI-Lehrstühle besetzt bekommen, die in den vergangenen Jahren im Freistaat ausgelobt wurden?
Da sehe ich kein Problem. Wir haben praktisch alle Professuren der HTA besetzt – mit wirklich exzellenten Leuten. Es ist nicht so, dass alle 150 sogenannten KI-Professuren in Bayern jetzt mit Mathematikern und Informatikern besetzt werden, die KI-Grundlagenforschung machen. Davon gibt es in ganz Europa vielleicht 50 ernstzunehmende Leute. Aber die KI hat viele Facetten und Anwendungsdomainen, in denen dann auch die Wertschöpfung von KI entsteht. In solchen Feldern haben wir zahlreiche Berufungen gemacht, wie beispielsweise in der Robotik, der Medizin, in den Sozialwissenschaften und vieles mehr.
Wie passt es eigentlich zusammen, dass Sie an der TUM Spitzentechnologien und KI derart in den Mittelpunkt stellen, gleichzeitig aber gerichtlich bestätigt einen Bewerber abgelehnt haben mit der Begründung, dessen Motivationsschreiben sei mithilfe Künstlicher Intelligenz erstellt worden? Warum sind Sie da nicht offener?
Weil das Motivationsschreiben die individuelle Prägung des Kandidaten zeigen soll. Welchen Sinn hätte es sonst? Etwas völlig Anderes ist es, wenn unsere Studierenden und Lehrenden ChatGPT oder andere sogenannte Large Language Models im Studium einsetzen, das stimulieren wir mit Nachdruck. So wie sich der Taschenrechner zum bewährten Hilfsinstrument entwickelt hat, wird das auch mit KI-Anwendungen sein. Darum bauen wir sie proaktiv in unsere Lehre ein, damit unsere Studierenden vorbereitet sind. Aber erklären, warum sie zu uns an die TUM kommen wollen, sollen unsere Bewerber schon noch selbst.
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