The present work deals with changes in the English modals and analyses ongoing developments by means of corpora of mainly spoken English. By means of different quantitative and qualitative approaches this study shows how different stylistic, semantic, syntactic and pragmatic factors influence grammaticalisation processes. The theoretical background includes a categorisation of modal verbs, gives an overview on previous studies in this domain and introduces theories about current language change. The analysis starts with chapter 3, which presents different frequency and semantic analyses of all modal auxiliaries, while chapters 4 – 6 focus on the modals of obligation. Chapter 4 deals with syntactic and semantic differences of the modals of obligation in British and American English, chapter 5 presents a variation analysis and chapter 6 introduces a discourse analysis. Chapter 7 summarises the most important results and their impact on future research in this domain. The study is based on previous works which have identified the English auxiliaries as a group of words undergoing rapid change with regard to their categorisation, frequency and semantic development (e.g. Bolinger 1980, Krug 2000, Leech 2003). The English language has got two categories of verbs for the expression of modal semantics: The central (can, could, may, might, will, would, shall, needn't and dare), and semi-modals have to, (have) got to, need to, be able to, be allowed to, be going to, want to, be supposed to and ought to. This study builds on previous research observing drastic shifts in the modal system over the last thirty years, mainly based on written data, and elaborates on it with an examination of the recently developed DCPSE (Diachronic Corpus of Present-Day Spoken English), making this study the first detailed real-time analysis of the changes in the modal auxiliaries in spoken English. This real-time approach offers the unique opportunity of studying three explanatory factors of current change identified by previous research, namely Americanisation, colloquialisation and democratisation in the context of grammaticalisation, which describes the long-term developments of modal auxiliaries. Data from other corpora such as ARCHER, ICE and CSAE provide additional information. Various frequency analyses show that most changes are further advanced in spoken English and are interpreted as overall structural changes. However, the study also shows that some verbs develop differently in spoken and written English so that these differences have rather to be interpreted as genre-specific developments. While chapter 3 presents frequency and semantic analysis of all modal auxiliaries, the remaining chapters focus on the modals of necessity and obligation because recent changes are particularly evident among these forms, and these developments have often been related to shifts in society (democratisation). Chapter 4 compares the frequency, syntax and semantics of the modals of obligation in British and American English conversation and confirms previous studies regarding Americanisation as a further advanced stage of development, which, however, is not necessarily due to direct language contact. The analysis also shows that extralinguistic and stylistic factors can have an impact on ongoing developments as, for example, differences in the use of (have) got to, in British and American English illustrate. The variation analysis compares the use and functions of the modals of obligation in order to investigate the impact of semantic, pragmatic, social and stylistic factors in order to see to what extent the individual verbs are interchangeable. The analysis of the thirty-year period shows that there are shifts in frequency, but the different functions do not change significantly. Social factors do not have an impact on the variation either. Nevertheless, the analysis of subject and verb types illustrates how pragmatic factors can influence ongoing variation. The last empirical chapter presents a discourse analysis, looking at individual verbs in their larger discourse context. The focus is on pragmatic, social and stylistic factors. The analysis of whole texts or longer text passages illustrates a number of factors which often remain unnoticed by quantitative methods only, and therefore complements previous research. All in all the discourse analysis demonstrates how flexible the system of modal verbs is, and it is this flexibility which instantiates change and grammaticalisation. ; Die vorliegende Arbeit untersucht gerade stattfindende Veränderungen im Modalsystem der englischen Sprache auf der Basis von Korpora der gesprochenen englischen Sprache. Anhand unterschiedlicher quantitativer und qualitativer methodischer Analysen zeigt die Arbeit auf, welche stilistischen, semantischen, syntaktischen und pragmatischen Faktoren langfristige Grammatikalisierungsprozesse beeinflussen können. Im Theorieteil werden die Verben kategorisiert und bisherige Studien der Modalverbenforschung und Theorien zu gerade stattfindendem Sprachwandel vorgestellt. Kapitel 3 beschäftigt sich mit Frequenzen und dem semantischen Wandel aller behandelten Verben, während Kapitel 4-6 sich auf die Verben der Notwendigkeit/des Befehls konzentrieren. Kapitel 4 zeigt syntaktische und semantische Unterschiede im Gebrauch dieser Verben im britischen und amerikanischen Englisch auf, Kapitel 5 beinhaltet eine Variationsanalyse und Kapitel 6 eine Diskursanalyse. In Kapitel 7 werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst und ihre Bedeutung für die zukünftige Forschung in diesem Bereich aufgezeigt. Grundlage der Arbeit sind mehrere Studien, die festgestellt haben, dass sich das gesamte System der englischen Modalverben in Bezug auf seine Kategorisierung, Häufigkeit einzelner Verben und die semantische Entwicklung verändert (z.B. Bolinger 1980, Krug 2000, Leech 2003). Diese Arbeit baut auf früheren Studien auf, welche drastische Veränderungen im System der englischen Modalverben während der vergangenen dreißig Jahre festgestellt haben, sich dabei aber vor allem auf geschriebene Daten stützten. Die vorliegende Arbeit ergänzt jene Studien durch eine eingehende Untersuchung des kürzlich erschienen DCPSE (Diachronic Corpus of Present-Day Spoken English) und schließt so eine Forschungslücke mit der ersten detaillierten Analyse der englischen Modalverben auf Basis von Echtzeitdaten. Durch diesen Ansatz ermöglicht es die Arbeit besonders drei Prozesse, die in der Forschung als Erklärungsmodelle für gerade ablaufenden Wandel verwendet werden (Amerikanisierung, Demokratisierung und Kolloquialisierung), genauer zu untersuchen. Diese Modelle werden dabei in den Zusammenhang mit Grammatikalisierung, welche langfristige Veränderung beschreibt, gestellt. Daten aus weiteren Korpora (ARCHER, ICE, CSAE) vertiefen die Ergebnisse des DCPSE. Die Frequenzanalysen ergeben, dass die meisten Veränderungen im gesprochenen Englisch weiter fortgeschritten sind als im geschriebenen Englisch und deswegen als struktureller Sprachwandel interpretiert werden können; die Arbeit zeigt dennoch auch auf, dass einzelne Verben sich in den beiden Genres divergent entwickeln, also als typische Merkmale gesprochener bzw. geschriebener Sprache zu verstehen sind. Während Kapitel 3 Frequenz- und semantische Analysen aller oben genannten Verben beinhaltet, konzentrieren sich die restlichen Kapitel auf einzelne Verben der Notwendigkeit/des Befehls, da sie sich bereits in der Forschung als besonders wichtige Studienobjekte erwiesen haben. Erstens sind die Frequenzverschiebungen zwischen 'central-' und 'semi-modals' in diesem Bereich besonders deutlich und zweitens wurden Veränderungen häufig mit gesellschaftlichen Veränderungen (Demokratisierung) in Verbindung gebracht. Im Vergleich von britischer und amerikanischer Konversation bestätigt Kapitel 4 vorherige Studien darin, das amerikanische Englisch als weiter fortgeschrittenes Stadium der englischen Sprache aufzufassen, dem das britische Englisch auch ohne direkten Einfluss folgen dürfte. Die Studie zeigt aber auch auf, dass diese Tendenz nicht allgemeingültig ist, sondern extralinguistische und stilistische Faktoren die Entwicklung in einer Varietät zum Stillstand bringen können. Die Variationsanalyse der Verben der Notwendigkeit/des Befehls vergleicht die Funktionen und den Kontext dieser Modalverben, um zu untersuchen, welche semantischen, pragmatischen, sozialen und stilistischen Faktoren ihren Gebrauch beeinflussen. Hierbei zeigt sich, dass es innerhalb einer Periode von 30 Jahren zwar Frequenzverschiebungen gibt, diese Periode aber zu kurz ist, um deutliche Veränderungen in den Funktionen einzelner Verben zu erkennen. Auch die untersuchten sozialen Faktoren beeinflussen die Variation nicht. Dennoch lassen die Analyse von syntaktischen Faktoren wie Subjekt- und Verbtypen Rückschlüsse auf pragmatische Funktionen der einzelnen Verben zu. Das letzte empirische Kapitel beinhaltet eine Diskursanalyse, in der einzelne Verben in ihrem Diskurskontext untersucht werden. Hierbei stehen pragmatische, soziale und stilistische Faktoren im Vordergrund. Die Analyse von gesamten Texten oder längeren Abschnitten unterschiedlicher Textkategorien zeigt Faktoren auf, die von quantitativen Methoden nicht untersucht werden können und ergänzt dadurch die vorherigen Studien. Insgesamt zeigt die Diskursanalyse, wie flexibel das System dieser Modalverben ist, das genau dadurch Grammatikalisierung und Sprachwandel zulässt.
Ausgangspunkt der Dissertation ist die Determinationsthese, für die Baerns erstmals wissenschaftliche Belege lieferte. Sie hielt fest, dass Public Relations die Themen und den Zeitpunkt der Veröffentlichung von Themen beeinflussen. Public Relations lähmen die journalistische Recherchekraft. Diese Aussagen riefen innerhalb der Kommunikationswissenschaft vielfache Anerkennung, aber auch Kritik hervor. Wären diese Aussagen zutreffend, dann stünden sie im Widerspruch zu den Funktionen und der demokratietheoretischen Bedeutung der Massenmedien. Zudem ging Baerns in ihren Erhebungen von der ceteris-paribus-Annahme aus: Sie blendete alle Einflussfaktoren auf die journalistische Informationsselektion aus. Zu den bislang unberücksichtigten Faktoren, die das Verhältnis von Journalismus und Public Relations bestimmen können, zählen das Ressort und der Status der Informationsquelle. Meine Fallstudie stellt sich daher die Fragen: Sind die Leistungen des Journalismus von Public Relations abhängig und wenn ja, welche Rolle spielen das Ressort und der Status der Informationsquelle im Prozess der Informationsentstehung, -verarbeitung und -vermittlung innerhalb eines Massenmediums? Auf Grundlage des bisherigen Forschungsstands zum PR-Journalismus-Verhältnis und den dort bestehenden Desideraten formuliere ich sechs Hypothesen zur Determinationsthese, zum Einfluss des Ressort und des Status der Informationsquelle sowie zum Prozess der journalistischen Informationsselektion. Ziel der Untersuchung ist es, die Determinationsthese durch eine Beobachtung der redaktionellen Arbeitsabläufe, -strukturen und Produktionsroutinen zu überprüfen und zu konkretisieren. Als Fallbeispiel habe ich die Thüringer Allgemeine ausgewählt, die Marktführerin unter den regionalen Tageszeitungen Thüringens ist. In der Analyse wurden die Lokalredaktion Erfurt und die Landesredaktion Thüringen verglichen. Diese beiden Redaktionen zeichnen zum einen die räumliche Nähe und daher zum Teil übereinstimmende Informationsquellen aus. Zum anderen bewerten die Lokal- und LandesjournalistInnen laut der Studie Journalismus in Deutschland 1 PR-Quellen unterschiedlich: Danach schätzen LokaljournalistInnen PR-Quellen positiver ein als ihre KollegInnen aus dem politischen Ressort (im Fallbeispiel die Landesredaktion Thüringen); eine Bewertung, die sich in der Aufnahme oder Ablehnung dieser Informationsquellen ausdrücken könnte. Um den möglichen Einfluss des Ressort und des Status der Informationsquelle auf die journalistische Berichterstattung und die Publikation von PR-Quellen erheben zu können, habe ich im September und Oktober 2004 teilnehmende Redaktionsbeobachtungen, ExpertInneninterviews mittels Leitfaden und einen Input-Output-Vergleich aller schriftlichen Informationsquellen mit der Gesamtberichterstattung durchgeführt.Die Ergebnisse der Fallstudie können eine Beeinflussung des Journalismus im Sinne einer problematischen Abhängigkeit von PR-Leistungen nicht nachweisen. Zwar übernehmen JournalistInnen beider untersuchter Ressorts PR-Quellen in ihre Berichterstattung, doch den Vorrang räumen sie eigenen Texten ein. Weniger als ein Viertel der Gesamtberichterstattung geht auf eine PR-Quelle zurück. Demzufolge setzen die JournalistInnen ihre Themen meistens selbst, sie recherchieren und füllen mit ihren Rechercheergebnissen drei Viertel aller Artikel. Ein Gegengewicht journalistisch selbständig recherchierter Themen zu den übernommenen PR-Texten findet sich in jeder Zeitungsausgabe. Wenn eine Übernahme von PR-Texten stattfindet, veröffentlichen LandesjournalistInnen die PR-Informationsquellen mehrheitlich unmittelbar nach ihrem Erhalt. In der Lokalredaktion ist eine Determination des Timings schwächer ausgeprägt. Ressortspezifische Unterschiede zeigen sich im Vergleich zur Gesamtberichterstattung nicht in der Häufigkeit der Übernahme von PR-Quellen, sondern in der Art und Weise der Publikation, beispielsweise in der Wiedergabe der Hauptaussage, dem Anteil der Recherche infolge einer PR-Informationsquelle und dem Üben von Kritik und Kontrolle. LandesjournalistInnen und damit vornehmlich politische JournalistInnen orientieren sich bei der Informationsauswahl stärker am Status der Informationsquelle als LokaljournalistInnen, die sich um eine ausgewogene Berichterstattung bemühen.Die Ergebnisse zeigen, dass nur der Vergleich der Abdruckquote mit dem Umfang der Gesamtberichterstattung Aufschluss über eine mögliche Determination des Journalismus geben kann. Mit diesem empirischen Vorgehen wird eine Bezugsgröße geschaffen, so dass der Kritik Schantels, der Determinationsverdacht des Journalismus durch Public Relations sei aufgrund von fehlenden Vergleichen der Abdruckquoten mit der gesamten Berichterstattung ein richtmaßloses Konstrukt, begegnet werden kann. ; The theoretical departure point of this thesis is the determination hypothesis , for which Baerns first provided scientific evidence. She showed that Public Relations influenced both topics and their times of publication. Furthermore Public Relations is detrimental to the drive behind journalistic enquiry. In the field of Communication Sciences these statements were widely acknowledged, but also drew criticism. If correct, the statements contradicted both the function and the theoretically democratic role of the mass media. Furthermore, Baerns surveys were also based upon a ceteris-paribus assumption: ignoring all other factors that influenced the selection of information by journalists. The editorial department and the status of the source are two factors that have remained unexamined in regard to determining the relationship between journalism and public relations. Accordingly, my study inquires: Does the performance of journalism depend on Public Relations, and if so, what roles do the editorial department and the status of the source play in the process of producing, processing and disseminating information within a mass media? On the basis of current research into the relationship between PR and journalism, and suggestions made there, I have formulated six hypotheses on the determination hypothesis, the influence of the editorial department and the status of the source, and the journalistic process of selecting information. The aim of this research is to examine and more clearly define the determination hypothesis by observing editorial working processes, editorial structures, and production routines. I have chosen the Thüringer Allgemeine as my exemplary case; the market leader among the regional daily papers in Thuringia. The local editorial office in Erfurt and the state editorial office for Thuringia were compared in the analysis. Both editorial offices are distinguished by their close proximity to one another and their occasional use of corresponding information sources. On the other hand, according to the study Journalismus in Deutschland 1 the local and the state journalists appraise PR-sources differently: local journalists consider PR sources more positively than their colleagues from the political news department (in the case of the state editorial office in Thuringia) - an assessment that could be expressed in the acceptance or rejection of these sources of information. In order to collect data on the possible influence of editorial departments and the status of information sources on journalistic reporting and the publication of PR sources, in September and October 2004 I conducted participant observations of editorial offices, guided interviews with experts, and an input / output comparison of all written sources with the total reporting output.The results of the study fail to demonstrate that journalism is unduly influenced, in the sense of a problematic dependency, by PR services. Although journalists in both of the departments studied did use PR sources in their reporting, they gave precedence to their own texts. Less than a quarter of all reporting originated at a PR source. According to this, the journalists set their own topics, research these and fill three-quarters of their articles with the results of their research. A counterbalance of independently researched journalistic topics to adopted PR texts is present in every newspaper issue. When PR texts are adopted, the state journalists publish the majority of PR sources immediately after their receipt. The determination of the timing is weaker in the local editorial office. Compared to the total volume of reporting, department-specific differences are evident not so much in the frequency of PR texts adopted as in the type and kind of publication, for example; by taking on the source s central statement, in the proportion of research conducted in following up information from a PR source, and in the levelling of criticism and the exercise of control. In the selection of information, state journalists meaning predominantly political news journalists are more attentive to the status of an information source than local news journalists, who undertake to provide balanced reporting.The results show that only a comparison of the proportion of PR text printed to the total volume of reporting can provide information on the possible determination of journalism. This empirical approach creates a reference point with which to approach Schantel s criticism that the supposed determination of journalism by public relations was in fact a construct resulting from the failure to compare the proportion of adopted text to the total volume of reporting.
ZUSAMMENFASSUNGUntersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind die fiskalischen und ökonomischen Auswirkungen von speziellen Sonderwirtschaftszonen - den sogenannten Qualifying Industrial Zones (QIZs) - auf die jordanische Wirtschaft. Im Gegensatz zu anderen Studien werden in dieser Studie Kosten und Nutzen der Einführung von QIZs in Jordanien geschätzt. Sowohl fiskalische als auch ökonomische Probleme werden untersucht, um die Gesamtwirkung der QIZs auf das Gastland zu klären.Mit dem Abkommen über die QIZs wurden eher politische denn wirtschaftliche Ziele verfolgt: Die QIZs wurden konzipiert, um eine Verbesserung in den Beziehungen zwischen Israel und Jordanien herbeizuführen. Darüber hinaus sollten sie auch durch die erforderliche Kooperation, die notwendig ist, um zollfreien Zugang auf den US-Markt zu bekommen, die Beziehungen zwischen Israel und anderen arabischen Ländern verbessern.In den meisten Ländern werden Sonderwirtschaftszonen wie die QIZs als Wachstumsmotoren betrachtet, obwohl empirische Ergebnisse aus vielen Ländern der Welt zeigen, dass die Wirkungsrichtung von diversen Sonderwirtschaftszonen auf das Wirtschaftswachstum nicht eindeutig ist. Ursprünglich wurde angenommen, dass QIZs eine bedeutende Rolle für die Steigerung von Ausfuhren und Deviseneinnahmen spielen. Jedoch führt das Vernachlässigen der zugleich auftretenden Einfuhreffekte zu Fehleinschätzungen. Bei der Bewertung einer Strategie, die zur Stimulierung und Beschleunigung des Wirtschaftswachstums primär auf exportinduziertes Wachstum setzt, sollten die anwachsenden Importe von Produktionsinputs berücksichtigt werden.Die größten Effekte aus der Einführung von QIZs ergaben sich mit Bezug auf die Beschäftigung und die Entwicklung der Armut. Nach der vorliegenden Untersuchung haben QIZs einen positiven Wohlfahrtseffekt für die Armen im Gastland, da sie die Beschäftigungsmöglichkeiten für arbeitslose und ungelernte Arbeitskräfte erhöhen.QIZs erweisen sich ineffektiv im Hervorrufen von Koppelungseffekten (forward linkages und backward linkages) mit der lokalen Ökonomie. Obwohl einige Effekte beobachtbar sind, sind sie nicht notwendigerweise von erheblichem Umfang und unmittelbarer Wirkung.Eine der wichtigsten negativen Auswirkungen von QIZs auf die lokale Ökonomie resultiert aus Steueranreizen, welche kaum Einfluss auf die Investoren zeigen und daher eine Verschwendung von Ressourcen darstellen. Demgegenüber spielen andere Faktoren, wie die ökonomische und politische Stabilität, die Höhe des Ausfuhrkontingents sowie die Eröffnung der Möglichkeit zu zollfreien Exporten auf den US-Markt, eine weitaus wichtigere Rolle. Die großzügigen Anreize, die das Land gewährt, um Investoren anzuziehen, sollten verknüpft werden mit der Zielsetzung einer Steigerung des technologischen Entwicklungsgrades der Produkte.Ein Ergebnis dieser Arbeit stellt die Ableitung einer Reihe von Politikoptionen dar. Während die Wirtschaftsdaten über die QIZs ein beeindruckendes Bild wiedergeben, ist dies bei den angestrebten Verbesserungen in den außenpolitischen Beziehungen weitaus weniger der Fall. Bei der Aufarbeitung der Geschichte der QIZs zeigte sich, dass diese insgesamt aus einer Mischung aus Misserfolgen und Erfolgen besteht. Vor der Einführung derartiger Zonen sollte unbedingt die konkrete politische Lage des Landes berücksichtigt werden. Das Konzept dieser Zonen stellt ein zu komplexes politisches Instrument dar, um in Zeiten von regionalen Konflikten, wie es aktuell der Fall ist, eingesetzt zu werden. Noch wichtiger ist, dass sich bei der Einführung solcher Zonen an den Bedürfnissen des Gastlandes orientiert wird.Die Gründung von QIZs kann einigen Gebieten unmittelbar nützen, aber es vergeht eine lange Zeit bevor diese Nutzen auch für das ganze Land bemerkbar werden. Als Fazit kann festgehalten werden, dass QIZs nur eine von vielen in Betracht kommenden Politikoptionen darstellen und dass die Regierung weiterhin versuchen muss Alternativen zu finden, die besser zu den Bedürfnissen des Landes passen. Weiterhin sollten, angesichts der Bedeutungslosigkeit von Steueranreizen für die Entscheidungen der Investoren, QIZs nicht von Steuern befreit werden. Auch sollte die Regierung Anreize setzen, die Beschäftigung lokaler Arbeitskräfte zu erhöhen. Wenn dies nicht Bestandteil des QIZ-Abkommens ist, läuft das Gastland Gefahr Zonen zu schaffen, in denen schließlich überwiegend ausländische Arbeitskräfte beschäftigt werden. Eine Lösungsstrategie hier wäre, die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte allmählich auslaufen zu lassen und mit zunehmenden Fähigkeiten und Kenntnissen der lokalen Arbeitskräfte durch Letztere zu ersetzen.Abschließend sei darauf verwiesen, dass es möglich ist, die jordanischen QIZs für die Zukunft zu erhalten, wenn eine Reihe von Maßnahmen unternommen werden. Diese schließen eine Begrenzung des israelischen Wertschöpfungsanteils in Abhängigkeit vom Produktionsvolumen sowie ein Absenken der Preise für die israelischen Inputs ein, um die Unternehmen in den jordanischen QIZs auf der Kostenseite wettbewerbsfähiger zu machen. Die Zukunft der QIZs hängt auch von der zukünftigen Regierungspolitik der USA ab. Um existenzfähig zu bleiben, brauchen die QIZs mehr Handelsprivilegien, damit sie sich gegenüber anderen Abkommen durchsetzen können. Die vorgeschlagenen Veränderungen werden in ihrer Gesamtheit für ein günstiges Investitionsklima in Jordanien sorgen. ; SUMMARYThis thesis investigates the fiscal and economic impact of Qualifying Industrial Zones (QIZs) on the Jordanian economy. In contrast to other studies, this study assesses costs and benefits of establishing such zones in Jordan. Fiscal as well as economic issues are investigated to clarify the impact of QIZs on the host country.This QIZ agreement pursued political aims more than broad economic goals, as QIZs were designed to ameliorate relations between Israel and Jordan. They were also expected to improve relations between Israel and other Arab countries through the cooperation required to get duty-free access to the USA market.Most countries consider special economic zones, such as QIZs, engines for growth, but empirical evidence from many countries in the world shows that the impact of various economic zones on growth is mixed. It has been assumed that QIZs play a significant role in increasing exports and earning foreign currency. However, ignoring the offsetting effects of imports is misleading. Depending heavily on an export-led growth strategy to stimulate and accelerate economic growth in the country should be viewed in light of increased imports of production inputs.The most important effects resulting from the establishment of QIZs are on employment and poverty. According to this analysis, QIZs contribute positively to the welfare of the poor in the country by increasing employment opportunities for unemployed and unskilled persons.QIZs prove ineffective at creating backward and forward linkages with the local economy. Although some effects may be observable, they are not necessarily large or immediate.Tax incentives are one of the main negative effects of the QIZs on the local economy, as they do not have much influence on investors and thus are a waste of resources. Other factors, like the economic and political stability and the quota and duty-free exports to the USA market, are much more important. The generous incentives that the country offers to attract investors should be connected to increasing levels and degrees of technological sophistication of the products.As a result of this thesis, a set of policy options were derived. Economic data about the QIZs are impressive, but improvements in political relations are far less so. The history of QIZs was found to be a mixture of failures and successes. It is important to take the actual political situation of the country into account before establishing such zones. The concept of these zones is complex policy instrument to be used in a time of regional conflicts as is the case now. It is more important to establish these zones according to the needs of the country.Establishing QIZs might benefit some areas, but it takes a long time before the gains are visible throughout the whole country. In conclusion, QIZs are but one policy to be considered and the government must still try to find alternatives that better suit the needs of the country. Furthermore, in the absence of the role of tax incentives in the investors' decisions, the QIZs should not be exempt from taxes.The government must also provide incentives to hire local workers. If this is not built into the QIZ agreement, the country may find that it creates zones that end up employing mostly foreign workers. One strategy is to gradually phase out foreign workers, replacing them with local ones as the latter's skills and knowledge of the business increase.Finally, it is possible to preserve Jordan's QIZs in the future if a set of measures are undertaken. These include applying value added brackets from the Israeli side depending on the volume of production and decreasing the prices of the inputs from the Israel side to make the companies in Jordan's QIZs more cost competitive. The future of the QIZs also depends on USA's government policies. In order to be viable, the QIZs need more privileges in order to distinguish QIZs from other agreements. These changes will work together to create a healthy investment climate in Jordan.
Die Verflechtung einer Vielzahl von AkteurInnen abseits von geplanten Prozessen bringt mitunter neuartige überraschende Strukturen hevor. Dadurch bilden sich ''wirkmächtige Arrangements von Dingen, Zeichen und Subjekten'' (S. 10), die durch Wiederholungen automatisiert werden und sich teilweise der Wahrnehmung entziehen. Diese Annahmen über Automatismen legen eine Auseinandersetzung mit der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) nahe, die im Mai 2010 in dem Workshop 'Strukturentstehung durch Verflechtung' des Paderborner Graduiertenkollegs 'Automatismen' unternommen wurde. Der daraus entstandene gleichnamige Sammelband setzt einen größeren Rahmen. In ihm werden Kompatibilitäten und gemeinsame Traditionslinien sozial- und kulturwissenschaftlicher Fragestellungen und der Akteur-Netzwerk-Theorie untersucht. In den Beiträgen zu so verschiedenen Themen wie der Atemwegserkrankung SARS, der Hamburger Schilleroper, New Orleans nach Kathrina, Quantenphysik oder der Fernsehserie 'Kunst und Krempel' (Bayrischer Rundfunk, 1985–2012) wird auf das Motiv der 'Strukturentstehung durch Verflechtung' Bezug genommen. Dies geschieht im ersten Teil des Bandes durch die Rekonstruktion von Verflechtungen unerwarteter Handlungsquellen in sich neu etablierenden Netzwerken. Die Beiträge im zweiten Teil des Bandes stellen Fragen nach Machtrelationen innerhalb nicht intendierter Strukturen und reflektieren Macht als temporär stabilisierenden Effekt. Im dritten Teil finden sich Abhandlungen zu Kritik, Korrekturen und Akzentverschiebungen der ANT. Die einzelnen Beiträge bieten dabei einen guten Einblick, wie mit Modellen und Elementen der ANT in der Medien- und Kulturwissenschaft umgangen wird, welche Thesen, Vorgehensweisen, Begriffe und Motive aufgegriffen werden, wie sich diese an Gegenständen testen und weiterentwickeln lassen und wo Lücken und Schwachstellen liegen. Dem Band vorangestellt ist ein Artikel von John Law, der die Entstehungsgeschichte(n) der ANT von den wissenschafts- und organisationstheoretischen Studien über eine erste Formierung der ANT in den 1990er-Jahren bis zur Kritik und Diaspora nach 2000 nachzeichnet (S. 21). Besonders hilfreich ist ein Überblick über die Schwerpunkte, Begriffe und Werkzeuge der ANT in den jeweiligen Phasen. Eine der Geschichten von John Law beginnt mit den mittlerweile berühmten Studien von Michel Callon und Bruno Latour. Diese und Latours Äußerungen zu Kunst nimmt Renate Wieser als Ausgangspunkt. Die moderne sozial- und kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit Naturwissenschaft, die nach Latour entweder eine sozialkonstruktivistische Haltung einnimmt oder ihr unreflektiert affirmativ begegnet, trifft auch auf Bereiche der Kunst zu. In den beiden von Wieser besprochenen Beispielen, Installationen und Skizzen von Duyckaert und Dittmer, in denen Laborsituationen adaptiert werden, vermischen sich Fakt und Fiktion und werden die Grenzziehungen zwischen naturwissenschaftlicher und kultureller Handlungsmacht in Frage gestellt. Den (post-)modernen Laboren der Quantenphysik stellt Julian Rohrhuber Aspekte der klassischen wissenschaftssoziologischen Studien der ANT gegenüber. In Bruno Latours Studien werden konkrete Übersetzungsschritte verfolgt: Operationsketten, die von einem unübersichtlichen materiellen Ausgangspunkt zu anschaulichen formalen Rückschlüssen verlaufen. In der theoretischen Physik hingegen wird mit Variablen gearbeitet, die Verkettungen von Ungeklärtem erlaubt. Der übersichtlichste Punkt des Forschungsprozesses ist hier der epistemische Pol, unanschaulich sind die vorläufigen formale Enden des Prozesses. Rohrhubers Versuch den formalen AkteurInnen zu folgen zeigt, dass das Abstrakte im Forschungsprozess der modernen Physik mit zirkuliert. Dass die Prämisse, 'den AkteurInnen zu folgen' die Gefahr einer Blindheit gegenüber AkteurInnen mit eingeschränktem Handlungsspielraum birgt, betont Katharina Holas in ihrem Beitrag zu feministischen Akzentverschiebungen und Kritik an der ANT. Indem häufig große Technikprojekte und Fragen zu Konzeption und Design im Zentrum stehen, bleiben Exklusionsmechanismen intransparent und Dichotomien, etwa die zwischen Planung und Nutzung, bestehen. Mit Verweis auf das Konzept der Multiplizität von Annemarie Mol und Arbeiten von Donna Haraway und Susan Leigh Star lenkt Holas die Aufmerksamkeit auf Unsichtbarkeiten, unintendierte Handlungsabfolgen und bestehende Hierarchien. Zwei Filme über die urbane Sportart 'Parkour' und die Frage wie Atmosphären inszeniert werden, sind der Ausgangspunkt für die Studie von Christoph Michels. Der Beitrag zeigt auf, dass durch die Alltagspraxis 'Parkour' Körper und Orte inszeniert und zugleich in räumliche, soziale und narrative Ordnungslogiken, eingebunden werden. Dies geschieht beispielsweise durch den Gebrauch von SuperheldInnen- oder Tiermetaphern, die als Anleitung für neue Bewegungsabläufe und für ein neues Verhältnis zu den Orten und Gegenständen dienen. Michels beschreibt dies als gegenseitige Übersetzungsprozesse. Ein Element der ANT, das in mehreren Beiträgen aufgegriffen wird, ist der von Bruno Latour geprägte Begriff der 'immutable mobiles'. Er umfasst Techniken wie die Kartografie und Verfahren wie Statistik und bezeichnet die Eigenschaft der Formkonstanz bei gleichzeitiger Mobilität. Nach Bruno Latour machen die 'immutable mobiles' die Überlegenheit westlicher Institutionen aus und haben Anteil an der modernen Reinigungs- und Ausdifferenzierungsarbeit, die Latour in seinem Buch Wir sind nie modern gewesen ausgiebig untersucht und kritisiert hat. Im Prozess des Wiederaufbaus nach dem Hurrikan 'Kathrina', den Anne Dölemeyer in ihrem Beitrag untersucht, zeigt die Autorin wie Daten, Texte und Karten als Verbündete mobilisiert werden. Durch diese Verbündeten wird Wissen sichtbar gemacht, abgeglichen und kombiniert. So agieren die Grafiken und Karten als Machtinstrument, Knotenpunkt und Repräsentation und versammeln NutzerInnen, Vergangenheit und Zukunft in politischen Aushandlungsprozessen. Erhard Schüttpelz zeigt, dass ausgehend vom Postulat einer allgemeinen Symmetrie teleologische, sozial- und technikdeterministische Mediengeschichten und ''Medien-Ursachen-Setzungen'' (S. 244) fragwürdig werden. Dies lässt sich an Bruno Latours Kodak-Studie nachvollziehen: Gegliedert in interdeterministische Schritte können für jeden historischen Zeitpunkt Verflechtungen aus technischen, natürlichen, sozialen und diskursiven Ursachen festgestellt werden. Die medienhistorische Überprüfung der 'immutable mobiles', die Schüttpelz darauf folgend vornimmt, macht die Beteiligung der modernen Medien an den drei Wissensformationen von Natur, Gesellschaft und Diskurs deutlich. Der Hamburger Schilleroper, 1889 als Zirkusgebäude in Auftrag gegeben, über 100 Jahre vielfältig genutzt und seit 2007 leer stehend, widmet sich Anke Rees in ihrem Artikel. Sie versucht, die Widerspenstigkeit des Gebäudes mit Begriffen der ANT zu erklären. Rees beschreibt ein verflochtenes Netz an Baumaterialien, EigentümerInnen, Nutzungsvorstellungen, Nachbarschaften und Behörden mit teils widersprüchlichen Interessen, aber auch die Atmosphären als Verbündete des Gebäudes, die bis jetzt zu dessen Erhalt beigetragen haben. Auffällig häufig ist der Bezug zu Michel Foucault, der in vielen Artikeln im Sammelband hergestellt wird. Verwiesen wird in diesen Beiträgen sowohl auf die Kombinierbarkeit, aber auch auf die Differenzen zu Begriffen und Konzepten Foucaults. Auch der eingangs erwähnte Beitrag von John Law weist auf die Nähe zwischen der Akteur-Netzwerk-Theorie und Foucaults Denkmodellen hin. Er bezeichnet in einer seiner Geschichtsschreibungen die ANT als ''empirische Übersetzung des Poststrukturalismus'' (S. 29). Thomas Foth gelingt es, Foucaults Analyse von Dispositiven mit der ANT in seiner Untersuchung von PatientInnenakten im Nationalsozialismus zu verbinden. Er fasst die Akte als AkteurIn innerhalb der Souveränitäts- und Disziplinarmacht Psychiatrie auf. Kombiniert mit anderen 'inscription devices' wie Checklisten, Thermometern, Waagen und Tabellen sind Akten beteiligt am Erstellen von dokumentarischen Biografien, in denen die PatientInnen sich selbst als psychisch Kranke anerkennen sollen. Umgekehrt kann das Ausbleiben von Aktenaufzeichnungen den Subjektstatus bedrohen, wie Foth am Beispiel einer Akte zeigt. In seinem Artikel ''Strategien ohne Strategen'' (S. 173), setzt Theo Röhle Michel Foucaults Modell der Dispositive in Kontrast zur ANT, in dem er dem Problem der Intentionalität in einer relationalen Perspektive nachgeht. Während Foucault zwischen den Ebenen Strategie und Taktik unterscheidet, bemüht sich die ANT alle Verbindungen und Übersetzungen auf einer Ebene darzustellen. Um Relationen zu beschreiben, ohne auf vorgängige Intentionen zurückzugreifen, habe in der ANT die Sprache eine große Last zu tragen, so Röhle. So werden in sprachlichen Kippfiguren die AkteurInnen sowohl als Ausgangspunkt als auch als Resultat von Übersetzungsprozessen beschrieben. Metasprachliche Begriffe wie Handlungsprogramm oder AkteurIn sollen eine symmetrische Darstellung der Beteiligten ermöglichen. Auch Andrea Seier macht das Verhältnis zwischen Dispositiven und den Agenturen der ANT zum Thema ihres Beitrags und fragt dabei nach ihrer jeweils spezifischen Produktivität für die Medienwissenschaft. Einer der Unterschiede zwischen beiden Modellen liegt demnach in der Konzeption von Handlungsmacht. So lassen sich mit der Dispositivanalyse Rahmungen und Bedingungen untersuchen, die Handlungen anreizen, wahrscheinlich machen oder verunmöglichen. Mit der ANT geraten hingegen hybride Konstellationen aus Dingen, Apparaten und Menschen in den Blick, die in Handlungsketten aufgeschlüsselt werden können. Dass sich beide Modelle produktiv miteinander kombinieren lassen, zeigt Seier an dem Reality TV Format 'Kunst und Krempel' (Bayrischer Rundfunk, 1985–2012). Zwei der Herausgeber des Sammelbands, Tobias Conradi und Florian Muhle, gehen in ihrem Beitrag auf die Möglichkeit der Kritik in den konkreten Fallstudien der ANT und auf das gespannte Verhältnis von Bruno Latour zu anderen kritischen Theorien ein. Im Umgang mit diesen Theorien schreibt Latour fort, was er selbst anderen Theorien zum Vorwurf macht: die Aufrechterhaltung der modernen Unterscheidung zwischen Natur und Kultur, Reduktionismus und den Gestus der Entlarvung. Den teils polemischen Abgrenzungen Latours, die als Teil einer Wissenschaftsstrategie gelesen werden können, stellen Conradi und Muhle den reflexiveren Ansatz von John Law gegenüber. In vielen Beiträgen wird das Postulat einer allgemeinen Symmetrie aufgegriffen, eine Weiterentwicklung der wissenschaftstheoretischen Überlegungen von David Bloor bzw. Thomas Kuhn. Richtiges und falsches Wissen muss mit den gleichen Kategorien erklärt werden, damit nicht richtige Einsichten naturalisiert und Irrtümer auf soziale Größen zurückgeführt werden. Diese Vorgaben wurden in Michel Callons und Bruno Latours Konzeption von Aktanten und menschlichen und nicht-menschlichen AkteurInnen übernommen und radikalisiert. Dominique Rudin kritisiert an Bruno Latours politischen Entwürfen in Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft (2007) eine begriffliche Unschärfe zwischen dem Politischen und dem Sozialen und die Konzentration auf konsensorientierte, integrative Verfahren. Er sieht mögliche Verbindungen zwischen Jacques Rancières Prinzip der Gleichheit und der allgemeinen Symmetrie als Forschungsperspektive der ANT. Wenn AkteurInnen Gleichheit einfordern und dadurch bestehende Ordnungen in Frage stellen, wird die Symmetrie nicht nur von WissenschaftlerInnen, sondern auch von den AkteurInnen als Perspektive eingenommen. Durch diese Verschiebung lässt sich der Begriff des Politischen zur Analyse von existentiellen Konflikten, in denen neue Entitäten auftauchen und ihren Anteil einfordern, schärfen, so Rudin. Jahn-Hendrik Passoth versucht in seinem Beitrag die Denktraditionen der Praxistheorie und der ANT, die häufig als unvereinbar einander gegenübergestellt werden, zu verbinden. Er legt dar, dass der Fokus auf Multiplizität, Komplexität, Symmetrie, und Fragmentierung, den die ''postplurale ANT'' (S. 268) setzt, eine Stütze der praxäologischen Heuristik werden kann. Durch die Übernahme des Symmetrieprinzips in den Praxisbegriff kann Praxis als Zusammenspiel von Körpern und Artefakten analysiert werden, das weitere Praxis ermöglicht oder einschränkt. Die Verflechtungen von Viren, Zellen, Menschen, Tieren, Technologien und Verfahren und die Transformation etablierter Strukturen verfolgen Wiebke Pohler und Michel Schillmeier in ihrer ''Topologie von (Un)sicherheitsstrukturen'' (S. 51). Sie beschreiben die Atemwegserkrankung SARS, die 2003 die Gefahr einer Pandemie darstellte, als kosmo-politisches Ereignis, durch das Praktiken in Krankenhäusern, in der Wissenschaft und an Flughäfen verunsichert und neu konstituiert werden. SARS erscheint als hoch virulentes, komplexes Netzwerk, das tradierte Beobachtungs-, Erklärungs- und Interpretationsmuster und Routinen menschlichen Zusammenlebens radikal in Frage stellt. Der Einblick in laufende Debatten, Anwendungsbereiche und Weiterführungen der ANT ist eine Stärke des Sammelbandes. Es wird deutlich, dass die Akteur-Netzwerk-Theorie sich nicht nur der Herausforderung stellt, materiell und diskursiv heterogene Beziehungen in den Blick zu nehmen, sondern auch sehr unterschiedliche Forschungsbereiche zu Dialog und Widerspruch provoziert. Das Konzept der Automatismen kommt leider etwas zu kurz. Ein stärkerer Fokus darauf hätte dem Sammelband eine deutlichere Richtung geben können.
Inhaltsangabe:Einleitung: "Wie muss ein Kennzahlensystem im strategischen Personalcontrolling konzipiert sein, um die Erfolgspotentiale eines Unternehmens durch die (strategiekonforme) Planung und Steuerung der Ressource Personal unterstützen zu können?" Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich die vorliegende Arbeit und versucht, eine Verbindung zwischen strategischem Personalcontrolling auf der einen und einem entsprechenden Kennzahlensystem auf der anderen Seite zu schaffen. Damit soll es möglich werden, die Ressource Personal auf lange Sicht plan- und steuerbar zu machen, um so die vorhandenen Potentiale möglichst optimal zu nutzen. Erfolgspotentiale, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ressource Personal stehen, sollen dadurch ebenso aufgedeckt und greifbar gemacht werden wie der Wertbeitrag, den personalwirtschaftliche Maßnahmen zum Gesamterfolg des Unternehmens leisten. Realisiert wird dies durch eine Verbindung zwischen strategischer Planung und Steuerung der Ressource Personal und der operativen Umsetzung und Kontrolle von personalwirtschaftlichen Maßnahmen. Die Kontrolle der Zielerreichung soll dabei jeden Monat erfolgen können und nicht, wie bei den meisten strategischen Steuerungsinstrumenten, nur zu bestimmten Stichtagen. Durch die eindeutige Definition eines strategischen Kennzahlensystems sollen diese Kontrollen ohne große Anpassungen und den damit verbundenen Zeitaufwand durchführbar sein. Eine durchgängige, einheitliche Steuerung des gesamten Unternehmens soll gewährleisten, dass die Unternehmensstrategie durch die Personalstrategie abgebildet wird und mit ihr korrespondiert. Die daraus erwachsenden Ziele für das Personalcontrolling sollen zur Umsetzung und Realisation der Gesamtunternehmensziele beitragen. Gewährleistet wird dies, wenn aus der Unternehmensstrategie eine für das Unternehmen passende und angestrebte Produkt-Markt-Strategie in einem ersten Schritt definiert wird. Zur Umsetzung derselben müssen wiederum unterstützende Strategien entwickelt werden, um für das Unternehmen einen maximalen Nutzen zu generieren. Eine solche unterstützende Strategie ist unter anderem die Personalstrategie, die unmittelbar mit der Unternehmensstrategie in Einklang stehen muss, um dadurch eine Sicherung der Umsetzung der Unternehmensziele zu gewährleisten. Bisherige Ansätze zum Personalcontrolling beruhen auf einem gegenwartsorientierten Berichtswesen und somit auf einer Darstellung der Situation innerhalb des Unternehmens. Das durch diese Arbeit herauszuarbeitende Instrument, die Verknüpfung der Gegenwart mit zukunftsorientierten Steuerungsinformationen, fehlt zumeist vollständig. Eine solche Verknüpfung soll helfen, Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen, Vermeidungsstrategien und Alternativen sowie Wahrscheinlichkeiten aufzuzeigen. Diese Punkte sollten den Schwerpunkt eines strategischen Personalcontrollings darstellen und in die unternehmerische Führung und Planung integriert sein. Die Herausforderung besteht darin, nicht nur quantitative Sachverhalte, sondern vermehrt auch qualitative Daten zu erfassen und zu verarbeiten sowie diese in Kennzahlen auszudrücken und dadurch vergleichbar zu machen. In der vorliegenden Arbeit werden mehrere Kennzahlensysteme erläutert und hinsichtlich ihrer Praktikabilität für ein strategisches Personalcontrolling diskutiert. Des weiteren sollen Wege aufgezeigt werden, wie ein solches Kennzahlensystem realisiert werden könnte. Auf eine Implementierung und einer damit verbundenen unternehmensspezifischen Anpassung des Kennzahlenssystems wird bewusst verzichtet und somit nur Handlungsalternativen vorgeschlagen. Gang der Untersuchung: Der Ausgangspunkt dieser Arbeit ist es, in den ersten beiden Kapiteln die notwendigen Grundlagen für ein Kennzahlensystem bezüglich des strategischen Personalcontrolling zu schaffen. Um diese dann in einem 3. Kapitel miteinander zu vereinen und darauf aufbauend, ein Kennzahlensystem für das strategische Personalcontrolling zu entwickeln. In Kapitel 2 der Arbeit wird der Begriff des Personalcontrollings zunächst grundlegend definiert, um eine Abgrenzung der Dimensionen dieses Funktionsbereiches eines Unternehmens nachvollziehen zu können. Anschließend findet eine Konzentration auf das strategische Personalcontrolling mit den dazugehörigen Aufgaben und Zielen statt. Durch diese Eingrenzung auf das für die vorliegende Arbeit relevante Objekt des strategischen Personalcontrollings beschäftigt sich das folgende Kapitel 3 nur mit strategischen Kennzahlensystemen. Dabei wird auf die Anforderungen, die an ein solches System zu stellen sind, eingegangen sowie deren Aufbau und Einsatz beschrieben, ehe dieses Kapitel mit einer Diskussion über den Einsatz von strategischen Kennzahlensystemen zur Unternehmenssteuerung und den damit verbundenen Chancen und Risiken schließt. Damit wird in diesen beiden Kapiteln die Basis für das 4. Kapitel gelegt, in dem ein Kennzahlensystem für das strategische Personalcontrolling konzipiert wird, das im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht. Dieses Kapitel 4 beginnt mit einer Definition und Eingrenzung der Anforderungen an ein ganzheitliches System für das Personalcontrolling. Es folgt eine Diskussion über die in der Praxis bisher zur Anwendung kommenden Systeme für das Personalcontrolling, danach wird der Bogen zu den Instrumenten des Performance Measurement gespannt, deren Einsatz für das strategische Personalcontrolling untersucht wird. Mit der Balanced Scorecard wird das Konzept eines Kennzahlensystems für das strategische Personalcontrolling geliefert und umfassend beschrieben. Durch eine abschließende Darstellung der durch den Einsatz eines solchen Konzepts entstehenden Vorteile soll deutlich werden, warum dieses Kennzahlensystem für ein strategisches Personalcontrolling gewählt wurde und wie seine Umsetzung realisiert werden könnte.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: InhaltsverzeichnisI AbbildungsverzeichnisIV TabellenverzeichnisV 1.Einführung in die Thematik1 1.1Problemstellung1 1.2Gang der Arbeit2 2.Personalcontrolling in der betrieblichen Praxis4 2.1Definition des Personalcontrollings4 2.2Dimensionen des Personalcontrollings5 2.2.1Funktionen des Personalcontrollings6 2.2.2Objekte des Personalcontrollings7 2.2.3Ebenen des Personalcontrollings9 2.3Strategisches Personalcontrolling11 2.3.1Abgrenzung auf das strategische Personalcontrolling12 2.3.2Ziele des strategischen Personalcontrollings13 2.3.3Aufgaben des strategischen Personalcontrollings13 3.Anwendung strategischer Kennzahlensysteme für die Unternehmenssteuerung16 3.1Abgrenzung der elementaren Begrifflichkeiten16 3.2Anforderungen an strategische Kennzahlensysteme19 3.3Aufbau strategischer Kennzahlensysteme21 3.4Einsatz strategischer Kennzahlensysteme23 3.4.1Steuerung von Unternehmen23 3.4.2Steuerung von Geschäftseinheiten24 3.4.3Steuerung von Funktionsbereichen26 3.4.4Chancen des Einsatzes von strategischen Kennzahlensystemen26 3.4.5Risiken des Einsatzes von strategischen Kennzahlensystemen28 3.4.6Schlussfolgerung zum Einsatz strategischer Kennzahlensysteme29 4.Konzeption eines Kennzahlensystems für das strategische Personalcontrolling30 4.1Kennzahlensystem für das ganzheitliche Personalcontrolling30 4.1.1Definition eines ganzheitlichen Personalcontrollings30 4.1.2Anforderungen an ein ganzheitliches Personalkennzahlensystem31 4.2Personalkennzahlensysteme in der Unternehmenspraxis33 4.2.1Status Quo33 4.2.2Diskussion bestehender Personalkennzahlensysteme34 4.3Einsatz von Performance Measurement Instrumenten36 4.3.1Definition des Performance Measurement Begriffs36 4.3.2Das europäischen EFQM Modell37 4.3.3Der Skandia Navigator38 4.3.4Die Balanced Scorecard39 4.3.5Kritische Würdigung der vorgestellten Instrumente40 4.4Entwicklung einer Balanced Scorecard für das strategische Personalcontrolling42 4.4.1Voraussetzungen für die Entwicklung43 4.4.2Formulierung spezifischer Perspektiven44 4.4.3Ausgestaltung der Perspektiven46 4.5Anpassung der Balanced Scorecard an das Personalcontrolling47 4.5.1Die ergebnisorientierte Perspektive47 4.5.2Die Mitarbeiterperspektive50 4.5.3Die Qualitätsperspektive52 4.5.4Die Wissensperspektive54 4.6Verbesserte Aussagen durch die Balanced Scorecard56 5.Schlussbetrachtung60 Literaturverzeichnis62Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.4.2, Steuerung von Geschäftseinheiten: Da zur Steuerung der strategischen Geschäftseinheiten die erfolgskritischen Leistungsprozesse interessant sind, müssen diese analysiert und Kennzahlen dafür gefunden werden. Anhand dieser Kennzahlen soll sichergestellt werden, dass die Kundenziele erreicht und die Zielerreichung gemessen werden kann. Für die Bildung dieser strategischen Kennzahlen bieten sich empirische Ursache-Wirkungs-Beziehungen als Basis an, da diese sowohl Sach- als auch Formalziele berücksichtigen. Den Kern dieser Beziehungen bildet hierbei die Wertschöpfungskette entlang des betrieblichen Produktionsprozesses und die dafür benötigten unterstützenden Tätigkeiten. Einen strategischen Wettbewerbsvorteil erlangen Unternehmen durch eine Verbesserung der Aktivitäten dieser Wertschöpfungskette und eine konsequente Nutzung derselben. Durch den Einsatz eines strategischen Kennzahlensystems zur Steuerung der strategischen Geschäftseinheiten müssen verschiedene Ziele verfolgt werden: Zum einen werden mittels Ergebniskennzahlen, die einen nachlaufenden Charakter haben, formalzielbezogene monetäre und nicht-monetäre produktzielbezogene Größen abgebildet. Zum anderen werden durch das Vorgeben von Leistungstreibern, die einen vorlaufenden Charakter haben, Kennzahlen zur Entwicklung der für die Prozessbeherrschung erforderlichen Ressourcen sowie für die Prozessbeherrschung selbst benannt. Die Definition von Ergebniskennzahlen beruht auf der Aussage, dass Leistungstreiber ohne Ergebniskennzahlen nicht erkennen lassen, ob die operativen Verbesserung z.B. eines Geschäftsprozesses auch zu einer Verbesserung der Finanzlage des Unternehmens geführt hat. Im Zuge der Steuerung von strategischen Geschäftsfeldern mittels strategischer Kennzahlensystemen muss durch das Auffinden und Abbilden von Ursache-Wirkungs-Beziehungen nach Maßnahmen gesucht werden, um die Unternehmensstrategie zu realisieren. Durch die Umsetzung von Strategien soll eine bessere finanzielle Lage des Unternehmens gewährleistet werden, obwohl sich die Auswirkungen von strategischen Entscheidungen erst in den Folgeperioden zeigen und analysieren lassen. Ob es dem strategischen Geschäftsfeld im Verlauf der Umsetzung der Strategie gelungen ist, die erfolgskritischen Einflussfaktoren herauszufinden und zu definieren und ob das Erfolgspotential des Unternehmens gestiegen ist, wird durch die Bildung von Ergebniskennzahlen für langfristige Produktziele sichtbar gemacht. Dies kann beispielsweise durch Kennzahlen wie Kundentreue, Marktanteil oder Image und deren Betrachtung im Zeitablauf verdeutlicht werden . Zur Steuerung eines strategischen Geschäftsfeldes ist neben der Bildung dieser Ergebniskennzahlen auch eine Definition von Leistungstreibern der Wertschöpfungskette erforderlich. Die Leistungstreiber der Wertschöpfungskette sind vorlaufender Natur und werden aus den nachlaufenden Kennzahlen abgeleitet. Bei der Suche nach diesen Leistungstreibern wird an den Merkmalen, die eine Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern bewirken sollen, angesetzt. Das strategische Kennzahlensystem muss hierbei Zielkennzahlen und Indikatoren liefern, die eine Weiterentwicklung der materiellen, finanziellen und immateriellen Ressourcen fördern. Als Beispiele für Leistungstreiber können die Produktionseffizienz, Lieferservice oder time-to-market genannt werden. Steuerung von Funktionsbereichen: Um eine vollständige und umfassende Umsetzung eines strategischen Kennzahlensystems zu gewährleisten, muss dieses auch in der Lage sein, auf der ausführenden Ebene unterhalb des Geschäftsbereiches bzw. des strategischen Geschäftsfeldes angewendet zu werden. Dabei ist dieses strategische Kennzahlensystem analog zu der Gliederung auf Geschäftsbereichsebene aufzubauen, um die Schwerpunkte eines Verbesserungsprogramms besser herausstellen zu können. Somit kann eine Steuerung der Funktionsbereiche des Unternehmens auch als ein Subsystem angesehen werden, welches sich mit den speziellen Kompetenzen beschäftigt, die ein Unternehmen braucht, um Marktpotentiale besser als seine Wettbewerber nutzen zu können. Dabei wird durch aufgabenbezogene Kennzahlen für Marktpotentiale die Geschäftsfeldstrategie abgebildet und somit adäquat und kongruent umgesetzt. Dadurch wird deutlich, dass eine enge Verbindung und Abstimmung zwischen den Strategie der strategischen Geschäftsfeldern und einer Steuerung der Funktionsbereiche besteht und auch bestehen muss. Chancen des Einsatzes von strategischen Kennzahlensystemen: Strategische Kennzahlensysteme dienen der Umsetzung und Durchsetzung geplanter Strategien und sollen die strategischen Ziele in operative Maßnahmen überführen. Zudem wird ein Zusammenhang hergestellt zwischen den finanziellen Zielen und dem Beitrag der realisierten Strategien zum Erfolg des Unternehmens. Des weiteren werden die Strategien mittels eines strategischen Kennzahlensystems systematisch in operative Maßnahmen und Pläne überführt. Den Mitarbeitern werden sowohl die operativen Ziele, die sie direkt betreffen, als auch die strategischen Ziele des Unternehmens mitgeteilt. Somit wird durch den Einsatz eines strategischen Kennzahlensystems zur unternehmensweiten Steuerung die Lücke zwischen der Strategie und der operativen Planung und Kontrolle geschlossen. Durch eine stringente Operationalisierung der Strategien verbessert sich zudem die Kommunikation der Visionen und strategischen Ziele des Unternehmens, wodurch eine Ausrichtung des Unternehmens auf ein gemeinsames Ziel gewährleistet wird. Der Gefahr einer Informationsüberlastung durch eine unübersichtliche Fülle von Kennzahlen wird bei dem Einsatz eines strategischen Kennzahlensystems dadurch begegnet, dass nur eine überschaubare Zahl von Kennzahlen ausgewählt und somit eine Konzentration auf erfolgskritischen Maßnahmen erreicht wird. Dadurch, dass komplexe Vorgänge mittels Kennzahlensystemen erfassbar gemacht werden, ergibt sich für die Entscheidungsträger des Unternehmens ein einfacherer Zugang zur Problembehandlung und -lösung. Die Erfolgspotentiale werden sichtbar, der Erfolg oder auch Misserfolg von Maßnahmen und Entscheidungen wird transparent und für jeden Mitarbeiter nachvollziehbar. Diese Transparenz bildet die Grundlage für die erforderlichen Lernprozesse innerhalb eines Unternehmens, um künftig effektiver arbeiten zu können. Kennzahlensysteme unterstützen zudem auch die Arbeit mit Zielen innerhalb des Unternehmens. Sind diese sowohl anspruchsvoll als auch unter realistischen Umständen erreichbar, hat dies Motivationseffekte bei den Anwendern zur Folge. Die gestellten Zielanforderungen wecken den Ergeiz und führen regelmäßig zu höheren Anstrengungen und größerer Entschlossenheit, um die Vorgaben zu erreichen. Zudem machen Zielvereinbarungen die Ziele verbindlich und lenken die Aufmerksamkeit der handelnden Akteure auf die Tätigkeiten, die als besonders wichtig erachtet werden und es wird dem Handeln damit eine Richtung verliehen. Übergeordnete Ziele der Unternehmensstrategie können auf diese Weise wirksamer in die operativen Tätigkeiten einfließen. Ein strategisches Kennzahlensystem kann zudem als Frühwarnsystem eingesetzt werden, welches Chancen und Risiken des Unternehmens am Markt mittels Indikatoren frühzeitig erkennt und den Handlungsspielraum somit erweitert. Insgesamt gesehen leistet ein strategisches Kennzahlensystem einen wichtigen Beitrag für alle Bereiche eines Unternehmens, da es sowohl die Planungs- und Steuerungs- als auch die Kontrollfunktion unterstützt. Durch den hohen Grad an Offenheit bei der Aufstellung eines solchen strategischen Kennzahlensystems kann es jederzeit für alle Unternehmen angewendet und unternehmensspezifisch angepasst werden. Christine Kölb, Bachelor in Business Administration an der FH Giessen/Friedberg 2006, Master of Arts in Finance an der FH Wiesbaden 2008. Zur Zeit tätig als Trainee im Bereich IT Automotivebereich.
Die deutsche Klimapolitik gehört zu den anspruchvollsten und effektivsten im internationalen Vergleich. Während die Treibhausgas-Emissionen in etlichen Industrieländern auch nach Abschluss der UN-Klimarahmenkonvention (1992) gestiegen sind, sanken sie in Deutschland um rund 18 Prozent. Die Veränderungen im ostdeutschen Energieund Industriesektor haben dazu wesentlich, aber nicht alles, beigetragen. Auch um den Stand der internationalen Klimaverhandlungen wäre es ohne das deutsche Engagement weit schlechter bestellt. Was treibt Deutschland zu dieser Vorreiter- und Durchhaltepolitik im globalen Klimaschutz, eine Politik, die über einen langen Zeitraum nur selten schwächelte, trotz zwischenzeitlich wechselnder Regierungen, stark veränderter sozioökonomischer Rahmenbedingungen, erschwerter Bedingungen für weitergehende Senkung der Treibhausgas-Emissionen, erheblicher Konflikte mit machtvollen Wirtschaftslobbyisten etwa der Energie- und Automobilbranchen und einer bis heute andauernden mehrheitlichen Ablehnung der sogenannten Öko-Steuer durch die Bevölkerung? In diesem Beitrag werden verschiedene Erklärungsmöglichkeiten diskutiert, insbesondere der Einfluss eines "weitsichtigen Eigeninteresses" an globalem Klimaschutz in Politik und Gesellschaft, die Eigendynamik institutioneller und anderer Kapazitäten für Klimaschutz und die politikprägende Kraft globaler Gerechtigkeitsnormen. Im Ergebnis lässt sich die deutsche Klimapolitik deuten als Summe der Kombinationseffekte von (a) begünstigenden Strukturen, Institutionen und Akteurskonfigurationen, die sich seit den 1970er Jahren im Verlauf der konfliktreichen Entwicklungen in der Luftreinhaltepolitik herausgebildet und im Sinne einer "positiven Pfadabhängigkeit" gewirkt haben, und (b) einer weitverbreiteten (gleichwohl politisch fragilen) Sensibilisierung für globale Verantwortlichkeit und Verantwortung gegenüber "dem Rest der Welt" im Sinne der hohen Akzeptanz von globaler Fairness als klimapolitische Handlungsnorm. Gleichwohl lässt die klare Dominanz des Konzepts der (national orientierten) "ökologischen Modernisierung" über dem der (globalen bis kosmophilen) "nachhaltigen Entwicklung" bei der Gestaltung und Interpretation der Klimapolitik vermuten, dass einer progressiven globalen Klimapolitik wesentlich deshalb zugestimmt wird, weil sowohl eine gesamtwirtschaftlich als auch persönlich positive Kosten-Nutzen-Bilanz erwartet wird. Wo im Falle eines starken Zielkonfliktes zwischen nationalen und globalen Gemeinwohlinteressen die Akzeptanzgrenze für nationale Vorreiterpolitik liegen könnte, ist ungewiss aufgrund der weitgehend ignorierten und nicht thematisierten Wissenslücken zu den sozioökonomischen Verteilungseffekten der Klimapolitik. Die nationalen distributiven Effekte der Klimapolitik – die Frage nach den Nutznießern und den finanziell belasteten Gruppen in Deutschland – werden hierzulande so wenig öffentlich thematisiert, als gäbe es ein "klimapolitisch-engagiertes Schweigekartell": Weder Umweltpolitiker noch die einschlägige scientific community haben bislang die nationalen Verteilungseffekte der gesamten bisherigen klimapolitischen Maßnahmen (einschließlich Emissionshandelssystem) zum öffentlichen Thema gemacht, geschweige denn die erheblichen zusätzlichen Belastungen, die durch die angestrebten Ziele und die Verpflichtungen insbesondere gegenüber Entwicklungs- und Schwellenländern im Anschluss an das Kyoto-Protokoll zu erwarten sind. Dies gilt auch für Nichtregierungsorganisationen (zivilgesellschaftliche Organisationen des Umwelt- und Entwicklungshilfebereichs), die ansonsten dezidiert für eine global gerechte Klimapolitik eintreten. Infolge dieses systematisch verzerrten klimapolitischen (Gerechtigkeits-) Diskurses liegt nur scheinbar eine hohe Zustimmung der Bevölkerung zur staatlichen Klimapolitik und zu den (oft weit darüber hinausgehenden) Forderungen der Nichtregierungsorganisationen nach globaler Gerechtigkeit vor: Es handelt sich eher um eine uninformierte Zustimmung als um einen informierten Konsens. Da außerdem die wenigen Untersuchungen zu den nationalen Verteilungsfolgen bisheriger Klimapolitik (theoretisch erwartbare) regressive Verteilungseffekte aufzeigen (d. h. sozial schwächere Gruppen werden überproportional belastet), muss die Frage umso mehr offen bleiben, wieweit mit einer sozial unfairen nationalen Klimapolitik das Ziel einer global gerechten Klimapolitik erreicht werden kann. Sieht man jedoch ab von dieser "inconvenient truth" einer inländisch zunehmend verteilungsungerechten Klimapolitik, und auch von dem "demokratietheoretischen Schönheitsfehler" eines unvollständigen und verzerrten Klimapolitikfolgen- Diskurses, dann ist die deutsche Klimapolitik im internationalen Vergleich bislang der "relative empirische Optimalfall" einer staatliche Klimapolitik, die gesamtstaatliche Wohlfahrtsgewinne mit einer Dynamisierung der globalen Klimaschutzpolitik verbindet. ; German climate change policy is one of the most ambitious and effective climate protection endeavours worldwide. While greenhouse gas (GHG) emissions increased in several industrialized countries even after ratification of the UN Framework Convention on Climate Change (1992), they dropped in Germany by about 18 per cent. Transformations in the East German energy and industrial sectors have contributed much to this development, but they do not account for it entirely. Furthermore, international climate protection negotiations would be in a much worse state without Germany's strong commitment. What has driven Germany to become – and stay – a frontrunner in global climate protection policy, and to pursue a national climate policy which, over time, has only rarely lost momentum despite different governments, significantly altered socioeconomic conditions, more difficult circumstances for enabling further reductions of GHG emissions, considerable conflicts with powerful economic lobbies (e.g. the energy and automobile sectors) and a majority of the German population rejecting the so-called eco-tax? This paper discusses various plausible explanations, especially the influence of a "farsighted self-interest" in global climate protection on the part of government and society, the momentum of institutional and other capacities for climate protection and the ability of global equity norms to shape policies. As a result, German climate protection policy can be interpreted as the sum of the combined effects of (a) favourable structures, institutions and actor constellations that have come about since the 1970s in the course of conflict-laden developments in air pollution control policy, (b) the "positive path dependency" of these structures, institutions and actors; and (c) a widespread (albeit politically fragile) awareness of global liabilities and responsibilities towards "the rest of the world" in the sense of a high acceptance of global fairness as a guiding norm for climate-political action. Nevertheless the clear domination of (nation-oriented) "ecological modernization" over (global to cosmopolitical) "sustainable development" in the generation and interpretation of climate policy leads to the assumption that progressive global climate policy is generally accepted among Germans because the population expects an economically as well as personally favourable cost-benefit balance. It is uncertain where, in cases of strongly conflicting aims between the national public interest and global common welfare, the line of support for national forerunner policies would be drawn. This is uncertain because of a largely ignored lack of knowledge about the socioeconomic distribution effects of climate change policy. What is striking is that such distributive effects and the question of who benefits from and who pays for climate policy in Germany are so rarely addressed that one could be led to suspect that the apparent "mantle of silence" surrounding the issue is deliberate. Neither politicians nor the relevant scientific community have up to now made national distribution effects of all climate-policy measures (including the emissions trading system) an issue for public discourse, not to mention considerable additional burdens which are expected to accrue from planned goals and obligations for developing and transition countries in the post- Kyoto phase. This also applies to non-governmental organizations (civil society organizations in the areas of environmental protection and development aid) although they usually decidedly advocate globally just climate policies. Because of the systematically distorted climate-political (equity) discourse the German population's acceptance of governmental climate change policy (and of NGO demands for even more ambitious policies) is only ostensibly high: it is a matter of uninformed consent rather than informed consensus. And since the few studies on national redistributional effects of climate policy that do exist indicate probable regressive distributional effects (i.e. weaker social groups are disproportionately burdened), it remains an open question, whether the goal of a globally just climate policy can be achieved through socially unjust domestic climate policies. Irrespective of this "inconvenient truth" and the "democratic flaw" represented by the incomplete and distorted discourse on the consequences of climate policy, German climate change policy, by international comparison, can still be considered a relatively empirically optimal case for a governmental policy that combines national welfare gains with the promotion of global climate protection.
Fragestellung In zahlreichen, sowohl wissenschaftlichen als auch politischen Veröffentlichungen, wird die "Energiewende" als Transformationsprojekt eingeordnet. Zweifelsohne birgt eine Umstellung auf ein erneuerbares Energiesystem transformative Potenziale. Die Bedeutungsbestimmung von "Energiewende" oder auch Transformation bleibt in Politik und Forschung aber häufig unklar. Um dem zu begegnen, wird in der vorliegenden Studie die Bedeutung von "Energiewende", wie sie im Bundestag verhandelt wird, untersucht. Darauf aufbauend wird analysiert, ob und inwiefern die "Energiewende" einem Anspruch als Transformationsprojekt gerecht werden kann, bzw. wie sich die Wirkrichtung der mit "Energiewende" verbundenen Politiken im Spannungsfeld beharrend – reformistisch – transformativ verorten lässt. Forschungsgegenstand Die besondere gesellschaftliche Bedeutung der Bundestags-Debatten um "Energiewende" leitet sich diskurstheoretisch unter anderem aus der ihnen zukommenden' Schaufensterfunktion' ab, wonach die Debatten strategisch auf eine außerparlamentarische Öffentlichkeit ausgerichtet sind. Hinzu kommt, dass sich der hier stattfindende Diskurs, bspw. in Gesetzen, unmittelbar materialisiert. Als Startpunkt der Untersuchung wird der Beginn der rot-grünen Regierungszeit gewählt (1998), da diese – u.a. wegen der Verabschiedung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) und dem politischen Beschluss zum Atomausstieg – in besonderer Weise mit der "Energiewende" in Verbindung gebracht wird. Als Endpunkt dient die letzte vollständige Wahlperiode zum Zeitpunkt der Untersuchung. Die Diskursanalyse bezieht sich demnach auf die Bundestagsdebatten zur "Energiewende" zwischen der 14. und 18. Legislaturperiode (1998-2017). Theorie Die Studie basiert auf einer Verknüpfung der Diskurstheorie nach Laclau/Mouffe (2015) mit dem Konzept des Vorsorgenden Wirtschaftens, das die transformationstheoretische Positionierung der Arbeit konkretisiert. Die Diskurstheorie nach Laclau/Mouffe (2015) zeichnet sich insbesondere durch ihre Bedeutung als politische Theorie und Hegemonietheorie sowie durch ihren Diskursbegriff aus, der die Dichotomie zwischen sprachlich/geistig versus nicht-sprachlich/materiell subvertiert, indem er die materielle Welt als Teil des Diskurses betrachtet – ohne deren Materialität zu bestreiten. Das Vorsorgende Wirtschaften versteht sich als "kritischer Ansatz", der die herrschaftliche Prägung gesellschaftlicher Natur- und Geschlechterverhältnisse zu einem Ausgangspunkt der eigenen Arbeit macht (Netzwerk Vorsorgendes Wirtschaften 2013: 10). Es basiert auf drei Handlungsprinzipien: Vorsorge, Kooperation und Orientierung am für das gute Leben Notwendigen. Mit der Verknüpfung von Diskurs- und Transformationstheorie leistet die Studie einen Beitrag zu deren gemeinsamer theoretischer und methodischer Weiterentwicklung. So gelingt mit dem Vorsorgenden Wirtschaften eine normative Erweiterung der Diskurstheorie, welche die politische Ökonomie in den Blick holt. Gleichzeitig wird das Potenzial des materiellen Diskursbegriffes nach Laclau/Mouffe (2015) für die sozial-ökologische Forschung deutlich. Ausgehend von der Perspektive des Vorsorgenden Wirtschaftens ist die Studie innerhalb einer kritischen, feministischen Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung zu verorten. Methodik Das methodische Innovationspotenzial der Arbeit liegt insbesondere in der Verbindung aus einem Verfahren quantitativer, computerbasierter Diskursanalyse mit einer qualitativen Analyse. Als Ergebnis der Verknüpfung von Transformations- und Diskurstheorie wird ein methodisch komplexes Forschungsdesign präsentiert, das sich neben der Analyse des "Energiewende"-Diskurses auf weitere Bereiche der politischen Transformationsforschung übertragen lässt. Basis dieses Forschungsdesigns ist eine Diskursanalyse über vier Dekonstruktions-Ebenen. Zunächst erfolgt eine Operationalisierung der Diskurstheorie nach Laclau/Mouffe (2015) in einem quantitativ und zwei qualitativ ausgerichteten Verfahrensschritten. Die quantitative Auswertung aller Plenarprotokolle im Betrachtungszeitraum erfolgt mit PolmineR, einem Tool zur Analyse von Plenarprotokollen in der Programmiersprache R (www.polmine.github.io). Auf der obersten Dekonstruktions-Ebene der lexikalischen Elemente werden so zeitliche Entwicklungen des Diskurses (z.B.: Häufigkeitsentwicklungen) um "Energiewende" nachvollzogen und regelmäßige Differenzbeziehungen (Kollokationen) herausgearbeitet. Die 30 Plenarprotokolle und Dokumente, die sich dabei als besonders relevant für den Diskurs erweisen, werden im nächsten Schritt qualitativ analysiert und der Diskurs wird somit auf zwei weiteren Dekonstruktions-Ebenen analysiert. In einem kodierenden Verfahren werden zunächst komplexitätsreduzierende Erzählungen, sogenannte Story-Lines, identifiziert. Daraufhin werden den Erzählungen zugrundeliegende fantasmatische Narrative herausgearbeitet. Die diskurstheoretische Analyse auf diesen drei Dekonstruktions-Ebenen wird schließlich in einer hegemonietheoretisch fundierten Diskussion zusammengeführt. Die Ergebnisse der Diskursanalyse werden anschließend auf einer vierten Dekonstruktions-Ebene aus der Perspektive des Vorsorgenden Wirtschaftens reflektiert. Das Vorsorgende Wirtschaften wird dabei anhand seiner Handlungsprinzipien (Vorsorge, Kooperation, Orientierung am für das gute Leben Notwendigen) sowie der aus der Literatur entnommenen Kriterien "Externalisierung als Prinzip" und "Potenziale für eine herrschaftsärmere Zukunftsgestaltung" (vgl. Biesecker/von Winterfeld 2015) operationalisiert. Es wird eine Analyseheuristik generiert, mit Hilfe derer schließlich die Wirkrichtung von mit "Energiewende" verbundenen politischen Praktiken im Spannungsfeld beharrend – reformistisch – transformativ verortet wird. Die Grundlage dieser Klassifikation leitet sich aus der im Theorieteil erfolgten Verortung in der kritisch-feministischen Transformationsforschung ab. Im Sinne des retroduktiven Forschungsdesigns dieser Studie nach Glynos/Howarth (2007) wird die empirische Anwendbarkeit des Konzeptes Vorsorgendes Wirtschaften gegenstandsbezogen entwickelt und erweitert. Beispielsweise zeigen sich in der Analyse der Debatten zur Energiepolitik in einem deutlichen Umfang neokoloniale Artikulationsmuster und nationale Erzählungen, weshalb das Vorsorgende Wirtschaften hier im Hinblick auf nationale und neokoloniale Machtstrukturen analytisch konkretisiert wird. Ergebnisteil Die Ergebnisse der Dekonstruktion des "Energiewende"-Diskurses werden in zwei Teilen präsentiert. Der erste bezieht sich auf die Diskursanalyse der Bundestagsdebatten zur "Energiewende" nach der Diskurstheorie von Laclau/Mouffe (2015). Hier verweisen die Ergebnisse darauf, dass sich in den Bundestagsdebatten nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima ein Post-Politisierungsprozess identifizieren lässt. Dieser manifestiert sich in einer überwiegend marktökonomischen Einordnung von "Energiewende" sowie einer diskursiven Loslösung von sozial-ökologischen Problemlagen. Im zweiten Teil der Dekonstruktion liegt der Fokus auf dem Sichtbarmachen von hierarchischen Externalisierungsstrukturen unter Anwendung einer kritisch-emanzipatorischen Forschungsperspektive Vorsorgenden Wirtschaftens. Materielle Wirkweisen politischer Praktiken in Verbindung mit "Energiewende" werden ebenso wie die damit verbundenen Machtverhältnisse entschlüsselt. Die feministische Perspektive der Arbeit leistet einen innovativen und in bisherigen Forschungsarbeiten marginalisierten Einblick in die Debatten um "Energiewende" im Bundestag. Die (geschlechtshierarchische) Strukturierung dieser Debatten manifestiert sich zum einen darin worüber überhaupt diskutiert wird, nämlich überwiegend über ökonomische und technologische Fragen, die dem Öffentlichen zugewiesen werden, während soziale Themen dem Privaten zugeordnet bleiben und kaum vorkommen. Zum anderen werden gegenhegemoniale Forderungen über die Abwertung des sozial Weiblichen (z.B.: als "hysterisch" (CSU 24.03.2011: 11300)) delegitimiert und aus dem politischen Raum gedrängt. Fazit In den Bedeutungskämpfen um "Energiewende" ist im zeitlichen Ablauf mit "Fukushima" ein Bruch festzustellen. Vor "Fukushima" wird "Energiewende" im Bundestag – auch unter rot-grün – nur selten artikuliert und kann in der Diskursbewertung nicht als Transformationsprojekt bundespolitischer Gesetzgebung klassifiziert werden. Nach "Fukushima" lassen sich in der Analyse überwiegend energiepolitische Praktiken identifizieren, die vor dem Hintergrund einer Forschungsperspektive Vorsorgenden Wirtschaftens in ihrer Wirkrichtung im Spannungsfeld reformistisch-beharrend zu verorten sind, bzw. in einigen Fällen sogar reaktionäre Elemente aufweisen. So lässt sich insbesondere nach "Fukushima" eine Reduktion von "Energiewende" auf verfahrenspolitische, technokratische sowie managementorientierte politische Praktiken nachzeichnen, die auf einer Naturalisierung marktwirtschaftlicher Strukturen basieren und gesellschaftliche Naturverhältnisse nicht adressieren. Es wird zudem aufgezeigt, wie vor "Fukushima" marginalisierte energiepolitische Forderungen danach von einer hegemonialen Diskursformation angeeignet werden. Das Narrativ, das sich in diesem Zusammenhang etabliert, wird hier als 'technokratisch-managementorientierter Ökokonsens'bezeichnet. Die zentralen Ergebnisse der Arbeit verweisen darauf, dass mit der "Energiewende" ein großes, potenziell auf Transformation ausgerichtetes Projekt, aus sozial-ökologisch orientierten zivilgesellschaftlichen Bewegungen für verfahrenspolitische Prozesse im Bundestag mobilisiert und gleichzeitig sozial-ökologisch und politisch an Bedeutung entleert wurde. Reflexion und Ausblick Der "Energiewende"-Diskurs konnte gerade durch die Kombination von Diskurstheorie mit einer Perspektive Vorsorgenden Wirtschaftens umfangreich dekonstruiert werden. Die Erweiterung der Diskurstheorie um ein normatives Konzept, welches wie das Vorsorgende Wirtschaften, den Blick auf politisch ökonomische Strukturen richtet, leistet einen Beitrag dazu den materiellen Diskursbegriff nach Laclau/Mouffe (2015) zu operationalisieren und die Diskurstheorie somit für die sozial-ökologische Transformationsforschung empirisch noch stärker zu öffnen. Das Instrument der computerbasierten Datenerhebung hat sich insbesondere als Vorstrukturierung für die folgenden qualitativen Analyseschritte als wirksam erwiesen und dazu beigetragen, dass das Forschungsdesign im Sinne des retroduktiven Ansatzes angepasst werden konnte. Nach dem der Arbeit zugrunde liegenden Theorieverständnis ist das Erkennen von Externalisierungsstrukturen und Naturalisierungen eine Voraussetzung für eine emanzipatorische Politik und Praxis. Kritik erfüllt dabei keinen Selbstzweck, sondern aus ihr heraus scheinen immer wieder emanzipatorische, nicht-externalisierende Gestaltungsperspektiven auf. In diesem Sinne werden am Ende der Arbeit als Ausblick Strategien einer Repolitisierung von "Energiewende" genannt. ; Research question In numerous publications, both scientific and political, the "Energiewende" is classified as a transformation project. Undoubtedly, the change to a renewable energy system has transformative potential. However, the meaning of "Energiewende" or transformation in politics and research mostly remains vague. Therefore, the present study examines the meaning of "Energiewende", as negotiated in the federal German parliament (German: Bundestag). On this basis, it is analyzed whether and to what extent the "Energiewende" complies with the claim of being a transformation project – or rather where the associated policies can be placed within an axis of persistence – reform – transformation. Object of research The particular social significance of the Bundestag debates on the "Energiewende" derives, among other things, from their so-called 'showcase function', according to which the debates are strategically oriented towards an extra-parliamentary public. In addition, the discourse taking place here materializes directly, e.g. in laws. The starting point of the investigation is the beginning of the legislative period led by a coalition of the SPD (German Democratic Party) and the Green Party (1998). This government is generally associated with the "Energiewende" due to the adoption of the Renewable Energy Sources Act (German: Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) and the political decision to phase out nuclear power. The discourse analysis therefore is applied to the Bundestag debates on the "Energiewende" of the 14th until the 18th legislative period (1998-2017), which is the last complete legislative period by the time of the study. Theoretical background The study is based on a combination of the discourse theory according to Laclau/Mouffe (2015) with the concept of 'Vorsorgendes Wirtschaften', which specifies the position of the present study within transformation theory. The discourse theory according to Laclau/Mouffe (2015) is characterized in particular by its significance as a political theory and a theory of hegemony. Its concept of discourse 1 Energy transition is not a precise translation of "Energiewende", which is why the German word is used in the following. 2 As there is no precise translation of 'Vorsorge' into English, the word formation 'pre-caring', which has already been used in earlier translations of 'Vorsorgendes Wirtschaften', is used here. subverts the dichotomy between linguistic/spiritual versus non-linguistic/material by considering the material world as part of the discourse – without denying its materiality. 'Vorsorgendes Wirtschaften' is defined as a "critical approach" that takes the domination-shaped character of societal relations to nature and gender as a starting point for analysis and intervention (Netzwerk Vorsorgendes Wirtschaften 2013: 10). It is based on three principles: pre-caring, cooperation and orientation towards what is necessary for a good life. By linking discourse and transformation theory, the study contributes to their common theoretical and methodical development. Thus, by the combination with 'Vorsorgendes Wirtschaften', a normative expansion of the discourse theory becomes possible, which brings political economy into view. At the same time, the potential of the material concept of discourse according to Laclau/Mouffe (2015) for social-ecological research becomes explicit. Based on the perspective of 'Vorsorgendes Wirtschaften', the study is considered in the context of critical, feminist sustainability and transformation research. Methodology The innovative methodological potential of the study lies particularly in the mixed methods approach, combining a method of quantitative, computer assisted discourse analysis with a qualitative analysis. The link between transformation and discourse theory methodically results in a complex research design, which could also be valuable for other fields of political transformation research. The basis of this research design is an analysis of the "Energiewende" discourse over four levels of deconstruction. Als Ergebnis der Verknüpfung von Transformations- und Diskurstheorie wird ein methodisch komplexes Forschungsdesign präsentiert, das sich neben der Analyse des "Energiewende"-Diskurses auf weitere Bereiche der politischen Transformationsforschung übertragen lässt. Basis dieses Forschungsdesigns ist eine Analyse über vier Dekonstruktions-Ebenen. The discourse theory according to Laclau/Mouffe (2015) is operationalized in one quantitative and two qualitative steps. Quantitative evaluation of all plenary protocols during the periods under review is carried out using PolmineR, a tool for analyzing plenary protocols in the programming language R (www.polmine.github.io). At the first level of deconstruction of the lexical elements, temporal developments in the discourse (e.g. frequency) are traced around "Energiewende" and regular difference-relations (collocations) are examined. 30 plenary protocols and documents, which prove to be particularly relevant for the discourse, are qualitatively analyzed in the next step. In doing so, the discourse is analyzed on two further levels of deconstruction. By means of a coding method, complexity-reducing narratives, so-called story lines, are identified. Thereupon, underlying fantasmatic narratives are explicated. The discourse-theoretical analysis on these three levels of deconstruction is finally brought together in a discussion based on theory of hegemony. As a next step, the results of the discourse analysis are reflected on a fourth level of deconstruction using the perspective of 'Vorsorgendes Wirtschaften'. The concept is operationalized on the basis of its principles (pre-caring, cooperation and orientation towards what is necessary for a good life) and supplemented by two additional criteria from the literature – "externalization as a principle" and "potentials for shaping the future, less characterized by domination" (cf. Biesecker/von Winterfeld 2015). A heuristic for analysis is generated, with the help of which the effects of the policies associated with the "Energiewende" are classified within an axis of persistence – reform – transformation. The basis of this classification derives from the positioning of the study in critical feminist transformation research, which is explicated in the theory part. As defined by the retroductive research design of this study according to Glynos/Howarth (2007), the empirical applicability of the concept 'Vorsorgendes Wirtschaften' is developed in a subject-related way and expanded. For example, the analysis of debates on energy policy clearly shows neocolonial articulation patterns and national narratives, which is why 'Vorsorgendes Wirtschaften' is analytically specified here in terms of national and neocolonial power structures. Results The results of the deconstruction of the "Energiewende" discourse are presented in two parts. The first part refers to the discourse analysis of the Bundestag debates on the "Energiewende" according to the discourse theory by Laclau/Mouffe (2015). Here, results indicate that a post-politicization process has taken place in the debates after the reactor disaster of Fukushima. This becomes apparent through a predominantly market-economic integration of "Energiewende" as well as a discursive dissociation from social-ecological problems. In the second part of the deconstruction, the focus is on the elaboration of hierarchical externalization structures using a critical-emancipatory research perspective of 'Vorsorgendes Wirschaften'. Thus, material effects of political practices in connection with "Energiewende" and the associated power relations are decoded. The feminist perspective of the study provides an innovative insight into the debates, which has been marginalized in previous research. On the one hand, the (gender-hierarchical) structure of these debates manifests itself in what is being discussed – mainly economic and technological questions, which are assigned to the public sphere – while social issues remain assigned to the private sphere and hardly occur. On the other hand, counter-hegemonic demands are delegitimized and forced out of the political sphere by depreciating the socially feminine (e.g. as "hysterical" (CSU 24.03.2011: 11300)). Conclusion The analysis of the discourse on "Energiewende" shows a significant turning point with "Fukushima". Before "Fukushima" "Energiewende" is rarely articulated in the Bundestag – even under the red-green government – and thus cannot be classified as a transformation project of federal legislation. After "Fukushima", energy policy practices are identified, which – on the basis of the research perspective "Vorsorgendes Wirtschaften" – can be classified between reform and persistence, regarding their effects; in some cases they even show reactionary elements. Thus, especially after "Fukushima", a reduction of "Energiewende" to procedural, technocratic and management-oriented political practices can be illustrated, which are based on a naturalization of market-economic structures and do not address societal relations to nature. Moreover, it is shown that energy policy demands, that were marginalized before "Fukushima" are appropriated by a hegemonic discourse formation afterwards. The study identifies the narrative that is established in this context as 'technocratic-management-oriented ecoconsensus'. The central results of the study point out that with the "Energiewende" a large, potentially transformation-oriented project, which was originally promoted by social-ecologically oriented civil societal movements, is mobilized for procedural oriented political processes in the Bundestag and at the same time emptied of social-ecological and political meaning. Reflection and outlook The discourse on "Energiewende" was deconstructed extensively with the help of the combination of discourse theory with a perspective of "Vorsorgendes Wirtschaften". The extension of the discourse theory by integrating a normative concept focusing on political economic structures contributes to operationalizing the material concept of discourse according to Laclau/Mouffe (2015) and thus opens discourse theory empirically for social-ecological transformation research. In particular, the computer assisted data analysis tool has proven to be effective in pre-structuring the material for the following qualitative analytical steps and has helped to adapt the research design to the retroductive research approach. The underlying theory of this study implies that understanding and recognizing externalization structures and naturalizations is necessary for an emancipatory policy and practice. However, critique does not fulfill an end in itself, but can open up emancipatory, non-externalizing perspectives. In this sense, at the end of the study, some strategies for a re-politicization of "Energiewende" are outlined.
Die Corona-Pandemie wird den Schulbetrieb wahrscheinlich auch noch im Schuljahr 2020/2021 erheblich einschränken. Dabei stellen sich jenseits der Fragen zum Gesundheitsschutz zunehmend auch solche, die den Kern der Schule als Bildungsinstitution betreffen. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei bildungsbenachteiligten Schüler*innen und solchen mit speziellen Förderbedarfen zu Teil werden, denn vieles spricht dafür, dass die Schere zwischen Kindern aus sozial privilegierten und benachteiligten Familien in Folge der Schulschließungen weiter aufgegangen ist. Diese Entwicklung wird sich im Zuge einer schrittweisen Öffnung der Schule fortsetzen, wenn nicht bewusst gegengesteuert wird. Notwendig ist deshalb eine breite bildungswissenschaftliche Diskussion über Ansätze und Maßnahmen, die zum Abbau der neu entstandenen und der schon bestehenden Bildungsungleichheiten beitragen. Im ersten Teil dieses Bandes werden Ergebnisse aus Erhebungen im Frühjahr 2020 vorgestellt, die Aufschluss darüber geben, wie Schüler*innen, Eltern und pädagogisches Personal die mit dem Fernunterricht verbundenen Herausforderungen erlebt haben. Die Beiträge des zweiten Teils widmen sich schulischen Problemfeldern. Unter besonderer Berücksichtigung der Ungleichheitsthematik fassen sie kurz den Forschungsstand zu rechtlichen, pädagogischen, didaktischen und anderen Fragen zusammen und leiten daraus Vorschläge ab, wie Schule, Unterricht und Lernen unter den voraussichtlich noch länger andauernden Einschränkungen und darüber hinaus gestaltet werden könnten. Das Beiheft richtet sich an eine bildungspolitisch interessierte Öffentlichkeit und insbesondere an diejenigen, die in der Bildungspolitik, der Bildungsadministration und natürlich in den Schulen Verantwortung für die Gestaltung des Unterrichts und für schulisches Lernen tragen. (DIPF/Orig.)
Die Strategische Umweltprüfung (SUP) ist eine Umweltprüfung für Pläne, Programme und Policiesund entstand als Ergänzung zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auf Projektebene. In der Europäischen Union ist die SUP jedoch nur für Pläne und Programme eingeführt worden. Mit der Einführung der Strategischen Umweltprüfung in der Europäischen Union und in Deutschland war und ist die Hoffnung verbunden, verschiedene Einschränkungen der Umweltverträglichkeitsprüfung auf Projektebene zu überwinden. Dazu zählen die Prüfung von strategischeren Alternativen, die auf Projektebene unzumutbar sind, die Prüfung von kumulativen Wirkungen und die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit vor dem Projektzulassungsverfahren. In dieser Dissertation wird die Strategische Umweltprüfung in Deutschland evaluiert. Als Evaluationsmaßstab wird dabei der internationale Wissensstand (Best Practice-Standards) zur Evaluation der erforderlichen Qualität der Strategischen Umweltprüfung herangezogen. Die Arbeit geht davon aus, dass eine Strategische Umweltprüfung den ursprünglich erhofften Mehrwert gegenüber der UVP auf Projektebene erfüllt und dadurch wesentlich zurBerücksichtigung von Umweltbelangen in der strategischen Entscheidungsfindung beiträgt, wenn sie den internationalen Best Practice-Standards entspricht. Mit dieser Dissertation soll ergründet werden, warum die SUP in Deutschland den ursprünglich erhofften Mehrwert gegenüber der UVP ggf. nicht erfüllt und es sollen Empfehlungen zur Verbesserung der SUP-Praxis in Deutschland abgeleitet werden. Der theoretische und praktische SUP-Anwendungsbereich in Deutschland wird analysiert. Zur Evaluation der Strategischen Umweltprüfung wird ein Fallstudienansatz gewählt, bestehend aus Evaluationskriterien und -indikatoren, Analyseschema, Dokumentenanalyse und Interviews bzw. Gruppendiskussionen mit den SUP-verantwortlichen Behördenvertretern und SUP-Gutachtern. Da die Strategische Umweltprüfung in Deutschland nach ihrer rechtlichen Einführung noch nicht sektorübergreifend evaluiert wurde, werden zunächst Evaluationskriterien und -indikatoren anhand des internationalen Forschungsstandes (Literaturanalyse) und eines one-stop Delphis mit internationalen SUP-Experten entwickelt. Außerdem wird ein Analyseschema entwickelt und das Forschungsdesign wird einem Pretest unterzogen. Die Ergebnisse der Fallstudienanalyse zeigen, dass die Qualität der Strategische Umweltprüfung in Deutschland eingeschränkt ist. Insbesondere die Qualität der Alternativenprüfung, der Prüfung kumulativer Effekte, der Umweltüberwachung und der Beteiligungder Öffentlichkeit sind begrenzt. Damit bleibt die SUP in Deutschland hinter den internationalen Erwartungen zurück und kann den ursprünglich erhofften Mehrwert gegenüberder UVP bisher nicht erfüllen. Die SUP in Deutschland ist damit weniger strategisch als erhofft. Insbesondere die SUP auf Bundesebene ist weniger strategisch, als es, angesichts ihrer wichtigen vorbereitenden Rolle, erwartet wird. Wie strategisch eine SUP sein kann, mag dabei allerdings nicht von der Planungsebene (Bund, Land, Kommunal) abhängen, sondern von der Ausrichtung der Planung, d. h. ob sie wegweisende Aspekte ähnlich zu einerPolicy enthält oder nicht. Positiv hervorzuheben ist, dass die SUP (Umweltbericht, Öffentlichkeitsbeteiligung und die Interaktion zwischen Behörde und Gutachtern) im Allgemeinen hilfreich ist, um Wissen über die Umweltauswirkungen der Planungen zu erhalten. Diese Informationen führen allerdings nicht zwangsläufig dazu, dass die Planungen umweltfreundlicher werden. Die Ergebnisse werden von anderen Untersuchungen und Erfahrungsberichten zur SUP in Deutschland gestützt. Der internationale Stand der Forschung belegt einen vergleichbar unbefriedigenden Status der Strategischen Umweltprüfung. Hinderlich für eine gute SUP-Praxis in Deutschland sind unklare Rechtsgrundlagen in Kombination mit einer legalistischen Tradition der Verwaltungsbehörden und einer experten-basierten Planungskultur im Gegensatz zu einem eher kollaborativen Planungsverständnis. Darüber hinaus scheinen das grundlegende SUP-Verständnis und die Qualitätsstandards noch nicht gefestigt zu sein. Des Weiteren behindern im Einzelfall auch organisatorische Faktoren eine gute SUP-Praxis. Die aus den Ergebnissen abgeleiteten Empfehlungen beinhalten eine Klarstellung der rechtlichen Regelungen zu kumulativen Wirkungen und der Überwachung, eine Überarbeitung des SUP-Leitfadens des Bundes, die Integration von SUP-Kursen in Studiengänge für SUP-pflichtige Planungsdisziplinen sowie andere Maßnahmen der Kapazitätsentwicklung, eine Förderung des gemeinschaftlichen Scopings sowie die Forschung, Entwicklung und Erprobung im Bereich der Policy-SUP und der Überwachung. Obgleich die Fallstudienanzahl mit sechs analysierten SUP-Fällen begrenzt ist und eine Vergrößerung der empirischen Basis ratsam wäre, ist ein belastbarer Evaluationsbeitrag zur Strategischen Umweltprüfung in Deutschland entstanden. Das gewählte Forschungsdesign ermöglichte es, die Fallstudien in der angemessenen Tiefe zu ergründen und Hintergründe für die beobachtete Praxis zu beleuchten. Dadurch konnten zielgerichtet Empfehlungen zur Verbesserung der SUP in Deutschland abgeleitet werden. Weiterer Forschungsbedarf besteht insbesondere in der Evaluation der anderen Dimensionen der SUP-Effektivität jenseits der Qualität und der procedural effectiveness. Darüber hinaus wäre eine weiterentwickelte und ganzheitliche Konzeptualisierung der SUP-Effektivität erforderlich, welche die unterschiedlichen Dimensionen der Effektivität zusammenführt und die Dimensionen für die praktische Evaluation handhabbar macht. ; Strategic Environmental Assessment (SEA) is an environmental assessment for plans, programmes, and policies and was developed to complement Environmental Impact Assessment(EIA) at project level. In the European Union, however, SEA has only been introduced for plans and programmes. With the implementation of Strategic Environmental Assessment in the European Union and Germany, there was and is hope of overcoming various limitations of environmental impact assessment at project level. These include the assessment of more strategic alternatives that are unreasonable at project level, the assessment of cumulative effects and the early public involvement prior to project approval processes.This dissertation evaluates the Strategic Environmental Assessment in Germany. The international state of knowledge (best practice) on the necessary quality of the Strategic Environmental Assessment is used as evaluation criteria. The thesis assumes that a Strategic Environmental Assessment fulfils the expected benefit compared to the EIA at project level and thus contributes significantly to the consideration of environmental concerns in strategic decision-making if the SEA meets the international best practice standards. The aim of the dissertation is to investigate why the SEA in Germany may not achieve the expectedbenefit compared to the EIA and to derive recommendations for improving SEA practice in Germany. The theoretical and practical application of SEA in Germany is analysed. A case study analysis is chosen for the evaluation of the Strategic Environmental Assessment consisting of evaluation criteria and indicators, an analysis framework, document analysis, and interviews or group discussions with the representatives of the SEA responsible agencies and SEA consultants. Since the Strategic Environmental Assessment in Germany has not yet been evaluated with a cross-sectoral approach after its transposition into national law, evaluation criteria and indicators are developed on the basis of the international state of research (literature analysis) and a one-stop delphi with international SEA experts. In addition, an analysis framework is developed and the research approach is subject to a pretest. The results of the case study analysis show that the Strategic Environmental Assessmentin Germany has a limited SEA quality. In particular, the quality of alternatives assessment, cumulative effects assessment, environmental monitoring, and public participation arelimited. This means that SEA in Germany falls short of international expectations andhas not yet been able to fulfil the expected benefit compared to EIA. SEA in Germanyis thus less strategic than expected. In particular, federal level SEA is less strategic than expected in respect to its important preparatory role. How strategic SEAs can be, however,may not depend on the planning level (federal, state, local), but on the planning approach, i.e. whether or not the plan or programme contains guiding aspects similar to a policy. On the positive side, the SEA (environmental report, public participation, and interactionbetween agencies and consultants) is generally helpful for gaining knowledge about the environmental impacts of planning. However, this information does not necessarily leadto more environmentally friendly plans or programmes. The results are supported by otherstudies and experience reports on SEA in Germany. The international state of research proves a comparable unsatisfactory status of Strategic Environmental Assessment. Obstacles to good SEA practice in Germany are limited or unclear legal regulations in combination with a legalistic tradition of administration and an expert-based planning approach as opposed to a more collaborative understanding of planning. In addition, the basic understanding of SEA and quality standards do not yet seem to be consolidated. Furthermore, in individual cases organisational factors also hinder good SEA practice. The recommendations include a clarification of legal regulations on cumulative effects and monitoring, a revision of the federal SEA guidance document, the integration of SEA courses into study programmes for planning disciplines subject to SEA as well as other measures of capacity development, a promotion of joint scoping, as well as research, development, and testing in the field of policy SEA and monitoring. Although the number of case studies analysed is limited to six SEA case studies and increasing the empirical basis is advisable, a reliable contribution to Strategic Environmental Assessment evaluation in Germany has been produced. The chosen research approach made it possible to explore the case studies adequately and to shed light on the reasons for the observed practice. This made it possible to derive targeted recommendations for improving SEA in Germany. Further research is particularly needed on the evaluation of the other dimensions of SEA effectiveness beyond quality and procedural effectiveness. In addition, SEA effectiveness needs to be refined and holistically conceptualised to bring together the various dimensions of effectiveness and make them feasible for practical evaluation.
Dass man mit Tieren gut denken könne, behauptete Claude Lévi-Strauss 1962 in Le totémisme aujourd'hui (Paris: Presses Universitaires de France, S. 128) und entlarvte damit in seinem bahnbrechenden strukturalistischen Text den Totemismus als eine Fiktion, die, indem sie einer universellen klassifikatorischen Logik gehorcht, die Konstruktion des Verhältnisses von Kultur und Natur erst ermöglichte. In ihrer inhaltlich und wissenschaftspolitisch neue Maßstäbe setzenden Publikation greifen die beiden Herausgeberinnen und der Herausgeber – Anikó Imre, Timothy Havens und Katalin Lustyik – Lévi-Strauss' Pioniergeist und das Zitat auf, um es sich folgendermaßen anzueignen: "It would seem that old television is, to appropriate Lévi Strauss's now famous quote, good to remember with" (S. 5). Die Analyse televisueller Programme und Ästhetiken aus dem osteuropäischen Raum, die Erinnerungsmodi der sozialistischen Vergangenheit befeuern und teilweise selbst generieren, steht daher auch im Zentrum von Popular Television in Eastern Europe During and Since Socialism. Auffällig an den untersuchten Fernsehprogrammen ist das Aufgreifen sozialistischer TV-Formate ('old television'), die in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sowie hinsichtlich der Neubildung postsozialistischer Identitäten eine wesentliche Rolle übernehmen. Sozialistische Fernsehfilme und Serien, Animationsfilme für Kinder und Jugendliche, sogar Werbeeinspielungen, so Imre, Havens und Lustyik in der Einleitung, "have re-appeared on local programming since 1989 as an irreplacable source of national and regional memory and identity and have also inspired serious historical and critical scholarship" (S. 3). Anikó Imre (University of Southern California, School of Cinematic Arts) hat in den letzten zehn Jahren in den Bereichen der feministischen Film- und Fernsehwissenschaft sowie der Osteuropa Studien herausragende Publikationen vorgelegt. In Transnational Feminism in Film and Media (2005), East European Cinemas (2007), Identity Games. Globalization and the Transformation of Media Cultures in the New Europe (2009) hat sie eindringlich gezeigt, welche Herausforderungen die postsozialistische Ära für eine transnationale (und feministische) Film- und Medienwissenschaft bereithält. Nun reicht sie gemeinsam mit Timothy Havens (University of Iowa, Communication Studies) und Katalin Lustyik (Ithaca College, Faculty Television-Radio) eine weitere Publikation zu diesem Themenkomplex nach und reagiert damit auf die "Western centric perspective" (S. 2) der europäischen Fernsehwissenschaft, die auch in der aktuell vorliegenden Publikationen mit 'europäischem' Fernsehen vor allem 'westeuropäisches' Fernsehen meint. Osteuropäische Fernsehwissenschaft erfolgt aber nicht nur an den Rändern der internationalen Fernsehwissenschaft, sondern sie nimmt auch innerhalb der osteuropäischen Medienwissenschaft, deren Fragestellungen sich vorwiegend den Printmedien, dem Journalismus und dem demokratischen Gemeindeleben widmen, einen marginalen Platz ein (vgl. S. 1). Popular Television in Eastern Europe During and Since Socialism schreibt sich in einen westeuropäischen Theorie- und Forschungskontext der Fernsehwissenschaft ein, den es gleichzeitig kritisch reflektiert (vgl. S. 1) und schlägt Analysen von Fernsehsendungen vor, die sich stark an fernsehwissenschaftlichen Konzepten und Theorien der Cultural Studies, der Memory Studies und des Audience Research orientieren. Erklärtes Ziel der Anthologie ist es, "to bring popular culture into Eastern European studies, to highlight the relevance of Eastern European realities in the study of globalization, and to de-Westernize television and media studies" (S. 9). Für die Unterrepräsentation osteuropäischer Thematiken in der internationalen Fernsehwissenschaft führen Imre, Havens und Lustyik gleich mehrere Gründe an. Als Folge eines fortbestehenden ideologischen und disziplinären Erbes des Kalten Krieges wurde osteuropäisches Fernsehen als populärkulturelles (und staatlich kontrolliertes) Medium lange nicht ernst genommen. Weder westeuropäische Forscherinnen und Forscher noch osteuropäische Filmemacher oder Autoren (hier vor allem Männer) interessierten sich für das Fernsehen. Letztere, weil sie ihren politischen Auftrag in der Herstellung politisch subversiver kinematographischer und literarischer Arbeit sahen, die sich in der europäischen Hochkultur verortet. Aber auch das intime Verhältnis des Mediums zu nationalen Sprachen und Kulturen stellt ein Hindernis dar, das Non-Natives den Zugang zu den Programmen erschwert (vgl. S. 3). Für den Zusammenhang von osteuropäischer Geschichte und Identität ist das Fernsehen aber ebenso zentral wie umgekehrt die Untersuchungen osteuropäischer Fernsehkulturen fernsehwissenschaftliche Forschung insgesamt vorantreiben könnten. Die auf dem Gebiet des postsozialistischen Fernsehens erfolgenden Transformationen seit dem Fall des Kommunismus bieten nämlich in besonderem Maße die Möglichkeit, die Funktionsweisen televisueller Technologien zu untersuchen. Die Entwicklung von staatlich kontrollierten Rundfunksystemen, die nationale, regionale und stark gefilterte westliche Programme ausstrahlten, hin zu 'transnationalen Multiplattformen', die vor allem amerikanische und westeuropäische Unterhaltungsprogramme senden, "provide[s] opportunities to examine the complex interactions among economic and funding systems, regulatory policies, globalization, imperialism, popular culture and cultural identity" (S. 2). Ausgehend von der Prämisse, dass die Episteme der Fernsehwissenschaft – 'Identität', 'Repräsentation', 'kulturelle Macht', 'populäre Form', die Bedeutung der Institutionen – für das Verständnis osteuropäischer Kultur hochrelevant sind, versammeln die Herausgeberinnen und der Herausgeber vierzehn Beiträge von Forscherinnen und Forschern aus Budapest, Groningen, Halle, Ljubljana, Prag, Salzburg und von acht Universitäten in Großbritannien und den USA, die darlegen, wie "national identity, nostalgia, globalization, local production and minority popular culture are articulated in Eastern European television culture in ways that differ significantly from Western European or Anglophone television cultures" (S. 3). Popular Television in Eastern Europe During and Since Socialism ist in drei thematische Teile unterteilt. Im ersten Teil "Popular Television in Socialist Times" finden sich fünf Beiträge über das Fernsehen in der Ära des Sozialismus mit Fallbeispielen aus Rumänien, Polen und der DDR; im zweiten Teil, "Commercial Globalization and Eastern European TV", geht es in vier Beiträgen um den Einfluss von Globalisierung und Liberalisierung der Märkte auf die Repräsentationen nationaler Identitäten mit Fallbeispielen aus Polen, Rumänien, Tschechien, Ungarn und der Slowakei; im dritten Teil, "Television and National Identity on Europe's Edges", steht der Nexus von Fernsehen und nationaler Identität im Zentrum der analytischen Bemühungen von fünf Beiträgen mit Fallbeispielen aus Rumänien, Slowenien, Tschechien, Ungarn. Obwohl die Autorinnen und Autoren des Bandes die Unterschiede der soziopolitischen Veränderungen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks berücksichtigen, sind der transnationale Zugang und die Bezeichnung der Region als 'Osteuropa' programmatisch zu verstehen. Der Aspekt der "intricate regional and transnational connections and interwoven television cultures" (S. 5f.) wurde bisher in der Osteuropaforschung vernachlässigt. Traditionell folgten Forscherinnen und Forscher geographischen sowie disziplinären Unterteilungen und fokussierten vor allem auf die Eigenheiten der osteuropäischen Kinematographien. Damit spielten sie aber auch einer sowjetischen Politik in die Hände, die kontinuierlich damit beschäftigt war, die Differenzen zwischen den Satellitenstaaten überdimensional darzustellen. Als ein Medium, das Erinnerungsdiskurse im osteuropäischen Raum maßgeblich (mit-)gestaltet, generiert das Fernsehen Räume, in denen sozialistische Vergangenheit und der traumatische oder nostalgische Umgang damit vermittelt und diskutiert, verhandelt und verarbeitet werden. Im Zentrum des Sammelbandes steht so das Dispositiv Fernsehen als ein Instrument der Erinnerung, das zur Aufarbeitung der sozialistischen Vergangenheit und zum Verständnis der Funktionsweisen des 'kulturellen Gedächtnisses' maßgeblich beiträgt. "Spanning decades and nations, the scholarship […] on television and cultural memory in Eastern Europe not only adds to the ongoing theorization of post-communist nostalgia and trauma, but also makes a powerful case for the centrality of popular television in the production, continuation and study of cultural memory" (S. 5). Es ist wohl zutreffend zu behaupten, dass das Fernsehen mit seinen Angeboten der Vergangenheitsbewältigung in einigen Ländern des ehemaligen Ostblocks ein Versäumnis postsozialistischer Politik nachholt. Dies trifft beispielsweise auf den Fall Tschechiens zu, wo die öffentliche Diskussion aufgrund einer nach 1989 von öffentlicher Seite sehr stark vorangetriebenen 'Entkommunisierung' (Françoise Mayer), die mit einer völligen Tabuisierung der kommunistischen Vergangenheit einherging, noch am Anfang steht. Ähnlich tabuisiert ist seit dem Fall des Kommunismus die Frage, wie sich ethnische Minderheiten und speziell die Roma-Bevölkerungen in Osteuropa, in das nationale Imaginäre integrieren (lassen). Das Fernsehen spielt hier eine Schlüsselrolle, wie die Beiträge von Annabel Tremlett und Ksenija Vidmar-Horvat aufzeigen. Aus der Lektüre des hochinformativen Bandes ergibt sich ein Paradox, das ich hier als kritisches Moment zwar kurz anführen, aber gleichzeitig mit dem Hinweis versehen möchte, dass es die Diskussion über die televisuellen Kulturen der Region befruchten und weiter vorantreiben könnte. In einigen Beiträgen der Anthologie wird einerseits die Differenz zwischen aktuellem west- und osteuropäischen Fernsehen dekonstruiert, deren Konstruktion zuallererst einer westlichen Perspektive auf den Forschungsgegenstand zugeschrieben wird. Andererseits ist aber auch die Rede von der Dominanz westeuropäischer (hier auch US-amerikanischer) Fernsehformate und von der 'Entfremdung' von der "idealized, local past" (S. 7), die wenngleich als idealisiert bezeichnet, dennoch positiv konnotiert ist. Der Einfluss westeuropäischer Programme und TV-Formate auf osteuropäische TV-Produktionen wird also zum einen als transnationales Phänomen einer sich gegenseitig befruchtenden, gleichberechtigten globalen Fernsehlandschaft hervorgehoben. Zum anderen werden in der Rede von innereuropäischem Medienimperialismus (zurecht) Aspekte von Hegemonie und von Macht adressiert, die die Differenz von west- und osteuropäischem Fernsehen aktualisieren. In ihrem Artikel "Intra-European Media Imperialism: Hungarian Program Imports and the Television Without Frontiers Directive" zeigen Timothy Havens, Evelyn Bottando und Matthew S. Thatcher beispielsweise, dass Importe aus dem Westen in das ungarische Fernsehen vom wirtschaftspolitischen Versuch herrühren, Osteuropa zu rekolonialisieren. Adina Schneeweis bespricht in ihrem Beitrag "To Be Romanian in Post-Communist Romania: Entertainment Television and Patriotism in Popular Discourse" die rumänische Serie Garantat 100 %, die aus der Sicht der Autorin zwischen der Aneignung von westlichen Idealen und dem Rückzug in eine idealisierte, lokale Vergangenheit oszilliert. Möglicherweise liegt eine Annäherung an die Problematik des Widerspruchs in der konzeptuellen Fassung des Fernsehens als Schauplatz von Mikropolitiken[1], der die Zuschauerinnen und Zuschauer als am Dispositiv Fernsehen Partizipierende begreift. Der Text von Irena Carpentier Reifová, Katerina Gillarova und Radim Hladik mit dem Titel "The Way We Applauded. How Popular Culture Stimulates Collective Memory of the Socialist Past in Czechoslovakia – The Case of the Television Serial Vypravej and its Viewers" scheint mir diesbezüglich richtungsweisend. In ihrem auf empirischen Daten aus Zuschauerbefragungen beruhenden Beitrag beanstanden die Autorinnen und der Autor, dass die im Rahmen der Memory Studies erfolgte Forschung bisher noch keine schlüssige Analyse der "principles of commemoration, remembering and forgetting" anzubieten hätte, "that help post-socialist Europe make sense of the state-socialist experience" (S. 200). Die Frage, die sie anhand der Zuschauerbefragungen beantworten möchten, ist jene, wie das Fernsehprogramm in die Herstellung postsozialistischer Identität interveniert. Anstatt allerdings einseitige Diagnosen zu stellen, die in miteinander konkurrierenden Erinnerungsgenres wie Nostalgie, Trauma oder Amnesie festgeschrieben sind, leiten Carpentier Reiferová, Gillarova und Hladik aus ihrer qualitativen Analyse ab, dass sich diese Konzepte vielmehr gegenseitig bedingen und "diskursiv koexistieren" (S. 200). Abgesehen von ihrer unanfechtbaren wissenschaftspolitischen Bedeutung innerhalb einer neu perspektivierten europäischen Fernsehwissenschaft sei die Anthologie Popular Television in Eastern Europe During and Since Socialism auch als höchst spannendes und breit gefächertes Nachschlagewerk für aktuelle Fernsehproduktionen aus dem osteuropäischen Raum empfohlen. --- [1] Andrea Seier: Mikropolitiken der Medien. Mediale Praktiken der Selbstführung. (Habilitationsschrift, eingereicht an der Universität Wien im März 2013, erscheint 2014 im LIT Verlag).
In der hier vorliegenden Dissertation wurden anhand einer empirischen Fallstudie die Entscheidungs- und Aushandlungsprozesse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in IT-Projekten analysiert und auf diesem Wege die Handlungszwänge des Projektmanagements beleuchtet. Damit sollte ein Beitrag zum näheren Verständnis der Eigendynamik von IT-Projekten und zur Wirkungsweise der gängigen Ansätze von Projektmanagement und QM geleistet werden. In dieser Arbeit wurden IT-Projekte und die Empfehlungen zum Projektmanagement aus politik- und organisationstheoretischer Perspektive beleuchtet, um Effekte begrenzter Rationalität, opportunistischen Verhalten und Inkrementalismus mit berücksichtigen zu können. Theoretische Ausgangspunkte für die Untersuchung sind auf der einen Seite die mikropolitischen Ansätze und auf der anderen Seite die Agenturtheorie. Gemeinsam ist diesen Ansätzen, die Auffassung, wonach das Handeln der Akteure in ergebnisoffenen, interdependenten Handlungskonstellationen stattfindet, in denen die Auswirkungen von Entscheidungen wenig bekannt sind und die benötigten Informationen den Akteuren in unterschiedlichem Maße zur Verfügung stehen. Bezüglich der Empfehlungen des Projektmanagements wurde auf Normen und Richtlinien sowie die Einführungs- und Praxisliteratur zum Projekt- und Qualitätsmanagement und zur Verwaltungs- und Organisationsberatung Bezug genommen. Die Fallstudie bezieht sich auf ein Realisierungsprojekt zur Einführung eines Personalmanagementsystems in einem Ministerium und seinen nachgeordneten Behörden. Das Projekt fand im Rahmen eines umfassenden Modernisierungsprogramms nach dem NSM statt und legte erstmals einen Schwerpunkt auf das Personalmanagement. Das Vorhaben war ursprünglich in drei Phasen von jeweils einem Jahr Laufzeit geplant. Mit der Realisierung wurde ein Konsortium aus drei Firmen beauftragt. Die Studie bezieht sich auf die erste der drei Phasen der Systemeinführung, die Pilotierungsphase in drei Pilotbehörden. Diese Phase beanspruchte insgesamt zwei Jahre und acht Monate und hatte damit ein Jahr und acht Monate Verspätung vor allem wegen wechselnden Ziel- und Aufgabenstellungen durch das Ministerium und aufgrund interner Steuerungsdefizite und Entscheidungsblockaden auf beiden Seiten. Die Entwicklung einer Schnittstelle in die Personalabrechnung wurde erfolglos abgebrochen. Hauptergebnis der Arbeit ist, dass die Anwendung von Methoden und Instrumenten, die in den Projektmanagement-Leitfäden bereitgestellt werden, stets den jeweils individuellen Interessen der Akteure unterliegen und als Bausteine der akteursspezifischen Strategien fungieren. Dabei führen insbesondere Strategien der Unsicherheitsabsorption, die auf die gegenseitige Kontrolle von Auftraggeber und Auftragnehmer hinauslaufen, zu unproduktiven, sich selbst verstärkende Blockadezyklen ("Circuli vitiosi"), aus denen die Akteure nur durch Strategiewechsel ausbrechen können. Zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer besteht eine strukturelle Informationsasymmetrie, weil der Auftragnehmer über die fachlichen-technischen Aspekte und über den aktuellen Projektstand besser informiert ist als der Auftraggeber. Gleichzeitig besteht jedoch auch eine entgegen gesetzte Entscheidungsasymmetrie, bei der der Auftraggeber formale Entscheidungsbefugnisse an sich ziehen kann und im Konfliktfall über das größere Drohpotenzial verfügt. Diese wird durch die Rechtsform des Werkvertrags verstärkt. Die Leitfäden des Projektmanagements werden hierbei zwar angewendet, doch die Anwendung beschränkt sich auf fachlich-operative Aspekte der Projektdurchführung, in denen die Empfehlungen einen hinreichenden Konkretisierungsgrad erreicht haben. Nur unzureichend umgesetzt werden jedoch die Empfehlungen zu politisch-strategischen Problemen, deren Anwendung entweder einen komplexen strategischen Entscheidungsprozess erfordert oder zwischen den Vertragsparteien strittig ist. Als äußerst kritisch lässt sich vor allem der Umgang mit dem Leistungsumfang im Projektverlauf bezeichnen, die von Seiten des Auftraggebers häufig im Projektverlauf verändert wird. Hier kollidiert das Gebot der Unabänderlichkeit der Leistungsbeschreibung mit den vitalen Interessen des Auftraggebers, und es zeigt sich anhand der Fallstudie, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit beider Vertragsparteien nötig ist, um zu eine befriedigenden Lösung zu gelangen. Gelingt dies nicht, so kann das Projekt nur mit Hilfe so genannter starker Ideologien wie dem NSM in einer Art Krisenmanagement fortgeführt werden, bedarf aber dann der strategischen Neuorientierung z.B. in Form von Personalwechsel oder Reorganisationen. Im Fallstudienprojekt hat sich herausgestellt, dass, eine Analyse der spezifischen Akteursstrategien (Policy-Analyse) den Akteuren helfen kann, die Ausgangskonstellationen besser zu verstehen und die eigene Strategie auf ihre Konsens- oder Durchsetzungsfähigkeit hin zu justieren. Hier halten die Leitfäden zum Projektmanagement jedoch keine befriedigenden Handlungsanweisungen bereit. ; In the here available thesis on the basis of an empirical case study the decision making processes between clients and contractor in IT-projects were analyzed and in this way the compulsions to act of the project management were lit up. Thus a contribution should be made to the closer understanding of the self-dynamics of IT-projects and to the impact of the usual beginnings of project management and quality management. In this work IT-projects and the recommendations regarding the project management were lit up out of politics-scientifically and organization-theoretical perspective, in order to be able to consider effects of limited rationality, opportunistic behaviour and incrementalism. Theoretical starting points for the investigation are on the one side the micro-political approaches and on the other side the agency theory. These approaches have the conception in common according to which acting of the participants takes place in result-open, interdependent action constellations, in which the effects of decisions are few known and the needed information is available to the participants in different degree. Concerning the recommendations of the project management on standards and guidelines as well as the introduction and practice literature to the project and quality management and for the administrative and system information purchase was taken. The case study refers to a realization project for the introduction of a personnel management system in a Ministry and its subordinate authorities. The project took place in the context of a comprehensive modernization program according to the New Public Management and put for the first time an emphasis on the personnel management. The project was originally planned by in three phases in each case one year running time. The realization a consortium of three companies was assigned. The study refers to first of the three phases of the system introduction, the pilot phase with three pilot authorities. This phase lasted altogether two years and eight months and had thereby one year and eight months delay particularly because of changing a setting of tasks and goal by the Ministry and due to internal control deficits and decision blockades on both sides. The development of an interface into the personnel account was unsuccessfully cancelled. Main result of the work is that the use of methods and instruments, which are made available in the project management manuals, are always subject to the individual interests of the participants and the participant-specific strategies. Thereby particular strategies of the uncertainty absorption, which come down to mutual control of client and contractor, lead to unproductive, intensifying blockade cycles ("Circuli vitiosi "), of which the participants can break out only by changes of strategy. Between clients and contractors a structural information asymmetry exists, because the contractor is better informed about the technical-technical aspects and about the current project conditions than the client. At the same time however also a contrarious decision asymmetry exists, with that the client can accroach formal powers of decision making and has the larger threat potential available in the conflict situation. This is strengthened by the legal form of the fixed price contract. The manuals of the project management are here used, but application is limited to technical-operational aspects of the implementation of the project, in which the recommendations achieved a sufficient concretisation degree. However the recommendations are only insufficiently applied regarding politico strategic problems, whose application either require a complex strategic decision-making process or is contentious between the Contracting Parties. Extremely critical is above all designated the handling of the scope definition within the project course, which is changed by the client frequently in the course of the project. Here the requirement of the unalterability of the performance specification collides with the vital interests of the client, and it shows up on the basis the case study that the trusting co-operation of both Contracting Parties is necessary, in order to arrive at a satisfying solution. If this does not succeed, then the project can be continued only with the help of strong ideologies such as the New Public Management in a kind of crisis management, it requires however then the strategic re-orientation e.g. in the form of personnel change or reorganizations. In the case study project it turned out that, an analysis of the specific participant strategies (Policy analysis) can help the participants to understand the output constellations better and to adjust the own strategy on its penetration ability or consent. Here the manuals hold no satisfying procedural instructions ready to the project management however.
Aus der Einleitung: Die Erwerbsbeteiligung Älterer wird vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in den Industrienationen ein immer mehr zu diskutierendes Thema unserer Zeit. Die deutsche Gesellschaft ist hinsichtlich ihrer Bevölkerungszahl und Altersstruktur in einem tief greifenden Wandel begriffen: einerseits in einer Schrumpfung und andererseits in einer Alterung, was vornehmlich auf die Kombination aus einer niedrigen Fertilität mit einer immer weiter steigenden Lebenserwartung zurückzuführen ist. Daraus resultiert, dass ältere Menschen in allen gesellschaftlichen Teilbereichen immer mehr in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken – so auch auf dem Arbeitsmarkt. Wie die Gesellschaft im Ganzen ist auch die Gruppe der Erwerbspersonen von den aufgezeigten Trends betroffen: Das wichtigste aus der Bevölkerungs- und Arbeitsplatzentwicklung resultierende Arbeitsmarktproblem besteht in den nächsten 10 Jahren darin, daß es in den kommenden Jahrzehnten eine absolut wachsende Anzahl älterer Arbeitnehmer geben wird und es zentral darauf ankommt, daß die Älteren zu altersgerechten Bedingungen produktiv im Arbeitsprozess integriert bleiben. Personen von 55 und mehr Jahren stellen daher einen immer größeren Anteil des Erwerbspersonenpotenzials dar. Betrachtet man jedoch die Arbeitsmarktsituation dieser in Deutschland, ist erkennbar, dass sich jene Erkenntnis nicht in einer entsprechenden Höhe der Erwerbsbeteiligung widerspiegelt. Mit 55,3 Prozent liegt Deutschland im europäischen Ländervergleich zwar noch im oberen Mittelfeld, bleibt jedoch weit hinter Ländern wie Schweden mit entsprechenden 77 Prozent zurück. Der Abstand vergrößert sich ferner markant, wird nur die reine Erwerbstätigkeit dieser Personengruppe analysiert. Hier verbleibt Deutschland noch unter dem 2001 in Stockholm formulierten EU-Ziel von 50 Prozent, während das skandinavische Land dieses weit übertrifft. Fraglich ist nun, worauf es zurückzuführen ist, dass sich die Erwerbsbeteiligung der besagten Personengruppe in den beiden Ländern derart gravierend unterscheidet. Liegt dies an einer besseren wirtschaftlichen Verfassung des skandinavischen Landes oder an einer altersintegrierenderen Personalpolitik der dortigen Betriebe? Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, Ursachen für diese Variation aufzuzeigen. Bereits im Vorfeld ist augenscheinlich, dass hier eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle spielen wird – zum einen auf der Ebene der Gesellschaft, wobei hier vor allem an wohlfahrtsstaatliche Arrangements wie das Rentensystem zu denken ist, weiterhin auf der Ebene des Betriebs und zwar z.B. hinsichtlich der Förderung Älterer im Rahmen betrieblicher Weiterbildung sowie schließlich auf der Ebene des Individuums selbst, sei es in Bezug auf dessen Gesundheitszustand oder Qualifikationsniveau. Auch ist anzunehmen, dass eine Unterscheidung zwischen der Situation der Erwerbstätigen und der Erwerbslosen erfolgen muss, da sich die jeweiligen Personengruppen unterschiedlichen Situationsbedingungen ausgesetzt sehen. Um dem Ländervergleich eine Struktur zu geben, wird zunächst deduktiv ein Modell aufgestellt, mit dessen Hilfe es möglich sein soll, die Höhe der Erwerbsbeteiligung in einem beliebigen Wohlfahrtsstaat zu erklären. Als Basisannahme soll gelten, dass diese zurückgeführt werden kann auf Entscheidungen von Individuen, auf dem Arbeitsmarkt zu verbleiben oder diesen zu verlassen. Die zentrale Herausforderung liegt dabei in der sauberen und klaren Identifikation und Abgrenzung relevanter Faktoren, die diese Entscheidung hauptsächlich beeinflussen, wobei aufgrund der Komplexität des vorliegenden Phänomens eine Abstrahierung von der Realität unabdingbar sein wird. Die Erklärung der abweichenden Niveaus der Erwerbsbeteiligung in verschiedenen Ländern wird dem Modell nach über die jeweilige Ausgestaltung der Einflussfaktoren der Entscheidung erfolgen. Je günstiger diese für den Verbleib Älterer auf dem Arbeitsmarkt sind, desto höher wird die Erwerbsbeteiligung in dem betreffenden Land sein. Auf der Grundlage des entwickelten Erklärungsmodells erfolgt anschließend als zweiter Schritt der Ländervergleich Deutschlands und Schwedens. Gemäß dem Modell müsste Schweden insgesamt eine günstigere Ausprägung der abgegrenzten Einflussfaktoren aufweisen als Deutschland. Das skandinavische Land bietet sich in zweifacher Hinsicht als Vergleichsland an: Zum einen weist es, wie bereits erwähnt, ein deutlich höheres Niveau der Erwerbsbeteiligung Älterer auf. Zum zweiten verspricht der Umstand, dass die beiden Länder einer Einteilung von Esping-Andersen zufolge unterschiedlichen Wohlfahrtsregimen zuzuordnen sind, unter der Annahme der Relevanz unterschiedlicher wohlfahrtsstaatlicher Arrangements gewinnbringende Erkenntnisse. Bestätigen die Ergebnisse dieser komparativen Analyse das aufgestellte Erklärungsmodell, kann dies als erster Hinweis für dessen Gültigkeit anerkannt werden. Klarzustellen ist, dass es nicht das Ziel der Arbeit sein soll, eine Lösung des Problems zu erörtern, wie Deutschland die Erwerbsbeteiligung älterer Erwerbspersonen erhöhen kann. Vielmehr sollen Ursachen, welche aber sicherlich gleichzeitig Lösungsansätze implizieren, aufgezeigt werden, wie eine derartige Variation zu Schweden erklärt werden kann. Gang der Untersuchung: Unter Berücksichtigung dieser Vorüberlegungen ist die vorliegende Arbeit folgendermaßen aufgebaut: Das zweite Kapitel ist dem Auslöser der Themenstellung gewidmet - dem demografischen Wandel. Der Fokus liegt dabei auf der Schilderung dessen einzelner Stellschrauben - der Entwicklung der Geburtenhäufigkeit, der Lebenserwartung und der Wanderungen - sowie wiederum deren Auswirkungen auf Bevölkerungszahl, Altersstruktur und Arbeitsmarkt in den zu untersuchenden Ländern. Wie bereits angedeutet, sind in Deutschland, aber auch in Schweden tief greifende Veränderungen im Sinne einer Schrumpfung sowie Alterung der Gesellschaft wie auch der Erwerbspersonen zu erkennen. Das dritte Kapitel dient als Vorbereitung zur Entwicklung des Erklärungsmodells der Erwerbsbeteiligung Älterer. Zunächst werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie kollektive Phänomene - z.B. die Erwerbsbeteiligung - in der Soziologie grundsätzlich erklärt werden können. Essers Grundmodell der soziologischen Erklärung, auf welchem das Modell zur Erklärung der Erwerbsbeteiligung Älterer fußen wird, geht als Rational-Choice-Modell von der Vorstellung aus, diese Phänomene seien die Folge von individuellen Handlungen, welche von Akteuren ausgeführt werden. Welche Handlung dabei gewählt wird, ist abhängig davon, welche Alternative der betroffenen Person in der jeweiligen Entscheidungssituation, in der sie sich befindet, den größten Nutzen verspricht. Der Einsatz der Rational-Choice-Theorie ist in der Wissenschaft nicht unumstritten, weshalb auch auf deren Schwächen und Grenzen verwiesen werden soll. Diesen eingedenk wird ein Abschnitt daher dem Einfluss sozialer Kräfte auf das individuelle Handeln gewidmet, wodurch das Modell weiter spezifiziert wird. Im vierten Kapitel wird schließlich das Modell zur Erklärung der Erwerbsbeteiligung Älterer aufgestellt. Dazu ist es zunächst sinnvoll, zu definieren, wer mit dem Begriff der älteren Erwerbsperson überhaupt umfasst wird. Im Folgenden wird das Grundmodell von Esser auf die Problemstellung übertragen. Die Höhe der Erwerbsbeteiligung Älterer in einer Gesellschaft ist daher zurückzuführen auf die Entscheidungen von Akteuren, ob sie auf dem Arbeitsmarkt verbleiben oder nicht, was wiederum abhängig von der Bewertung der Situation ist, in welcher sie sich befinden. Die größte Herausforderung liegt dabei, wie bereits erwähnt, in der Beschreibung dieser bzw. in der Bestimmung der relevanten Situationsvariablen - einerseits für die Erwerbstätigen, andererseits für die Erwerbslosen. Daneben ist es weiterhin vonnöten, eine Verbindung zwischen der Situation und dem einzelnen Akteur herzustellen, festzulegen, anhand welcher Entscheidungsregel dieser sich in der Situation für eine Handlungsalternative entscheiden wird, und schließlich zu bestimmen, wie diese einzelnen Entscheidungen letztendlich die Erwerbsbeteiligung Älterer innerhalb einer Gesellschaft bilden. Das fünfte Kapitel stellt das umfangsreichste der vorliegenden Arbeit dar. Hier findet das aufgestellte Modell zur Erklärung der Erwerbstätigkeit Älterer seine praktische Umsetzung in dem Vergleich der Länder Deutschland und Schweden. Bevor dies jedoch erfolgen kann, wird zum einen eine kurze Zusammenfassung der Charakteristika der komparativen historischen Analyse, deren Methoden sowie Einsatzgebiete und Schwächen gegeben sowie zum anderen ein Überblick über die Arbeitsmarktsituation der älteren Erwerbstätigen in den zu untersuchenden Ländern, welcher die Ausgangsbasis des folgenden Vergleichs darstellen soll. Für eben diesen bieten sich als probate Vergleichsmomente die im Modell abgegrenzten Situationsvariablen an, welche sich den drei Ebenen der Gesellschaft, des Betriebs sowie des individuellen Akteurs zuordnen lassen. Der Vergleich stützt sich dabei zuvörderst auf empirische Ergebnisse sowie Fachliteratur. Das Fazit schafft schließlich die Gelegenheit, die wichtigsten Ergebnisse nochmals pointiert zusammenzufassen und Resümee hinsichtlich der Gültigkeit des Erklärungsmodells zu ziehen.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: AbbildungsverzeichnisIII TabellenverzeichnisIII 1.Einleitung1 1.1Erkenntnisziel1 2.2Aufbau der Arbeit3 2.Der demografische Wandel und seine Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt5 2.1Bisherige Entwicklungen und Zukunftsprognosen5 2.1.1Die Entwicklung der Geburtenhäufigkeit5 2.1.2Die Entwicklung der Lebenserwartung7 2.1.3Die Entwicklung von Wanderungen8 2.2Auswirkungen auf Bevölkerungszahl und Altersstruktur der Gesellschaft10 2.2.1Auswirkungen auf die Bevölkerungszahl10 2.2.2Auswirkungen auf die Altersstruktur11 2.3Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt13 3.Die Erklärung kollektiver Phänomene unter Bezugnahme der Theorie der rationalen Wahl15 3.1Die Erklärung kollektiver Phänomene in der Soziologie15 3.2Bausteine und Prinzip einer Theorie der rationalen Wahl16 3.3Kritische Würdigung der Rational-Choice-Theorie18 3.4Der Einfluss sozialer Kräfte auf das individuelle Handeln20 3.5Das Grundmodell der soziologischen Erklärung21 4.Die Erklärung der Erwerbsbeteiligung Älterer25 4.1Definition "ältere Erwerbspersonen"25 4.2Das Rational-Choice-Modell der Erwerbsbeteiligung Älterer26 4.2.1Die Logik der Situation26 4.2.1.1Die soziale Situation der Erwerbstätigen28 4.2.1.2Die soziale Situation der Erwerbslosen37 4.2.1.3Die Verbindung zwischen sozialer Situation und Akteur39 4.2.2Die Logik der Selektion40 4.2.3Die Logik der Aggregation41 5.Die Erwerbsbeteiligung Älterer in Deutschland und Schweden - eine komparative Analyse43 5.1Die komparative historische Analyse43 5.1.1Charakteristika43 5.1.2Einsatz und Schwächen45 5.1.3Methoden46 5.2Die Arbeitsmarktsituation älterer Erwerbspersonen in Deutschland und Schweden48 5.2.1Überblick über die Arbeitsmarktsituation Älterer in Deutschland und Schweden48 5.2.2Deutschland und Schweden in europäischer Perspektive51 5.3Die komparative Analyse der sozialen Situation in Deutschland und Schweden52 5.3.1Makroebene53 5.3.1.1Die Konjunktur53 5.3.1.2Das generalisierte Altersbild56 5.3.1.3Die Ausgestaltung des Wohlfahrtsstaates60 5.3.1.3.1Das System der Arbeitsbeziehungen61 5.3.1.3.2Die Arbeitsmarktpolitik63 5.3.1.3.3Die Ausgestaltung des Rentensystems69 5.3.1.3.4Weitere Grundpfeiler der Sozialpolitik73 5.3.1.4Auswirkungen der Makroebene auf die Erwerbsbeteiligung Älterer77 5.3.2Mesoebene78 5.3.2.1Die betriebliche Personalpolitik in Bezug auf Ältere78 5.3.2.2Die Bekämpfung des Qualifikationsrisikos Älterer im Betrieb83 5.3.2.3Die Bekämpfung des Krankheitsrisikos Älterer im Betrieb86 5.3.2.4Auswirkungen der Mesoebene auf die Erwerbsbeteiligung Älterer90 5.3.3Die Mikroebene90 5.3.3.1Das individuelle Qualifikationsniveau91 5.3.3.2Der individuelle Gesundheitszustand95 5.3.3.3Wunsch nach alternativer Gestaltung der Lebenszeit98 5.3.3.4Wiedereintrittswunsch und empfundene -wahrscheinlichkeit101 5.3.3.5Auswirkungen der Mikroebene auf die Erwerbstätigkeit Älterer102 6.Schlussfolgerungen103 LiteraturverzeichnisIVTextprobe:Textprobe: Kapitel 3.1, Die Erklärung kollektiver Phänomene in der Soziologie: Kollektive Phänomene wie beispielsweise die Erwerbsbeteiligung in einer Gesellschaft sind Phänomene, die auf der Makroebene, d.h. der Ebene der Gesellschaft, in Erscheinung treten. Im Allgemeinen existieren zwei Möglichkeiten, sie zu erklären. Eine erste besteht darin, von bestimmten Bedingungen auf der Makroebene direkt auf das Explanandum, d.h. das zu Erklärende, zu schließen. Dieses Vorgehen wird als "Variablensoziologie" oder "causal modeling" bezeichnet. Hier werden zwei oder mehrere Variablen mit Hilfe statistischer Methoden miteinander korreliert. Ist die Korrelation dabei ungleich null, spricht man von einem Effekt der unabhängigen auf die abhängige Variable. Die Schwachpunkte dieser Strategie fasst Esser mit den Worten "not explanatory, (…) incomplete, and (…) meaningless" zusammen und verweist damit vor allem auf ein zentrales Problem: das Fehlen einer tatsächlich erklärenden Verbindung zwischen unabhängiger und abhängiger Variable. Durch die vorrangige Verwendung von Standardvariablen der Demografie wie Alter oder Einkommen, werden Hintergrundvariablen mit tatsächlichem Erklärungsgehalt ausgeblendet. Die Frage, warum es zu bestimmten Handlungen kommt, bleibt dabei ungeklärt, weswegen hier häufig von "black-box explanations" gesprochen wird. Mit dieser Begrifflichkeit wird ferner die Unvollständigkeit und Bedeutungslosigkeit der Erklärungen aufgezeigt. Hedström und Swedberg verweisen demgegenüber auf eine zweite Möglichkeit, kollektive Phänomene zu erklären, nämlich mit Hilfe sozialer Mechanismen. The search for mechanisms means that we are not satisfied with merely establishing systematic covariation between variables or events; a satisfactory explanation requires that we are also able to specify the social 'cogs and wheels'(...) that have brought the relationship into existence. Dieser Ansatz zeichnet sich den Autoren zufolge durch vier Charakteristika aus: Aktion, Präzision, Abstraktion und Reduktion. Ersteres Spezifikum basiert auf dem Konzept des methodologischen Individualismus, nach welchem Phänomene auf der Makroebene nur mit Rückbezug auf die Mikroebene, d.h. auf das Handeln von Akteuren, erklärt werden können. Danach ist das Explanandum als aggregierte Wirkung des Handelns von Akteuren zu rekonstruieren. Die mit Hilfe sozialer Mechanismen aufgestellten Erklärungen sollen zudem präzise sein, d.h. sich nicht auf vage Themenbereiche beziehen oder versuchen, universelle soziale Gesetze zu entwickeln. Die dritte Eigenschaft verweist auf den Primat des Analytischen, nämlich dass Erklärungen kollektiver Phänomene mit Hilfe von kausalen Modellen erfolgen, welche aber immer eine Abstraktion von der Realität darstellen, indem nur die für die Problembearbeitung relevanten Aspekte der Situation aufgenommen, andere jedoch ignoriert werden. Der Begriff der Reduktion bezieht sich ferner auf das Ziel, die Lücke zwischen Explanans und Explanandum in einem Erklärungsmodell zu schließen, also dem Füllen der black-box zwischen unabhängiger und abhängiger Variabler. Die Theorie der rationalen Wahl, welche dem zu entwickelnden Erklärungsmodell zugrunde gelegt werden soll, hat sich das Aufdecken dieser sozialen Mechanismen auf ihre Fahnen geschrieben. Ihr Ziel ist die Suche nach Tiefenerklärungen zur Überwindung der Unvollständigkeit kollektiver Erklärungen durch die Verbindung sozialer Bedingungen mit den allgemeinen Regeln des absichtsvollen Handelns von Menschen. Kapitel 3.2, Bausteine und Prinzip einer Theorie der rationalen Wahl: Diekmann und Voss definieren Rationalität als das Handeln in Übereinstimmung mit den Annahmen (Axiomen) einer Entscheidungstheorie. Zusammen mit dem Ziel, kollektive Effekte aus Annahmen über individuelles Handeln zu erklären, welches wiederum in einen sozialen Kontext eingebettet ist, ergeben sich drei zentrale Bausteine einer Rational-Choice-Theorie: 1. Den Ausgangspunkt bilden Akteure. 2. Diese verfügen über Ressourcen (bzw. handeln unter Restriktionen), haben Präferenzen und können dem gemäß zwischen mindestens zwei Alternativen wählen. 3. Die Theorie enthält eine Entscheidungsregel, die angibt, welche Handlung ein Akteur ausführen wird. Das Prinzip der Rational-Choice-Theorie beinhaltet, dass Akteure in Entscheidungssituationen unter Restriktionen versuchen, ihre Präferenzen möglichst gut zu realisieren. Die Formulierung kann deshalb nur so abstrakt verbleiben, da viele verschiedene Modellvarianten existieren. Die Unterschiede beziehen sich vordergründig zum einen auf das zugrunde liegende Menschenbild sowie zum anderen auf die verfeinerten Annahmen der Entscheidungsregel. Im Folgenden wird nun zum einen die so genannte SEU-Theorie als Entscheidungsregel sowie zum anderen das Menschenbild des RREEMM vorgestellt, da diese Konzepte im späteren Modell ihre Verwendung finden sollen. Für die Gestaltung einer Entscheidungsregel bestehen verschiedenste Möglichkeiten. Die meisten Ansätze gehen jedoch von einem Maximierungsprinzip aus, wobei variiert, was maximiert werden soll. Die Neumann-Morgenstern-Theorie fußt beispielsweise auf der Annahme der Maximierung des "Erwartungsnutzens", die Theorie von Kahneman und Tversky auf der Maximierung von "prospects". Bei der Subjective Expected Utilities- (SEU-)Theorie wird von der Annahme einer objektiven Rationalität zugunsten der Rationalität aus der Sicht des Akteurs Abstand genommen. Der letztendlichen Entscheidung für eine Handlungsalternative stehen zunächst die Kognition der Situation sowie die Evaluation der Konsequenzen bevor. Erstere verweist vor allem auf die Umstände der Situation, die auf den Akteur einwirken. Die daran anschließende Evaluation der Handlungsalternativen meint die Bewertung dieser vor dem Hintergrund eigener Präferenzen und Erwartungen darüber, dass eine bestimmte Handlung zu einer bestimmten Folge führt. Diese Erwartungen beruhen auf subjektiven Einschätzungen, was auf das Konzept einer "bounded rationality", d.h. einer begrenzten Rationalität aufgrund imperfekter Informationsverfügbarkeit und -verarbeitungsmöglichkeit verweist. Die Präferenzen gelten nicht als stabil, sondern können sich im Zeitablauf verändern. Für jede zur Verfügung stehenden Alternative kalkuliert der Akteur daher einen spezifischen Wert SEUi, der der Summe der Nutzenwerte der einzelnen möglichen Konsequenzen Uj, gewichtet mit den Wahrscheinlichkeiten ihres Eintretens pj, entspricht. Sind alle Alternativen mit einem individuellen SEU-Wert bewertet, kann die Selektion erfolgen, die sich nach dem Kriterium der Maximierung der subjektiven Nutzenerwartung richtet. Mit dem Verweis auf die bounded rationality eignet sich die SEU-Theorie vor allem bei Entscheidungen unter Unsicherheit, weniger aber zur Modellierung von Situationen strategischer Interdependenz, in denen Handlungsergebnisse auch vom Handeln anderer Akteure abhängen. Siegwart Lindenberg hat in Erweiterung des Menschenbilds von Meckling das des RREEMM entwickelt, was in seinem Akronym die Worte Resourceful, Restricted, Expecting, Evaluating, Maximizing Man verbirgt. Diesem Konzept zufolge verfügen handelnde Akteure über Ressourcen, die sie zur Suche von Handlungsalternativen einsetzen, gleichzeitig werden sie jedoch mit Restriktionen konfrontiert, die sie zur Wahl zwischen Entscheidungsalternativen zwingen. Die Akteure belegen zukünftige Ereignisse mit subjektiven Erwartungen, d.h. sie bilden Überzeugungsgrade in Bezug auf deren Ausgänge aus. Die Personen verfügen über Präferenzen und beurteilen zukünftige Ereignisse nach deren Nutzen, wobei sie sich letztlich für die Handlungsalternative entscheiden, mit welcher sie ihren Nutzen maximieren können. Esser zufolge vermeidet dieses Menschenbild die Unvollständigkeiten der bekannteren Modelle des homo oeconomicus wie des homo sociologicus. Während ersteres aufgrund der Annahme vollständiger Information und damit sicherer Erwartungen sowie stabiler und von institutionellen Besonderheiten unabhängiger Präferenzen regelmäßig in Kritik gerät, ergibt sich bei letzterem der Schwachpunkt aus der zentralen Annahme der sozialen Determiniertheit des Verhaltens. Dem Grundkonzept des homo sociologicus fehlt, genau wie seinen Unterarten, eine explizite und präzise Selektionsregel für das Handeln. Kapitel 3.3, Kritische Würdigung der Rational-Choice-Theorie: Die Theorie der rationalen Wahl zeichnet sich durch spezifische Vorteile aus: it is analytical; it is founded upon the principle of methodological individualism; and it provides causal cum intentional explanations of observed phenomena. Die Tatsache, dass Modelle der rationalen Wahl explizit analytisch sind, vermeidet die Vermischung zwischen dem Abstrakten und dem Konkreten. Aktionen und Intentionen sind der Schlüssel der Erklärung und die spezifischen Situationsbedingungen werden nicht ignoriert, sondern stellen im Gegenteil einen zentralen Teil der Erklärung dar. Das Prinzip des methodologischen Individualismus verweist wiederum auf die Möglichkeit soziologischer Tiefenerklärungen mit Rückbezug auf die Ebene des handelnden Akteurs, auf deren Wichtigkeit bereits hingewiesen wurde. Eine intentionale Erklärung gibt eine Antwort auf die Frage, warum Akteure so handeln, wie sie handeln. Rational-Choice-Modelle repräsentieren einen speziellen Typ intentionaler Erklärung, der mehr analytisch als konkret ist und der Allgemeingültigkeit durch die Verbindung zu den Zwecken der Akteure erhält. Modelle der rationalen Wahl zeichnen sich ferner durch ihre Einfachheit aus, da sie im Prinzip nur aus zwei Variablen bestehen: Erwartung und Bewertung. Dadurch wird es auch möglich, komplexe Phänomene zu modellieren, was die Handhabung sehr flexibel macht. Doch haben Rational-Choice-Modelle auch ihre Grenzen. Eben die genannte Einfachheit lässt die aufgestellten Thesen gelegentlich im Licht der Trivialität erscheinen. Ein zentraler Schwachpunkt ist ferner die Testbarkeit eines solchen Modells. Eine direkte Strategie, mit welcher versucht wird, den Kern des Modells, nämlich die Handlungstheorie, einem empirischen Test, zu unterziehen, scheitert an den Möglichkeiten, den Nutzen zu operationalisieren. Der Nutzen einer Handlung ist ein latentes Konstrukt, welches durch Fragen kaum erfasst werden kann. Brüderl verweist auf eine zweite Strategie, nämlich das Testen der aufgestellten Brückenannahmen. Der Haupteinwand dagegen liegt jedoch auf der Hand: Können diese Ableitungen nicht bestätigt werden, ist nicht klar, ob dies die Fehlerhaftigkeit des gesamten Erklärungsmodells bedeutet oder lediglich die der Brückenannahme. Neben der Schwierigkeit, Modelle der rationalen Wahl zu testen, wird ihnen auch eine Vernachlässigung sozialer Strukturen sowie der Eigendynamik sozialer Prozesse vorgeworfen. Ein vierter, mehrfach angeführter Kritikpunkt ist der der Unhaltbarkeit der Annahme der omnipräsenten Rationalität im menschlichen Verhalten. Oftmals kann das Handeln von Menschen nicht nur als eingeschränkt rational, sondern gar als irrational betrachtet werden. Dies ist auch der Grund, weshalb zweckrationales Verhalten bei Max Weber neben dem wertrationalen, dem affektuellen und dem traditionalen Handeln lediglich einen von vier Typen des Handelns darstellt. Hier stößt die Rational-Choice-Theorie deutlich an ihre Grenzen. Der Ansicht des Verfassers nach überwiegen jedoch die Vorzüge der Theorie der rationalen Wahl die beschriebenen Nachteile, weshalb das aufzustellende Modell auf deren Basis gestellt wird. Dabei wird versucht, die Angriffsfläche zu reduzieren, indem zum einen vom Anspruch der objektiven Rationalität durch die SEU-Theorie Abstand genommen wird. Zum anderen nimmt das folgende Kapitel weitere Spezifizierungen hinsichtlich der Entscheidungsfreiheit des Akteurs vor, damit der Rolle sozialer Strukturen ebenfalls Rechnung getragen wird.
"So isser, der Ossi" titelte Der Spiegel am 25.8.2019. Nur vier Tage später erschien in der New York Times ein Artikel von Anna Sauerbrey mit dem Titel "30 Years After Reunification, Germany Is Still Two Countries". Hierdurch wird beispielhaft dargestellt, dass im dreißigsten Jahr nach dem Mauerfall deutsche BürgerInnen weiterhin in Ossis und Wessis unterteilt werden und die anscheinend mangelhafte deutsche Einheit internationale Beachtung erfährt. Doch ist Deutschland wirklich noch so gespalten? Zahlreiche Studien zeigen, dass sich der Graben zwischen Ost und West verringert. Beispielsweise nähern sich die Arbeitslosenquoten einander immer weiter an und es herrscht eine positive Grundstimmung im Land. Nach wie vor scheinen sich die beiden Teile jedoch voneinander zu unterscheiden; weiterhin ist die Rede von einer "Mauer in den Köpfen". Bei Wahlumfragen wird herausgestellt, dass Ost- und Westdeutsche ein unterschiedliches Wahlverhalten zeigen und auch die Differenz der Löhne zwischen den neuen und alten Bundesländern ist weiterhin Grundlage der Debatte, wenn es um die Frage der deutschen Einigkeit geht. Die Frage, ob Divergenzen auch medial existieren, ist Grundlage des vorliegenden Forschungsprojekts. Hierbei wird versucht eine Forschungslücke in der Kommunikationswissenschaft zu schließen. Zwar wurden bereits zahlreiche Untersuchungen zur deutschen Medienlandschaft durgeführt, diese fokussieren sich jedoch meist auf die 1990er Jahre oder liegen bereits zehn Jahre oder länger zurück. Ziel ist es die deutsche Presselandschaft auf Konvergenzen und Divergenzen hin zu untersuchen, wobei einerseits betrachtet wird welche Themen behandelt und andererseits, wie diese dargestellt werden. Mit der Annahme der Existenz medialer Teilöffentlichkeiten und strukturgleich abgebildeter heterogener Kommunikationsräume in Deutschland, wurde der Medienraum auf Grundlage des arenatheoretischen Modells der Öffentlichkeit von Tobler (2010) in drei Teilöffentlichkeiten geteilt um festzustellen, wie sehr sich diese thematisch ähneln. So wurde unterschieden zwischen der medialen Teilöffentlichkeit West, bestehend aus Westdeutsche Allgemeine Zeitung, der Rheinischen Post und der Neuen Westfälischen, der medialen Teilöffentlichkeit Ost, bestehend aus der Thüringer Allgemeinen, der Sächsischen Zeitung und der Mitteldeutschen Zeitung und der medialen Teilöffentlichkeit national, aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung. Diese acht Tageszeitungen wurden mittels eines Zwei-Methoden-Designs empirisch untersucht. Zuerst wurde eine quantitative Themenfrequenzanalyse durchgeführt, im Anschluss eine qualitative Analyse von Frames. Durch das Prinzip der künstlichen Woche ist eine Cluster-Stichprobe gezogen worden. Es ergab sich ein Sample von N = 3.934 Artikeln. Die Ergebnisse wurden hypothesengeleitet ausgewertet, nach welchen davon ausgegangen wurde, dass Divergenzen zwischen den medialen Teilöffentlichkeiten messbar sind. Zwischen den drei Medienagenden konnte jedoch eine Themenkonvergenz von 71,9% festgestellt werden. Die Rangkorrelationskoeffizienten der behandelten Themen in den drei Teilöffentlichkeiten bestätigen eine Angleichung: Ost und West rs=.744 (p < .001), National und Ost rs=.603 (p < .001), National und West rs=.658 (p < .001). Es liegt demnach eine sehr ähnliche Themensetzung und Presseberichterstattung zwischen den medialen Teilöffentlichkeiten vor. Auch wurde darauf eingegangen, ob sich die Medienagenda- West der nationalen Medienagenda eher angleicht als Letztere der Medienagenda- Ost. Diese Hypothesen lassen sich nicht bestätigen, da sich die Ränge der Teilöffentlichkeiten West und National zwar eher gleichen, Ost und National sich jedoch in Hinblick auf die Häufigkeiten der behandelten Themen ähnlicher sind. In einer zweiten vertiefenden Inhaltsanalyse wurden exemplarisch ein wirtschaftliches und ein politisches Thema (der Diesel-Skandal und Rechtsextremismus, anhand des NSU-Prozesses und der Ereignisse in Chemnitz) herangezogen und auf Medienframes hin untersucht. Die Ergebnisse der Frame-Analyse weisen darauf hin, dass Aussagen zu Divergenzen und Konvergenzen in der Darstellung nur themenabhängig möglich sind und sich nicht verallgemeinern lassen. So wird deutlich, dass in Bezug auf den Dieselskandal starke Divergenzen zwischen den erhobenen Deutungsmustern zu erkennen sind. Zwischen den Teilöffentlichkeiten liegen hierbei überwiegend unterschiedliche Medienframes vor. Entgegen der Annahmen verhalten sich die Medienframes zwischen nationaler und Ost-Ebene eher konvergent, während die zwischen nationaler und West-Ebene eher divergieren. Im Gegensatz dazu kann, bei den Fallbeispielen zum Rechtsextremismus, von größtenteils konvergent existierenden Medienframes zwischen den Ebenen gesprochen werden. Insgesamt kann eine positive Bilanz zur deutschen Presseberichterstattung gezogen werden. Es können zwar einige Divergenzen zwischen den konvergent verlaufenden Medienagenden festgemacht werden, jedoch sind diese weitestgehend regional und strukturell zu begründen. Durch eine hohe inhaltliche Konvergenz zwischen den Teilöffentlichkeiten liegt eine einheitliche Presseberichterstattung in Deutschland vor und es kann nicht von ost- beziehungsweise westspezifischen Medien gesprochen werden. ; "So isser, der Ossi" was the title of the German magazine Der Spiegel on the 25th of August, meaning "So he is, the East German". Only four days later, the New York Times published an article by Anna Sauerbrey titled "30 Years After Reunification, Germany Is Still Two Countries". This example shows that in the thirtieth year after the fall of the Berlin Wall, German citizens are still divided based on whether they come from Eastern or Western Germany, and the seemingly inadequate German unity is receiving international attention. But is Germany still that divided? Various studies show, that both parts of Germany are converging constantly. For instance, the unemployment rates in both are nearly identical, and there is an optimistic mood present within the country. Nevertheless, there seem to be differences; there still is talk of an existing wall within the heads. Citizens of Eastern and Western Germany often show different electoral behaviour in the voting booths and polls. Similarly, the wage gap between the new and old states is often referred to when talking about the question of the German unification. In addition, this research project questions whether such divergences also exist in the media. In this way, the study aims to fill a gap within the literature in this field which has previously been underresearched. Although the German media has been looked at several times in previous investigations, these works are almost all more than a decade old. The ambition of the project is to find out how the German press system is shaped by convergences and divergences nowadays. On the one hand, it tries expose which issues are discussed and on the other how they are referred to. Predicated on the assumption that there are differing communication spaces in Germany that are incongruently made up of public arenas portrayed by the mass media, the study differed between three public spheres using the Arenatheoretical Model of Public Sphere by Tobler (2010). The aim was to find out to what point they resemble each other. This study distinguishes the media-agenda-west, made up of the newspapers Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Rheinische Post and Neue Westfälische, the media-agenda-east, including the Thüringer Allgemeine, Sächsische Zeitung and Mitteldeutsche Zeitung and the national media-agenda, containing the Frankfurter Allgemeine Zeitung and the Süddeutsche Zeitung. These eight daily newspapers have been examined through the use of a multiple- method design. First a quantitative issue-frequency-analysis was conducted. Secondly, two inner-German issues were selected to analyse existing convergent and divergent media-frames in a qualitative matter. Following the principle of an artificial week a cluster-sample of N=3.934 was drawn. The results were evaluated through several hypotheses to be able to interpret the media agendas. Between all three of them a convergence of issues of 71.9% was determined. Using a rank correlation coefficient by Spearman, the issues were compared by their order of ranks, showing that they are rather similar: media agendas East and West rs=.704 (p < .001), media agendas National and East rs=.603 (p < .001), media agendas National and West rs=.658 (p < .001), the perfect convergence being one. Thus, the data indicate that there is a unified news coverage within the German press system. It has also been surveyed if the western media agenda is more similar to the national media agenda than the eastern one. This could not be confirmed since the rankings of issues between media agendas in the west and national in Germany equal one another, but a comparison of issues between east and national media agendas show that they are more similar. Following a more deepened content analysis, the framing of two topics were specifically analysed, one concerning the economy and the other politics (on the one hand far-right extremism, represented by the court case of the NSU and the incidents in Chemnitz of summer 2018, and on the other the emissions scandal). The results of the frame-analysis suggest that generalizing statements about divergences and convergences within the portrayal of issues are only possible separately. Furthermore, it is apparent that in terms of the emissions scandal, there are many clearly recognizable divergences between the interpretive patterns. As a whole, there appears to be largely juxta positional content in the media from different public spheres. Unexpectedly, the media frames of the eastern public sphere are more convergent to the national one, while the western public sphere is more divergent to it. Contrastively, the two case examples on far-right extremism show mostly convergent media frames. In conclusion, a positive picture of the German press system seems apparent. While there are some divergences within the convergent media agendas, these can to a great extend be explained through regional and structural differences. Due to a high media convergence between the three separate public spheres analysed in this project, a unified reporting within the German press system appears to exist. To differ between specifically Eastern or Western German media is not possible.
Die aus der deutschen Wiedervereinigung resultierenden ökonomischen und demografischen Veränderungsprozesse stellen große Herausforderungen für die Regionalentwicklung dar: Nachdem die ostdeutschen Arbeitsmärkte lange Zeit von einem Überangebot an Arbeitskräften geprägt waren und zahlreiche (vor allem junge, gut ausgebildete) Menschen in die alten Bundesländer abwanderten, zeichnet sich mittlerweile eine Trendwende ab. Infolge des demografischen Wandels (Bevölkerungsalterung und -schrumpfung) geht die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Dies wirkt sich vor allem auf das Rückgrat der ostdeutschen Wirtschaft, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, aus. Schon heute machen sich Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Arbeitsstellen bemerkbar und vielerorts wird bereits von einem "Fachkräftemangel" gesprochen. Um die Zukunftsfähigkeit der ansässigen Unternehmen zu sichern, entwickeln regionale Organisationen Strategien, die eine ausreichende Versorgung der Unternehmen mit Fachkräften gewährleisten und damit zur regionalen Resilienz beitragen sollen. Während diese vor allem auf eine erhöhte Arbeitsbeteiligung bestimmter Gruppen (z.B. ältere Arbeitnehmer, Frauen, Arbeitslose) abzielen, lässt sich vermehrt auch eine gezielte Anwerbung von Fachkräften aus anderen Regionen beobachten. Angesichts der Tatsache, dass mittlerweile ein beachtlicher Teil der abgewanderten Ostdeutschen in seine "alte Heimat" zurückkehren möchte, kommt dieser Personengruppe dabei ein besonderes Interesse zu. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend setzt sich die Forschungsarbeit mit folgenden Fragestellungen auseinander: (1) Wie beschäftigen sich die relevanten Organisationen in Ostdeutschland mit der regionalen Fachkräftesicherung? (2) Welche Rolle spielt dabei die gezielte Anwerbung von Rück- und Zuwanderern? und (3) Wie können Rück- und Zuwanderungsinitiativen zur Resilienz ostdeutscher Regionen gegenüber dem rückläufigen Erwerbspersonenpotenzials beitragen? Auf Basis einer Literatur- und Internetrecherche werden die wichtigsten Rück- und Zuwanderungsinitiativen in ostdeutschen Regionen erfasst und charakterisiert. Darauf aufbauend werden anhand der Informationen der Trägerorganisationen weitere, mit dem Thema "Fachkräftesicherung" betraute Organisationen identifiziert. Diese Grundgesamtheit stellt den Ausgangspunkt für eine schriftliche Befragung dar. Auf Grundlage der Befragungsergebnisse werden Trends sowie Besonderheiten bei der regionalen Fachkräftesicherung ermittelt. Im Rahmen einer anschließenden Fallstudienuntersuchung wird ein detaillierter Einblick in die Arbeitsweisen und Kooperationsbeziehungen ausgewählter Rück- und Zuwanderungsinitiativen gewonnen. Anhand von Experteninterviews werden weitere Erkenntnisse über den Beitrag dieser Initiativen zur Resilienz regionaler Arbeitsmärkte gewonnen. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass sich aktuell eine Vielzahl verschiedener Organisationen mit dem Thema der regionalen Fachkräftesicherung beschäftigt: Neben den Agenturen für Arbeit, den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern sind dies verschiedene Wirtschafts- bzw. Branchenverbände und Gewerkschaften. Darüber hinaus spielen auch Ministerien, Förderbanken, kommunale Einrichtungen, Career Services von Hochschulen und ehrenamtliche Vereine eine Rolle. Obwohl Rück- und Zuwanderer nicht die Hauptzielgruppe ihrer Maßnahmen darstellen, finden sie dennoch Berücksichtigung. Außerdem stehen die meisten Organisationen mit dreizehn Initiativen, welche sich auf eine gezielte Anwerbung von (Re-) Migranten spezialisiert haben, in Kontakt. Bei Letzteren gehören die Vermittlung von Arbeitsplätzen, die Information und Beratung bei der Arbeitssuche sowie Dual Career Services (Informationen und Beratung bei der Arbeitsplatzsuche der Partnerin/ des Partners) zu den wichtigsten Leistungsangeboten. Zwar ist eine direkte Messung ihres Erfolges nicht möglich und eine dauerhafte Finanzierung, aufgrund ihres Projektcharakters, nur selten garantiert, dennoch tragen sie aber zur regionalen Fachkräftesicherung bei: Durch den Aufbau von Netzwerken, der Sensibilisierung ansässiger Unternehmen sowie der aktiven Vermarktung des Standorts werden vorhandene Ressourcen mobilisiert und bestehende Vulnerabilitäten abgebaut. Durch das Einwirken weiterer, externer Prozesse stellt sich schließlich eine erhöhte Resilienz ostdeutscher Regionen gegenüber dem rückläufigen Erwerbspersonenpotenzial ein. Daraus leiten sich Handlungsempfehlungen ab, die eine weitere Intensivierung der regionalen Kooperation vorschlagen.:Abbildungsverzeichnis XI Tabellenverzeichnis XIII Abkürzungsverzeichnis XIV 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung 1 1.2 Zielsetzung der Arbeit 3 1.3 Aufbau der Arbeit 5 2 Theoretischer Bezugsrahmen und forschungsleitende Fragen 7 2.1 Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials und Fachkräftemangel 8 2.1.1 Komponenten des Arbeitsmarktes in Deutschland 8 2.1.2 Begriffsbestimmung: Erwerbspersonenpotenzial, Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel, Fachkräftesicherung 10 2.2 Entstehung regionaler Arbeitsmärkte 12 2.2.1 Neoklassisches Grundmodell des Arbeitsmarktes 12 2.2.2 Segmentationstheorie 13 2.2.3 Regulationstheoretisch orientierte Regionalforschung 15 2.2.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 15 2.3 Erklärung von (interregionalen) Migrationsbewegungen 16 2.3.1 Ökonomische Ansätze zur Erklärung von Migration 17 2.3.2 Nichtökonomische Migrationstheorien 18 2.3.3 Mehrebenenkonzept zur (Rück-) Wanderungsforschung 19 2.3.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 20 2.4 Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in der Regionalentwicklung 21 2.4.1 Cluster 21 2.4.2 Regionale Innovationssysteme 23 2.4.3 Zusammenfassung 23 2.5 Integration der Theoriestränge durch den Ansatz der regionalen Resilienz 24 2.5.1 Der Resilienz-Begriff im Kontext verschiedener Wissenschaftsdisziplinen 25 2.5.2 Unterschiedliche Interpretationen des Resilienz-Begriffs 27 2.5.3 Resilienz regionaler Arbeitsmärkte 30 2.5.4 Operationalisierung des Resilienz-Ansatzes 32 2.6 Forschungsleitende Fragen 34 3 Forschungsstrategie und methodische Vorgehensweise 37 3.1 Forschungsstrategie 37 3.2 Querschnittdesign 39 3.2.1 Abgrenzung des Untersuchungsgebiets 39 3.2.2 Sekundärstatistische Analyse 40 3.2.3 Dokumentenanalyse und Sampling 41 3.2.4 Schriftliche Befragung 42 3.2.4.1 Konstruktion des Erhebungsinstruments 43 3.2.4.2 Durchführung und Rücklauf der Befragung 45 3.2.4.3 Analyse und Darstellung der erhobenen Daten 47 3.3 Multiples Fallstudiendesign 48 3.3.1 Fallauswahl 48 3.3.2 Experteninterviews 49 3.3.2.1 Auswahl der Gesprächspartner 50 3.3.2.2 Durchführung der Untersuchung 51 3.3.2.3 Analyse der erhobenen Daten 52 3.3.3 Dokumentenanalyse 53 3.4 Kritische Reflexion der verwendeten Forschungsmethoden 53 4 Fachkräftesicherung und Migration als Herausforderungen für die Regionalentwicklung in Ostdeutschland 57 4.1 Fachkräftesicherung unter den Bedingungen einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft 57 4.1.1 Auswirkungen des demografischen Wandels auf die regionalen Arbeitsmärkte in Ostdeutschland 58 4.1.2 Analyse des aktuellen und zukünftigen Fachkräftebedarfs in Ostdeutschland 61 4.1.3 Zielgruppen der regionalen Fachkräftesicherungsstrategien 68 4.2 Rück- und Zuwanderung nach Ostdeutschland 70 4.2.1 Zuwanderung nach Ostdeutschland 71 4.2.2 Rückwanderung nach Ostdeutschland 73 4.2.2.1 Datenverfügbarkeit und Definition der wichtigsten Begriffe 74 4.2.2.2 Zahlen zur Rückwanderung nach Ostdeutschland 76 4.2.2.3 Motive für die Rückwanderung nach Ostdeutschland 77 4.2.2.4 Räumliche und zeitliche Muster der Rückwanderung nach Ostdeutschland 78 4.2.2.5 Demografische und sozio-ökonomische Situation der Rückwanderer 79 4.2.2.6 Potenzial von Rückwanderern für die Regionalentwicklung in Ostdeutschland 80 4.3 Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 83 4.3.1 Gesetzlicher Rahmen zur Anwerbung hochqualifizierter Arbeitskräfte 83 4.3.1.1 Green Card 84 4.3.1.2 Vom Ausländerrecht zur gesteuerten Arbeitsmigration 84 4.3.1.3 Freizügigkeitsgesetz 86 4.3.1.4 Anerkennung ausländischer Abschlüsse 86 4.3.1.5 Blaue Karte EU 87 4.3.2 Bundesweite Maßnahmen zur Fachkräftesicherung durch Rück- und Zuwanderung 88 4.3.2.1 Virtuelle Informationsportale 88 4.3.2.2 Fachkräfte-Offensive 89 4.3.2.3 Jobmonitor 89 4.3.2.4 Innovationsbüro "Fachkräfte für die Region" 90 4.3.2.5 Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung 90 4.3.2.6 Die "Zukunftsinitiative Fachkräftesicherung" 90 4.3.2.7 Sonderprogramm zur Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen Fachkräfte aus Europa (MobiPro-EU) 91 4.3.3 Regionale Ansätze zur Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 92 4.3.3.1 Leistungen zur Anwerbung von Rück- und Zuwanderern 92 4.3.3.2 Kriterien für eine Gesamtschau der im Untersuchungsraum existierenden Initiativen 99 5 Aktuelle Strategien der Fachkräftesicherung in Ostdeutschland 103 5.1 Politikumfeld und institutioneller Kontext 103 5.2 Beschäftigung mit dem Thema regionale Fachkräftesicherung 106 5.3 Berücksichtigung von Rück- und Zuwanderern117 5.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 127 6 Rück- und Zuwanderungsinitiativen als Beitrag zur Resilienz regionaler Arbeitsmärkte in Ostdeutschland 131 6.1 Agentur mv4you 131 6.1.1 Aktivitäten der Initiative 131 6.1.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 134 6.1.3 Aktuelle Entwicklungen 137 6.2 Initiative "Fachkräfte für Sachsen. Sachse komm' zurück!" 137 6.2.1 Aktivitäten der Initiative 137 6.2.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 139 6.2.3 Aktuelle Entwicklungen 143 6.3 Willkommens-Agentur Uckermark 143 6.3.1 Aktivitäten der Initiative 143 6.3.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 147 6.3.3 Aktuelle Entwicklungen 150 6.4 Der Beitrag von Rück- und Zuwanderungsinitiativen zum Aufbau einer regionalen Anpassungskapazität 151 6.4.1 Entwicklung der gezielten Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 151 6.4.2 Finanzierung der Rück- und Zuwanderungsinitiativen 152 6.4.3 Beitrag zur regionalen Fachkräftesicherung 152 6.4.4 Verstärkte Berücksichtigung von (internationalen) Zuwanderern 153 6.4.5 Regionsübergreifende Kooperation 154 6.4.6 Schwierigkeiten bei der direkten Messung des Erfolgs 155 6.4.7 Beitrag zur regionalen Resilienz 156 7 Schlussfolgerungen 161 7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 161 7.2 Schlussfolgerungen für die Praxis 168 7.3 Schlussfolgerungen für die wissenschaftliche Diskussion und weiterer Forschungsbedarf 170 8 Literaturverzeichnis 173 9 Anhang 191 ; Germany's reunification caused economic and demographic changes that represent major challenges for regional development: After the East German labour markets experienced a long period of labour oversupply and the emigration of many (particularly young and well educated) people to former West Germany, they are now facing a reversal. Due to demographic changes (the aging and shrinking of the population) the number of people in working age has been steadily declining. This especially affects small and medium sized businesses, the backbone of the East German economy. Already, it has become noticeably difficult to fill vacant positions, and a "shortage of skilled labour" is widely discussed. In order to future-proof local businesses, regional organisations have developed strategies that ensure a sufficient supply of skilled labour and an increased regional resilience. Although these strategies mainly aim towards increasing labour market participation among certain groups (e.g. older workers, women, the unemployed), the recruitment of skilled labour from other regions has also noticeably increased. Since a significant proportion among emigrated East Germans would like to return 'home' now, this group is of particular interest. Based on these findings, this research paper deals with the following questions: (1) What do relevant organisations in East Germany do about securing regional skilled labour? (2) What role does the targeted recruitment of immigrants and return migrants play in this context? (3) How can immigration and return migration initiatives contribute to making East German regions resilient against the diminishing work force potential? Based on a combined literature and Internet research, this paper identifies and characterises the most important immigration and return migration initiatives in East Germany. Further, it uses information provided by these initiatives' support organisations to identify other organisations whose remit is to safeguard skilled labour. The resulting statistical population then forms the basis for a written survey. Based on the survey results, the paper investigates trends and anomalies in securing regional skilled labour. A subsequent multiple case study analysis provides detailed insights into the working methods and cooperation among selected immigration and return migration initiatives. Expert interviews provide additional information on how these initiatives contribute towards regional labour market resilience. As the empirical results show, there currently exist a number of organisations dealing with the shortage of skilled labour. These include regional employment agencies, chambers of industry and commerce, and chambers of crafts, as well as various trade associations and unions. In addition, government departments, business development banks, local authorities, university career services, and voluntary associations also play an important role. Even though immigrants and return migrants are not considered to be their main targets, these organisations do include them in their measures. Furthermore, most of the surveyed organisations are in contact with the thirteen initiatives that focus on targeted recruitment of immigrants and return migrants. The most important services provided by immigration and return migration initiatives include job placements, information and advice during the job search, as well as dual career services. Even though it isn't possible to directly measure their impact, and although they are rarely guaranteed permanent financing due to their project-based nature, these initiatives do contribute towards securing regional skilled labour: By developing networks, sensitizing local companies, and actively advertising the region, they mobilise existing resources and reduce regional vulnerabilities. The influence of additional external processes eventually creates an increase in regional resilience towards the declining labour force potential. Derived from these findings, this paper recommends several action points that propose a further intensification of regional cooperation.:Abbildungsverzeichnis XI Tabellenverzeichnis XIII Abkürzungsverzeichnis XIV 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung 1 1.2 Zielsetzung der Arbeit 3 1.3 Aufbau der Arbeit 5 2 Theoretischer Bezugsrahmen und forschungsleitende Fragen 7 2.1 Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials und Fachkräftemangel 8 2.1.1 Komponenten des Arbeitsmarktes in Deutschland 8 2.1.2 Begriffsbestimmung: Erwerbspersonenpotenzial, Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel, Fachkräftesicherung 10 2.2 Entstehung regionaler Arbeitsmärkte 12 2.2.1 Neoklassisches Grundmodell des Arbeitsmarktes 12 2.2.2 Segmentationstheorie 13 2.2.3 Regulationstheoretisch orientierte Regionalforschung 15 2.2.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 15 2.3 Erklärung von (interregionalen) Migrationsbewegungen 16 2.3.1 Ökonomische Ansätze zur Erklärung von Migration 17 2.3.2 Nichtökonomische Migrationstheorien 18 2.3.3 Mehrebenenkonzept zur (Rück-) Wanderungsforschung 19 2.3.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 20 2.4 Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in der Regionalentwicklung 21 2.4.1 Cluster 21 2.4.2 Regionale Innovationssysteme 23 2.4.3 Zusammenfassung 23 2.5 Integration der Theoriestränge durch den Ansatz der regionalen Resilienz 24 2.5.1 Der Resilienz-Begriff im Kontext verschiedener Wissenschaftsdisziplinen 25 2.5.2 Unterschiedliche Interpretationen des Resilienz-Begriffs 27 2.5.3 Resilienz regionaler Arbeitsmärkte 30 2.5.4 Operationalisierung des Resilienz-Ansatzes 32 2.6 Forschungsleitende Fragen 34 3 Forschungsstrategie und methodische Vorgehensweise 37 3.1 Forschungsstrategie 37 3.2 Querschnittdesign 39 3.2.1 Abgrenzung des Untersuchungsgebiets 39 3.2.2 Sekundärstatistische Analyse 40 3.2.3 Dokumentenanalyse und Sampling 41 3.2.4 Schriftliche Befragung 42 3.2.4.1 Konstruktion des Erhebungsinstruments 43 3.2.4.2 Durchführung und Rücklauf der Befragung 45 3.2.4.3 Analyse und Darstellung der erhobenen Daten 47 3.3 Multiples Fallstudiendesign 48 3.3.1 Fallauswahl 48 3.3.2 Experteninterviews 49 3.3.2.1 Auswahl der Gesprächspartner 50 3.3.2.2 Durchführung der Untersuchung 51 3.3.2.3 Analyse der erhobenen Daten 52 3.3.3 Dokumentenanalyse 53 3.4 Kritische Reflexion der verwendeten Forschungsmethoden 53 4 Fachkräftesicherung und Migration als Herausforderungen für die Regionalentwicklung in Ostdeutschland 57 4.1 Fachkräftesicherung unter den Bedingungen einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft 57 4.1.1 Auswirkungen des demografischen Wandels auf die regionalen Arbeitsmärkte in Ostdeutschland 58 4.1.2 Analyse des aktuellen und zukünftigen Fachkräftebedarfs in Ostdeutschland 61 4.1.3 Zielgruppen der regionalen Fachkräftesicherungsstrategien 68 4.2 Rück- und Zuwanderung nach Ostdeutschland 70 4.2.1 Zuwanderung nach Ostdeutschland 71 4.2.2 Rückwanderung nach Ostdeutschland 73 4.2.2.1 Datenverfügbarkeit und Definition der wichtigsten Begriffe 74 4.2.2.2 Zahlen zur Rückwanderung nach Ostdeutschland 76 4.2.2.3 Motive für die Rückwanderung nach Ostdeutschland 77 4.2.2.4 Räumliche und zeitliche Muster der Rückwanderung nach Ostdeutschland 78 4.2.2.5 Demografische und sozio-ökonomische Situation der Rückwanderer 79 4.2.2.6 Potenzial von Rückwanderern für die Regionalentwicklung in Ostdeutschland 80 4.3 Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 83 4.3.1 Gesetzlicher Rahmen zur Anwerbung hochqualifizierter Arbeitskräfte 83 4.3.1.1 Green Card 84 4.3.1.2 Vom Ausländerrecht zur gesteuerten Arbeitsmigration 84 4.3.1.3 Freizügigkeitsgesetz 86 4.3.1.4 Anerkennung ausländischer Abschlüsse 86 4.3.1.5 Blaue Karte EU 87 4.3.2 Bundesweite Maßnahmen zur Fachkräftesicherung durch Rück- und Zuwanderung 88 4.3.2.1 Virtuelle Informationsportale 88 4.3.2.2 Fachkräfte-Offensive 89 4.3.2.3 Jobmonitor 89 4.3.2.4 Innovationsbüro "Fachkräfte für die Region" 90 4.3.2.5 Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung 90 4.3.2.6 Die "Zukunftsinitiative Fachkräftesicherung" 90 4.3.2.7 Sonderprogramm zur Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen Fachkräfte aus Europa (MobiPro-EU) 91 4.3.3 Regionale Ansätze zur Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 92 4.3.3.1 Leistungen zur Anwerbung von Rück- und Zuwanderern 92 4.3.3.2 Kriterien für eine Gesamtschau der im Untersuchungsraum existierenden Initiativen 99 5 Aktuelle Strategien der Fachkräftesicherung in Ostdeutschland 103 5.1 Politikumfeld und institutioneller Kontext 103 5.2 Beschäftigung mit dem Thema regionale Fachkräftesicherung 106 5.3 Berücksichtigung von Rück- und Zuwanderern117 5.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 127 6 Rück- und Zuwanderungsinitiativen als Beitrag zur Resilienz regionaler Arbeitsmärkte in Ostdeutschland 131 6.1 Agentur mv4you 131 6.1.1 Aktivitäten der Initiative 131 6.1.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 134 6.1.3 Aktuelle Entwicklungen 137 6.2 Initiative "Fachkräfte für Sachsen. Sachse komm' zurück!" 137 6.2.1 Aktivitäten der Initiative 137 6.2.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 139 6.2.3 Aktuelle Entwicklungen 143 6.3 Willkommens-Agentur Uckermark 143 6.3.1 Aktivitäten der Initiative 143 6.3.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 147 6.3.3 Aktuelle Entwicklungen 150 6.4 Der Beitrag von Rück- und Zuwanderungsinitiativen zum Aufbau einer regionalen Anpassungskapazität 151 6.4.1 Entwicklung der gezielten Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 151 6.4.2 Finanzierung der Rück- und Zuwanderungsinitiativen 152 6.4.3 Beitrag zur regionalen Fachkräftesicherung 152 6.4.4 Verstärkte Berücksichtigung von (internationalen) Zuwanderern 153 6.4.5 Regionsübergreifende Kooperation 154 6.4.6 Schwierigkeiten bei der direkten Messung des Erfolgs 155 6.4.7 Beitrag zur regionalen Resilienz 156 7 Schlussfolgerungen 161 7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 161 7.2 Schlussfolgerungen für die Praxis 168 7.3 Schlussfolgerungen für die wissenschaftliche Diskussion und weiterer Forschungsbedarf 170 8 Literaturverzeichnis 173 9 Anhang 191
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war es, das theaterhistorische Phänomen des chinesischen experimentellen Theaters komparatistisch sowohl als das Ergebnis der Begegnung zweier sehr verschiedener kulturhistorischer Linien (China/ Europa) zu beschreiben als auch in den traditionellen Kontext chinesischer Theaterinnovationen einzuordnen und aus ihm heraus zu erklären. Behandelt wird u.a. der machtpolitische Kontext interkultureller Begegnungen. Es stellt sich die Frage, ob man auf einem "transzendentalen Hügel hockend" China beobachten kann. Man ist immer wieder mit der Frage konfrontiert, aus welcher Perspektive man bei der Untersuchung anderer Kulturen zu adäquaten Ergebnissen kommen kann. Soll man einen aussenstehenden Beobachterposten behaupten oder soll man anerkennen, dass die eigene Anwesenheit vor Ort den Beobachtenden bereits involviert in das zu Beobachtende oder soll man sich seiner eigenen Aktivität bewusst werden und den ohnehin fiktiven Objektivitätsstatus bewusst aufgeben? Ich konnte während der Arbeit an der Inszenierung "Leg deine Peitsche nieder - Woyzeck" in Peking künstlerische und Alltagskommunikation erleben und Einsichten gewinnen, die ohne diese Arbeit unmöglich gewesen wären. Die chinesische Kultur hat bereits frühzeitig Schriftsysteme und eine Schriftkultur ausgebildet. Dennoch haben meine Untersuchungen ergeben, dass die Bereiche der Wissensvermittlung (Lern- und Lehrverhalten), der darstellenden Künste und der sozialen Kommunikation bis in unser Jahrhundert hinein von einer Tradition oraler Techniken und Kommunikation geprägt sind. Ganz wesentlich ist z.B. traditionell der Aspekt der LEIBLICHKEIT bei der Wissensvermittlung. Das Leibwissen eines Lehrers wird durch ständiges Üben und Wiederholen durch den Schüler in dessen Leib inkorporiert. Die Schüler (im profanen, im religiösen oder künstlerischen Bereich) werden hauptsächlich in das WIE der Übungen, nicht aber in das WARUM eingewiesen, weil sich aus der Logik dieses Denkens ergibt, dass sich aus der ausgefeilten Qualität des Geübten mit der Zeit der Sinn dessen über den Leib des Schülers von selbst erschließt. Oralen Techniken von Wissensvermittlung ist es eigen, dass sie dem Wiederholen größeren Wert beimessen als dem Neuerfinden. Dies ist eine Traditionslinie, die noch heute für das chinesische Sprechtheater wirksam ist. Innovation im chinesischen Kontext bedeutet vor allem Detailinnovation, aufbauend auf ein gegebenes Modell. Die chinesische Gesellschaft verfügt über ein reiches Instrumentarium theatraler Kommunikation. Aufgrund der Sozialstruktur und des ausgeprägten Relationsdenkens verfügen die kulturell Kommunizierenden über "shifting identities" wie Jo Riley es für die Darsteller im chinesischen traditionellen Musiktheater feststellte und wie Rosemarie Juttka-Reisse ein adäquates Phänomen für die Praxis von sozialem Rollenwechsel in sozio-kulturellen Kommunikations- und Interaktionsprozessen nachwies. "Shifting identies" bedeutet, dass Kommunizierende in der Lage sind, spontan und flexibel auf neue Kommunikationskontexte mit dem entsprechenden performativen Instrumentarium zu reagieren. Dieser Umstand hat weitreichende Konsequenzen für die Rollengestaltung im chinesischen Theater. Zum Beispiel ist der Brecht'sche Begriff der Verfremdung aus diesem Grunde NICHT oder bestenfalls nur partiell auf das chinesische Theater anwendbar. Die Brecht'sche Verfremdungstheorie ist nicht dem chinesischen Theater abgeschaut, sondern auf das chinesische Theater projiziert. Im Zusammenhang mit dem Leiblichkeitskonzept steht eine spezifische Vorstellung der EINVERLEIBUNG von Wissen, auch nicht-chinesischen Wissens. Beispielsweise wird bis in die 1990er Jahre hinein immer wieder auf die VERDAUUNGSMETAPHER zurückgegriffen. Das Einverleibungsprinzip, welches in engster Verbindung mit dem chinesischen Ahnenkult steht, ist mindestens einmal einer Fundamentalkritik unterzogen worden. Kurioserweise geschah dies nach der Einverleibung westlichen Wissens, insbesondere der Fortschrittsidee und der Vorstellung evolutionärer historischer Weiterentwicklung. Lu Xun nämlich prägte die Metapher der Menschenfresserei, die sich auf die als reaktionär erkannte Einverleibung "feudalistischen" Wissens aus der alten, dem Westen unterlegenen chinesischen Gesellschaft bezog. Seither gibt es die "fortschrittliche" und die "reaktionäre" Verdauung, wobei der Diskurs um kulturelle Identität, um Erneuerung und Bewahrung immer wieder neu festzulegen versucht, was gegebenfalls nützlich oder nutzlos ist. Die Entstehung des chinesischen experimentellen Theaters ist ohne das Eingebettetsein in historische Linien der chinesischen Theatergeschichte nicht erklärbar. Aneignungsmuster in bezug auf die Aufnahme neuer Anregungen aus anderen Kulturen haben eine traditionelle Logik entwickelt, die man nur erkennen und einordnen kann, wenn man sich ausführlich den historischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen von Theater in China widmet. Deshalb bin ich auf diese historischen Linien ausführlich eingegangen. Das experimentelle Theater in China setzt diese Linie fort. Deshalb kann man schlussfolgern, dass das chinesische Sprechtheater "eine Art Pekingoper mit anderen Mitteln" ist, und nicht ein bürgerlich-westliches Sprechtheater mit chinesischer Kolorierung. Das chinesische Theater hat sich über die langen historischen Zeiträume seiner Entstehung als sehr aufnahmefähig für interkulturelle Anregungen gezeigt. Man kann sagen, dass es das Ergebnis dieser Interaktionsprozesse ist. In diesem Sinne ist die Integration westlicher Theaterstile und damit auch die Entstehung des experimentellen Theaters als traditionelle Strategie im Umgang mit dem Fremden anzusehen. Es handelt sich tendenziell nicht (nur) um einen Ausdruck von Modernität, sondern von Tradition. Es ist in der chinesischen Theatergeschichte nicht um die Echtheit/ Authentizität des adaptierten ausländischen Materials gegangen, sondern hauptsächlich um die Anwendbarkeit im eigenen Kontext. Das wiederum führt folgerichtig zu dem Schluss, dass es z.B. keine "falsche" Rezeption westlichen Theaters in China geben kann, sondern nur eine chinesische. Der experimentelle Zugang zu neuen Formen innerhalb der chinesischen Theaterkultur ist ein historisch praktizierter. Die chinesische Praxis des Experiments ist historisch verbunden mit einer Praxis des Ausprobierens, Integrierens, Ausschmückens, einer Art Patchwork-Strategie. Im Gegensatz zum westlichen Begriff des Experiments ist diese Praxis nicht an abstrakte Hypothesenbildung und die systematische Beweisführung gebunden. Hauptinstrument neuer Erkenntnisse war die empirische Beobachtung. Die Entstehung des experimentellen chinesischen Theaters im 20. Jahrhundert, welches erstmals an verschiedene Begrifflichkeiten gebunden wird und nicht einfach als historische Praxis dem chinesischen Theater inhärent ist, deutet auf eine neue Qualität dieses Phänomens in der chinesischen Theatergeschichte hin. Die neue Qualität im Vergleich zur historisch-experimentellen Praxis besteht darin, dass die chinesische Kultur erstmals in ihrer Geschichte als Hochkultur Asiens mit einem ernstzunehmenden, hegemonial operierenden Feind konfrontiert war, der mit seinem ökonomisch-militärischen Potenzial die Qualität der chinesischen Kultur als Ganzes in Frage stellte. Nun sahen sich die chinesischen Eliten gezwungen, die westlichen Mittel zum chinesischen Zweck des Überlebens zu machen. Aus diesem Grunde wurden westliche Ideen und Praktiken, wie z.B. das bürgerliche Sprechtheater rezipiert. Dies musste als Praxis aber auch als Begriff umgesetzt werden. Aus diesem spezifischen Entstehungskontext ergibt sich eine unterschiedliche Richtung der Theateravantgarden in China und im Westen. Während die historische Theateravantgarde im Westen in ihrer Kritik am bürgerlichen Theaterkonzept und in ihrer Auseinandersetzung mit Industrialisierungs- und Technologiesierungsprozessen auf "Retheatralisierung" des Theaters drängte, gingen die chinesischen Theaterkünstler den entgegengesetzten Weg. Die neuen historischen Erfahrungen ließen sich in den volkstümlichen Geschichten und den historischen Analogien des traditionellen chinesischen Theaters und in ihrer stilisierten Theatralität nicht mehr adäquat darstellen. Plötzlich wurde ein neues Realismuskonzept, welches nach DETHEATRALISIERUNG drängte, wesentlich. Darüberhinaus gehört es zur historischen Linie des chinesischen Theaters, dass es stark profitierte sowohl von nicht-chinesischen Anleihen anderer Theaterkulturen als auch von den Volkskünsten der eigenen Kultur. Es waren zunächst Laiendarsteller und Amateurtheaterkünstler, die in den 1920er Jahren die vielfältigen Kategorien des chinesischen "experimentellen" Theaters erfanden und später in einen professionellen Status überführten. Neben den kulturellen Einflüssen des westlichen Imperialismus war China ebenfalls mit dem hegemonialen Bestreben insbesondere des sowjetischen Kulturimperialismus konfrontiert. Die sowjetische Kulturpolitik favorisierte das Stanislawski-Konzept. Dieses wurde dann zunächst, nach Gründung der VR China 1949, zu einem der Grundpfeiler der Idee eines neu zu entwickelnden chinesischen Nationaltheaters. Seit den 1980er Jahren wird es zunehmend kritisiert. Seitdem werden andere westliche Konzepte interessant. Dazu gehören die Konzepte der westlichen historischen Avantgarde ebenso wie die des absurden und weitestgehend postmodernen Theaters. Seit den 1990er Jahren sind zwei Haupttendenzen im modernen chinesischen Theater festzustellen. Zum einen unterliegt das Theater rigiden Kommerzialisierungstendenzen. Zum anderen sieht sich das Theater einer Vielzahl neuer Unterhaltungsmedien (TV, Kino, Karaoke, Shows etc.) gegenüber, die es veranlassen, sich verstärkt auf die spezifischen Möglichkeiten theatralen Ausrucks zu besinnen. Das führt dazu, dass nun sowohl das theatrale Potenzial des klassischen chinesischen Theaters interessant wird ebenso wie die Retheatralisierungsversuche der westlichen Avantgarde. Seit Mitte der 1980er Jahre ist eine erneute, hitzige Debatte über Begriff und Inhalt von experimentellem Theater im chinesischen Kontext zu beobachten. ; The starting point of this paper was both to describe the theatre-historical phenomenon of Chinese experimental theatre in a comparative way, as the result of the encounter of two culture-historical lines differing very much (China/Europe) and to put it in its proper historic context and thus to explain from its context. The power-political context of intercultural encounters is dealt with. The question arises whether one would be able to watch China at all " sitting on a transcen-dental hill". You are constantly facing the question from which perspective you can achieve adequate results when researching/ investigating foreign cultures. Should you maintain your (external) observer status or should you recognise that your own presence at the site involves the observer what he watches or should you consciously give up the anyhow fictitious status of objectivity. While staging "Put down your whip - Woyzeck" in Beijing at the State theatre called Central Experimental Theatre I could experience both artistic and every-day communication, without which this paper would and could never have been written. The Chinese culture has developed writing systems and a written culture early on in history. Nevertheless, my study has shown, that instruction (learner and teacher behaviour), performing arts and social communication have been highly influenced by the oral tradition of communication throughout the centuries. The aspect of corporality in instruction is essential. The teacher's incorporated knowledge is transferred to the student's body through permanent exercise and repetition/revision. The student (worldly, religious and artistic spheres) is taught HOW to do the exercise but not necessarily WHY because part of this thinking is the idea that the awareness of the meaning of the skill comes to the student through his body. This implies that it is a characteristic feature of oral instruction/information stresses repetition rather than innova-tion. This line of tradition has always been efficient for the Chinese spoken drama, even today. Innovation in a Chinese context means chiefly innovation of detail based on a model given. The Chinese society developed a rich variety of tools of theatrical communication. Due to the social structure and a well-developed relational thinking the cultural communicators have "shifting identities" as Jo Riley stated it in terms of the performers in the Chinese traditional music thea-tre. Rosemarie Juttka-Reisser confirmed an adequate phenomenon for the practice of switching social roles in processes of socio-cultural communication and interaction. "Shifting identities" means that communicators are capable of spontaneously and quickly responding to new communication contexts through adequate performative sets of instruments. This has an impact on the performance of roles in Chinese theatre. Therefore the Brechtian term of alienation, for instance, can not or only partly be applied to Chinese theatre. Thus, the Brechtian theory of alienation is not derived from Chinese theatre but rather projected to it. Linked to the concept of incorporation of knowledge is a specific image of incorporation of knowledge including the non-Chinese one. Up to the 1990s the metaphor of digestion had been used again and again. The principle of incorporation which is closely connected with ancestor cults underwent fundamental criticism at least once. Curiously enough, this happened after the incorporation of Western knowledge, in particular of the idea of progress and evolution/ revolution. Lu Xun coined the metaphor of cannibalism. This relates to the traditional incorporation of the so-called "feudal" knowledge based in the Chinese culture which has been understood as inferior to the West. Since then there has been "progressive" and "reactionary" digestion; discourse about cultural identity, about renewal and preservation of Chinese values has always been trying to re-determine what is useful or useless respectively. The appearance and existence of the Chinese experimental theatre can not be explained without it being embedded in the line of Chinese (theatre)history. Patterns of acquisition in terms of the perception of new stimuli from other/foreign cultures have developed a traditional logic which can only be recognized and categorized if you have a deeper understanding of the historic condition and the whole framework of theatre in China. Therefore I dealt with this historical line in detail. The experimental theatre in China continues this line to a certain extend. This results in the Chinese spoken theatre being "a kind of Beijing opera with a different approach" but not a bourgeois Western spoken drama with a Chinese touch. Throughout its history the Chinese theatre has always readily absorbed intercultural stimuli. So you can say that these processes of interaction have contributed to contemporary Chinese theatre. Thus you can regard the integration of Western theatre styles including the development of the experimental theatre a highly traditional strategy for encountering and dealing with the foreign element. This strategy is not an expression of modernity only but mainly of tradition. Chinese theatre history was not particularly interested in the authenticity of the adopted foreign material but in its application within the Chinese context. This has led to the conclusion that there cannot be any "wrong" perception of the Western theatre in China but only a Chinese. The experimental approach to new forms within the Chinese theatre culture has been used all the time. The Chinese experimental practice has indeed been linked with integrating, ornamenting and trying out resulting in a kind of patchwork. In contrast to the Western term of experiments this practice does not depend on abstract hypotheses and proofs systematically shown. This is partly due to Western sciences focussing on mathematics while Chinese sciences were concentrating on dealing with problems of relations (physics). Therefore they (have) preferred empirical observation to mathematical analysis in order to achieve new knowledge. In contrast, the experimental Chinese theatre in the 20th century, reflects a new quality in their approach to theatre which, for the first time, attempts to use concepts like in the Western theatre. The reason for this new approach resulted from the fact that for the first time in its history Chinese culture as an Asian high culture was faced with a serious hegemonially operating enemy that questioned the quality of the Chinese culture as a whole through its economic and military potential. The Chinese intellectual elite was forced to respond to the Western threat by using Western methods (including spoken drama) in order to survive: using a Western means to a Chinese end. These specific historical circumstances and power relations have led to different directions of avantgarde theatre movements in China and the West in the early 20th century. Western and Chinese theatre artists went opposite ways: while the former initiated the Re-theatralisation in their criticism of the bourgeois theatre concept and of industrialisation; the latter focused on De-theatralisation which had become a new concept, that of realism/ naturalism. The new experiences of the time could no longer be expressed in their folktales and historical analogies of the traditional Chinese theatre and its stylised theatricality. Amateurs (in particular students of big cities) were the first to invent the various categories of a Chinese "experimental" theatre and later transformed its status into a professional one. Apart from cultural influences of Western (including Japan) imperialism China faced the same problems with the Soviet cultural imperialism. The Soviet cultural policy favoured Stanislavsky's concept. This idea became the basis of a new Chinese national theatre which was to develop after the formation of the People's Republic of China in 1949. Since the 1980s it has increasingly been criticised. In addition other Western concepts have attracted attention including concepts of the Western historical avantgarde, the theatre of the absurd and post-modern theatre. Since the 1990s two major tendencies of modern Chinese theatre can be stated. On the one hand, the theatre is subject to rigid tendencies of commercialisation (which means that the state cut the subsidies), on the other hand, the theatre is confronted with a variety of new entertainment media (TV, cinema, karaoke, shows etc.) which make it remember its specific oppor-tunities of theatrical expression (now including traditional Chinese theatre forms). At the moment a new heated debate about the term and the content of experimental theatre is going on.