Der Sozialismus als Modernisierungsideologie: Bemerkungen zu S. N. Eisenstadts Theorie des Sozialismus als "universalistische Tradition der Modernität"
In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie: KZfSS, Band 31, Heft 1, S. 109-123
ISSN: 0023-2653
S.N. Eisenstadt unterscheidet drei Selektionskomplexe zur Interpretation seiner Theorie des Sozialismus als universalistische Tradition der Modernität. Zum ersten Selektionskomplex zählt er sozialistische Staaten Afrikas, wo solidarisches Handeln und kollektive Verpflichtungen der alten Stammesgesellschaften als moderne sozialistische Komponenten hervorgehoben werden. Beispiel für den zweiten Selektionskomplex ist Burma, wo Sozialismus als Mittel zur Realisierung vorgegebener traditioneller buddhistischer Leitziele betrachtet wird. Vom afrikanischen und burmesischen Sozialismus, der durch partikularistische und traditionelle Solidaritätsorientierungen geprägt ist, heben sich Rußland und China durch eine universalistische Außenorientierung ab, was sich in missionarischen Bemühungen niederschlägt, den Sozialismus weltweit zu verbreiten. Der evolutionären Grundströmung im Argumentationsprozeß Eisenstadts liegt die Vorstellung zugrunde, daß der von Europa ausgehende Modernisierungsprozeß nicht nur alle nichtwestlichen Gesellschaften erfaßt und verändert, sondern sie auch in die Entwicklungsrichtung drängt, die westliche Gesellschaften zuvor durchgemacht haben. Diese Fixierung auf einen westlich orientierten Modernisierungsprozeß blockiert alternative Interpretationsmöglichkeiten. Als eine solche wird die chinesische Interpretation des Sozialismus nach Donald Murro (1977) dargestellt. (MW)