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Der Wissenschaftsratsvorsitzende Wolfgang Wick schwört Hochschulen und Politik auf Strategien für bundesweit stagnierende Studierendenzahlen ein und hofft auf eine demographische Rendite.
Demnächst mehr freie Plätze? Foto: Michal Jarmoluk / Pixabay.
JEDES JAHR Ende Januar gibt der oder die Vorsitzende des Wissenschaftsrats einen Bericht zu aktuellen Tendenzen im Wissenschaftssystem ab, über den das Gremium anschließend diskutiert. In Dorothea Wagners letzter Bestandsaufnahme Anfang 2023 stand die Frage im Mittelpunkt, ob die Wettbewerbsorientierung in der Wissenschaft an ihre Grenzen gestoßen sei. Wagners Nachfolger Wolfgang Wick, der dieses Jahr zum ersten Mal mit dem Berichten an der Reihe war, widmete sich der Hochschullehre und dem Watershed-Moment, den viele Hochschulen gerade erleben. Es ist die Realisierung, dass die Zeit bundesweit stetig wachsender Studierendenzahlen zu Ende geht. Weshalb Wick zielsicher die passende hochschulpolitische Agenda fürs neue Jahr setzte, indem er von Hochschulen und Hochschulpolitik neue Strategien für den demographischen Wandel forderte.
Wick verweist auf die aktuelle Vorausberechnung der Kultusministerkonferenz (KMK), dass die Zahl der Studienanfänger deutschlandweit wohl spätestens von 2027 an für einen längeren Zeitraum stagnieren wird. Tatsächlich gingen die Erstsemesterzahlen zwischen 2018 und 2021 sogar über mehrere Jahre zurück, doch schien das kaum einer wahrzunehmen, solange die Gesamt-Studierendenzahlen noch von Rekord zu Rekord jagten. Obwohl es eine mathematische Gewissheit war, dass letztere mit zeitlicher Verzögerung ersteren folgen würden. Im Wintersemester 2022/23 war es dann soweit. Die Gesamtzahl der Studierenden in Deutschland sank zum ersten Mal seit 2007, im Wintersemester 2023/24 ging es weiter runter auf zuletzt 2,871 Millionen. Was allerdings immer noch satte 850.000 mehr waren als 20 Jahre zuvor und der Einbruch teilweise pandemiebedingt. So dass es bei den Erstsemestern – wenn auch nur leicht – die vergangenen beiden Jahre sogar schon wieder aufwärts ging.
Wie ein Luftholen von der scheinbar ewig laufenden Bildungsexpansion
Insofern fühlte sich der demographische Wandel an vielen Hochschulen vor allem in den westdeutschen Metropolen bislang allenfalls wie ein Luftholen von der scheinbar ewig laufenden Bildungsexpansion an. Das zu Recht von Wolfgang Wick angemahnte strategische Umdenken mag gerade dort noch aus anderen Gründen schwer fallen: Die Rektorate und Präsidien haben bis zur Pandemie die Erfahrung gemacht, dass die Zahl der Neuimmatrikulationen die mutigsten Prognosen von Hochschulforschern immer aufs Neue übertrafen. Und auch jetzt ist ja nicht von einem weiteren starken Rückgang die Rede, sondern von einer Stagnation auf hohem Niveau.
Absehbar ist zudem, auch das führt der Wissenschaftsratsvorsitzende, aus, dass diese bundesweite Entwicklung sich je nach Region und Disziplin in ein deutliches Minus oder gar ein weiteres kräftiges Plus bei den Studierenden übersetzt (siehe hierzu auch meinen Bericht von Ende November 2023). Weshalb, so Wick, die Hochschulen individuelle, "maßgeschneiderte" Strategien entwickeln müssten. Sehr viele ostdeutsche Standorte und auch etliche westdeutsche sind, nebenbei bemerkt, den Umgang mit dem Schrumpfen schon länger gewöhnt.
Von ihnen können die erstmals seit langem mit Rückgängen konfrontierten Einrichtungen viel lernen. Dabei bietet sich ihnen zumindest auf den ersten Blick eine große Gelegenheit: "Die Hochschulen bekommen die Chance, Fehlentwicklungen der Wachstumsperiode zu korrigieren, die Qualität der Lehre zu verbessern, den Anteil erfolgreicher Abschlüsse zu steigern und die Digitalisierung voranzutreiben", sagt Wolfgang Wick.
Womit die große Gelegenheit übrigens auch auf Seiten der jungen Menschen liegt. Denn wenn die Studierenden nicht mehr Schlange stehen vor den Immatrikulationsbüros, müssen sich die Hochschulen mehr einfallen lassen, um sich neue Zielgruppen zu erschließen und alte Zielgruppen im Studium zu halten: Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern zum Beispiel, Berufstätige, Einwanderer und internationale Studierende. Die erstaunliche Erfolgsgeschichte privater Hochschulen in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren erklärt sich zu einem großen Teil erst dadurch, dass viele ihrer staatlichen Pendants ihren Fokus auf dem vermeintlichen "Normstudenten" hatten.
"Small is beautiful, too", findet der Vorsitzende
Auf den zweiten Blick ist das mit der großen Gelegenheit für alle Beteiligten allerdings so eine Sache – womit auch erklärbar wird, warum vielerorts gerade nicht das große Jubeln ausbricht. Denn die Hochschulfinanzierung läuft in den meisten Fällen hauptsächlich über die Zahl der Köpfe. Werden die weniger, stehen sie dann eben nicht der gleichen Menge an Geld gegenüber, die Hochschulen müssten Personal abbauen, und es wäre wenig bis nichts gewonnen. Erst recht, wenn dann auch noch einseitig bei den Fächern und Standorten eingespart würde, die gerade weniger am Arbeitsmarkt gefragt sind. Bei Wick hört sich diese Warnung so an: "Wir dürfen nicht aufgrund von Nachfrageschwankungen Fächer und Institute kaputtsparen, die wir später nur langwierig und mit hohen Kosten wieder aufbauen müssen."
Immerhin: Andere Finanzierungslogiken sind in der Hochschulpolitik in Ansätzen längst installiert. So haben Bund und Länder den gemeinsamen Hochschulpakt 2020, einst geschlossen, um die hunderttausenden zusätzlichen Erstsemester abzufangen, nach seinem Auslaufen in den "Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken" transformiert, der die Finanzierung allmählich von der Zahl der Erstsemester unabhängiger macht. Auf Anraten des Wissenschaftsrats. Zuletzt einigten sich Bund und Länder sogar noch darauf, die Zukunftsvertrags-Ausgaben pro Jahr um drei Prozent zu erhöhen – unabhängig von der Studierendenzahl.
Wolfgang Wick postuliert in seinem jährlichen Bericht denn auch ganz grundsätzlich: "Small is beautiful, too." Eine Hochschule, die weniger Studierende aufnehme und diese dafür besser betreue, müsse belohnt und nicht durch Stellenabbau bestraft werden. Eine ähnliche Hoffnung wurde in der Schulpolitik einst unter dem Stichwort "demographische Rendite" diskutiert: Bis in die Zehnerjahre hinein rechnete man dort mit bald sinkenden Schülerzahlen und appellierte an die Politik, die bisherigen Bildungsausgaben trotzdem beizubehalten – der Qualität zuliebe. Aus den sinkenden Schülerzahlen wurde dann übrigen nichts. Mal sehen, wie es sich mit der von der KMK prognostizierten Stagnation bei den Studierendenzahlen verhalten wird.
Entscheidend für die Durchschlagskraft von Wicks Appell wird freilich sein, dass er nicht nur von den Wissenschaftsministern ernstgenommen und beklatscht wird, die – mit Ausnahme von Hamburgs Finanzssenator (derzeit Andreas Dressel) – die Länderseite im Wissenschaftsrat vertreten. Vielleicht hilft bei der Vermittlung Richtung Haushaltspolitiker und Regierungschefs, dass seit April 2022 mit Jakob von Weizsäcker aus dem Saarland immerhin ein Landeswissenschaftsminister auch das Finanzressort verantwortet. Umgekehrt intensivieren gerade verschiedene Landesregierungen die Suche nach jeder sich auftuenden Sparmöglichkeit – oder streiten darüber (jüngstes Beispiel: Berlin). Eine aus Sicht vieler Hochschulen unschöne Koinzidenz mit der erwarteten Entwicklung der bundesweiten Studierendenzahlen.
Was der Wissenschaftsrat zu Brandenburgs Hochschulsystem und zum neuen Max-Planck-Institut "caesar" sagt
In seiner Wintersitzung beschloss der Wissenschaftsrat auch seine Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Hochschulsystems des Landes Brandenburg. Zuvor hatte das Gremium auf Bitten von Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) eine umfangreiche Begutachtung durchgeführt und dessen Ergebnisse auf über 600 Seiten dargestellt. Insgesamt erhielten dabei die Hochschulen recht viel Lob für ihre positive Entwicklung und die ihre Rolle beim gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel. Auch das Land kam gut weg: Es habe mit seinem finanziellen und politischen Engagement dazu beigetragen, die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Hochschulen zu steigern und Transfer, Digitalisierung sowie Qualitätssicherung zu stärken.
"Das Land sollte sein finanzielles Engagement fortsetzen und gemeinsam mit den Hochschulen Maßnahmen ergreifen, um die Qualität von Forschung und Lehre weiter zu verbessern und Herausforderungen zu begegnen, wie der an einigen Standorten rückläufigen Studierendennachfrage, dem Fachkräftemangel oder der Bildung kritischer Massen in der Forschung an den überwiegend kleinen Hochschulen", sagte der Vorsitzende Wolfgang Wick. Außerdem sollte das Wissenschaftsministerium seine Finanzierungs- und Steuerungsarchitektur vereinfachen, die Forschungsförderung stärker an den Stärken der Hochschulen ausrichten und zugleich die kooperative Spitzenforschung stärken.
Den Hochschulen empfahl der Wissenschaftsrat unter anderem, sich stärker überregional zu profilieren, ihre Kooperationen untereinander, mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, aber auch mit Akteuren außerhalb der Wissenschaft auszubauen. Mit innovativen Ansätzen in Studium und Lehre sollten sie dem Rückgang der Studierendenzahlen entgegenwirken und besser auf die unterschiedlichen Voraussetzungen der Studierenden eingehen.
Der Wissenschaftsrat lobte die Strategie der Landesregierung, den Strukturwandel in der Region Cottbus mithilfe der Bundesgelder aus dem Strukturstärkungsgesetz für die Kohleregionen wissenschaftspolitisch zu gestalten. Die aus der Fusion einer Universität mit einer Fachhochschule entstandene BTU Cottbus-Senftenberg müsse forschungsstärker werden und sich auch, um attraktiver für Studierende zu werden, zu einer reinen Universität entwickeln. Ein besonderes Lob erhielt die Universität Potsdam, die durch die Einwerbung kompetitiver Forschungsprojekte und die intensive Zusammenarbeit mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen überzeuge. Angesichts der geplanten Neugründung einer medizinischen Universität in Cottbus forderte der
Wissenschaftsrat eine enge Kooperation mit der BTU und die Auflösung der hochschulübergreifenden Fakultät für Gesundheitswissenschaften.
BTU-Präsidentin Gesine Grande sagte laut Research.Table, bei den Studierenden scheine die Trendwende bereits geschafft und mit rund 40 Prozent internationalen Studierenden sei man sogar Vorreiter. Die Forderung des Wissenschaftsrats, eine reine Universität zu werden, begrüßte sie, weil das derzeit noch 18 Semesterwochenstunden umfassende Lehrdeputat der ehemaligen FH-Kollegen diesen kaum Potenziale in der Forschung ermöglichten.
Wissenschaftsministerin Schüle kommentierte: "Wir sind auf dem richtigen Weg." Brandenburgs Wissenschaftslandschaft habe sich in den vergangenen Jahren exzellent entwickelt. "Zusammen müssen wir innovative Wege gehen, indem unsere Hochschulen noch klarere Profile entwickeln und Kooperationen weiter ausbauen sowie noch stärker auf Studienerfolg, auf durchlässige Bildungswege und auf gute Integration internationaler Studierender setzen." Man werde die Empfehlungen jetzt gemeinsam mit den Hochschulen auswerten. "Für das Land kann ich schon jetzt versprechen: Wir werden auch die Punkte angehen, die für das Ministerium unbequem sind."
Der Wissenschaftsrat nahm außerdem zur Eingliederung des Bonner Forschungszentrums "caesar" in die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) Stellung. Er sehe darin einen folgerichtigen Schritt für die Sicherung der Zukunft caesars. Die wissenschaftliche Verantwortung des heutigen "Max-Planck-Instituts für Neurobiologie des Verhaltens – caesar" habe bereits seit über 15 Jahren bei der MPG gelegen. "Durch die Integration übernimmt die MPG nun sowohl die rechtliche als auch die finanzielle Gesamtverantwortung."
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat den Wissenschaftsrat 2021 gebeten, den Eingliederungsprozess begleitend zu evaluieren. Dabei sollte allerdings keine inhaltliche Bewertung der wissenschaftlichen Qualität des "caesar" vorgenommen werden.
Um das "caesar" hatte es im Vorfeld der Eingliederung heftige Vorwürfe des Bundesrechnungshofs gegeben. Das BMBF wolle Stiftungsgelder in dreistelliger Millionenhöhe am Parlament vorbei an die Max-Planck-Gesellschaft übertragen. MPG und Ministerium widersprachen. Der Bundestag hatte der Eingliederung dann zwar zugestimmt, aber strenge Auflagen gemacht.
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Am Beispiel Nanotechnologien widmet sich die vorliegende Arbeit der Frage, wie Ver-sicherungsunternehmen neue Technikrisiken (Emerging Risks) bewerten, wie sie sich angesichts vielseitiger Wissenslücken verhalten und wie sich dies auf das gesamtgesellschaftliche Risikomanagement von Technologien auswirkt. Um den Umgang mit Nanotechnologien im Kontext unterschiedlicher Organisationstypen und Erwartungen zu untersuchen, wird eine neo-institutionalistische Theorieperspektive verwendet. Für den empirischen Teil der Arbeit wurden 39 leitfadengestützte Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Erst- und Rückversicherern, Industrieunternehmen, Versicherungsbrokern, Investoren und Ratingagenturen, zentralen Einrichtungen der breiten Öffentlichkeit und der staatlichen Regulierung sowie Forschungseinrichtungen geführt. Emerging Risks sind Versicherungsrisiken, die sich durch ein hohes Maß an Nichtwissen und Schadenspotenzial auszeichnen. Beide Merkmale ergeben sich aus dem Zusammenwirken technischer Bedingungen und der sozialen Einbettung von Versicherungsunternehmen. Nanotechnologien als Emerging Risks sind primär durch zahlreiche Wissenslücken hinsichtlich Technologiemerkmalen, künftigen sowie bereits aufgetretener Schäden geprägt. Das Schadenspotenzial wird in den meisten Fällen als weniger problematisch eingeschätzt. Bedenken hinsichtlich möglicher Schäden richten sich verstärkt an künftige, aktive Nanotechnologiegenerationen. Erwartet wird, dass vorrangig die Industrieversicherung betroffen ist. Gleichzeitig wird bei einer zunehmenden Verbreitung der Technologien eine Ausweitung auf die Sparten der Sach- und Lebensversicherung für wahrscheinlich gehalten. Die bisherigen Aktivitäten der Versicherer beschränken sich fast ausschließlich auf Monitoringbemühungen, insbesondere die Erstellung von Risikomatrizen. Abschließende Risikobewertungen liegen momentan auch nach teilweise mehrjähriger Aktivität bei keiner der Organisationen vor. Das Verhalten der Versicherungsunternehmen wird durch vier Institutionen bestimmt: Versicherbarkeit, Konkurrenz am Markt, Risikopartnerschaft und -wahrnehmung. Entscheidungen über Versicherbarkeit sind im Fall von Nanotechnologien durch die Abwesenheit quantitativer, empirischer Daten gekennzeichnet. Diese werden durch subjektive, qualitative Expertenurteile und Informationsmittel ersetzt und sind abhängig von der Ausgestaltung der Versicherungsverträge. Ein Faktor, der einer engeren Vertragsgestaltung entgegenwirkt, ist die Konkurrenzsituation unter Versicherern. Im Kontext unsicherer Handlungssituationen und der Abwesenheit vollständiger vertraglicher Erfassung spielt zudem Vertrauen in die "Risikopartnerschaft" eine wichtige Rolle für die Beteiligten. Die vierte Institution bilden branchenweit geteilte Wahrnehmungsmuster ("frames"), die sich durch frühere Schadensfälle und Debatten herausbilden. Diese bestehen zum einen in Analogien zu früheren Risiken (Asbest und Gentechnologie), zum andern in geteilten Risikobegriffen und Konzepten, die Risikosachverhalte sinnhaft erschließen. Die künftige Entwicklung des Themas Nanotechnologien hängt von Ereignissen ab, die die Aufmerksamkeit für das Thema erhalten oder verstärken. Die wichtigsten Ereignisse im weiteren Versicherungsumfeld, die zu Veränderungen in der aktuellen Situation führen können, sind wissenschaftliche Befunde zu Risikopotenzialen, neue Gesetzgebung und Rechtsprechung und ein Wandel der öffentlichen Meinung zu Nanotechnologierisiken. Treten in der Zukunft keine signifikanten Ereignisse ein, die belegen, dass Nanotechnologien als Risiko ein hohes Schadenspotenzial bergen, wird das Thema aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren kontinuierlich an Bedeutung verlieren. Dem gegenüber steht ein diskontinuierliches Szenario bei Schadenseintritten, bei dem die Versicherer aufgrund der veränderten Risikobewertung und bisherigen Framings des Themas zu einer Verengung des Versicherungsschutzes bis hin zu Ausschlüssen angehalten wären. Aktuell scheint eine Verengung der Zeichnungsbedingungen für Nanotechnologien weder notwendig noch durchsetzbar. Stattdessen ergeben sich drei Handlungsmöglichkeiten: Monitoring, Dialog mit dem engeren und Dialog mit dem weiteren Versicherungsumfeld. Monitoring im Hinblick auf Bedingungen der Versicherbarkeit bildet die momentan vorrangige Handlungsstrategie in der Versicherungswirtschaft. Dialoge mit dem engeren Versicherungsumfeld können neben einem Mehr an Informationen zur Versicherbarkeit zu einer Steigerung wechselseitigen Vertrauens sowie einer Mitgestaltung der Risikoframes führen. Eine zweite Dialogform bezieht das weitere Versicherungsumfeld in den Austausch von Informationen und Positionen mit ein. Beide Formen des Dialogs fanden aber in der Vergangenheit nur in begrenztem Umfang statt. Betrachtet man die Rolle der Versicherer im gesamtgesellschaftlichen Risikomanagement, wird deutlich, dass eine Vielzahl von Akteuren das Verhalten der Versicherer beeinflusst und ein zunehmendes Bewusstsein für diese Wechselwirkungen und gegenseitigen Rollenzuweisungen besteht. Versicherer wirken bei Nanotechnologien jedoch nicht gezielt auf die Entwicklung von Technologierisiken ein, sondern verhalten sich vorrangig reaktiv. Gegenwärtig ist alleine die Risikominderung bei Industrieunternehmen durch die Übertragung finanzieller Risiken von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Versicherer haben in der Vergangenheit zum Framing des Risikos beigetragen. Aktuell sind sie diesbezüglich aber nicht mehr aktiv und wirken auch nicht an der Vorbeugung von Risiken im Rahmen des technischen Risikomanagements mit. Als eines der gegenwärtig bedeutsamsten Technologiefelder werden Nanotechnologien in den kommenden Jahren in der Industrie wie für den Verbraucher weiter an Bedeutung zunehmen. Bei Versicherern ist inzwischen ein Problembewusstsein etabliert, und erste Risikomanagementmaßnahmen wurden ergriffen. Wie sich das Thema in der Versicherungsindustrie weiterentwickeln wird, ist aber von der noch offenen Risikobewertung und dem Verhalten der Versicherer abhängig. Hinsichtlich der Informationsgewinnung, aber auch hinsichtlich stabilisierender Faktoren, wie der Risikopartnerschaft mit den Kunden und einer erhöhten Risikowahrnehmung, ist ein aktiver Austausch im Sinne eines offenen Dialogs mit dem primären Versicherungsumfeld der effektivste, wenn auch nicht einfachste Weg. Ein Dialog mit dem weiteren sozialen Umfeld wäre im Hinblick auf das gesellschaftliche Risikomanagement zu wünschen, ist aber in der aktuellen Situation von den Versicherungsunternehmen nicht zu erwarten. ; Using the example of nanotechnologies, the dissertation attends to the question how insurance companies assess the risks of emerging technologies, how they react in view of numerous knowledge gaps and how this has an effect on the technological risk management of society as a whole. In order to analyse the handling of nanotechnologies in the context of different types of organisations, a neo-institutional perspective is applied. The empirical part of the dissertation consists of 39 guided interviews with representatives of direct insurance companies and reinsurers, industrial enterprises, insurance brokers, investors and rating agencies, public institutions, governmental regulation authorities and research institutions. Emerging risks are insurance risks, which are characterised by a high level of ignorance and damage potential. Both arise from the combination of technical conditions and the social embeddedness of insurance companies. Nanotechnologies as emerging risks are primarily marked by a high degree of knowledge gaps with regards to characteristics of the technologies, present and future damages. The second feature of emerging risks, the damage potential, usually is estimated as less problematic. Concerns about possible damages are to an increasing extend directed at future nanotechnology generations. It is expected that industrial insurance is primarily affected. At the same time, with an increasing dispersal of nanotechnologies, an expansion towards other classes of insurance such as property and life is considered probable. The previous activities of insurance companies limit themselves to risk monitoring, particularly risk matrixes. However, even after several years of risk management activities, final risk assessments do not exist. The behaviour of insurance companies is determined by four institutions: insurability, competition in the market, risk partnership, and risk perception. In the case of nanotechnologies, decisions about insurability are characterized by the absence of empirical, quantitative data. These data are replaced by subjective, qualitative judgements of experts and information tools that depend on the form of the insurance contracts. One factor which opposes stricter underwriting rules is provided by the competition in the insurance markets. In the context of uncertain decision making and the absence of complete contractual coverage, trust in the so-called risk partnership is of central importance for those involved. The fourth institution is constituted by collective perception frames, which are developed because of earlier insurance damages and risk debates. These frames are provided on the one hand by analogies with prior risk cases (such as asbestos and genetically modified organisms), on the other hand by collectively shared notions and concepts of risk. The future development of the topic nanotechnology in the insurance industry depends on events that preserve or increase the awareness for risk issues. The most important events in the wider social setting of insurances that can lead to changes are scientific evidence about risk potentials, new legislation and jurisdiction and a change in the public opinion towards the risks of nanotechnologies. The most significant event in the closer social environment would be an industrial accident. Factors internal to the insurance industry are the framing of nanotechnologies as emerging risk similar to asbestos and genetic engineering, the behaviour of competitors, and the imitation of risk-monitoring activities. If there are no significant events in the future proving, that nanotechnologies as a risk hold a high damage potential, it is most likely that the issue will continuously become less significant in the years to come. This scenario can be contrasted with a development caused by extensive insurance damages. Because of a change in the risk assessment and because of existing framing patterns, stricter underwriting rules to the extend of excluding the coverage of nanotechnologies from the insurance contracts are possible. Currently, a narrowing of underwriting rules for nanotechnologies seems to be neither necessary nor enforceable. Instead, three different management options exist: Risk monitoring, a dialogue with the closer, and a dialogue with the wider social environment of insurance companies. Risk monitoring with regard to conditions of insurability represents the primary strategy applied by the insurance industry at the moment. Because of the extensive knowledge gaps in the case of nanotechnologies, these efforts, however, come up against their limits. Dialogues with the close insurance setting can help to broaden the information base, increase mutual trust and impact the collective risk frames. The second form of dialogue can include the wider social environment of insurance companies for the exchange of information and opinions. However in the past both forms of dialogue were limited in time and extend. Focusing on the role of insurance companies in the societal governance of risks, it becomes clear that a multitude of actors involved impact on their behaviour, and that there is a growing consciousness for the interdependencies and mutual expectations. However, insurance companies do not try to influence the development of technology risk directly but mostly portray a reactive behaviour. At the moment, the only contribution to the societal management of nanotechnology risks is constituted by the transfer of financial risks for industrial enterprises. Insurance companies contributed to the framing endeavours, primarily on the socio-economic dimension, in a period from 2002 to 2006. Currently though, insurance companies are not active in this field and do not contribute to the prevention of risk with regard to the technological risk management. Constituting one of the most important fields of technological development, nanotechnologies will become of major importance in the industrial sector as well as for consumers in the years to come. Insurance companies have established a consciousness for the risks and initiated first risk management activities. These however have declined in recent years. How the topic will develop for the industrial insurance depends on the behaviour of the insurance companies and the risk assessment that is still very much uncertain. With regard to the gathering of information and stabilising factors, such as the trust in partnership and heightened levels of risk perception, an open dialogue in the closer social environment seems to be the most promising strategy for insurance companies. A dialogue with the wider social surroundings would be desirable for the societal risk governance process but is unlikely to be carried out in the near future.
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Wissenschaftsministerin Petra Olschowski über den Gang der ETH Zürich nach Deutschland, den Umbau der Lehrerbildung, die Zukunft der Kultusministerkonferenz – und die Frage, ob Baden-Württemberg das neue Ruhrgebiet ist.
Petra Olschowski (Grüne) war 2010 bis 2016 Rektorin der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und 2016 bis 2022 Staatssekretärin. Seit September 2022 ist sie baden-württembergische Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Foto: Lena Lux Fotografie & Bildjournalismus.
Frau Olschowski, die ETH Zürich hat neulich verkündet, dass sie eine Filiale in Baden-Württemberg eröffnen wird – in Heilbronn, als Nachbarin der TU München. Auch für Sie eine Überraschung?
Die Dieter-Schwarz-Stiftung, die den Bildungscampus Heilbronn stark mit vorantreibt, kann ohne Rücksprache mit dem Land Entscheidungen treffen, hat uns aber einige Tage vor der Bekanntgabe der Pläne informiert. Nach unserem Landeshochschulrecht muss das Wissenschaftsministerium der Ansiedlung zustimmen. Das prüfen wir jetzt. Grundsätzlich ist es erst mal ein starkes Zeichen für den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg, wenn es eine international herausragende Universität wie die ETH Zürich hierherzieht und sie ein Lehr- und Forschungszentrum für digitale Transformation errichten will. Das starke Netzwerk in der KI-Forschung, das wir im Land auch mit dem Cyber Valley aufbauen, wird dadurch noch stärker.
Sind Sie nicht enttäuscht, dass die ETH lieber dem Ruf von Milliardär Dieter Schwarz folgt, anstatt für ihren Deutschland-Trip einen der Innovationscampi auszusuchen, von denen Ihr Ministerium inzwischen fünf mit staatlichen Mitteln fördert, darunter das Cyber Valley in Tübingen?
Die ETH Zürich ist schon lange ein wichtiger Partner für das Cyber Valley, in das wir seit 2016 als Land investieren. Das Konzept vom Bildungscampus Heilbronn und unserer Innovationscampus-Modelle folgen der sehr ähnlichen Idee einer Verdichtung von Expertise, der Idee des möglichst frühen Transfers von Forschungserkenntnissen in die Wirtschaft. Im Cyber Valley sind das neben den Universitäten Stuttgart und Tübingen die Max-Planck-Gesellschaft und Unternehmen wie Amazon, Daimler oder Bosch. Dass die Dieter-Schwarz-Stiftung den Kooperationspartner ETH jetzt über die Grenze holt, eröffnet natürlich nochmal zusätzliche Perspektiven für die Zusammenarbeit.
"Ich kenne mich gut aus mit der Geschichte des Strukturwandels im Ruhrgebiet."
Fest steht: Baden-Württemberg braucht solche Nachrichten dringend. Das einst erfolgsverwöhnte Vorzeigeland steckt mit seiner Automobilindustrie in einer ähnlich tiefen Strukturkrise wie das Ruhrgebiet mit seiner Kohle- und Stahlindustrie in den 60er Jahren.
Ich kenne mich gut aus mit der Geschichte des Strukturwandels im Ruhrgebiet. Meine Mutter kommt aus Dortmund, mein Opa hat untertage gearbeitet. Ich erinnere mich an die Debatten am Abendbrottisch, wie mein Opa und seine Kollegen weiter auf die Kohle gesetzt haben, obwohl längst absehbar war, dass es so nicht weitergeht. Schau ich mir die Situation heute in Baden-Württemberg an, gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Erstens: Wir werden uns eben nicht von der Automobilindustrie lösen müssen, wie Nordrhein-Westfalen sich von der Kohle lösen musste. Zweitens: Viele Dinge werden sich trotzdem grundsätzlich ändern. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat schon 2017 einen Strategiedialog zur Transformation der Automobilindustrie eingerichtet, bei dem die Chefs der großen Auto- und Zulieferkonzerne regelmäßig zusammensitzen mit Gewerkschaften, Lobbygruppen, aber auch mit der Wissenschaft, mit den Landesministerien. Alle Beteiligten eint: Wir bleiben ein starker Automobilstandort, aber unsere Geschäftsmodelle wandeln sich, die Antriebsformen werden andere, der Schwerpunkt der Wertschöpfung verschiebt sich vermutlich Richtung Hochtechnologie.
Namentlich: die Künstliche Intelligenz in all ihren Ausprägungen. Tatsächlich hat Baden-Württemberg mit Aleph Alpha aus Heidelberg jetzt sogar einen von nur zwei europäischen Hoffnungsträgern, um ChatGPT Parolie zu bieten. Wiederum seit kurzem größter Geldgeber: die Schwarz-Gruppe und die Dieter-Schwarz-Stiftung. Deutschland war es dann auch, das neben Frankreich am meisten Druck gemacht hat, um eine Regulierung sogenannter Foundation Models im europäischen KI-Gesetz zu verhindern. Auf Initiative Baden-Württembergs?
Es trifft zu, dass wir uns als baden-württembergische Landesregierung dafür eingesetzt haben, bei dem Gesetzgebungsverfahren die Interessen von Innovation und Forschung zu berücksichtigen. Wir müssen ein europäisches KI-Modell hinbekommen, das nicht alle Freiheiten lässt, das die Möglichkeiten von Überwachung etwa am Arbeitsplatz in den Blick nimmt, zugleich aber nicht den Weg der Überregulierung geht. Wir reden die ganze Zeit darüber, dass wir als Gesellschaft risikofreudiger werden müssen. Dann sollten wir auch danach handeln. Wir wissen heute nicht, wie der wissenschaftliche Fortschritt in fünf oder in zehn Jahren aussieht. Darum dürfen wir jetzt nicht alle technologischen Entwicklungspfade blockieren. Wir müssen in Zukunft vermutlich lernen, unsere Gesetzgebung den Erkenntnissen entsprechend laufend anzupassen und nicht zu meinen, ein Gesetz gilt für Jahrzehnte. Und wir sollten im Zweifel die Innovationskraft von Wissenschaft und Wirtschaft zulassen. Das gilt bei der KI, aber auch bei der grünen Gentechnik und anderswo.
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Ob Industrie, Mobilität, Ernährung, Gesundheit: Überall, wo der Strukturwandel in Gang kommt, wo Deutschland sich neu erfinden muss, soll immer die Forschung es richten. Die Hoffnungen sind gewaltig. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass Politik Wissenschaft nur noch instrumentell begreift? Als Mittel zum Zweck?
Wir müssen uns ehrlich machen. Es gab eine Zeit, da hat sich die Wissenschaft zu wenig den Erwartungen und den Bedürfnissen der Gesellschaft gestellt. Das ist vorbei. Unsere Wissenschaftslandschaft verändert sich und damit die Forschungsförderung, die wir betreiben. Alle wissen: Wir werden den Wandel in der Gesellschaft ohne neue Technologie nicht hinbekommen. Aber natürlich nicht nur über Technologie. Wir müssen genauso über soziale Innovationen reden, womit auch und gerade die Geistes- und Sozialwissenschaften gefragt sind. Es wird jedenfalls deutlich schwieriger einfach zu sagen: Das geht mich alles nichts an, mir ist egal, wie es der Gesellschaft geht und was sie braucht. Das ist aber nur die eine Seite. Die andere ist: Wir wissen genau, dass es die freie Grundlagenforschung gerade um der Anwendung von morgen und übermorgen willen braucht. Sie ist die Basis aller wissenschaftlichen Erkenntnis, sie gehört grundlegend geschützt und unterstützt. Und sie wird es auch.
Dieser Paradigmenwechsel, den Sie beschreiben, ist besonders für die Grünen heftig. Wenn Sie etwa Spielraum und Experimentierlust auch in der grünen Gentechnik fordern, tun Sie das im Einklang mit Ihrer Parteifreundin, Hamburgs grüner Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank, aber konträr zu langjährigen Überzeugungen des grünen Mainstreams.
Die grünen Wissenschaftsministerinnen und Wissenschaftspolitiker waren sich in der Hinsicht immer weitestgehend einig, das umfasst auch unsere scheidende hessische Kollegin Angela Dorn. Aber natürlich gibt es die andere Seite, Parteifreundinnen und -freunde, die ihren Fokus stärker auf der Biolandwirtschaft haben. Es ist gut, dass wir beide Strömungen in der Partei haben. Wir Grünen waren und sind eine Partei, die viele Themen der Gesellschaft in Tiefe und Breite offen ausdiskutiert. Das ist in erster Linie eine Stärke, aber manchmal auch eine Schwäche.
"Darüber zu sprechen, ist mit diesem BMBF im Moment leider nicht so einfach möglich."
In Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatten Sie immer eine Verbündete, was den Schutz von KI oder grüner Gentechnik vor einer aus ihrer Sicht zu starken Regulierung anging. Doch bei vielen Themen in der Bildungs-, Wissenschafts- und Innovationspolitik knirscht es zurzeit zwischen Bund und Ländern. Woran liegt das?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Bei der geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) erfahren wir kaum etwas zum Stand, zur Konzeption und zur Ausstattung. Vielleicht wird die DATI am Ende hilfreich sein, vielleicht wird sie ein Erfolg. Aber als Länder bleiben wir außen vor. Wir haben Vertrauen in die gebildete Gründungskommission, außerdem bin ich erfreut, dass das BMBF offenbar innovative Themen setzen und neue Formate ausprobieren will. Die Länder hätten allerdings auch Expertise bei der Frage zu bieten, wie die Agentur noch besser bzw. wie die Anschlussfähigkeit an bestehende Länderprogramme sichergestellt werden könnte. Nur: Darüber zu sprechen, ist mit diesem BMBF im Moment leider nicht so einfach möglich.
Aber warum ist das so?
Ich würde lieber darüber sprechen, wie wir das ändern. Bei den Verhandlungen um die Fortsetzung des Programms zur HAW-Forschungsförderung hatten wir zwischendurch auch sehr schwierige Phasen. Es hätte schneller und vertrauensvoller gehen können, wir haben miteinander gerungen, aber am Ende sind wir zu einem Ergebnis gekommen. Das könnte, das sollte doch jetzt unser gegenseitiges Vertrauen in unsere Kooperationsfähigkeit stärken – bis zu dem Punkt, dass der Bund unseren Wunsch, als Länder früher und besser mit ihm ins Gespräch zu kommen, ernst nimmt. Dass man im BMBF ein Gefühl dafür entwickelt, dass wir nicht nur die Schreckgestalten des Föderalismus sind, sondern Partner, die am Ende das gleiche Interesse haben: die Wissenschaft in Deutschland stark zu machen.
Wobei die Länder sich mitunter selbst schon genug Probleme bereiten. Die Wissenschaftsminister waren so frustriert über ihre Rolle in der Kultusministerkonferenz (KMK), dass sie jetzt ihre eigene Wissenschaftsministerkonferenz bekommen sollen. Droht die Scheidung von den Bildungsministern?
Ich hoffe nicht. Bis Sommer werden wir prüfen, was das richtige Format für die Wissenschaft sein wird: innerhalb oder außerhalb der KMK. Ich plädiere sehr dafür, dass wir die Verknüpfung erhalten, aber anders gestalten als bislang, denn so, wie es war, hat es wirklich nicht funktioniert. Dafür sind die Dynamiken und Schwerpunktsetzungen zwischen Bildungs- und Wissenschaftspolitik doch zu unterschiedlich. Umgekehrt gibt es viele Themen, bei denen wir eng verbunden sind. Bei der anstehenden Reform der Lehrerbildung, aber auch bei der Frage, wie das Abitur künftig die Verbindung zwischen Schule und Hochschule darstellen kann.
"Manchmal hatte ich eher den Eindruck, dass unter den Kultusministerinnen und Kultusministern einige sind, die die Wissenschaft ganz aus der KMK verabschieden wollten."
Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) rief schon mal eine "Revolution statt Evolution" aus.
Es mag zutreffen, dass Karin Prien…
…Schleswig-Holsteins CDU-Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur…
…und ich eher zu denen gehören, die die Einrichtung einer eigenen Wissenschaftsministerkonferenz schmerzt. Bei Karin Prien schon deshalb, weil sie Bildung und Wissenschaft in ihrem Ressort vereint. Bei mir, weil ich zwar als Kulturministerin durchaus die Vorteile sehe, seit die Kulturminister ihre eigene Kulturministerkonferenz haben. Weil ich zugleich aber ungute Loslösungserscheinungen bemerke, obwohl sich die Kulturministerkonferenz sogar unter dem Dach der KMK befindet. Wir sind Wissenschaftsministerium, wir sind aber auch Hochschulministerium und haben damit auch die Bildung im Haus. Deshalb bin ich dafür, dass die neue Konferenz zumindest ebenfalls Teil der KMK wird. Übrigens sieht auch Markus Blume den Wert starker Verbindungen zu den Kultusministern. Manchmal hatte ich eher den Eindruck, dass unter den Kultusministerinnen und Kultusministern einige sind, die die Wissenschaft am liebsten ganz aus der KMK verabschieden wollten.
Wie stellen Sie sich den Neuanfang praktisch vor?
Es ist zu früh, das zu sagen. Aber sicherlich würde es Sinn ergeben, die Sitzungen einer Wissenschaftsministerkonferenz an die Termine der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern anzubinden, denn dann treffen wir uns ohnehin schon. Und die Termine mit dem Wissenschaftsrat müssen wir außerdem koordinieren. Was allein schon zeigt: Mehr Gremien haben nicht automatisch einen Mehrwert an sich.
Zumal Sie die Reform der Lehrerbildung eben schon ansprachen. Da werden Sie ohnehin wieder alle zusammensitzen müssen, wenn es keinen Wildwuchs geben soll. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) hat die Länder gerade dringend zu einer föderalen Stimmigkeit und Systematik bei der Neugestaltung aufgerufen.
Mein erster Eindruck ist, das Gutachten der SWK bestätigt in vielen Teilen die Richtung, die wir in Baden-Württemberg bereits eingeschlagen haben. Es gibt allerdings einige Punkte, bei denen wir anderer Meinung sind.
"Den Ein-Fach-Lehrer in einigen Hauptfächern ermöglichen."
Sie meinen: das duale Lehramtsstudium, das Baden-Württemberg und andere Länder pushen, das die SWK-Experten aber ablehnen.
Zum Beispiel. Wobei man sich genau anschauen sollte, was mit dualem Studium gemeint ist. Wenn das Gutachten etwa empfiehlt, das Referendariat zu kürzen und die Praxisanteile in den Master zu packen, entspricht das genau dem, was wir unter der Überschrift "duales Studium" planen. Die Sorge der SWK besteht vor allem darin, dass die Wissenschaftlichkeit des Studiums leidet, das muss aber nicht der Fall sein, wenn man die Praxiselemente vernünftig einarbeitet. Noch wichtiger sind die Themen, bei denen sich das Gutachten deckt mit dem, was wir Länder, übrigens schon jetzt recht einheitlich, vorhaben. Beispiel Ein-Fach-Lehrer: Dass es diesen in bestimmten Mangelfächern geben muss, dafür gibt es nach meiner Einschätzung in der KMK eine Mehrheit. Und trotzdem wird ein Flächenland wie Baden-Württemberg, in dem es auch kleine Grundschulen auf dem Land gibt mit nur 15 Schülern in der Klasse, teilweise andere Lösungen entwickeln müssen als ein Stadtstaat wie Hamburg.
Beim Ein-Fach-Lehrer, sagen Sie, herrsche weitgehend Konsens zwischen den Ländern. Tatsächlich? Es macht einen großen Unterschied, ob man das Modell nur für Mangelfächer etablieren will, als Notmaßnahme gegen den akuten Lehrkräftemangel – oder es durch die Bank einführt als dauerhafte strukturelle Neuordnung der Lehrerbildung.
Im Moment liegt der Fokus sehr stark auf der Mathematik, weil dort der Mangel am stärksten und der Reformbedarf zugleich besonders groß ist in einem Studium, das als extrem anspruchsvoll und angstbehaftet gilt. Wir sehen zudem, dass internationale Bewerberinnen und Bewerber nicht an Schulen arbeiten können, weil ihnen das zweite Fach fehlt. Ein entscheidender Punkt könnte sein, ob wir von Haupt- oder Nebenfächern sprechen. Das hielte ich für eine sinnvolle Unterscheidung: den Ein-Fach-Lehrer in einigen Hauptfächern ermöglichen und, wenn er sich über den akuten Lehrkräftemangel hinaus bewährt, auf weitere Fächer ausweiten.
Die SWK empfiehlt, den Absolventen der Ein-Fach-Studiengänge die berufsbegleitende, aber nicht weniger wissenschaftsbasierte Fortbildung zum zweiten Fach zu ermöglichen. Reicht das? Muss es nicht eine Verpflichtung geben? Die würde schließlich auch die Länder binden, genügend Kapazitäten dafür zur Verfügung zu stellen.
Ich wäre dafür. Möglicherweise ist es keine erstrebenswerte Perspektive, als Lehrerin oder Lehrer über Jahrzehnte hinweg immer nur Mathematik zu unterrichten. Hinzu kommt, dass die Weiterbildung im Lehrerberuf trotz aller Bemühungen nie die Bedeutung bekommen hat, die ihr zusteht. Viele Lehrkräfte beklagen seit langem, dass sie sich nicht richtig in ihrem Schulalltag weiterentwickeln können. Es wäre eine wunderbare Folge der Ein-Fach-Lehrer-Debatte, wenn wir neue, hochwertige Weiterbildungsoptionen für alle eröffnen könnten.
"Darum plädiere ich dafür, dass wir jetzt erstmal aus den Studiengebühren aussteigen und offen bleiben für weitere Entwicklungen."
Einen Alleingang ist Baden-Württemberg vor Jahren bei Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende gegangen. Im vergangenen Frühsommer sprachen sich die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU dann für die Abschaffung aus, auch der unabhängige Monitoring-Beirat empfahl diese. Wie geht es weiter?
Die Entscheidung wird Teil der Haushaltsberatungen 2024. Die Zahlen, die wir zuletzt wieder vorgelegt bekamen, sprechen allerdings für sich. Die Diskrepanz zwischen dem Angebot an akademischen Fachkräften und dem Bedarf, den wir in Baden-Württemberg bis 2040 haben, ist so groß, dass sie die Transformation, von der wir eingangs sprachen, erschwert. Darum ist es mein oberstes Interesse, eine möglichst große Zahl hochqualifizierter Studierender an unseren Hochschulen zu haben. Erfreulicherweise kommen auch zu uns wieder mehr internationale Studienanfänger, aber im Vergleich der Bundesländer sind wir zurückgefallen. Wir haben unsere Exzellenzuniversitäten, wir haben wunderschöne Orte zum Studieren von Heidelberg über Konstanz am Bodensee bis nach Freiburg und Tübingen, da bleibt nur ein Grund übrig, der die Entwicklung erklärt: die Studiengebühren. Das ergeben diverse Umfragen: Für Studieninteressierte aus dem Ausland sind die Studiengebühren neben der Visavergabe und anderen Barrieren die eine Hürde zu viel, um zu uns zu kommen.
Sagen Sie – während die TU München zum Wintersemester 2024/25 selbstbewusst Studiengebühren für internationale Studierende aus sogenannten Drittstaaten einführt, die sogar deutlich höher liegen.
Natürlich schauen wir uns das bayerische Modell an, das die Entscheidung über die Einführung den einzelnen Hochschulen überlässt. Was das mit der Dynamik der bayerischen Hochschullandschaft macht, wenn ein Hochschulstandort immer mehr zusätzliche Mittel generiert, während andere abfallen, wird man sehen. Umgekehrt stimmt ja, dass die deutschen Universitäten im internationalen Wettbewerb mit den USA, Kanada oder Großbritannien auch von ihrer Ausstattung her attraktiv sein müssen, und die kostet. In Bayern können die Hochschulen das Geld, das sie durch die Gebühren einnehmen, behalten. Bei uns fließen sie zum großen Teil in den Topf der Hochschulfinanzierung – verteilen sich also gleichmäßig auf alle Standorte. Die TUM kann sich bei der Betreuung ihrer internationalen Studierenden in Zukunft Dinge leisten, für die an anderen Hochschulen die Mittel einfach nicht reichen.
Sie glauben also, für die TU München könnte es sich lohnen, und die internationalen Studierenden kommen weiterhin?
Das werden wir sehen und sicher auch für uns prüfen. Auch in Baden-Württemberg gibt es mit Standorten wie Heidelberg international attraktive Orte, auch aufgrund ihrer Geschichte. Gleichzeitig brauchen wir internationale Studierende aber vielleicht gerade an den Standorten, die in den MINT-Fächern stark sind, wo die Städte aber vielleicht nicht so bekannt sind. Das könnte ein Spannungsfeld sein. Darum plädiere ich dafür, dass wir jetzt erstmal in Baden-Württemberg aus den Studiengebühren aussteigen und offen bleiben für weitere Entwicklungen.
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Eine nachhaltige Entwicklung bedeutet eine dauerhaft mögliche Entwicklung innerhalb des ökologischen Erdsystems. Durch das weltweite Bevölkerungswachstum, den ansteigenden Wohlstand und nicht-nachhaltige Lebensweisen drohen die ökologischen Belastungsgrenzen unsere Erde jedoch überschritten zu werden bzw. wurden teilweise bereits überschritten. Dies hat zur Folge, dass nachfolgende wie auch parallel existierende Generationen nicht die gleichen Möglichkeiten zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse haben, wie die heute in den Industriestaaten lebenden. Die landwirtschaftliche Erzeugung trägt dabei einen bedeutenden Teil zu dieser Bedrohung und Überschreitung der planetaren Grenzen bei, denn insbesondere der hohe und weiter ansteigende Konsum von tierischen Produkten weltweit hat zahlreiche ökologisch, jedoch auch sozial und gesundheitlich nachteilige Folgen. Einer der grundlegenden problematischen Aspekte tierischer Produkte ist der hohe Energieverlust im Laufe des Veredlungsprozesses von pflanzlichen Futtermitteln zu Fleisch- und Milchprodukten. Die Folge sind große intensiv genutzte Landwirtschaftsflächen, die notwendig sind, um jene Futtermittel zu produzieren. Dies führt zu Biodiversitätsverlusten, Treibhausgasemissionen, Landraub und gesundheitlichen Problemen aufgrund des Pestizidgebrauchs. Weitere Konsequenzen eines hohen Konsums tierischer Produkte umfassen einen hohen Wasserbedarf, Flächenkonkurrenzen zwischen dem direkten Lebensmittel- und dem Futtermittelanbau, aber auch den ethisch bedenklichen Umgang mit Tieren sowie Gefahren für die menschliche Gesundheit, z. B. koronare Herzerkrankungen und Antibiotikaresistenzen. Begründet liegt dieser hohe und weiter wachsende Konsum tierischer Produkte in persönlichen, sozialen, ökonomischen und politischen sowie strukturellen Faktoren, wobei in vorliegender Arbeit auf den durch die westeuropäische Kultur geprägten Menschen fokussiert wird. Persönliche und soziale Hindernisse für einen reduzierten Konsum tierischer Lebensmittel liegen insbesondere in einem fehlenden Wissen, dem psychologischen Phänomen der kognitiven Dissonanz, mangelnder Achtsamkeit sowie dem Druck sozialer Normen. Wirtschaftspolitische und strukturelle Hindernisse umfassen eine wachstumsorientierte Ökonomie, fehlende Preisanreize für einen nachhaltigen Konsum sowie eine Infrastruktur, die den Konsum tierischer Produkte begünstigt. Nichtregierungsorganisationen (NRO) als Teil des sog. Dritten Sektors, neben der Wirtschaft und der Politik, und als Vertreterinnen der Gesellschaft sind essentielle Akteurinnen in nationalen und internationalen Gestaltungsprozessen. Sie werden zumeist von der Gesellschaft oder zumindest Teilen der Gesellschaft unterstützt und können durch Öffentlichkeitsarbeit und andere Maßnahmen auf politische und ökonomische Protagonisten Druck ausüben. Somit sind NRO als potentielle Schnittstelle zwischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft vielversprechende Einrichtungen um den Konsum tierischer Produkte zu senken. Aufgrund der o. g. multidimensionalen Auswirkungen des hohen Konsums tierischer Produkte, haben insbesondere NRO, die die Ziele Umweltschutz, Ernährungssicherung, Tierschutz und Gesundheitsförderung verfolgen, potentiell Interesse an einer Reduktion des Fleisch-, Milch- und Eikonsums. Studien über NRO in Schweden, Kanada und den USA weisen jedoch darauf hin, dass Umweltorganisationen sich in ihrer Arbeit für eine Begrenzung des Klimawandels nur in begrenztem Umfang für eine pflanzenbetonte Ernährungsweise einsetzen. Aufgrund der o. g. mehrdimensionalen Folgen eines hohen Konsums tierischer Lebensmittel weitet vorliegende Arbeit den Erhebungsumfang aus und umfasst die Untersuchung von deutschen Umwelt-, Welternährungs-, Gesundheits- und Tierschutzorganisationen in Hinblick auf deren Einsatz für eine Reduktion des Fleisch-, Milch- und Eikonsums. Die Erhebung umfasst die Untersuchung von 34 der wichtigsten deutschen NRO mittels Material- und Internetseitenanalyse, vertiefende leitfadengestützte Expert*inneninterviews mit 24 NRO sowie eine Fokusgruppendiskussion zur Ergebniskontrolle, wobei das zentrale Element dabei die Expert*inneninterviews darstellen. Insgesamt entspricht der Forschungsprozess der Grounded Theory Methodologie (GTM), einem ergebnisoffenen, induktiven Vorgehen. Die Forschungsfragen umfassen neben der Analyse des aktuellen Umfangs des Einsatzes für eine pflanzenbetonte Ernährungsweise insbesondere die Einflussfaktoren auf diesen Umfang sowie die umgesetzten Handlungsstrategien für eine Reduktion des Konsums tierischer Lebensmittel. Entsprechend der GTM steht am Ende des Forschungsprozesses vorliegender Arbeit ein Modell, das die Erkenntnisse in einer verdichteten Kernkategorie zusammenfasst. Als zentrales Ergebnis der Erhebung kann das 'Modell der abwägenden Bestandssicherung' gesehen werden. Es weist, in Übereinstimmung mit der Literatur, darauf hin, dass NRO als Teil der Gesellschaft von der Außenwelt abhängig sind, d. h. von ihren Mitgliedern und staatlichen wie privaten Geldgeber*innen, aber auch von parallel agierenden NRO, Medien und gesellschaftlichen Entwicklungen. Dies kann unter der Überschrift der 'Einstellung relevanter Interessensgruppen' zur Thematik der tierischen Lebensmittel gefasst werden. Auf der anderen Seite steht die 'Einstellung der Mitarbeitenden' einer NRO, da die Themenaufnahme der Problematik eines hohen Fleisch-, Milch- und Eikonsums auch davon abhängt, welche Bedeutung die Mitarbeitenden dieser Thematik zusprechen und inwiefern sie bereit sind sie in das Maßnahmenportfolio aufzunehmen. Wenn sowohl die Interessensgruppen als auch die Mitarbeitenden einer NRO der Themenaufnahme befürwortend gegenüber gestellt sind, so ist ein umfassender Einsatz für eine Reduktion des Konsums tierischer Lebensmittel von dieser NRO zu erwarten. Dies trifft in vorliegender Erhebung vorwiegend auf Tierschutzorganisationen und einige Umweltorganisationen zu. Der gegenteilige Fall einer fehlenden Thematisierung tierischer Produkte tritt ein, wenn weder relevante Interessensgruppen, noch die Mitarbeitenden einer NRO die Themenaufnahme befürworten oder als dringlich erachten. Dies kann insbesondere bei Welternährungs- und Gesundheitsorganisationen beobachtet werden. Wenn die Mitarbeitenden einer NRO die Thematisierung der Problematik tierischer Lebensmittel befürworten, die relevanten Interessensgruppen jedoch ablehnend gegenüber derartigen Maßnahmen stehen, ist eine zurückhaltende Thematisierung zu erwarten, die sich auf Informationstexte bspw. auf den Internetseitenauftritten der NRO beschränkt. Dies ist v. a. bei Umwelt- und Welternährungsorganisationen erkennbar. Der vierte Fall, dass die Interessensgruppen einer NRO für eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte eintreten würden, nicht jedoch die Mitarbeitenden der NRO, konnte in vorliegender Erhebung nur in Ansätzen bei Umweltorganisationen beobachtet werden. Der Hauptgrund, warum NRO, insbesondere Welternährungs- und Gesundheitsorganisationen, die Problematik des hohen Konsums tierischer Produkte nicht oder nur in geringem Umfang aufnehmen, liegt in der o. g. Abhängigkeit der NRO von öffentlichen Geldgeber*innen, wie auch von privaten Spender*innen und Mitgliedern ('Einstellung relevanter Interessensgruppen'). Weitere Faktoren umfassen bspw. die Arbeitsteilung wie auch den Wettbewerb zwischen NRO, insofern dass auf andere NRO verwiesen wird und Nischen für eigene Themen gesucht werden. Neben den Gründen für den Umfang der Thematisierung des hohen Konsums tierischer Lebensmittel wurden auch Strategien erfragt, die die NRO anwenden um denselben zu senken. Hierbei wurde insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit in verschiedenen Ausrichtungen genannt und als sehr wirksam eingeschätzt. Vor allem emotional ausgerichtete, positiv formulierte, zielgruppenspezifische und anschaulich dargestellte Kampagnen können als effektiv eingeschätzt werden. Auch politische oder juristische Maßnahmen, wie Lobbyismus oder Verbandsklagen werden von den NRO durchgeführt, wobei die befragten NRO auf der bundespolitischen Ebene derzeit kaum Potential sehen Änderungen herbeizuführen; auf Regionen- oder Länderebene jedoch realistischere Einflussmöglichkeiten sehen. Als nächste Schritte für NRO im Sinne einer (verstärkten) Thematisierung der Problematik tierischer Lebensmittel können folgende Maßnahmen geraten werden: • Eine Erhebung der Meinung von Mitgliedern und Spender*innen zu der o. g. Themenaufnahme in das Maßnahmenportfolio der jeweiligen NRO. Dies ist insbesondere bei NRO sinnvoll, die unsicher über die Reaktion ihrer Mitglieder und Spender*innen auf einen Einsatz für eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte sind. • Eine Prüfung von alternativen Finanzierungsmöglichkeiten, die eine Abhängigkeit von staatlichen Geldern verringern. Hierdurch würde der Bedeutung von NRO als Teil des Dritten Sektors neben Politik und Wirtschaft gerecht und die Einflussmöglichkeiten auf dieselben erhöht. • Eine vermehrte Kooperation zwischen NRO innerhalb einer Disziplin und zwischen Disziplinen, sodass bspw. im Rahmen eines Netzwerkes aufeinander verwiesen werden kann. Dies ermöglicht die Einhaltung der jeweiligen Organisationsphilosophien und Kernkompetenzen trotz Zusammenarbeit mit NRO, die andere Herangehensweisen an die Förderung einer pflanzenbetonten Ernährungsweise verfolgen. Zudem ermöglicht diese Netzwerkbildung eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit mit dem ökonomischen und politischen Sektor. • Die Anerkennung der Handlungsfähigkeit von NRO als Pionierinnen des Wandels. Als Dritter Sektor neben der Politik und Wirtschaft kommt NRO eine große Bedeutung in der Beeinflussung gesellschaftlicher Prozesse, insbesondere auf zwischenstaatlicher Ebene zu. Auch komplexe Themen und, angesichts der Überschreitung der planetaren Grenzen, dringliche weltumfassende Themen können von kleinen, regionalen NRO aufgegriffen werden. • Die Fortführung von bewährten Maßnahmen zur Reduktion des Konsums tierischer Produkte, wie verschiedene Formen der Öffentlichkeitsarbeit, kann als sinnvoll erachtet werden. Hinzu können neue Inhalte genommen werden, wie bspw. die Förderung eines achtsamen Konsumstils durch naturnahe Lernorte. Für eine Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Verhaltensänderungen hinsichtlich nachhaltiger Konsumstile ist eine verstärkte Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen sinnvoll. Diese Erkenntnisse hinsichtlich der Gründe für eine Thematisierung der Problematik tierischer Produkte durch NRO lassen sich evtl. auch auf andere Themen übertragen, die von NRO aufgegriffen werden können, wie bspw. die Kritik an Flugreisen. Zudem ist es denkbar, dass die auf Deutschland beschränkte Analyse auch auf weitere, insbesondere westlich geprägte Länder übertragen werden kann. ; Sustainable development facilitates a permanently pursuable development which is within the ecological earth system. Through the worldwide population growth, the increasing wealth and unsustainable lifestyles the ecological limits are about to be or are already exceeded, so that future generations as well as parallel living generations haven't got the same possibilities to meet their needs as those living in current developed nations. Agricultural production contributes a high share to this threat to and exceedance of planetary boundaries, as in particular the high and further increasing consumption of animal source products has numerous ecological but also social and health consequences. One of the basic problematic aspects of animal source products is the high energy loss during the processing from plant animal feed to meat and dairy products. As a result large intensively used agricultural areas are necessary to feed animals leading to biodiversity loss, greenhouse gas emissions, land grabbing and health problems due to pesticide usage. Furthermore, high water usage, competition between food and fodder, as well as inhumane treatment of animals, and threats to human health by e.g. coronary heart diseases and antibiotic resistance are consequences of a meat-rich diet. Reasons for this high and increasing animal product consumption include personal, social, economic and political as well as structural factors, whereby in the thesis at hand the focus lies on people which are shaped by a Western European culture. Personal and social barriers to a reduced consumption of animal source food mainly include a lack of knowledge, the psychological phenomenon of cognitive dissonance, a lack of consciousness as well as the pressure of social norms. Political and economic barriers comprise the growth-oriented economy, a lack of price incentives for a sustainable consumption as well as an infrastructure which facilitates the consumption of animal source products. Non-governmental organizations (NGOs) as part of the so called Third Sector, besides politics and economy, and representatives of the society are a vital player in national and international governance. They are mostly supported by the society or at least by parts of it and can put pressure on political and economical protagonists through public relations activities and other means. Thus, NGOs as potential interface between society, politics and economy are one promising player for reducing animal product consumption. Due to the above named multidimensional consequences of a high consumption of animal source products especially NGOs targeting to protect the environment, improve the world nutrition situation, care for animal ethics and enhance the health status are potentially interested to reduce the consumption of meat, dairy and eggs. However, according to previous studies in Sweden, Canada and the U.S., there is a limited degree of engagement in encouraging reduced meat consumption of environmental NGOs in light of climate change. Due to the multidimensional consequences of animal source products in the thesis at hand the coverage of analysis is extended and includes the investigation of German environmental, food security, health and animal welfare organizations regarding their commitment to a reduced consumption of animal products. Research consists of a material analysis of 34 NGOs, 24 expert interviews with NGO staff and a focus group discussion testing the preliminary results of the interviews, whereby the central element is the expert interviews. Overall the research process complies with the Grounded Theory Methodology (GTM), which is an inductive procedure without fixed expectations regarding the results. In particular, the research questions include, besides the analysis of the current scope of the commitment to a plant-based nutrition, the influencing factors on this scope as well as the kind of strategies of action for a reduced consumption of animal source products. In accordance to the GTM a new model has been developed as final result of the research process which summarizes the findings in a compact core category. As central result of the research the 'model of the weighing of existence-securing' can be presented. In compliance with previous literature it indicates that NGOs as part of the society are dependent on their environment, i. e. on their members as well as public and private funders, but also on parallel existing NGOs, the media and societal developments. This can be summarized under the headline 'attitude of relevant stakeholders' to the theme of animal source products. On the other side, the 'attitude of the staff' of a NGO can be named as influencing factor, as the thematisation of the problematic of the high animal product consumption is also dependent on the importance which is awarded to this topic by the staff members and in how far they are ready to include the topic in their portfolio of action. In case of the support of the topic by both the stakeholders and the staff members of a NGO, a comprehensive thematisation of the problematic of animal source products can be expected from the respective NGO. In the investigation at hand, this is mainly true for animal welfare and environmental organisations. The contradictory case of no thematisation occurs if neither relevant stakeholders nor the staff members of a NGO support the urgency and thematisation of the reduced animal product consumption. This case can be observed mainly for food security and health organisations. If staff members of a NGO are in favour of the thematisation of the problematic of animal source products, but the stakeholders reject such measures, a restrained thematisation can be expected, which is limited to information texts e. g. on the website of the respective NGO. This is mainly for some environmental and food security organization observable. The fourth case, in which stakeholders are in favour of the thematisation, but staff members aren't, is merely true for some environmental organisation in the analysis at hand. The main reason for a restrained plaid for a reduced consumption of animal source products, mainly by food security and environmental organisations, can be detected in the dependence on financial means from the government, donors and members ('attitude of relevant stakeholders'). But there are also factors like the division of responsibility and the competition between NGOs which impede an engagement in reducing animal product consumption, as NGOs refer to other NGOs or are search for own thematic niches. Besides the reasons for the scope of animal product thematisation by NGOs, strategies of the NGOs advocating a reduced animal product consumption has been analysed. These strategies include mainly public relations work in different variants, which is estimated by the NGOs to be highly effective. In particular emotionally created, positively formulated, target group specific and vividly presented campaigns can be rated as effective. In addition political and legal measures like lobbying or representative actions are named by the interviewed NGOs, whereby they don't see any potential for change on the federal level but on regional or provincial level. As next steps for NGOs according to the reduction of the consumption of animal source products, the following measures can be advised: • A survey about the opinions of the members and donators about the inclusion of the above named topic into to portfolio of measures. Particularly this is relevant for NGOs which are not sure about the reaction of their members and donators to their commitment to a reduced consumption of animal product consumption. An analysis of alternative possibilities of the origin of financial means, which minimize the dependence on public funds. Through this change of the origin of financial means NGOs would satisfy their meaning as part of the Third Sector besides politics and the economy and would increase their possibilities of influencing them. • An increased cooperation between NGOs of the same discipline as well as between different disciplines, so that they can e.g. refer to each other within a network. This enables NGOs to follow their respective organisational philosophy and core competences while at the same time allows cooperating with NGOs following a different approach to foster a plant-based way of nutrition. In addition, this creation of networks facilitates an increased competitiveness with the economic and political sector. • The acknowledgement of NGOs possibilities for action as agents of change. As part of the Third Sector besides politics and the economy, NGOs have a high importance in the influencing of social developments, especially on the interstate level. Complex topics as well as – due to the exceedance of planetary boundaries – urgent global topics can be thematised both by small, regional and large, international NGOs. • The continuation of proven measures aiming to reduce the consumption of animal source products, like different kinds of public relations work, is reasonable. In addition, new contents can be included, like e. g. the fostering of a conscious style of consumption through learning facilities close to nature. For an implementation of scientific findings about behaviour change regarding sustainable styles of consumption an improved cooperation of NGOs and research institutions is recommendable. These findings regarding the reasons for the thematisation of the problematic of animal source products through NGOs might be able to be transferred to other topics, which are thematised by NGOs, like e. g. the criticism on air travels. Furthermore, it is conceivable to transfer the findings about German NGOs to other countries, especially Western characterised countries.
OÖ. LANDWIRTSCHAFTLICHER KALENDER 1911 Oö. landwirtschaftlicher Kalender (-) Oö. landwirtschaftlicher Kalender 1911 (1911) ( - ) Einband ( - ) [Abb.]: ( - ) [Werbung]: ( - ) [Kalender]: 1911 (4) Das Jahr 1911. Bewegliche Feste. Die vier Quatember. Mondesviertel. Die 12 Zeichen des Tierkreises. Von den Finsternissen. Vom Jahresregenten. (16) Genealogie des Allerhöchsten Kaiserhauses. (17) Stempel und Gebühren (18) [3 Tabellen]: (1)I. (2)III. (3)III. (18) IV. Für Schriften und Urkunden. (19) Post- und Telegrapehnwesen. (20) Briefsendungen. (20) Paketsendungen. Postsparkasse. (22) Staatstelegraph. (22) Verzeichnis der wichtigsten Viehmärkte. A b k ü r z u n g e n : Pf.=Pferde, Schw.=Schweine. Fk.=Ferkel, P.=Pinzgauer, Mh.=Mariahofer, Mb.=Murbodener, Mzt.=Mürztaler, Bgsch.=Bergschecken. (23) Oberösterreich. (23) Angrenzendes Niederösterreich. (24) Salzburg. (24) Obersteiermark. (25) Südliches Böhmen. (25) Angrenzendes Bayern. (26) Kleiner Wegweiser in Linz und Urfahr. (26) Politische Behörden. (30) K. K. Statthalterei. (30) Statthalter: Hofräte: Statthaltereiräte: Zugeteilte Bezirkshauptmänner: Statthaltereisekretär: Zugeteilte Bezirkskommissäre: Statthaltereikonzipisten: Landessanitätsreferent. (30) Landesschulinspektoren: Landesforstinspektor: Gewerbeinspektoren: Landesveterinärreferent: Eichoberinspektor I. Kl.: Polizeiabteilung d. Präsidialbureaus: (31) Baudepartement: Rechnungsdepartement: (31) Oberbauräte: Bauräte: Ingenieure: Bauadjunkten: Rechnungsdirektor: Oberrechnungsrat: Rechnungsräte: Rechnungsrevidenten: Rechnungsoffiziale: Rechnungsassistenten: (31) Departementseinteilung der k. k. Statthalterei. (31) K. K. Bezirkshauptmannschaften. (32) K. K. Strombauleitungen. Delegierte für Landespferdezucht=Angelegenheiten OÖ. des k. k. Ackerbauministeriums. (33) Lokalbauleitungen. (33) Wählerliste des oberösterreichischen grossen Grundbesitzes. (33) Reichsvertretung. (35) Abgeordnete des Reichsrates aus den Wahlkreisen: (35) Landesvertretung und Landesvewaltung. (36) Landeshauptmann: Landeshauptmannstellvertreter: Virilstimme: Grossgrundbesitz: Städte u. Industrialorte: Handels= u. Gewerbekammer: Landgemeinden: (36) Allgemeine Wählerklasse. (37) Landesausschuss. (37) Oberösterreichische Landes=Hypothekenanstalt. Die oö. wechselseitige Landes-Brandschaden-Versicherungsanstalt. (38) Landesausschusskommissär: Kuratoriumsmitglieder: Direktion: (38) Landesanstalt für Rindviehversicherung und Pferdeversicherung. (38) Oö. Genossenschafts-Zentralkasse. (39) Landes-Ackerbau- und Obstbauschule Ritzlhof. (39) Lehrkörper und Unterrichtsfächer. (39) Landeskulturrat im Erzherzogtume Österreich o/d. Enns. (40) Oö. Landes-Fischereirat. (41) K. K. Landwirtschafts-Gesellschaft in Österreich o/d. Enns. (41) Präsident: Vizepräsident: Mitglieder des Zentralausschusses: Gesellschaftskanzlei: (41) Koch= und Haushaltungs= Wanderlehrerinnen: Obstbausektion der k. k. oö. Landwirtschafts_Gesellschaft in Linz. (42) Landw. Bezirksvereine (42) I. Landw. Frauenschule in Verbindung mit einer landw. Haushaltungsschule für Bauerntöchter in otterbach bei Schärding. OÖ. (44) Ziele und Bedeutung der Gesellschaft. (44) Verleihung der Ehrenmedaille der k. k. Landwirtschafts=Gesellschaft. (46) Sachvereine, Genossenschaften usw. (47) Landwirtschaftliches ([49]) [Gedicht]: Dem deutschen Bauern. ([49]) Sichere Erfolge in der Milchwirtschaft. (50) [Tabelle]: Melkergebnisse: (52) [Gedicht]: (52) Torfstreuerzeugung in den Alpenländern und deren staatliche Förderung. (52) [2 Tabellen]: (1)Nach entsprechenden Vorerhebungen über die geeignete Qualität der Torflager wurde die Errichtung von 10 ärarischen Torfstreuwerken in Aussicht genommen, von welchen nachstehende bereits errichtet sind: (2)Projektiert für die nächsten Jahre: (53) [Abb.]: Torfstechen in Obersteiermark. (53) [Tabelle]:.in den letzten 10 Jahren nachstehende Produktionsverhältnisse aufweist: (54) [Abb.]: Torftrocknung in Südwestböhmen. (54) [Abb.]: Bereitung von Modeltorf. (55) Was tue ich mit meinem Bargeld? (56) Zeitgemässe Scheunen im landwirtschaftlichen Betrieb. (56) [Abb.]: Musterscheune. Spezial=Scheunenbauten v. Architekt Ed. Kayser, Erfurt. (57) [Abb.]: Neueste Hochfahrtscheune. Spezial=Scheunenbauten v. Architekt Ed. Kayser, Erfurt (58) [Abb.]: Wellblech=Geräte= und Erntehalle. Wellblech=Walzwerke Grohmann u. Frosch, Leipzig=Plagwitz. (59) [Gedicht]: (60) Die Erdnuss und ihre Kultur. (60) [Abb.]: Trocknen der Erdnüsse in Schobern. (60) [Abb.]: Ernte der getrockneten Erdnüsse. (61) [Abb.]: Pflücken und Einsacken der getrockneten Erdnüsse. (62) [Gedicht]: (63) Imkersprüche auf Bienenstöcken. (63) [Gedicht]: (63) [Abb.]: (64) Gewichtsbestimmung unserer landwirtschaftlichen Nutztiere. (64) [2 Abb.]: (1)Nehmen des Längenmasses. (2)Messen des Bruftumfanges. (65) [Abb.]: Anlegen des Messbandes für Längenmass und Brustumfang. (66) [Gedicht]: (66) Die Vorläufer unseres Dampfpfluges. (66) [Abb.]: Ein Dampfpflug aus dem Jahre 1837. (67) [Gedicht]: Wie eine gute Kuh aussehen soll! (67) Zeitgemäss eingerichtete Stallungen. (67) [Abb.]: Kuhstall mit langem Stand, hohe Krippe und gemeinsamem Mistgang. Verschiedene Ventilationsvorrichtungen. (68) [Abb.]: Kurzer erhöhter Stand mit Düngerstufe, gemeinsamer Futtertisch mit niederer Krippe. Ventilationsvorrichtungen. (69) [Abb.]: Prämierter Musterstall am Junkerhof zu Wolmirstedt. Blick auf den Futtergang. (70) [Abb.]: Prämierter Musterstall am Junkerhof zu Wolmirstedt. Blick auf den Mistgang. (71) Ein praktischer Türverschluss. (72) [Abb.]: Praktischer Torverschluss. (72) Landwirtschaft in Argentinien. (72) [Abb.]: Argentinische Estanzia. (72) [2 Abb.]: (1)Durham=Rinder. (2)Markieren und Kastrieren der Herde. (73) [Tabelle]: (73) [3 Abb.]: (1)Zeichnen der Rinder (2)Argentinische Pferdezucht. (3)Produkte argentinischer Pferdezucht. (74) [3 Abb.]:(1) Lincoln=Schafherden in der Pampa. (2)Merinoschafherde. (3)Argentinische Molkerei. (75) [2 Abb.]: (1)Hafen von Buenos Aires. (2)Maschinentransport. (76) [2 Abb.]: (1)Landwirtschaftliches Maschinengeschäft. (2)Landwirtschaftliches Maschinengeschäft. (77) [3 Abb.]:(1) Landwirtschaftliches Maschinengechäft. (2)Wolltransport in der Pampa. (3)Getreideeinspeicherung an argentinischen Eisenbahnen. (78) Ein beachtenswerter Waldkulturverderber. (78) Bekämpfung des Hederich. (80) [Abb.]: Hand-Hederich-Jäter (80) [2 Abb.]: (1)Hederich=Jätemaschine für Pferdebetrieb. (2)Hederich=Jätemaschine "Ideal". (81) Einzäunungen mit haltbaren Pfosten. (81) [Abb.]: Herstellung der Betonpfosten. (81) [2 Abb.]: (1)Gekrümmte Betonpfosten für Bretterzaun. (2)Betonpfosten in einem alten Drahtzaun eingesetzt. (82) [3 Abb.]: (1)Betonpfosten für Geflügelhofeinzäunung. (2)Betonpfosten als Wäschepfähle. (3)Viehauslauf mit Betonpfosten. (83) [Abb.]: Verschiedenartigste Verwendung der Betonpfosten. (84) Zur Vertilgung der Ratten und Mäuse. (84) [2 Abb.]: (1)Rattenfalle aus Draht. (2)Rattenfalle aus Metall. (85) [Gedicht]: (85) Melken mit Melkmaschine. (85) [Abb.]: Jens Rielseusche Melkmaschine. (86) [Gedicht]: (87) Bekämpfung der Raupenplage unserer Obstbäume. (87) [2 Abb.]: (1)Goldaster. Schmetterling (1) und fressende Raupe (2). (2)Baumweissling. Schmetterling (1); Eier (2); fressende Raupe (3); Puppe (4). (87) [3 Abb.]: (1)Apfelgespinstmotte. Schmetterling (1); Raupe (2) und Raupennest (3), mit Puppen(4). Raupenfackel. (2)Ringelspinner. Schmetterling, Weibchen (1); Eierring (2); Raupe (3); Kokon (4); Puppe ohne Gespinst (5). (3)Raupenschere. (88) [Abb.]: Apfelbaum (Gr. Kasseler Renette) mit Raupennestern (A). Entfernung der Raupennester mittels der Raupenschere (B); Sammlung derselben behufs Verbrennung (C); Nistkästchen für nützl. Vögel (D). (89) [Gedicht]: (89) Moderne Einrichtungen im Viehstalle. (89) [Abb.]: Fressgitter, Hängebahn und Drahtglasfenster. "Arato=Werk", Breslau. (89) [Abb.]: Fressgitter und "Arato"=Hängebahn beim Einfüttern. (90) [2 Abb.]: (1)Bogenweiche der Hängebahn. (2)Gewöhnliche Anbindevorrichtung bei Feuerausbruch. (91) [3 Abb.]: (1)Loskuppelung mit der Sicherheitsanbindevorrichtung "Simplex". (2)Sicherheitsanbindevorrichtung "Simplex". (3)Kuhhalsband "Herkules". (92) [Abb.]: Automatischer Futtermesser im Pferdestall. (93) [2 Abb.]: Förster Bohms Fliegenmassenfänger. (1)Im Gebrauch. (2)Durchschnitt. (94) [2 Abb.]: (1)Kuhschweisshalter "Senn". Einst. Jetzt. (2)Viehkratzbogen. (95) [Abb.]: (96) [Gedicht]: (96) Simmentaler und Montafoner in Oberösterreich. (96) [Abb.]: Prämierter Simmentaler Zuchtstier. Besitzer: Ferdinand Schöfl, Bernhartgut, Lungitz. (97) [Abb.]: Montafoner Subventionsstier. Besitzer: Franz Seiringer in Fischlham. Alter 3 Jahre, Gewicht 950 kg. (98) [Gedicht]: (98) Unterhaltung und Belehrung ([99]) Die erste Eisenbahn - mit Pferdebetrieb - in Österreich. ([99]) [Abb.]: Eröffnung der Linz-Budweiser Pferde=Eisenbahn. (100) Dem Gedächtnis Johann Orths. (101) [Abb.]: Johann Orth (Erzherzog Johann Salvator) als Kapitän seines eigenen Schiffes. Erzherzog Johann Salvator als Divisionär in Linz 1888. (102) Die Salzgewinnung im Süden. (102) [2 Abb]: (1)Einpumpen von Meerwasser mittels Windmotoren in die Meersalinen auf Sizilien. (2)Trocknen des ausgeschiedenen Rohmeersalzes auf Sizilien. (103) Luftschiffahrt. (104) [Abb.]: Luftschiff " III. System" im Hafen von Triest. (Blick auf Miramar.) (105) [Gedicht]: Bitte der Vögel im Winter (106) Der Kafee, seine Kultur und Verfälschungen. (107) [2 Abb.]: (1)Waldrodung zur Anlage von Kaffeeplantagen. (2)Heranzucht der jungen Kaffeepflanzen. (107) [2 Abb.]: (1)Pflücken des Kaffees. (2)Umschaufeln des zu trocknenden Kaffees. (108) [Abb.]: Trocknung des Kaffees. (109) Die Singvögel. (109) Was ist leicht verdaulich? (110) Eine seltene Amme. (111) [Abb.]: Fohlen von einer Ziege gesäugt. (111) Der gute Mäher. (112) [Abb.]: (112) Was es kostet! (112) [Abb.]: (112) Für den Feierabend Lustige Ecke ([113]) Professorenaussprüche. ([113]) Agrarische Verse (rechte und schlechte). (115) In Serbien. Zum Brotwucher. Teuerung. Eisen. Landwirtschaftsrat. Die grüne Fahne. Organisation. (115) Stossseufzer. Reiseerlebnisse. Bekräftigung. Die poetische Parkverwaltung. Ein Schildbürgerstückchen. A´trumpft. Aus Schüleraufsätzen. Vor Gericht. Schmeichelhaft. (116) Der Amtsschimmel Falsche Beziehung. Was anders. Das gute Gewissen. Aus der Schule. Angenehm. Der Geburtstag. Kupieren des Pferdeschweifes. Au! (117) Schwer glaublich. Zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der Jagd. Eingegangen. Tischgast. Was ist paradox? Unsichtbare Dinge. Zoologisches. Ein Phänomen. (118) Strenge Obrigkeit. Scherzfrage. Aus einer landw. Frauenschule. Eins und Null. Aus der "Unsterblichen Kiste". (119) Verschnappt. Splitter. Das verbotene Büachl! Der unanständige Onkel. (120) Unangenehmer Preisnachlass. Logik. Im Heiratsbureau. Grosse Pfiffigkeit. Unangenehm. Zärtlich. Falsch vastand´n. Die fürsorgliche Gattin. Werbung. (121) Schlau. Nachdrückliche Bitte. Wenn ich ein junges Mädchen wär ! Früh übt sich . Richtig. Was ist da zu bewundern? Hoffnungsfreude. Fatale Zustimmung. Missverständnis. (122) Aus dem Gerichtssaal. Die Zwillinge. Das Glück. Billige Arbeitskräfte. Kleines Missverständnis. Übertrumpft. Ochsenzunge in Madeira. Militärisches Lachen. (123) Die Brille vergessen ! Vorstandswahl. Seelenkunde. Kleine Philosophin. Des Sängers Fluch. (Parodie.) Vielversprechend. Vor Gericht. Ein Reinfall. Auf der Gebirgsfahrt. Der Gipfel der Reklame. (124) Abwechslung. Drei Spareinlagen. Neid. Duellgegner. Der verhexte Hans. Nicht zu verblüffen. Indiskret. Die erfahrene Mama. Die "aufgehängten Verlobten". Das böse Gewissen. (125) Lustige Winke für die Reisezeit, um sich beliebt zu machen. Im Laboratorium für Physik (126) Humor auf Grabschriften. Zeitgemässe Stanzeln. Scherzfrage. Rücksichtslos. Praktisch. Gelungene Erklärung. Forderung: Halbe Bestätigung. Erblich belastet. (127) Sätze mit Vorwörtern eines A B C = Schützen. Der letzte Dienst. Der kranke Trinker. Falsch aufgefasst. Der Apfeldieb. Weiser Richter. Aus einem Bericht. Auch eine Erklärung. Der böse Regen ! (128) Wirtschaftstabellen und Wirtschaftsnotizen. (129) 1. Des Landmanns monatliche Verrichtungen. (129) Januar. Februar. März. April Mai. (129) Juni. (129) Juli. August. September. Oktober. November. Dezember. (130) [2 Tabellen]: (1)2. Aussaat und Ernteverhältnisse unserer Kulturpflanzen. (2)3. Paarungs=, Trächtigkeits= und Brüteverhältnisse unserer Haustiere. (131) [2 Tabellen]: (1)4. Trächtigkeitsanfang und =ende. (2)5. Brünftigkeit. (132) [3 Tabellen]: (1)6. Alterbeurteilung des Pferdes. (2)7. Zähneausbruch und =wechsel bei Pferd, Rind, Schaf. (3)8. Pulsschläge, Atemzüge, Körperwärme gesunder Tiere. (133) [6 Tabellen]: 9. Verhältniszahlen für die Bienenwirtschaft. (1)Stärke und Gewicht der Schwärme. (2)Eierlegen der Königin. (3)Entwicklungszeit, Lebensdauer, Grösse und Gewicht der Biene. (4)Jahrestracht und Honigbedarf zur Winterfütterung. (5)Stärke der Stöcke zur Schwarmzeit. Blüten= und Honigbedarf zum Wachsbau. (6)Zellenmenge. Temperatureinfluss auf Wachs und Bienen. (134) [3 Tabellen]. (1)10. Gewährsmängel und Gewährszeiten der Haustiere. (2)11. Milchwirtschaftliche Verhältniszahlen. (3)12. Geschwindigkeiten, m pro Sekunde. (135) 13. Für bauende Landwirte. (135) [Tabelle]: Das Volumen vom 1m3 nachstehender Materialien wiegt: (135) [Tabelle]: 14. Verzehrungssteuertarif in Linz. (136) 15. Welche Düngemittel dürfen nicht gleichzeitig ausgestreut werden? (136) [Abb.]: Superphosphat Thomasmehl Stalldünger und Guano Kainit Chilisalpeter Kalisalze Schwefelsaures Ammoniak Kalk (136) 16. Düngerproduktion. - Streu. (137) [Tabelle]: Die jährliche Düngermenge beträgt pro Stück in Meterzentnern: (137) 17. Hilfeleistung bei Unglücks= und Erkrankungsfällen bis zur Ankunft des Arztes. (137) [3 Tabellen]: (1)18. Schonzeiten des Wildes. (2)19. Schonzeiten der Fische. (3)20. Schwendung landw. Produkte b. 3/4 - 1 jähr. Aufbewahrung. (139) 21. Taschenuhr als Kompass. (139) [Tabelle]: 22. Kubiktafel für runde Hölzer. (140) 23. Neue und alte Masse und Gewichte. 24. Ausländisches Geld in österr. Kronenwährung. (141) 25. Lohnverechnung. (142) [4 Tabellen]: (1)Es ist demnach an Lohn auszubezahlen für: (2)Nach der Tabelle würde sich die Lohnauszahlung berechnen: (3)Anders verhält es sich, wenn der Dienstbote vor Ablauf der bedungenen Zeit den Dienst verläßt, zum Beispiel Ende Juli, wonach der Lohn. (4).wieviel hat der Dienstbote an Lohn zu fordern? (142) [Tabelle]: 26. Lohnverechnungstabelle (143) [Tabellen]: Bare Einnahmen und Ausgaben (I) [Tabelle]: Zusammenstellung der Bar-Einnahmen und -Ausgaben des Jahres. (XIII) [Tabelle]: Belege- und Geburtsliste. (XV) [Tabelle]: Probemelk-Tabelle. (XVI) [Tabelle]: Anbau- und Ernteregister. (XVIII) [Tabelle]: Ausdruschregister. (XX) Aus dem Geschäftsleben. (XXI) Inhalt. (XXII) [Werbung]: ([145]) Einband ( - )
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Es waren Antifaschist:innen, die die italienische Verfassung ausgearbeitet haben. Sie trat 1948 in Kraft und sollte sicherstellen, dass niemand jemals wieder die Kontrolle über die Republik übernehmen konnte, ähnlich wie dies der Diktator Benito Mussolini die Jahre zuvor vollbracht hatte. Seitdem hat Italien bereits 67 Regierungen erlebt, doch die aktuelle Regierung, Nummer 68, ist auch für Italien besonders (Siefert, 2023). Sie wurde mehrfach als "gefährlichste Frau Europas" betitelt (Brandl & Ritter, 2022). Die Rede ist von Giorgia Meloni, die am 22. Oktober 2022 als Vorsitzende der nationalistischen, konservativen und postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia (FDI) als Ministerpräsidentin vereidigt wurde.Mit dem Wahlsieg der italienischen Postfaschistin ist ein weiterer Schritt in Richtung einer politischen Entwicklung vollzogen worden, die den autoritären Rechtspopulismus als Regierung zu einem sichtbaren Bestandteil der politischen Realität macht. Ihre politische Gruppierung wird weithin als populistisch, postfaschistisch und weit rechts im politischen Spektrum positioniert, was in weiten Teilen der europäischen Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wurde. Die folgende Seminararbeit versucht nach mehr als einem Jahr an der Macht eine Bilanz zu ziehen, die Auswirkungen der Wahl zu analysieren und die Besonderheiten der italienischen Rechten näher zu beleuchten.Melonis Aufstieg in der politischen Landschaft Italiens: Vom Engagement in der Jugendpolitik über die MSI zur Gründung der Fratelli d'Italia Die am 15. Januar 1977 in Rom geborene Meloni ist nicht nur die erste Frau, die das Amt ausübt, sondern auch die erste Regierungschefin, deren politische Karriere in der postfaschistischen Ära Italiens begann. Sie kandidierte bereits in ihren Jugendjahren für politische Ämter in Italien. Im Jahr 2006 wurde sie zur jüngsten Ministerin Italiens ernannt. Heute ist die Vorsitzende der von ihr mitbegründeten rechtsextremen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens, benannt nach der ersten Zeile der Nationalhymne, mit Wurzeln in der postfaschistischen Bewegung) die erste weibliche Premierministerin.Vor 31 Jahren, im Juli 1992, begann Giorgia Meloni ihr politisches Engagement in Rom mit dem Beitritt zur Jugendorganisation des Movimento Sociale Italiano (MSI, Italienische Soziale Bewegung), einer von Faschist:innen gegründeten Partei (Ventura, 2022, S. 8 ). Die italienische Ministerpräsidentin unterstreicht häufig, dass sie aus bescheidenen Verhältnissen stammt und in einer Familie von Angestellten aufgewachsen ist. Dabei verschweigt sie allerdings gerne die Tatsache, dass ihre Mutter, Anna Paratore, der MSI damals angehörte (Feldbauer, 2023, S. 15).Die am 26. Dezember 1946 gegründete Italienische Soziale Bewegung entstand unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Gründer:innen der Partei waren politisch in der Italienischen Sozialen Republik (Repubblica Sociale Italiana, RSI) aktiv, einem Satellitenstaat, der während der deutschen Besatzung von 1943 bis 1945 von Mussolini regiert wurde. Ideologisch bezog sich die Partei auf den "sozialen Faschismus" der RSI (Ventura, 2022, S. 2). Die MSI zeichnete sich nicht nur durch ihre antikapitalistische und antiliberale Ideologie mit korporatistischer Entscheidungsfindung aus, sondern auch durch ihren ausgeprägten Antikommunismus und ihre scharfe Kritik an den etablierten Parteien. Obwohl es innerhalb der MSI von Anfang an eine konservative und pro-westliche Minderheit gab, blieb die Partei bis Anfang der 1990er Jahre unfähig, sich wesentlich zu reformieren und konnte daher keinen nennenswerten Einfluss auf das politische System Italiens ausüben (ebd.).Im Januar 1995 wurde die Partei kurz nach dem Beitritt Melonis aufgelöst und in die "Alleanza Nazionale" (AN, Nationale Allianz) umgewandelt. Die AN fusionierte 2009 mit der Partei "Forza Italia" (FI, Vorwärts Italien) von Silvio Berlusconi zur Partei "Il Popolo della Libertà (PdL, Das Volk der Freiheit). Der damalige Parteivorsitzende Gianfranco Fini wollte den von der AN eingeleiteten liberal-konservativen Rechtsruck erfolgreich zu Ende führen, was jedoch einigen ehemaligen Aktivist:innen und Führungskräften aus den Reihen der MSI missfiel. Diese Unzufriedenheit machte sich später Meloni zunutze. Im Jahr 2006 wurde Meloni ins Parlament gewählt und zwei Jahre später wurde sie die jüngste Ministerin (Jugend und Sport) in der Geschichte Italiens. Die einzige Regierungserfahrung hat sie auf nationaler Ebene (ebd.).Verhältnis zum (Post)Faschismus Eine Woche vor dem hundertsten Jahrestag von Mussolinis "Marsch auf Rom", der Machtübernahme durch den "Duce", übernahm Meloni ihr Amt. Ihr Kabinett, welches hauptsächlich aus Anhänger:innen Mussolinis besteht, wurde in linken Medien als eine Regierung von "reuelosen Faschisten" beschrieben (Feldbauer, 2023, S. 38f). Meloni war im Jahr 2012 Mitbegründerin der Partei FdI, die in der Tradition des italienischen Faschismus steht, und gehört somit zur dritten Generation des Partito della Fiamma (Livi & Jansen, 2023, S. 173). Das Symbol der faschistischen Flamme, das in der Vergangenheit der MSI vorbehalten war, ist im Parteilogo vertreten (Feldbauer, 2023, S. 16f).Im Jahr 1929 wurde das Wort "Faschismus" zum ersten Mal in den Duden aufgenommen. Dies geschah sieben Jahre, nachdem die italienische Partito Nazionale Fascista (PNF) unter Benito Mussolini 1922 in die Regierung Italiens eingetreten war. 1926 entwickelte sie sich zu einer diktatorischen Staatspartei, bevor sie 1943 aufgelöst wurde. Der Begriff "Faschismus" wurde von der PNF als Selbstbezeichnung verwendet und entstammt dem italienischen Wort "fascio", dessen Bedeutung dem Begriff "Bund" gleichgestellt ist (Schütz, 2022). Im heutigen Sprachgebrauch bezeichnet der Terminus eine nationalistische, antidemokratische und rechtsextreme Ideologie, die nach dem Führerprinzip ausgerichtet ist. Seit den Parlamentswahlen in Italien im vergangenen Jahr sind vermehrt Artikel zum Thema "Postfaschismus" verfügbar. Dies hängt mit dem Sieg bei der Parlamentswahl und der FdI zusammen, welche als "postfaschistisch" bezeichnet wird (ebd.).Gianfranco Fini distanzierte sich 2003 offiziell vom Faschismus und bezeichnete ihn als "absolut böse" (Tagesschau, 2022). Giorgia Meloni hat es jedoch bis heute vermieden, eine so eindeutige Aussage über die Wurzeln ihrer Partei zu tätigen. Meloni erhob sogar Vorwürfe gegen Gianfranco Fini, das Erbe der italienischen Rechten zu zersplittern (Ventura, 2022, S. 6). Im Jahr 2014 wurde Meloni zur Vorsitzenden der FdI gewählt. Sie konnte den harten Kern der Faschist:innen um sich versammeln, indem sie sich auf Mussolini bezog. Aufgrund der möglichen Verluste eines Teils ihrer Wählerschaft an die Lega kann sie die Flamme nicht aus dem Parteilogo entfernen. Sie hob wiederholt hervor, wie stolz sie auf das Wappen mit der italienischen Trikolore sei, bezeichnete Mussolini sogar als einen "guten Politiker" (Feldbauer, 2023, S. 16).Froio (2020) stellt fest, dass die FdI ein "emotionales" Verhältnis zu ihrer faschistischen bzw. postfaschistischen Vergangenheit pflegt, mit der sie sich nie wirklich kritisch auseinandergesetzt hat. Dies wird durch die Statements von Giorgia Meloni sowie durch die Aussagen und Handlungen von Vertreter:innen und Führungskräften der FdI deutlich. So trat Meloni am Tag vor der Wahl 2018 bei einer Wahlkampfveranstaltung in Latina, einer von Mussolini gegründeten Stadt südlich von Rom, in Begleitung seiner Enkelin Rachele Mussolini auf. Dabei kündigte sie die Absicht ihrer Partei an, dem Symbolort den ihm gebührenden Platz in der Geschichte der italienischen Rechten wieder zu verschaffen (Latza Nadeau, 2018). Bei ihrem Versuch, sich in ihrer Ansprache vor der Abgeordnetenkammer am 25. Oktober 2022 trotz ihrer früheren Bekenntnisse zum Faschismus Mussolinis zu distanzieren, stieß Meloni angesichts der genannten Tatsachen auf Widerstand. Mit ihrer Partei verkörpert Meloni nach wie vor die "Kontinuität des Faschismus" (Feldbauer, 2023, S. 16f).Auch Tronconi und Baldini (zit. nach POP, 2023) erkennen die Identitätswurzeln der FdI im Neofaschismus, der in Italien jahrzehntelang durch die MSI verkörpert wurde. Ihrer Meinung nach sei es jedoch falsch, die FdI als neofaschistische Partei zu bezeichnen, da wesentliche Merkmale wie die Akzeptanz von Gewalt als Mittel des politischen Wettbewerbs fehlen würden. In der öffentlichen Debatte und in den offiziellen Dokumenten der Partei würden tatsächlich die für die europäische radikale Rechte typischen Themen wie Islamophobie und eine allgemeine Feindseligkeit gegenüber der Einwanderung betont, die als potenzielle Verwässerung der Identität der italienischen Nation angesehen werden.Der Weg einer "Frau, Mutter, Italienierin und Christin" an die MachtMeloni präsentiert sich gerne als Frau, Mutter, gläubige Christin und als hilfsbereite Vertreterin aller Italiener:innen (Feldbauer, 2023, S.70). Diese Worte passen zum allgemeinen Slogan "Gott, Heimat und Familie" (Dio, patria e famiglia), welcher von Melonis Partei und anderen radikalen Rechtsparteien in der Vergangenheit übernommen wurde (De Giorgi et. al, 2022).Im Jahr 2022 wurden mehr als 70 Prozent der parlamentarischen Parteien in den EU-Mitgliedsstaaten von männlichen Führungskräften geleitet (Openpolis, 2022, zit. nach De Giorgi et. al, 2022). In Italien wurde bis zum Jahr 2013 keine Partei, weder aus dem politischen Establishment noch aus dem rechten Spektrum, von einer Frau geführt (De Giorgi et. al, 2022). Studien, die sich auf das weibliche Führungsverhalten konzentrieren, betonen oft, wie Frauen Führungspositionen erreichen können, wenn sie von einem "Legacy Advantage", also sozusagen von einem Vorteil ihres Erbes profitieren, wie als Ehefrau, Witwe, Tochter oder eine andere enge Verwandte eines Schlüsselakteurs in der Politik (Baker & Palmieri, 2021). Diese Praxis ist auch bei rechtsextremen Parteien üblich. Ein bekanntes Beispiel ist Marine Le Pen, die die Führung des Front National (jetzt Rassemblement National) von ihrem Vater übernommen hat. Auch in Italien gibt es rechtsgerichtete Politikerinnen mit starken familiären Bindungen zu ehemaligen Staatsoberhäuptern und prominenten politischen Persönlichkeiten, wie Alessandra Mussolini, die Enkelin des ehemaligen Diktators, die mehrmals als Abgeordnete für die AN gewählt wurde (De Giorgi et. al, 2022). Giorgia Meloni hebt sich von diesem Weg ab. Ihr politisches Engagement begann 1992, als Meloni der Jugendorganisation der MSI beitrat. Im Unterschied zu anderen Oppositionsführer:innen, welche dazu neigen, ihre politische Außenseiterposition zu betonen, hebt Meloni oft ihren beruflichen Werdegang sowie ihr politisches Know-how hervor und verbindet dies mit der Idee der "Kompetenz". Darüber hinaus gibt es in Italien keine weitere politische Partei, die von einer Frau geführt wird, wodurch Meloni zweifellos eine beachtliche Medienpräsenz in dieser Hinsicht erreicht hat (Feo & Lavizzari, 2021).Angesichts der politischen Geschichte Italiens sei der Erfolg der FdI nicht verwunderlich. Die italienischen Rechten sind mit ihren traditionellen Anliegen seit Jahrzehnten erfolgreich. Der Gesamterfolg der FdI-FI-Lega-Koalition im Jahr 2022 kam daher weder überraschend noch sei er außergewöhnlich (POP, 2023). Der Erfolg kann auf die langjährige Dominanz der wechselnden Mitte-Rechts-Koalitionen um Berlusconi zurückgeführt werden, die in den letzten drei Jahrzehnten die Mehrheit der Wahlen gewinnen konnten. Trotz der langen Präsenz der größten kommunistischen Partei des Westens in Italien seit mehr als 50 Jahren war das Land mit Ausnahme einer kurzen Periode in den 1970er Jahren immer strukturell rechts orientiert (Livi & Jansen, 2023, S. 178f).Die Mehrheit der italienischen Gesellschaft war antikommunistisch, prokapitalistisch, katholisch und von konservativen Vorstellungen über die Familie, Geschlechterrollen und soziale Ordnung geprägt. Die Christlich-Demokratische Partei (DC, Democrazia Cristiana), die in der Ersten Republik dominierte, integrierte eine breite konservative Mittelschicht, die sich als antikommunistisch verstand und einem autoritären traditionellen Katholizismus anhing. Diese Schicht bildete die Grundlage für Berlusconis Aufstieg in den 1990er Jahren. So entstand eine neue konservative Rechte. Berlusconi mobilisierte eine bis dahin politisch unsichtbare konservative Strömung in der Gesellschaft, die im Hintergrund agierte (ebd.).Mit 43 Prozent der Stimmen ist die Koalition nicht weit von ähnlichen Prozentsätzen entfernt, die Mitte-Rechts-Koalitionen in den neunziger Jahren oder bei den Wahlen 2001, 2006 und 2008 erzielt haben. Die konservativen Parteien genießen in Italien mehr Unterstützung als die progressiven, und wenn diese aus allgemeinen Wahlen als Sieger hervorgehen, dann vor allem infolge von Spaltungen innerhalb der rechtsgerichteten Parteien (POP, 2023).Neben ihrer eigenen Partei, die bei den Wahlen 26 Prozent der Stimmen erhielt, gehören zur Regierungskoalition der Premierministerin zum einen die Lega, Matteo Salvinis Partei, die mit fremdenfeindlichen und separatistischen Ansichten bis 2018 als Lega Nord bekannt war. Zum anderen die liberal-populistische Partei von Ex-Premier Silvio Berlusconi, Forza Italia. Die Lega kam auf 8,8 Prozent, gefolgt von der Forza Italia mit 8,1 Prozent (Feldbauer, 2023, S.7). Aufgrund der besonderen Regeln des italienischen Wahlrechts verfügen diese drei Regierungsparteien über breite Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments, der Camera und dem Senato (Livi & Jansen, 2023, S.169). Neben der Berufung ihres Schwagers hat die italienische Ministerpräsidentin auch ihre Schwester in die Führungsebene ihrer Partei geholt. Melonis ältere Schwester, Arianna, ist nun verantwortlich für das politische Sekretariat. Ihr Ehemann, Francesco Lollobrigida, Landwirtschaftsminister und Mitglied der FdI, gilt als enger Vertrauter von Meloni (Ventura, 2022, S. 3).Laut Tronconi und Baldini (zit. nach POP, 2023) liegt der interessante Aspekt darin, dass sich die FdI innerhalb der rechten Parteien durchsetzte. Dies könnte vor allem damit begründet werden, dass die Forza Italia eine schon lange schwindende Partei sei, während die Positionen von FdI und Lega in den wesentlichen Punkten übereinstimmen. Dazu gehören feindselige Haltungen gegenüber Migration, die Verteidigung traditioneller Werte, die Unterstützung der wirtschaftlichen Interessen zahlreicher italienischer Kleinunternehmen, der Schutz der traditionellen Familie vor einer angeblichen "Gender-Theorie", die darauf abziele, die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu verwischen oder auszulöschen, und die vertikale Abgrenzung zur EU in Form von Skepsis bzw. offener Feindseligkeit gegenüber dem europäischen Integrationsprojekt. Allerdings habe die Persönlichkeit von Giorgia Meloni im Vergleich zu Matteo Salvinis abnehmender Führungsstärke sowie die Glaubhaftigkeit und Beständigkeit der Partei der FdI 2022 den entscheidenden Vorteil gebracht. Salvini habe sich im Vergleich zu Meloni in der Vergangenheit auf Koalitionen, wie zum Beispiel mit der Fünf-Sterne-Bewegung eingelassen, die nicht besonders gut bei den rechten italienischen Wähler:innen ankamen. Meloni war und ist jedoch innerhalb des Rechts-Bündnisses eine überzeugte Hardlinerin (Feldbauer, 2023).WählerschaftDie Partei von Giorgia Meloni übte vor allem eine Anziehungskraft auf ehemalige Lega-Wähler:innen aus, aber auch Wähler:innen der Forza Italia bekundeten Interesse an der FdI. In soziodemografischer Hinsicht ist festzustellen, dass FdI-Anhänger:innen in der Altersgruppe von 50-64 Jahren überrepräsentiert, in der jüngsten Altersgruppe (18-34 Jahre) unterrepräsentiert waren. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass jüngere Wähler:innen ihre Proteststimme eher der Fünf-Sterne-Bewegung ohne postfaschistische Vergangenheit gaben. Die Partei erhielt Unterstützung von verschiedenen Berufsgruppen wie Handwerker:innen, Händler:innen, Selbstständigen sowie Angestellten und Lehrkräften, also weitgehend der (unteren) Mittelschicht.Die geografische Verteilung der Wählerschaft der FdI zeigt nicht nur - wie anfangs in der Parteigeschichte - eine starke Präsenz im Süden Italiens, sondern auch eine landesweite Verbreitung. Die Wählerschaft weist migrationsfeindliche und europaskeptische Tendenzen auf, insbesondere bei langjährigen Anhänger:innen. Neu gewonnene Wähler:innen zeigen eine populistische und anti-elitäre Haltung, bei der die Ablehnung von Migration eine große Rolle spielt (Ventura, 2022, S. 5).Migrationspolitik als Kernthema Bei den Parlamentswahlen stand die Migrationspolitik im Fokus. Es bestanden Bedenken, die neue Regierung unter der Führung der FdI könne in der Asyl- und Migrationspolitik einen äußerst restriktiven und sogar illegalen Weg einschlagen. So hatte Meloni für ihr Amt mit dem Ziel kandidiert, der "illegalen" Einwanderung nach Italien Einhalt zu gebieten. Es wurde auch über die mögliche Errichtung einer Seeblockade vor Nordafrika sowie die Einrichtung von Hotspots auf afrikanischem Territorium diskutiert (Angeli, 2023, S. 4f). Durch ihre Forderungen in der Opposition konnte sie das Thema Migration für sich gewinnen. Dennoch ist die Verwirklichung politischer Versprechen im Wahlkampf und ihre Umsetzung in konkrete Politik keineswegs als selbstverständlich anzusehen. Im Zuge der sogenannten "Flüchtlingskrise" bestimmten nativistische und souveränistische Motive die Haltung der Partei zur Migration. Die auf dem Parteitag 2017 verabschiedeten programmatischen "Thesen von Triest für die patriotische Bewegung" stellten die Migration als existenzielle Bedrohung für den Fortbestand der europäischen Nationalstaaten dar. In diesem Zusammenhang fand auch die Verschwörungstheorie vom "großen Austausch" Eingang in das Parteiprogramm (Baldini et. al, zit. nach Angeli, 2023, S. 6). Die Partei warf der EU vor, aus demografischen Gründen ein "multikulturelles Prinzip" zu verfolgen, woraus angeblich eine Zustimmung zur unkontrollierten Einreise von Menschen aus anderen Kontinenten abgeleitet wurde (FdI, 2017, zit. nach Angeli, 2023, S. 6). Die Partei befürwortete restriktive Maßnahmen im Zusammenhang mit legaler Zuwanderung. Diese sollten nur für Staatsangehörige möglich sein, die sich problemlos integrieren könnten, ohne Sicherheitsprobleme zu verursachen. Dabei wurde die Bedeutung des Grenzschutzes besonders betont, der mit dem Schutz des "Vaterlandes" gleichgesetzt wurde. Die FdI schlugen drastische Maßnahmen, wie eine internationale "Landmission" vor, die Kontrolle über die Häfen übernehmen sollte, sowie die Möglichkeit einer Seeblockade. Der Schwerpunkt lag dabei auf Nationalitäten, die weniger bereit seien, die Gesetze und die Kultur zu akzeptieren, insbesondere wurden damit Muslim:innen gemeint. Darüber hinaus wurde zum ersten Mal die Einrichtung von Hotspots in Nordafrika zur Prüfung von Asylanträgen vorgeschlagen, verbunden mit der Absicht, das Recht auf "humanitären Schutz" abzuschaffen. Die programmatische Entwicklung der Partei im Bereich der Migrationspolitik war von zwei konträren Tendenzen geprägt. Einerseits stand die Partei unter dem Druck, sich dem Mitte-Rechts-Bündnis anzupassen, was zu einem einheitlichen Programm für die Parlamentswahlen 2018 führte, welches jedoch nicht die radikalsten migrationspolitischen Positionen enthielt. Andererseits sorgte die Konkurrenz innerhalb des Rechtsbündnisses für einen Differenzierungsbedarf insbesondere in der Migrationspolitik. Hier konkurrierten die FdI und die Lega darum, sich als die restriktivere und migrationsfeindlichere Partei zu präsentieren (Angeli, 2023, S. 6f).Die FdI hob zunehmend ihr Alleinstellungsmerkmal durch die kompromisslose Verteidigung der italienischen Interessen hervor, insbesondere durch die häufige Verwendung von "Italians first". Dieser Slogan implizierte einen Wettbewerb zwischen Italiener:innen und Menschen mit Migrationshintergrund und wurde zur Rechtfertigung diskriminierender Maßnahmen verwendet (Ventura, 2022). Im Wahlprogramm für die Europawahl 2019 wurde der Vorrang der italienischen Bevölkerung hervorgehoben und normativ untermauert (ebd.). Das Wahlprogramm für die Parlamentswahlen 2022 markierte eine Abkehr von der Radikalisierung der Partei in der Migrationspolitik, die in den vergangenen Jahren zu beobachten war. Stattdessen kehrte die FdI zu einer sicherheitspolitisch motivierten Migrationsskepsis zurück, ähnlich wie im Wahlmanifest von 2013. Im Gegensatz zu früheren Positionen betonte das Manifest nicht mehr den Grundsatz "Italians first", der das Primat der italienischen Identität und Interessen in der Migrationspolitik hervorhob. Stattdessen verfolgte das Programm einen nüchternen Ansatz zur Migration, ohne aggressive oder aufrührerische Sprache. Dies deutet darauf hin, dass die Partei realistische und machbare Ansätze für eine geregelte Einwanderung und soziale Integration formulieren wollte (Angeli, 2023, S. 6f). In ihrer ersten Regierungserklärung schlug Meloni einen versöhnlichen Ton an, auch in Bezug auf das Thema Migration. Es gab kaum nativistische Elemente. Zwar betonte sie die strategische Rolle Italiens im Mittelmeerraum, doch die Verhinderung irregulärer Einwanderung wurde vor allem mit juristischen oder humanitären Gründen gerechtfertigt, etwa um Schiffbrüche oder Menschenhandel zu verhindern (ebd.).Melonis migrationspolitische Maßnahmen und Entscheidungen in den letzten 12 Monaten könnten auf einen pragmatischen Umschwung hindeuten. Diese Annahme ist jedoch mit Vorbehalten behaftet. Die Entwicklung des migrationspolitischen Programms der FdI zeigte bereits vor den letzten Parlamentswahlen eine Mäßigung bzw. "Entradikalisierung" (Angeli, 2023, S. 9). Das Wahlprogramm 2022 betonte die Förderung der legalen Migration und verstärkte diplomatische Bemühungen mit Herkunfts- und Transitländern irregulärer Migranten. Dennoch hat Meloni wenig getan, um der Kriminalisierung von NGOs entgegenzuwirken, die Rettungsschiffe für Asylsuchende betreiben. Sie argumentiert, diese Schiffe seien ein "Pull-Faktor", der die illegale Migration begünstige. Meloni hat sogar strenge Bedingungen für Rettungsaktionen von NGOs eingeführt, um die Ressentiments ihrer Anti-Migrations-Wählerschaft zu befriedigen. Es bleibt abzuwarten, ob die steigende Zahl von Geflüchteten, die das Mittelmeer überqueren, Meloni dazu veranlassen werden, radikalere Maßnahmen zu ergreifen, um sich die Unterstützung ihrer Anti-Migrations-Wählerschaft zu sichern. Erste Anzeichen für einen Umschwung gab es Mitte September, als Melonis Kabinett unter dem Druck negativer Schlagzeilen eine Verschärfung der Maßnahmen beschloss, darunter die Erhöhung der Höchstdauer der Abschiebehaft und die Einrichtung spezieller Abschiebegefängnisse durch das Militär in dünn besiedelten Regionen des Landes (Angeli, 2023, S. 10).Die politikwissenschaftliche Forschung hat in jüngerer Zeit wiederholt die Diskrepanz zwischen rechtspopulistischen Migrationsdiskursen und der tatsächlichen Migrationspolitik untersucht (Lutz, 2021). Demnach komme es öfters zu Mäßigungen, sobald Rechtspopulisten an der Regierung beteiligt seien. Die Ausprägung dieser Mäßigung kann jedoch stark variieren und von vielen Faktoren beeinflusst werden. Unter anderem sind sie als Regierungspartei institutionellen Zwänge unterworfen, die ihr politisches Agieren limitieren. Aber auch die Notwendigkeit, die bestehenden Verfassungsorgane zu bewahren, veranlasst sie oft dazu, sich von ihren radikalsten Ansätzen im Bereich der Migrationspolitik zu distanzieren. Darüber hinaus stehen rechtspopulistische Parteien vor der Aufgabe, neben ihren eigenen Anhänger:innen auch breitere Gesellschaftsschichten und die Eliten für ihre Ziele zu gewinnen. Aus diesem Grund könnten sie ihre Migrationspolitik entsprechend umgestalten, um weitere wichtige Interessengruppen zu erreichen. Schließlich kann auch internationaler Druck zu einer Kursänderung rechtspopulistischer Parteien führen. Bei der italienischen Regierung betrifft dies vor allem die EU, die finanzielle Hilfe als Druckmittel zur politischen Einflussnahme nutzen kann (Angeli, 2023, S. 4). Das Thema Migration war für die FdI von Anfang an ein zentrales Wahlkampfthema. Allerdings ist diesem Thema nur einer von insgesamt 25 Abschnitten im Wahlprogramm von 2022 gewidmet. Dennoch sollte die Bedeutung dieses Abschnitts keineswegs unterschätzt werden. Die "Gefahr" der irregulären Migration hat der Partei zu politischer Sichtbarkeit verholfen, insbesondere aufgrund des gestiegenen Interesses der italienischen Öffentlichkeit am Thema Migration seit 2013. Der Umgang der Partei mit dem Thema spiegelt somit die Radikalisierungs- und Mäßigungstendenzen wider, welche sie während der letzten zehn Jahre erfahren hat (Angeli, 2023, S. 5f). In einem Artikel mit dem Titel " Das schwarze Jahr " kritisierte die Zeitung "La Repubblica" die Migrationspolitik von Giorgia Meloni als gescheitert. Meloni selbst gab in einem Interview mit der RAI zu, dass die erzielten Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprechen. Daraufhin kündigte sie erneut härtere Maßnahmen an, darunter die Verlängerung der möglichen Abschiebehaft auf die EU-Höchstdauer von 18 Monaten und den Bau weiterer Abschiebezentren. Sie forderte die Vereinten Nationen auf, den Menschenhändler:innen einen "globalen Krieg" zu erklären (ZEIT ONLINE, 2023).Wirtschafts- und SozialpolitikBesonders frauenpolitische Themen spielten eine wichtige Rolle in und für Melonis Partei. Es wird davon ausgegangen, dass die Parteivorsitzende Meloni eine wichtige Rolle für die weibliche Wählerschaft spielt. Sie setzt sich für einen Imagewandel der männerdominierten Partei ein und engagiert sich insbesondere für Frauen und Mütter, zumindest im Hinblick auf den Schutz vor potenziellen "Bedrohungen", wie dem Zuwachs an Migration, der Islamisierung und sozialer Unsicherheit, wie von der Kommilitonin Schmidt bereits beschrieben wurden (Feo & Lavizzari, 2021, S. 13). Zusätzlich engagiert sie sich entschlossen in der Verteidigung der Frauenrechte, wobei der Fokus jedoch auf anti-immigrationspolitischen Zielen liegt. In Bezug auf frauenrelevante Themen hat Giorgia Meloni niemals ihre anti-abtreibungsorientierten Überzeugungen verschleiert. Diese basieren auf ihrem katholischen Glauben sowie persönlichen Erfahrungen. In ihrer Biografie wird dargelegt, dass ihre Mutter in Erwägung zog, die Schwangerschaft abzubrechen (Meloni, 2021, zit. nach De Giorgi et. al, 2022). Meloni strebt vor allem eine breite Unterstützung in katholischen Kreisen an, indem sie sich gegen Abtreibung und Leihmutterschaft aussprach. Nachdem sie dort jedoch auf erheblichen Widerstand stieß, versuchte sie ihre Position zu mildern, indem sie betonte, das Recht auf Abtreibung nicht abschaffen zu wollen. Im Unterschied dazu blieb sie gegenüber Homosexuellen und sexuellen Minderheiten unverändert kompromisslos (Feldbauer, 2023, S. 70)."Wir wollen eine Nation, in der es kein Skandal mehr ist, zu sagen, dass – unabhängig von legitimen Entscheidungen und Neigungen jedes einzelnen – wir alle geboren sind durch einen Mann und eine Frau. Eine Nation, in der es kein Tabu mehr gibt. Es heißt, dass es die Mutterschaft nicht zu kaufen gibt, dass die Gebärmutter nicht zu mieten ist, dass Kinder keine Produkte sind, die man aus dem Regal kauft, als wäre man im Supermarkt. Wir wollen neu beginnen beim Respekt der Würde." (Meloni, 2022, zit. nach Seisselberg, 2023)Wie aus dem Zitat hervorgeht, betont die Politikerin ausdrücklich ihre Unterstützung der sogenannten natürlichen Familie, um die traditionellen Werte zu bewahren. Mit der Verteidigung dieser Werte und dem klassischen Vater-Mutter-Kind-Bild erfolgt eine Ablehnung der LGBTQ+-Gemeinschaft, die von Meloni als "LGBT-Lobby" bezeichnet wird (De Giorgi et. al, 2022). Die Ministerpräsidentin zeigt kein Interesse an einer feministischen Agenda, sondern strebt weiterhin ein traditionelles Familienmodell an (POP, 2023). Frauenrechte und Geschlechtergleichheit wurden von Meloni und ihrer Partei mehr für femonationalistische Argumente instrumentalisiert (De Giorgi et. al, 2022).In wirtschaftspolitischer Hinsicht herrscht in Italien eine Unzufriedenheit, da verschiedene Wahlversprechen nicht umgesetzt wurden. Dies ist auf das Schrumpfen der italienischen Wirtschaft im zweiten Quartal sowie der hohen Inflation zurückzuführen. Zudem wurde noch kein Mindestlohn eingeführt. Die Regierung unter Giorgia Meloni wurde auch dafür kritisiert, dass knapp 170.000 Menschen per SMS darüber informiert wurden, dass sie ab sofort keinen Anspruch mehr auf die Sozialleistung reddito di cittadinanza, auch Bürgergeld genannt, haben. Dies wurde von Gewerkschaften als "soziale Bombe" bezeichnet (ZEIT ONLINE, 2023). Es sei jedoch absehbar gewesen, dass die Umstrukturierung des Staatshaushalts wesentlich auf Kosten der ärmeren Bevölkerung erfolgen würde. Dennoch glaubten die meisten Menschen, dass die postfaschistische Regierung in den Augen der Weltöffentlichkeit nicht so weit gehen würde, wie ihre Rhetorik des "Runter vom Sofa" suggerierte, mit der sie ihren Geldgebern in Industrie, Landwirtschaft und Tourismus billige Arbeitskräfte zur Verfügung stellen wollten (Seeßlen, 2023).EU und Außenpolitik Der Zuwachs an Migration wurde von Meloni vor allem dazu genutzt, um das Thema der irregulären Migration auf die europäische Tagesordnung zu setzen. Sie war auch maßgeblich am Zustandekommen des Europäischen Migrationspaktes beteiligt, gegen den Widerstand ihrer einstigen Verbündeten aus Polen und Ungarn. Durch diese diplomatischen Bemühungen wird Meloni nun nicht mehr als internationale Außenseiterin in Bezug auf die europäische Migrationspolitik betrachtet. Im Gegensatz zu einigen früheren Verbündeten, wie Viktor Orbán, steht sie nicht mehr auf der Seite der Visegrád-Staaten (Angeli, 2023, S. 8f). Melonis Wandlung zu einer gemäßigten Politikerin findet nicht nur national, sondern auch im internationalen Kontext innerhalb und außerhalb der EU statt. Trotz ihrer Position als Präsidentin der EU-Parlamentsgruppe der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) hat Meloni ihre frühere euroskeptische Haltung zurückgefahren. Die Entscheidung, von der Leyen in Rom zu empfangen, wird als Versuch der Anbahnung einer Zusammenarbeit zwischen der ECR (unter Melonis Führung) und der Europäischen Volkspartei (EVP) bewertet. Die FdI hat einen moderaten Kurswechsel von radikalen Positionen gegenüber der EU hin zur Mitte vor den Wahlen 2022 vollzogen. Ziel dieses Kurswechsels sei der Aufbau eines guten Rufs im Ausland und die Sicherung vorteilhafter internationaler Abkommen (Griffini, 2023). Giorgia Meloni hat ihre gemäßigte politische Ausrichtung durch das Einhalten ihres Wahlversprechens im Hinblick auf Atlantizismus und Unterstützung für die Ukraine gegenüber dem russischen Eindringling weiter gestärkt. Ihre diplomatischen Beziehungen zur Ukraine und das Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew untermauern dies. Im Gegensatz zu Salvini, der im Bezug auf die russische Invasion in der Ukraine uneindeutige Standpunkte vertrat, zeigte sich Meloni klar positioniert. Der Unterschied in ihrer Haltung zum Krieg in der Ukraine führte zu Spannungen innerhalb der Regierungskoalition und betonte Melonis gemäßigte Position in dieser Angelegenheit (ebd.). Manche sagten für Italien einen heißen Herbst voraus, aber nicht in Hinblick auf die außenpolitische Lage. Meloni verfolgte in diesem Bereich einen äußerst pragmatischen Ansatz. Der schrille Ton des Wahlkampfes, in dem sie die EU für fast alle Probleme verantwortlich gemacht hat, ist vorbei. Das hat auch mit der prekären Finanzlage des Staates zu tun, denn Italien braucht dringend die fast 200 Milliarden Euro, die ihr von der EU zur Bewältigung der Folgen des Coronavirus versprochen wurden (ZEIT ONLINE, 2023).Meloni in den Medien"Melonis Politik, anders als die einiger ihrer Vasallen, besteht auch darin, die innere Faschisierung nicht allzu sehr als ein internationales lesbares Bild zu präsentieren. Die Giorgia Meloni, die erscheint, wo man unter sich ist, und die Giorgia Meloni, die vor internationalen Kameras spricht, unterscheiden sich gewaltig" (Seeßlen, 2023).Durch die Stärkung des Kerns der Partei ist es Meloni gelungen, mit einem breiteren Publikum zu interagieren, wobei ihr geschickter Einsatz von Social-Media-Plattformen eine Schlüsselrolle spielte. Dies führte dazu, dass sie als das neue Gesicht der italienischen Politik wahrgenommen wird. Ihre einzigartige Position als erste weibliche Ministerpräsidentin in Italien hat zweifellos dazu beigetragen. Außerdem hat sie bewiesen, dass sie in der Lage ist, die Herausforderungen zu meistern, mit denen populistische Politiker:innen konfrontiert sind (POP, 2023).Der Erfolg der FdI wäre ohne die entschlossene und konsequente Führungsperson, die dem Volk sehr nahe steht, unvorstellbar. Durch ihre Ansprachen an das Volk im römischen Dialekt kommt sie den Italiener:innen sehr nahe. Schon kurz nach der Gründung und dem Vorsitz der FdI war die charismatische Führerin ein gern gesehener Gast in den wichtigsten Talkshows. Sie zeichnete sich durch Jugend, Attraktivität, Selbstbewusstsein, außergewöhnliche Eloquenz und eine kompromisslose Haltung aus und scheute keine Konfrontation. Man kann behaupten, Meloni brachte frischen Wind ins Fernsehen und erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit in diesem Medium (Ventura, 2022, S.6).Im Laufe der Zeit hat ihre Medienpräsenz stetig zugenommen, insbesondere in den letzten Jahren, als sie eine immer bedeutendere Funktion im Mitte-Rechts-Lager einnahm. Meloni macht ausgiebigen Gebrauch von sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram, in denen sie ihre politischen Inhalte darstellt und gleichzeitig ihr öffentliches Image zu pflegen versucht. Unter den italienischen Politiker:innen war sie Vorreiterin bei der Einrichtung eines Instagram-Profils. Darauf veröffentlichte sie in erster Linie Bilder, die Botschaften von Stärke und Entschlossenheit vermitteln und in der Popkultur verwurzelt sind. Parallel dazu zieht sie informative, institutionelle und ereignisbezogene Nachrichten vor (Moroni, 2019).Bis vor wenigen Jahren versuchte Meloni, ihr Privatleben aus der Öffentlichkeit weitestgehend herauszuhalten. Doch in letzter Zeit begann sie damit, ihr Privatleben zu inszenieren und sehr persönliche Einblicke zu gewähren, was auch als "intimate politics" beschrieben werden kann. Vor allem in ihrer 2021 erschienenen Autobiografie präsentiert sie sich als Tochter, Mutter und Partnerin. Diese Inszenierung wird von den Medien in zahlreichen Interviews und im Fernsehen aufgegriffen, wobei vor allem Infotainment- und Unterhaltungssendungen erneut die Aufmerksamkeit auf Melonis Pop- und Privatseite lenken. Dabei geraten viele der eigentlichen politischen Botschaften des Buches in den Hintergrund (Ventura, 2022, S. 6).Auf ihrem Popkanal präsentiert Giorgia Meloni ein attraktives Bild von sich selbst, das ihre kulturellen und politischen Ansichten in den Hintergrund drängt. Diese Ansichten spiegeln u.a. ein ambivalentes Verhältnis zum italienischen Faschismus und Postfaschismus wider. Laut Ventura (2022, S. 6) propagiert sie die Idee einer illiberalen und organisierten Gesellschaft, die auf einer reaktionären Auslegung der individuellen Rechte beruht, wobei das Individuum stets der Familie und der Gemeinschaft verpflichtet ist. Sie vertritt auch einen essentialistischen und ethnozentrischen Nationalismus und relativiert die Werte, die nach dem Sieg über den nationalsozialistischen Totalitarismus entstanden sind. Trotz ihres reaktionären Weltbildes, welches einen stark vereinfachenden Gegensatz zwischen Volk und Elite sowie eine verschwörungstheoretische Interpretation der Realität beinhaltet, kann ihre Kommunikation als erfolgreich bewertet werden (ebd.).Die laufende Legislaturperiode erstreckt sich über weitere vier Jahre, was normalerweise keine typische Amtszeit für italienische Regierungschefs ist. Diese Ausdauer wird der Rechtsnationalistin jedoch zugute gehalten. Berichte über die verschiedenen Angriffe der Regierung auf die Pressefreiheit zeigen auf, dass es Verleumdungsklagen und Versuche gibt, die öffentliche Rundfunkanstalt RAI auf Linie zu bringen, indem sie ihre eigenen Leute in der Leitung beruft und kritische Programme streicht (Braun, 2023). Sie habe den staatlichen Fernsehsender RAI weitgehend unter ihre Kontrolle gebracht. Einige Leute würden bereits über "Tele-Meloni" spotten, allerdings stellen Privatsender keine große Bedrohung dar, da viele von ihnen der Familie von Silvio Berlusconi gehören (ZEIT ONLINE, 2023). Ein weiteres Beispiel dafür ist die Streichung des Programms des prominenten Anti-Mafia-Journalisten und Aktivisten Roberto Saviano (Braun, 2023).Melonis Umgestaltung hat für die Frage nach der Kontinuität, Mäßigung oder Radikalisierung der Partei in der Regierung eine doppelte Bedeutung. Einerseits zeigt Meloni ihre "Nähe zum Volk", was ein typisches Merkmal populistischer Parteien ist. Auf diese Weise betont sie ihre anti-elitäre und volkszentrierte Haltung, die seit der Gründung der FdI besteht. Auf der anderen Seite zeichnet sich ihre Rhetorik durch eine bürgerliche Aura aus, die durch Werte wie den Respekt vor der EU, der Rechtsstaatlichkeit, der nationalen Sicherheit und den Rechten der Frauen unterstrichen wird. Diese Betonung von Gewöhnlichkeit und Bürgersinn verbirgt jedoch radikalere ideologische Aspekte der neuen Regierung unter Meloni. Es handelt sich um eine Strategie, die darauf abzielt, eine bürgerliche Fassade zu schaffen. Diese Strategie ist von radikalen populistischen Rechtsparteien in Europa als Versuch bekannt, Ideologie und Politik zu mäßigen und sich selbst in führende Machtpositionen zu bringen (Griffini, 2023).Deutlicher Rechtsruck?"Es hätte schlimmer kommen können" – so lautete nicht nur der Titel eines Beitrags im Deutschlandfunk Kultur über das erste Jahr von Giorgia Meloni als Regierungschefin in Italien. Dieser Tenor stand im Mittelpunkt vieler Analysen zu ihrem Jahrestag als Ministerpräsidentin. In zahlreichen Medien wurde bezeugt, dass sie sich in ihrem ersten Amtsjahr weitaus gemäßigter verhalten hat als erwartet. "Die gefährlichste Frau Europas" sei sie keinesfalls (Seisselberg & Kolar, 2023, zit. nach Galetti, 20230). Die Grundaussage war, dass die Faschisten nicht so besorgniserregend seien wie befürchtet. Es scheint, als hätte Giorgia Meloni den inneren Frieden in Italien bisher nicht gefährdet und als bleibe das Land eine "stabile" parlamentarische Demokratie mit intakten Institutionen. Insbesondere in grundlegenden Bereichen wie der Außenpolitik und der Wirtschaft wird betont, dass Melonis Regierung nicht als Bedrohung für die Europäische Union gesehen wird. Die bisherige Amtszeit Melonis wird als eher konventionelles Regieren bezeichnet (Reisin, 2023). Sie sei "gekommen, um zu bleiben" und innerhalb weniger Monate zu einer "festen Größe" geworden (ZEIT ONLINE, 2023).Andere Journalist:innen sind jedoch der Meinung, dass die Gefahr in den Details liege. Sie argumentieren, dass Meloni sehr geschickt agiere und es fraglich sei, ob sich ihre politische Haltung überhaupt geändert habe (Reisin, 2023). Seeßlen (2023) warnt davor, Italien als eine Demokratie mit einer rechten Regierung zu betrachten. Stattdessen beschreibt er das Land als einen Ort, an dem die Verbindung von neoliberaler Postdemokratie und funktionalem Postfaschismus exemplarisch erprobt werde. Die Gesamtheit dieser Transformation könnte übersehen werden, da es der Regierung unter Meloni noch gelingt, nicht alle Aspekte ihrer Machtübernahme deutlich erkennbar zu machen. Die Rhetorik von Populisten ist bekanntermaßen darauf ausgerichtet, extreme Positionen vor der allgemeinen Öffentlichkeit zu verbergen. Auch das kommunistische Online-Portal Contropiano (zit. nach Feldbauer, 2023, S. 81) hat vor der Gefahr gewarnt, Meloni zu unterschätzen, da sie ihr reaktionäres Weltbild mit rechtsextremen, nationalistischen, fremdenfeindlichen und homophoben Positionen gegenüber der EU mit der Inszenierung als vernünftige und verantwortungsbewusste Politikerin kaschiere. Die Frage nach einem möglichen Rechtsruck in Italien wird kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite wird der Wahlsieg Melonis als Teil einer allgemeinen europäischen Tendenz hin zum rechten Spektrum gedeutet. Auf der anderen Seite wird betont, dass die Regierung unter Meloni eine gewisse Kontinuität mit den politischen Entwicklungen der letzten 30 Jahre in Italien aufweist und somit nicht als radikaler Neuanfang zu interpretieren ist. Melonis Erfolg wurde vor allem auch durch die Enttäuschung über etablierte politische Figuren begünstigt (Livi & Jansen, 2023).FazitAls Giorgia Meloni mit ihrer postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia die Wahlen gewann, stellte sich in ganz Europa die Frage, wie mit ihr umgegangen werden sollte. Ob diese Frage nun vollständig geklärt ist, erscheint ungewiss. Für viele macht Meloni bisher jedoch einen relativ gemäßigten Eindruck. Die Zusammenarbeit mit der EU wirkt jedoch eher zweckorientiert als von tiefer Überzeugung getragen. Obwohl Meloni eine pro-europäische Haltung einnimmt, kann man sie nicht uneingeschränkt als überzeugte Verfechterin der EU bezeichnen. Während sie eine gemäßigte Außenpolitik verfolgt, engt sie im Inneren die Freiheit der Medien ein, limitiert die Rechte von Minderheiten und stellt die Elternschaft gleichgeschlechtlicher Eltern in Frage. Trotz der Befürchtungen über eine mögliche Radikalisierung der FdI deuten die gegenwärtigen Anhaltspunkte in eine andere Richtung. Angesichts dieser Erkenntnisse lässt sich ableiten, dass die FdI zweifellos als populistisch-radikale Rechtspartei agiert, die zur Mäßigung tendiert. Weite Teile zeigen die Kontinuität der Partei mit den Wahlaussagen von 2022, obwohl einige Schwankungen in Richtung Radikalisierung erkennbar sind. Es bleibt abzuwarten, ob sie diesen gemäßigten Ansatz in der Migrationsdebatte langfristig beibehalten wird, oder ob sie angesichts der steigenden Zahlen von Geflüchteten zu einer aggressiveren Rhetorik und Politik zurückkehrt. Obwohl eine Legislatur auf dem Papier fünf Jahre dauert, liegt die durchschnittliche Dauer italienischer Regierungen bei 18 Monaten (Siefert, 2023). Die Prognosen bezüglich Melonis politischer Zukunft sind vorsichtig optimistisch, wobei einige spekulieren, dass sie eine längere Amtszeit haben und sogar zur Galionsfigur der "neuen Rechten" in Europa werden könnte. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass sich solche Vorhersagen als irreführend erweisen können (ZEIT ONLINE, 2023).Insgesamt scheint es, als fehle es in Italien an Diskursen und Ideen sowie Kraft für Widerstand. Die italienische Gesellschaft, die aus widersprüchlichen Lagern der Linken und der katholischen Gemeinschaft sowie aus den nördlichen, mittleren und südlichen Teilen besteht, ist zersplittert. Von der Opposition kommt wenig Kritik an der aktuellen Regierung und es scheint, als ob ihr die Herausforderungen, vor denen Italien steht, noch weniger zugetraut werden. Bei vielen sozialen Fortschritten der letzten Jahre, einschließlich der Errungenschaften im Kampf gegen die Mafia, der Bekämpfung von Steuerhinterziehung oder auch Maßnahmen gegen Verfall von Bildung und Infrastruktur deutet sich ein Rückschritt an. Der Weg in Richtung einer offenen und toleranten Gesellschaft wird unter Melonis Führung stark gehemmt. Mit der Postfaschistin an der Macht wird in Italien eine rückwärtsgerichtete Umkehr angestrebt, ganz im Sinne eines reaktionären Katholizismus. Literatur Angeli, O. 2023: Giorgia Meloni und die Migrationsfrage. Rückblick auf ein Jahr Regierung, MIDEM-Policy Paper 2023-4, Dresden. Baker, K. & Palmieri, S. (2023). Können weibliche Politiker die gesellschaftlichen Normen der politischen Führung stören? Eine vorgeschlagene Typologie des normativen Wandels. International Political Science Review, 44(1), 122–136. https://doi.org/10.1177/01925121211048298 Brandl, L. & Ritter, A. (2022). Wenn Italien wackelt, schwankt die EU: Darum ist Giorgia Meloni die gefährlichste Frau Europas. https://www.stern.de/politik/ausland/wahlen-in-italien--ist-giorgia-meloni-die-gefaehrlichste-frau-europas--32742572.html De Giorgi, E., Cavalieri, A. & Feo, F. (2023). Vom Oppositionsführer zum Premierminister: Giorgia Meloni und Frauenfragen in der italienischen radikalen Rechten. Politik und Governance, 11(1). https://doi.org/10.17645/pag.v11i1.6042 Feo, F. & Lavizzari, A. (2021): Fallstudie Italien; in: Triumph der Frauen? Das weibliche Antlitz des Rechtspopulismus und -extremismus in ausgewählten Ländern, Heft 06, Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) - Forum Politik und Gesellschaft, online unter: https://www.fes.de/themenportal-gender-jugend-senioren/ gender-matters/artikelseite/fallstudie-italien. Finchelstein, F. (2017). Populismus als Postfaschismus – Essay. BPB.de. https://www.bpb.de /shop/zeitschriften/apuz/257672/populismus-als-postfaschismus-essay/ Griffini, M. (2023). Auf dem Grat zwischen Mäßigung und Radikalisierung: Die ersten 100 Tage der Meloni-Regierung. Quaderni dell Osservatorio elettorale QOE - IJES. https://doi.org/10.36253/qoe-14413 Latza Nadeau, B. (2018): Femme Fascista: Wie Giorgia Meloni zum Star der extremen Rechten Italiens wurde, in: World Policy Journal, 35, 2, 2018. Livi, M. & Jansen, C. (2023). Giorgia Meloni und der Rechtsruck in Italien: Eine Analyse fünf Monate nach der Wahl. Leviathan, 51(2), 169–185. https://doi.org/10.5771 /0340-0425-2023-2-169 Lutz, Philip (2021): Neubewertung der Gap-Hypothese: Hartes Reden und schwaches Handeln in der Migrationspolitik? In: Party Politics, 27(1), S. 174–186. Verfügbar unter: https://doi. org/10.1177/1354068819840776Moroni, C. (2019): La politica si fa immagine: la narrazione visual del Leader politico, in: H-ermes. Zeitschrift für Kommunikation, 15. 2019.Oliviero, A. (2023). Giorgia Meloni und die Migrationsfrage. 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Giorgia Melonis Kürzung der Sozialhilfe als faschistischer Krieg gegen die Armen Italiens. Gesellschaft als Beute Italien: Ein Lehrstück der Faschisierung in Europa. Jungle.World, Hintergrund (2023/33). Seisselberg, J. (2023). Ein Jahr Meloni in Italien – Neue Schale, rechter Kern (04.10.2023; NDR Info Hintergrund). https://www.ndr.de/nachrichten/info/epg/Ein-Jahr-Meloni-neue-Schale-rechter-Kern,sendung1384714.html Siefert, A. (2023). Italien. Meloni und ihre "Mutter aller Reformen". https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-11/italien-giorgia-meloni-verfassungsreform Tagesschau. (2022). Porträt. Giorgia Meloni. "Zuallererst Italienerin". Tagesschau.de https://www.tagesschau.de/ausland/italien-meloni-107.html ZEIT ONLINE. (2023, 25. September). Gekommen um zu bleiben: Ein Jahr Giorgia Meloni. https://www.zeit.de/news/2023-09/25/gekommen-um-zu-bleiben-ein-jahr-giorgia-meloni
Verkehrsmittelwahl und Einstellungen. Umweltbewusstsein und Umweltverhalten.
Welle 1:
Themen: Von der Wohnung zu Fuß erreichbare ausgewählte Einrichtungen, Freunde und Verwandte; Wichtigkeit ausgewählter Kriterien für Verkehrsmittel; Rangfolge dieser Kriterien; regulärer Weg, der regelmäßig und mehrmals pro Woche zurückgelegt wird; Möglichkeit der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV); Anbindung an den ÖPNV (Bus, Straßenbahn, U-Bahn, S-Bahn, DB/Regionalbahn/Zug); Bewertung der Erreichbarkeit und der Taktzeiten der vorgenannten Verkehrsmittel; Nutzungshäufigkeit der Verkehrsmittel (zusätzlich Taxi); Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit, der Umsteigehäufigkeit und den Taktzeiten der für tägliche Wege genutzten öffentlichen Verkehrsmittel; Motive für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel; auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen und dadurch empfundene Störung; Besitz einer Dauerfahrkarte für den ÖPNV (Jahresabonnement, Monats- oder Wochenkarte); Besitz einer BahnCard; Wichtigkeit zu Fuß erreichbarer öffentlicher Verkehrsmittel; Entscheidung für Fußweg oder Autofahrt am Beispiel Briefkasten; Gründe für die jeweilige Nutzung von Fußweg oder Auto (offene Frage); Überlegungen, die eine Rolle bei der Entscheidung spielen (schlechtes Gewissen, Auto vermeiden, im Interesse aller, einmal mehr oder weniger, immer, also auch in diesem Fall, Verweis auf Andere); mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Auto verbundene Eigenschaften (flexibel, schnell pünktlich, sicher im Verkehr, geschützt vor Kriminalität, preisgünstig, entspannt, umweltbewusst, bequem, Transporte möglich); Fahrradbesitz; Führerscheinbesitz und Fahrzeugklasse der Fahrerlaubnis; Besitz von Pkw oder Motorrad; Gründe für fehlenden Pkw-Besitz; Hauptgrund; Pkw zur Verfügung; Wichtigkeit der Verfügbarkeit eines PKWs; tägliche Wege mit Auto möglich; für tägliche Wege auf das Auto angewiesen und dadurch empfundene Störung; Kraftfahrzeuge im Haushalt; für bis zu vier Fahrzeuge wurde detailliert erfragt: Fahrzeugart, Marke, Kilometerleistung pro Jahr, Kraftstoffverbrauch und Kraftstoffart; persönliche Beteiligung an der Kaufentscheidung; Wichtigkeit der Umweltverträglichkeit des Kfz; assoziierte Möglichkeiten für umweltgerechtes Verhalten als Autofahrer (offene Frage); Beurteilung ausgewählter Maßnahmen hinsichtlich umweltgerechten Verhaltens als Autofahrer (Rangfolge); detaillierte Angaben zur Nutzungshäufigkeit aller genutzten Verkehrsmittel für die Zeiträume immer/Winter und Sommer für den Arbeitsweg, Erledigen größerer Einkäufe, Wochenendausflüge, Freizeitaktivitäten und Begleitung von Kindern; Kombinationen von Verkehrsmitteln für die vorgenannten Zeiträume; Fahrtdauer einfache Strecke bei ausschließlicher Nutzung von Auto, ÖPNV und einer Kombination; Entfernung des Zielortes von der Wohnung; maximal in Kauf genommene Fahrtdauer; genutztes Verkehrsmittel für den letzten täglichen Weg; beabsichtigter Zeitpunkt und Verkehrsmittel für den nächsten täglichen Weg; genutztes Verkehrsmittel für den letzten Urlaub.
Autofahrer wurden gefragt: Einstellung zu ausgewählten Gründen für die Pkw-Nutzung (ÖPNV fährt zu selten, schlecht abgestimmt, Strecke wird von ÖPNV nicht bedient, Vorzug des PKW aus Zeitgründen und aus Komfortgründen, angenehm, ÖPNV zu teuer, persönliche Mobilität, begeisterter Autofahrer, Auto für tägliche Wege richtig); präferiertes Ersatzverkehrsmittel bzw. Kombination (immer bzw. für die Zeiträume Sommer und Winter) Bereitschaft zur Einschränkung der Autonutzung aus Umweltschutzgründen bezogen auf den Arbeitsweg, größere Einkäufe, Freizeitaktivitäten, Wochenendausflüge, Begleitung von Kindern und in anderen Situationen; Einschränkung der Autonutzung wäre möglich; Absicht zur Einschränkung der Autonutzung; Zufriedenheit bezüglich der Vorsätze; weitere vorstellbare Einschränkungen der Autonutzung (offene Frage); Bereitschaft zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel unter ausgewählten veränderten Bedingungen (z.B. beansprucht viel mehr Zeit und wird billiger); Rangfolge der vorgenannten Situationen für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel; eigenes Verhalten bei hohen Ozonwerten hinsichtlich der Befolgung eines Aufrufs und einer Vorschrift zu Tempo 80 auf Autobahnen.
Wieder alle: Einstellung zum Umweltschutz (Skala: unbedingt notwendig in allen Lebensbereichen, Übertreibung der Medien bzw. Umweltbelastung durch Autoverkehr, Schonung der Ressourcen, können nicht so weiter machen, Inkaufnahme von Einschränkungen, nur durch aktiven Beitrag jedes Einzelnen möglich, Verantwortung nicht an andere abgeben, Reduzierung des Autoverkehrs für Wohlbefinden unabdingbar, Berücksichtigung bei der Verkehrsmittelwahl, große Eigenverantwortung für die Umwelt, eigenes umweltgerechtes Verhaltens persönlich wichtig); Einschätzung jedes einzelnen täglich genutzten Verkehrsmittels als schädlich oder schonend für die Umwelt; Sicherheit der Überzeugung bezüglich dieser Einschätzung; Einschätzung des Schadens für die Umwelt im Vergleich zu möglichen Alternativen; Sicherheit der Überzeugung; Zufriedenheit mit der Verkehrsmittelwahl hinsichtlich der Umweltfolgen; Einstellung zum Umweltschutz bei täglichen Wegen (Skala: Inkaufnahme höherer Kosten für den Umweltschutz, Wahl eines umweltfreundlichen Verkehrsmittels trotz höheren Zeitaufwands, als Umweltschützer der Dumme, Bereitschaft zu Unbequemlichkeiten für den Umweltschutz, Mensch handelt zum eigenen Vorteil auf Kosten der Umwelt, Nutzen von ÖPNV, da Umweltschutz jeden angeht, wenig umweltgerechtes Verhalten der Bevölkerung, so bequem wie möglich, ÖPNV als Alternative nur wenn nicht zu teuer und zeitintensiv, umweltgerechtes Verhalten unabhängig vom Tun der anderen, Wahl der Verkehrsmittel nach geringstem Kostenaufwand, tägliche Wege mit geringstem Zeitaufwand, eigenes Verhalten nur ein winziger Beitrag); präferierte Alternative der Verkehrsmittelwahl für die täglichen Wege (kostengünstigstes, schnellstes, umweltfreundlichstes oder bequemstes Verkehrsmittel); Auswirkungen eines Wechsels des Verkehrsmittels; präferierte Gesprächspartner über Umweltprobleme und Verkehrsprobleme; Gesprächspartner über Umweltthemen in der Vergangenheit; vermutete Reaktion des Freundeskreises bei Wechsel des Verkehrsmittels; Einstellung zu Status und sozialem Umfeld (Skala: Autonutzung für den Arbeitsweg gehört ab bestimmter beruflicher Position dazu, Meinung von Freunden ist wichtig, Autogröße in Abhängigkeit von der beruflichen Position, umweltgerechtes Verhalten im Freundeskreis wichtig, höheres Ansehen von Autofahrern als von ÖPNV-Nutzern, Übereinstimmung mit den Freunden wichtig, hohes gesellschaftliches Ansehen wichtig; Anzahl der ÖPNV-Nutzer im Kollegenkreis; Nennung von Umweltschutzorganisationen; Kenntnis des für den Treibhauseffekt verantwortlichen Gases; Einschätzung der Gefahr durch die Klimaveränderungen; Einschätzung der Klimaveränderung durch Autoabgase; Hauptverantwortlicher für den Umweltschutz; Einschätzung der persönlichen Umweltverantwortung (11-stufiges Skalometer); Bereitschaft zu spürbaren Einschnitten für den Umweltschutz.
Umweltschutzmaßnahmen: Bewertung ausgewählter Verbesserungsvorschläge im Verkehrsbereich bzw. zur Verminderung des Autoverkehrs (z.B. autofreie Innenstadt, Rückbau von Straßen, preiswerter ÖPNV); Einstellung zu ausgewählten Aussagen (Forderung nach mehr Disziplin der Jugend, zu viel Einfluss großer Unternehmen auf die Gesellschaft, strenger bei richtig/falsch Einschätzung als andere, moderne Technologie ist bester Umweltschutz, Anweisung von Vorgesetzten ist Folge zu leisten, beim Umweltschutz auf Experten vertrauen, Einkommensangleichung als Aufgabe der Regierung, Wirtschaftswachstum für Umweltschutz nötig, persönliche Wichtigkeit von Pünktlichkeit, gerechte Wohlstandsverteilung garantiert Weltfrieden, florierende Unternehmen sorgen für Wohlstand, Fortführen von Familientraditionen, gutes Auskommen Aller ist Aufgabe der Regierung, höhere Besteuerung beruflich Erfolgreicher, Gleichberechtigung von Tieren und Menschen, hart Erarbeitetes später genießen, Sozialleistungen des Staates hindern die Eigeninitiative, weniger gesellschaftliche Probleme durch mehr Gleichheit, Ruhe und Ordnung als wichtigste Aufgabe der Politik (Postmaterialismus), mehr Schaden als Nutzen durch moderne Technologien, gutes Gehalt als bester Anreiz für Arbeitseinsatz, Wirtschaftswachstum als Schlüssel zu mehr Lebensqualität, möglichst wenig staatliche Eingriffe in die Wirtschaft, Einhaltung von Umweltstandards sollte der Wirtschaft überlassen sein, Schätzen von Beständigkeit, Unterschiede zwischen den Menschen sind annehmbar); erwartete Vorteile durch Einkommensangleichung.
Demographie: Geschlecht; Alter (Geburtsjahr); Staatsbürgerschaft; Herkunft aus den alten oder den neuen Bundesländern; Haushaltszusammensetzung: Anzahl der erwachsenen Personen im Haushalt; Anzahl und Alter der Kinder im Haushalt; Anzahl der Personen, die zum Haushaltseinkommen beitragen; Haushaltsnettoeinkommen; höchster Schulabschluss; höchster Bildungsabschluss; derzeitige Tätigkeit; berufliche Stellung; Selbsteinschätzung links-rechts (11-stufiges Skalometer); Selbstbeschreibung anhand von Gegensatzpaaren (semantisches Differential: vernünftig - emotional, Risiko suchend - auf Sicherheit bedacht, förmlich - ungezwungen, konsequent - nicht konsequent - in Denken und Handeln); Sorgen hinsichtlich ausgewählter Themen (allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, eigene wirtschaftliche Situation, technologische Entwicklungen im allgemeinen, Umweltverschmutzung, Zustand der Natur, Friedenssicherung, Kriminalitätsentwicklung, Ausländersituation in Deutschland, Sicherheit in der Wohngegend, Arbeitsmarktentwicklung).
Kenntnis über die Eröffnung der Verbindung Berlin-Neuruppin; Informationsquelle; Zeitpunkt der Kenntnisnahme bzw. Kenntnisdauer; Erwartungen an die Verbindung; Nutzung der Verbindung für den Arbeitsweg und für Wochenendausflüge.
Zusätzlich verkodet wurde: Netzwerkmitglieder, Region; Kontakt zur Person auf Grund: Adressenliste/CD-Rom, RLD oder Schneeballsystem; Interviewbeginn und Interviewende; Interviewdauer; Fragebogenversion (alt, neu); Interventionsgespräch zwischen 1. und 2. Welle.
Welle 2:
Themen: Übereinstimmung des täglichen Wegs seit der letzten Befragung; Fahrtziel (offene Frage); Wichtigkeit ausgewählter Kriterien für Verkehrsmittel; Möglichkeit der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV); Anbindung an den ÖPNV (Bus, Straßenbahn, U-Bahn, S-Bahn, DB/Regionalbahn/Zug); Bewertung der Erreichbarkeit und der Taktzeiten der vorgenannten Verkehrsmittel; vorwiegend genutztes Verkehrsmittel für den täglichen Weg; Kombination der genutzten Verkehrsmittel für die Zeiträume immer/Winter und Sommer; Motive für die Nutzung dieser Verkehrsmittelkombination (kostengünstigste bzw. schnellste Möglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu Fuß schlecht erreichbar, angenehm, Erledigung anderer Dinge nebenbei, Stressfreiheit, ÖPNV-Nutzung ist richtig, Umweltbeitrag); Motive als Pkw-Nutzer (Skala: ÖPNV zu selten, schlecht abgestimmt, Strecke wird nicht bedient, Zeitgründe, Komfortgründe, angenehm, ÖPNV zu teuer, persönliche Mobilität, begeisterter Autofahrer, richtig so); präferiertes Verkehrsmittel bzw. Verkehrsmittelkombination ohne zur Verfügung stehendes Auto; Veränderungen der Verkehrsmittelwahl seit der 1. Welle für den Arbeitsweg, Erledigen größerer Einkäufe, Wochenendausflüge, Freizeitaktivitäten, die Begleitung von Kindern und in anderen Situationen; Bereitschaft zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel unter ausgewählten veränderten Bedingungen (z.B. beansprucht viel mehr Zeit und wird billiger); Motive als ÖPNV-Nutzer (kostengünstigste bzw. schnellste Möglichkeit, Umweltbeitrag, angenehm, nebenbei Erledigung anderer Dinge, stressfrei, so richtig); auf Öffentliche Verkehrsmittel angewiesen mangels Alternativen; weitere Motive als ÖPNV-Nutzer (keine Parkplatzsuche, kein Stau, Auto manchmal nicht verfügbar); Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit und den Taktzeiten der für tägliche Wege genutzten öffentlichen Verkehrsmittel; Motive als Rad-Nutzer (kostengünstigste bzw. schnellste Möglichkeit, Umweltbeitrag, angenehm, gesunde Bewegung, stressfrei, so richtig); empfundene Störung durch Angewiesensein auf ÖPNV; Besitz einer Dauerfahrkarte für den ÖPNV (Jahresabonnement, Monats- oder Wochenkarte); Besitz einer BahnCard; Wichtigkeit der Anbindung an den ÖPNV; mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit dem Auto verbundene Eigenschaften (flexibel, schnell pünktlich, sicher im Verkehr, geschützt vor Kriminalität, preisgünstig, entspannt, umweltbewusst, bequem, Transporte möglich); Besitz von PKW oder Motorrad; Hauptgrund für fehlenden PKW- oder Motorradbesitz; PKW zur Verfügung; täglicher Weg mit dem Auto zurücklegbar; auf ein Auto angewiesen und dadurch empfundene Störung; Wichtigkeit der Verfügbarkeit eines PKW; Überraschung über das Ergebnis der ersten Erhebungswelle bezüglich der Frage nach umweltgerechtem Verhalten als Autofahrer (offene Frage); Beurteilung ausgewählter Maßnahmen hinsichtlich umweltgerechten Verhaltens als Autofahrer (retrospektiv, Rangfolge); detaillierte Angaben zur Nutzungshäufigkeit aller genutzten Verkehrsmittel für die Zeiträume immer/Winter und Sommer für den Arbeitsweg, Erledigen größerer Einkäufe, Wochenendausflüge, Freizeitaktivitäten und Begleitung von Kindern; Fahrtdauer einfache Strecke bei Nutzung von Auto, ÖPNV, in Kombination und mit Fahrrad; Entfernung des Zielortes von der Wohnung; genutztes Verkehrsmittel für den letzten täglichen Weg; beabsichtigter Verkehrsmittel für den nächsten täglichen Weg; genutztes Verkehrsmittel für den letzten Urlaub; Einstellung zu ausgewählten Aussagen zum Umweltschutz (Skala); Einschätzung jedes einzelnen täglich genutzten Verkehrsmittels als schädlich oder schonend für die Umwelt; Sicherheit der Überzeugung bezüglich dieser Einschätzung; Einschätzung des Schadens für die Umwelt im Vergleich zu möglichen Alternativen; Sicherheit der Überzeugung; Zufriedenheit mit der Verkehrsmittelwahl hinsichtlich der Umweltfolgen; Präferenz für das kostengünstigste, schnellste, umweltfreundlichste oder bequemste alternative Verkehrsmittel; bei Nutzung einer Kombination von Auto und ÖPNV: Wechsel der Verkehrsmittelwahl auf ein Verkehrsmittel; Auswirkungen dieses Wechsels.
Selbstausfüller Beziehungstabelle (Schneeballsystem): für jede Bezugsperson (Netzwerkperson) detaillierte Angaben zu: Beziehungsart; Alter und Geschlecht der Bezugsperson, Person fährt überwiegend Pkw; vermutete Zustimmung dieser Bezugsperson zur Notwendigkeit der Reduzierung des Autoverkehrs für die Umwelt.
Benennen einer Netzwerkperson bei der ersten Befragungswelle; Gespräch mit dieser Person über das Projekt; Befragter wurde von jemandem benannt und hat mit dieser Person gesprochen; erwartete Reaktion des Freundeskreises nach einem Wechsel des Verkehrsmittels aus Umweltschutzgründen; Anzahl der Freunde und Kollegen, die öffentliche Verkehrsmittel benutzen; Einschätzung der persönlichen Umweltverantwortung (11-stufiges Skalometer); Bereitschaft zu spürbaren Einschnitten für den Umweltschutz.
Demographie: Änderung der beruflichen Tätigkeit, der beruflichen Stellung, und der Tätigkeitsbezeichnung seit der ersten Befragungswelle; derzeitige berufliche Tätigkeit, berufliche Stellung und Tätigkeitsbezeichnung.
Zusätzlich verkodet wurde: Intervierweridentifikation; Datum des zweiten Interviews; Interviewbeginn und Interviewende; Interviewdauer; Personenidentifikation; Art des Anschreibens der 3. Welle (Broschüre mit oder ohne Interventionsblatt oder Kontrollgruppe).
Welle 3:
Themen: Übereinstimmung des täglichen Wegs seit der letzten Befragung; Fahrtziel; Fahrzeit; Wichtigkeit ausgewählter Kriterien für den täglichen Weg (Flexibilität, Schnelligkeit, Pünktlichkeit, Verkehrssicherheit, Kosten, Bequemlichkeit und Transportmöglichkeiten); Erreichbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln; Bewertung der Erreichbarkeit und der Taktzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel; Erreichbarkeit eines Bahnhofs des Zugfernverkehrs; Bewertung der Erreichbarkeit dieses Bahnhofs; Bewertung der Taktzeiten der Fernzüge; Kenntnis der Inbetriebnahme des Prignitzexpress; Freizeitnutzung dieser neuen Zugverbindung; Möglichkeit der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs für den täglichen Weg; zur Verfügung stehender Pkw; Pkw-Nutzung für den täglichen Weg ist möglich; Wichtigkeit eines Pkw für den Befragten; empfundene Störung durch Angewiesensein auf einen Pkw; Häufigkeit der Nutzung von Auto, öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrrad, zu Fuß für den täglichen Weg; vorwiegend genutzte Verkehrsmittel (Fahrtyp); Reihenfolge der genutzten Verkehrsmittel bei einer Verkehrsmittelkombination; konkrete Angabe des zuerst und als zweites genutzten Verkehrsmittels; Einschätzung jedes einzelnen täglich genutzten Verkehrsmittels als schädlich oder schonend für die Umwelt; Sicherheit der Überzeugung bezüglich dieser Einschätzung; Grund für die Nutzung einer Verkehrsmittelkombination (angenehm, öffentliche Verkehrsmittel für tägliche Wege richtig); konkrete Nutzung der Verkehrsmittel als Selbstfahrer oder Mitfahrer; Grund für Autonutzung (angenehm, Auto für tägliche Wege richtig); Angewiesensein auf das Auto; präferierte alternative Verkehrsmittel zum Auto; Veränderungen im allgemeinen bei der Verkehrsmittelwahl im Vergleich zur letzten Befragung bei ausgewählten Fahrten (Arbeitsweg, Erledigen größerer Einkäufe, Freizeitaktivitäten, Wochenendausflüge und Begleitung von Kindern); konkrete Angabe des zuerst und ggfls. als zweites genutzten öffentlichen Verkehrsmittels; Einschätzung der täglich genutzten öffentlichen Verkehrsmittel als schädlich oder schonend für die Umwelt; Sicherheit der Überzeugung bezüglich dieser Einschätzung; Motivation für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (angenehm, Auto für tägliche Wege richtig); Angewiesensein auf öffentliche Verkehrsmittel wegen fehlender Alternative; Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit allgemein sowie mit den Taktzeiten der täglich genutzten öffentlichen Verkehrsmittel; Einschätzung der Fahrradnutzung für tägliche Wege als schädlich oder schonend für die Umwelt; Nutzung anderer Verkehrsmittel oder eines privaten Pkw; Einschätzung dieser Verkehrsmittel als schädlich oder schonend für die Umwelt; Sicherheit der Überzeugung bezüglich dieser Einschätzung; Motivation für die Fahrradnutzung (angenehm, Fahrrad für tägliche Wege richtig); empfundene Störung durch das Angewiesensein auf öffentliche Verkehrsmittel; Besitz einer Dauerfahrkarte für den ÖPNV; Besitz einer BahnCard; Wichtigkeit der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel von zuhause; Einstellung zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und zur Autonutzung (Skala: flexibel, schnell, pünktlich, sicher im Verkehr, preisgünstig, umweltbewusst, bequem, Transporte möglich); genutztes Verkehrsmittel für den letzten täglichen Weg; beabsichtigter Verkehrsmittel für den nächsten täglichen Weg; maximal in Kauf genommene Wegezeit für den täglichen Weg; Einstellung zum Umweltschutz (Skala: Zurücklegen der täglichen Wege mit dem geringsten Zeitaufwand bzw. so bequem wie möglich, Verkehrsmittelwahl nach geringsten finanziellen Kosten, Notwendigkeit der Reduzierung des Autoverkehrs für Gesundheit und Lärmschutz, Präferenz für ein umweltfreundliches Verkehrsmittels trotz höheren Zeitaufwands, Bereitschaft zur Inkaufnahme von Unbequemlichkeiten für den Umweltschutz, Notwendigkeit umweltgerechten Verhaltens in allen Lebensbereichen, Bereitschaft zur Inkaufnahme höherer Kosten aus Umweltschutzgründen, können nicht so weiter machen, Verantwortung für Umweltschutz nicht an andere abgeben, umweltgerechtes Verhalten persönlich wichtig, Umweltschutzbelange bei der Verkehrsmittelwahl berücksichtigen, große Eigenverantwortung für die Umwelt); Zufriedenheit mit der Verkehrsmittelwahl hinsichtlich der Umweltfolgen; Präferenz für das kostengünstigste, schnellste, umweltfreundlichste oder bequemste Verkehrsmittel; Benennen einer Netzwerkperson bei der ersten Befragungswelle; Gespräch mit dieser Person über das Projekt; Befragter wurde von jemandem benannt und hat mit dieser Person gesprochen; erwartete Reaktion des Freundeskreises nach einem Wechsel des Verkehrsmittels aus Umweltschutzgründen; Einschätzung der persönlichen Verantwortung für den Umweltschutz (11-stufiges Skalometer); persönliche Bereitschaft zu Einschnitten beim Lebensstandard.
Demographie: Änderung der beruflichen Tätigkeit und der beruflichen Stellung in den letzten sechs Monaten; derzeitige berufliche Stellung; Anzahl der erwachsenen Personen und der Kinder im Haushalt; Veränderung des eigenen Umweltverhaltens durch die Studie.
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2019 hat Thomas Hofmann den scheinbar ewigen Präsidenten Wolfgang Herrmann an der Spitze der TU München abgelöst. Was macht er jetzt anders? Ein Gespräch über das bayerische Genderverbot, die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, die Beziehungen zu China – und Hofmanns Verständnis der unternehmerischen Universität.
Thomas Frank Hofmann, Jahrgang 1968, ist Lebensmittelchemiker und war von 2009 bis 2019 geschäftsführender Vizepräsident der Technischen Universität München (TUM) für Forschung und Innovation. Seit 2019 ist er Präsident der TUM. Foto: Astrid Eckert / TUM.
Herr Hofmann, auf Betreiben von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist Anfang April in Bayern das Genderverbot in Kraft getreten. Schulen, Hochschulen und Behörden ist die Verwendung geschlechtersensibler Sprache von nun an ausdrücklich untersagt. Was bedeutet das für die Technische Universität München (TUM)?
Wir glauben, dass Diversität, ihre Förderung und Wertschätzung die Schlüssel sind für den Erfolg unserer Universität. Durch die Nutzung gendersensitiver Sprache versuchen wir seit Jahren eine möglichst große Vielfalt an Talenten anzusprechen. Und das gelingt zunehmend gut, auch wenn wir wie auch andere technische Universitäten gerade bei weiblichen Studierenden und Wissenschaftlerinnen weiterhin Aufholbedarf haben. Wir interpretieren das Verbot so, dass es für die Universität im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben gilt, also beispielsweise bei der Erstellung von Satzungen oder Promotionsordnungen etwa. In anderen Bereichen, wie beispielsweise in der Kommunikation innerhalb unserer Universitätsgemeinschaft verfahren wir im Bestreben einer weiteren Steigerung unserer Vielfalt wie bisher.
Also sämtliche Lehrveranstaltungen, Lehrunterlagen und Forschungsarbeiten fallen nach Ihrem Verständnis nicht unter das Verbot?
Soweit ist unser Verständnis, und ich bin sicher, dass die noch ausstehenden Ausführungsempfehlungen des Freistaats in dieser Form die Autonomie der Hochschulen nicht unnötig einschränken.
"Dieser vermeintliche 'Genderzwang' existiert doch gar nicht."
Ärgert es Sie, dass Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) als Beispiel für den vermeintlichen "Genderzwang" an bayerischen Hochschulen einen inzwischen gelösten Fall angeführt hat, der sich, wie später herauskam, ausgerechnet an der TUM zugetragen hat?
Nein, zumal dieser vermeintliche "Genderzwang" doch gar nicht existiert. Dass die besagte Promotionsordnung gendersensitive Sprache nutzt, ist lediglich Zeichen unseres Inklusionsverständnisses. Im Übrigen entspricht sie auch andernorts dem heutigen Standard. Wenn Sie die Promotionsordnung der TU Berlin oder auch der ETH Zürich anschauen, dann lesen die sich genauso. Die ganze Aufregung, auch in den Medien, halte ich für unangemessen und vor allem für wenig zeitgemäß, zumal in diesen bewegten Zeiten Deutschland doch vor ganz anderen Herausforderungen steht. Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Medien sollten ihre vereinten Kräfte besser auf innovative Lösungsansätze fokussieren, denn der laufende Wettbewerb um die Zukunftsstandorte der Welt wartet nicht auf Deutschland!
Der Vorwurf lautete, dass einer Promovendin die Verleihung des Doktorgrades verwehrt worden sei, solange sie sich geweigert habe, auf dem Titelblatt das Gendersternchen zu verwenden – was, wie Blume sagte, "sogar in der Promotionsordnung so vorgeschrieben ist". Laut dem Minister "ein klarer Fall von sprachlicher Übergriffigkeit".
Es gab den Fall, dass sich die Veröffentlichung einer Dissertation wegen Diskussionen um Formulierungen auf dem Titelblatt der Dissertation verzögerte. Die Promovendin hatte ihre Prüfungen zuvor bereits erfolgreich bestanden. Daran gab es keinen Zweifel. Die Promovendin hatte sich zudem gewünscht, den Titel "Doktor" als Bezeichnung des generischen Maskulinums zu erhalten statt "Doktorin". Dies war lediglich der erste derartige Fall an der TUM seit Inkrafttreten der Neufassung der Promotionsordnung 2021. Deshalb hat sich der Ablauf etwas verzögert, was auch nicht mehr vorkommen sollte. Da wir an der TUM möglichst große individuelle Freiheiten bezüglich geschlechterspezifischer Bezeichnungen gewähren, haben weibliche Promovierende natürlich die Möglichkeit, den akademischen Grad "Doktor" oder "Doktorin" zu wählen, so auch in diesem konkreten Fall. Also erneut: kein Grund zur Aufregung.
Ebenfalls von der Staatsregierung beschlossen wurde ein Entwurf für ein "Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern", das nicht nur Zivilklauseln an bayerischen Hochschulen untersagt, obwohl es gar keine gibt, sondern ein allgemeines Kooperationsgebot für die Hochschulen mit der Bundeswehr festschreibt. Stellt das Wissenschaftsministerium auf Antrag der Bundeswehr fest, dass eine Kooperation für die nationale Sicherheit erforderlich sei, sollen die Hochschulen künftig sogar ministeriell zur Zusammenarbeit gezwungen werden. Eine Grenzüberschreitung?
Die grundgesetzlich verankerte Freiheit von Lehre und Forschung wird an der TUM mit höchster Wertigkeit gelebt und schließt aus meiner Sicht ein Verbot von Forschung zu Dual-Use-Technologien und eine entsprechende Zivilklausel aus. Darum gab es an der TUM auch nie eine Zivilklausel. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass wir uns keiner Technologie verschließen sollten, nur weil sie gegebenfalls Dual-Use-Potential mit sich bringt, also neben zivilen auch für defensiv-militärische Zwecke genutzt werden könnte. Oft genug war es in der Vergangenheit doch sogar umgekehrt: Zahlreiche Technologien wurden beispielsweise in den USA primär für militärische Zwecke entwickelt und führten dann, etwa in der Luftfahrt, zu innovativen Fortschritten in der zivilen Nutzung. Unnötige Einschränkungen bei der Erforschung von Dual-Use-Technologien an der TUM wären somit zum Nachteil des Innovationsfortschritts im zivilen Bereich.
"Wenn der Staat seine Universitäten verstärkt für den Schutz der Bevölkerung in die Verantwortung nehmen will, hat dies aus meiner Sicht nichts mit einem Verlust der Freiheit in der Wissenschaft zu tun."
Außerdem dürfen wir nicht leugnen, dass sich in den vergangenen zwei Jahren die Sicherheitslage in der Welt dramatisch verändert hat. Im Sinne einer friedlich ausgerichteten Verteidigungspolitik sehe ich auch die Hochschulen gefordert, ihre technischen Entwicklungen und Innovationen auch zum Schutz unserer Bevölkerung, der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der nationalen Sicherheit zu nutzen. Wenn der Staat seine Universitäten nun verstärkt in die Verantwortung nehmen will, hat dies aus meiner Sicht nichts mit einem Verlust der Freiheit in der Wissenschaft zu tun. Denn nicht für einzelne Forscher oder einzelne Forscherinnen soll das Gebot zur Kooperation gelten, sondern für die Hochschule als Institution. In die individuelle Entscheidungsfreiheit wird aus meiner Sicht mit dem aktuellen Gesetzesentwurf an keiner Stelle eingegriffen.
Im Oktober 2019 haben Sie Wolfgang Herrmann nach 24 Jahren als TUM-Präsident abgelöst. Herrmann war eine Institution, er hat die Universität zu der gemacht hat, die sie heute ist. Und was machen Sie jetzt anders als er, Herr Hofmann?
Wir sind seit 2019 noch besser geworden, in den Hochschulrankings weiter aufgestiegen und rapide gewachsen bei den Studierendenzahlen, während zahlreiche andere deutschen Hochschulen stagnieren oder schrumpfen. Im aktuellen THE-Universitätsranking besetzen wir Platz 1 in Deutschland und der Europäischen Union. Diese Entwicklung der TUM ist auch Ergebnis mutiger Reformen seit 2019. Also kein einfaches "Weiter so", sondern ständige Veränderung ist unser Gebot der Stunde im international galoppierenden Wettbewerb. In dieser Grundhaltung bin ich geistig sehr nahe bei Wolfgang Herrmann. Wie er bin ich fest davon überzeugt, dass zur erfolgreichen Führung einer Universität Weitsicht, Veränderungsmut und Furchtlosigkeit gehören, immer wieder neu zu denken, innovative Maßnahmen zu entwickeln und Überkommenes einfach zu lassen. Diese operative Agilität und Adaptierungsdynamik sind für zukünftigen Erfolg genauso wichtig wie eine möglichst große Diversität der Talente. Und genau das macht die TUM als "unternehmerische Universität" aus. Aber natürlich gibt es Unterschiede zwischen Wolfgang Herrmann und mir. Viele sagen, dass der größte Unterschied in unseren Führungsstilen liegt. Das mag sein und das ist gut so. Denn der Führungsstil muss zeitgemäß sein, um erfolgreich zu sein, und heute die kreative Kraft der gesamten Universitätsgemeinschaft einbinden.
"Der ewige Patriarch" lautete die Überschrift eines Porträts, das ich einmal über Ihren Vorgänger geschrieben habe.
Mein Führungsstil ist inklusiv und kooperativ. Ich gebe die grobe Richtung vor, höre zu, stimme mich ab und lasse mich hin und wieder mit guten Argumenten auch gerne überzeugen. Und natürlich braucht es manchmal am Ende mutige Entscheidungen, denn wir dürfen unsere Ziele nicht aus dem Blick verlieren.
Mutig ist zum Beispiel, dass die TUM als einzige Universität in Bayern die gesetzlichen Möglichkeiten nutzt und Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einführt, und zwar in beträchtlicher Höhe: zwischen 2000 und 6000 Euro pro Semester. Beunruhigt es Sie nicht, dass keine andere Hochschule mitzieht?
Ich kann nichts zu den Gründen sagen, warum andere die Studiengebühren nicht einführen wollen. Entscheidend ist doch, warum wir uns dazu entschieden haben, Gebühren für Studierende außerhalb der Europäischen Union einzuführen. Als Universität mit internationalem Exzellenzanspruch wollen wir uns nicht nur in der Forschung, sondern gerade auch in der Lehre mit den Besten der Welt messen. Beim Blick auf unsere internationalen Wettbewerber fällt sofort auf, welche enormen Summen die Spitzenuniversitäten in die Erneuerung des gesamten Lehrumfelds investieren, in neue Infrastrukturen, in innovative Lehrtechnologien und -formate oder auch in die weitere Verbesserung der Betreuungsrelationen, die vielerorts völlig anders aussehen als bei uns. Das bedeutet für uns: Um mithalten zu können, um Studiengänge auf höchstem internationalen Qualitätsniveau anbieten zu können und unsere Studierenden wirklich zukunftsfähig auszubilden, braucht es viel mehr Geld als uns staatliche Mittel dazu zur Verfügung stehen. In ganz Deutschland ist die staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen dazu nicht ausreichend. Daher wollen wir unsere Finanzierungsbasis verbreitern und eingenommene Studiengebühren gezielt für die Verbesserung der Lehre einsetzen. Davon profitieren alle Studierenden, die nationalen wie die internationalen, und von den bestausgebildeten Talenten ihre späteren Arbeitgeber.
Und Sie haben keine Sorgen, Sie könnten mit der Einführung internationale Studierende abschrecken? Baden-Württemberg schafft die Gebühren gerade wieder ab mit dem erklärten Ziel, dann wieder mehr Talente aus dem Ausland anziehen zu können.
Es gibt da doch große Unterschiede zu uns. Erstens: Die Universitäten in Baden-Württemberg waren beim Anteil internationaler Studierender nicht ansatzweise auf unserem Niveau. Bei den Master-Studiengängen liegen wir inzwischen bei 57 Prozent internationale Studierende. Zweitens war es ein politischer Fehler der Landesregierung in Baden-Württemberg, dass ein Großteil der Gebühren gleich wieder eingezogen wurde, so dass eine spürbare Verbesserung der Lehrqualität eben nicht erreicht werden konnte. Doch nur spürbare Verbesserungen hin zu einem wirklich exzellenten, modernen Lehr- und Lernumfeld werden internationale Studierenden trotz der (international ohnehin üblichen) Gebühren nach München bringen. Sicher wird es in den ersten zwei, drei Jahren Schwundeffekte geben. Das zeigen die Erfahrungen aus den Niederlanden und anderen europäischen Ländern. Es hat sich aber gezeigt, dass an diesen Hochschulen anschließend die internationalen Studierendenzahlen wieder hochgingen – und dann schnell über den Stand vor der Einführung der Studiengebühren hinausgeschossen sind.
"In international ausgerichteten Berufsfeldern macht es heute keinen Sinn mehr, einen Studiengang auf Deutsch anzubieten."
Aber rechtfertigen die Erträge überhaupt den Aufwand?
Das System fährt stufenweise hoch über mehrere Jahre, weil wir nur von neuen Nicht-EU-Studierenden Gebühren verlangen und nicht von denen, die schon bei uns sind. Außerdem wird es für bis zu 20 Prozent der Studierenden Erlass-Stipendien geben: für die absolut herausragenden Talente genauso wie für finanzschwächere Bewerber, weil wir andernfalls an Diversität verlören, wenn die soziale Herkunft über den Universitätszugang entscheiden würde. Insofern tue ich mich schwer, einen konkreten Eurobetrag zu nennen. Aber wir rechnen mittelfristig schon mit einem signifikanten zweistelligen Millionenbeitrag.
2014 hatte Wolfgang Herrmann angekündigt, bis 2020 alle Masterstudiengänge auf Englisch umstellen zu wollen. Was ist eigentlich daraus geworden?
Das wurde als Ziel diskutiert damals, aber in dieser Absolutheit nie beschlossen. Wir haben den Anteil englischsprachiger Studiengänge seitdem organisch wachsen lassen, heute liegt er im Master bei über 70 Prozent. Darunter sind etliche Studiengänge, die Sie zu großen Teilen auch auf Deutsch studieren können, die also im Prinzip zweisprachig sind. Wir erleben aber, dass der Nachfragetrend immer stärker Richtung Englisch geht. Vor kurzem haben wir sogar den ersten Bachelor-Studiengang auf Englisch, für Luft- und Raumfahrt, gestartet, und seitdem ist die Bewerberlage mehrfach überzeichnet mit Bewerberinnen und Bewerbern aus der ganzen Welt. Wir sehen: In international ausgerichteten Berufsfeldern macht es heute einfach keinen Sinn mehr, einen Studiengang auf Deutsch anzubieten, sondern nur auf Englisch.
Wie aber soll das funktionieren, wenn ein Großteil der Lehrenden deutsche Muttersprachler sind? Führt das nicht zwangsläufig zu einer intellektuellen Verflachung, weil sich die Lehrenden und Lernenden in einer Fremdsprache nicht so präzise ausdrücken können wie in ihrer eigenen?
Wir lassen bei der Beantwortung von Fragen in Klausuren in der Regel beide Sprachen zu. Sie können also, wenn die Frage auf Englisch gestellt ist, auch auf Deutsch antworten. Wir sehen aber, dass für die meisten jungen Leute – unabhängig von deren Herkunft – die Kommunikation auf Englisch überhaupt kein Problem mehr ist. Sie sind damit aufgewachsen und dank Social Media und Internet ganz anders darauf getrimmt als frühere Generationen.
Für die Studierenden mag das stimmen. Aber was ist mit ihren Profs?
Ich kann wieder nur für uns an der TUM sprechen, aber unsere Professorinnen und Professoren sind weltweit unterwegs und auf ihren Dienstreisen, bei Vorträgen und auch der Lehre gewohnt, Englisch zu sprechen. Viele kommunizieren mit ihrem gesamten Mitarbeiterkreis nur auf Englisch. Trotzdem bieten wir über unser Sprachenzentrum Kurse an für Dozenten, die ihr Englisch verbessern wollen. Und diejenigen, die aus dem Ausland zu uns kommen, unterstützen wir beim Deutschlernen. Und das tun wir vor allem, damit sie in Deutschland auch außerhalb der Hochschule sprechfähig sind und sich integriert fühlen. Ohne Sprachkompetenzen ist es einfach schwieriger, ausländische Talente und deren Familien in Deutschland zu halten.
Die TUM ist unter anderem mit einem Verbindungsbüro in der Volksrepublik China vertreten. Im Oktober 2020 haben Sie persönlich eine sogenannte Flaggschiffpartnerschaft mit der Tsinghua-Universität in China besiegelt. Bereuen Sie den Schritt inzwischen?
Keineswegs! Auch wenn der politische Druck auf die deutsch-chinesischen Beziehungen massiv zugenommen hat, stehen wir zu einer Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen mit ausgewählten chinesischen Partneruniversitäten. Erst vergangene Woche bin ich nach China geflogen zum Besuch des Präsidenten der Tsinghua University, nachdem vergangenes Jahr eine chinesische Delegation der Universität bei uns war. Auch die Besuche an der Tongji University und der Shanghai Jiao Tong University waren äußerst spannend und inspirierend. Denn wer glaubt, dass diese Universitäten etwas von deutschen Universitäten lernen können, irrt sich grundlegend. Ich glaube, dass viele deutsche Universitäten von diesen Spitzenuniversitäten aus China lernen können!
"Generalverdacht hilft niemanden weiter und entzieht jeder Zukunft die Grundlage."
Also alles wie immer in den Beziehungen zu Ihren chinesischen Partner?
Unsere Ziele sind beständig, aber der Blick und die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Wir gehen heute mit großem Bedacht in unsere internationalen Partnerschaften. Wir schauen uns schon sehr genau an, mit welchem Partner wir zu welchen Themen zusammenarbeiten, unter welchen Konditionen und mit welchen Standards wir kooperieren und wann wir es eben nicht tun. Und wir bereiten unsere Mitarbeitenden vor; wir unterstützen sie mit Coachings, Reisehandys und Reisecomputern, bevor sie auf Dienstreise gehen. Ich halte es für einen kapitalen Fehler zu glauben, Deutschland könnte sich aus einer Zusammenarbeit mit China zurückziehen. Nur durch internationale Spitzenallianzen werden wir unsere heutigen Herausforderungen wie beispielsweise zu Gesundheit oder Klimaschutz lösen können und auch den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern können.
Was antworten Sie einer Bundesforschungsministerin, die sagt: "Hinter jedem chinesischen Forscher kann sich die kommunistische Partei verbergen"?
Generalverdacht hilft niemanden weiter und entzieht jeder Zukunft die Grundlage! Aus der Geschichte können wir lernen: Unwissenheit und Ignoranz trennen die Welt, nur der Austausch verbindet Menschen und Kulturen – und dies ist die Grundlage für Partnerschaften. Natürlich müssen wir dazu unsere Sicherheitsprotokolle anpassen und achtsamer sein als früher, aber wir müssen auch die über viele Jahre aufgebauten Brücken bewahren, mit denen wir deutsche und chinesische Partner in Austausch bringen. Denn sind diese Brücken einmal abgebrannt, wird es Jahrzehnte dauern, wieder Vertrauen aufzubauen.
Bayerns Staatsregierung brüstet sich damit, wie kein anderes Bundesland in die Wissenschaft und die Hochschulen zu investieren, Überschrift: "Hightech Agenda Bayern" (HTA). Laut Wissenschaftsminister Blume sind darüber über 1000 neue Professuren entstanden und verstetigt worden, außerdem sind die Rahmendaten für die Hochschulfinanzierung schon bis 2027 vereinbart. Glückliches Bayern?
Mit der HTA hat Ministerpräsident Söder einen echten und weit sichtbaren Impuls gesetzt für Innovationen aus Bayern; dieser sucht bundes- und europaweit seinesgleichen. Andererseits wird es überall im Land enger, auch bei uns. Ein insuffizienter Bauunterhalt oder die gestiegenen Energiekosten setzen uns wie alle anderen Hochschulen zunehmend unter Druck. In Verbindung mit der unzureichenden Grundfinanzierung presst die Inflation die Hochschulen in ein Korsett, welches jeglichen Atem für die im heutigen internationalen Wettbewerb so dringend erforderlichen Neuausrichtungen in Forschung und Lehre nimmt. Auf der anderen Seite müssen wir einsehen, dass die Staatshaushalte sowohl im Bund als auch in den Ländern momentan sehr belastet sind. Anstatt nur mehr Geld zu fordern, müssen wir daher als Hochschulen selbst agiler werden und alte Zöpfe abschneiden, um dem Neuen eine Chance zu geben, beispielsweise den Ausbau der Unterstützung von Ausgründungen und Start-ups. Denn nur mit neuer Wirtschaftskraft in Deutschland werden auch die Staatskassen wieder besser gefüllt werden, und das Land kann wieder in seine Hochschulen investieren. Also, nicht Jammern bringt uns weiter, sondern Machen!
Das mit der Agilität ist Ihnen, wie man merkt, sehr wichtig. Können Sie Ihren Anspruch mit ein paar Zahlen unterlegen?
Genau zu der Frage haben wir eine Studie durchführen lassen mit dem Ergebnis, dass jede Personalstelle, die der Freistaat bei uns an der TUM finanziert, im Schnitt 14 neue Arbeitsplätze in unseren Start-ups generiert. Das kann sich doch sehen lassen und ist, neben tausenden Absolventen jedes Jahr und unseren Forschungsallianzen mit der Wirtschaft, ein ganz konkreter Return on Investment.
Mit Verlaub: Solche Studien präsentieren viele Hochschulen und Forschungseinrichtungen, und jedes Mal kommen fast unglaubliche Zahlen dabei heraus.
Unsere Zahlen sind belastbar. In der Wissenschaft streben wir vor allem nach neuem Wissen und Erkenntnissen, aber in einem nächsten Schritt übernehmen wir die Verantwortung dafür, dass aus dem Wissen auch marktfähige Innovationen und neue Arbeitsplätze entstehen. Deshalb ermutigen wir alle Universitätsmitglieder, von den Studierenden bis zu den Professorinnen und Professoren, wenn sie eine tolle Geschäftsidee haben, diese auch zu verfolgen. Und wir unterstützen sie dabei. Mit dem Ergebnis, dass heute fast 500 Gründungsteams durch die TUM gefördert werden und weitere 180 studentische Initiativen, über alle Fächer und Disziplinen hinweg. Gerade war eine Gruppe von Studierenden bei mir, die an einer Methan-Sauerstoff-Rakete arbeitet, um sie Ende des Jahres über die 100-Kilometer-Grenze hinaus in den Orbit zu schießen.
"Die Reduzierung der Höchstbefristung in der Post-Doc-Phase ist ungerecht, denn sie ist zum Schaden der jungen Menschen selbst."
Wenn Sie so viel Wert auf das Schaffen neuer Arbeitsplätze in der Wirtschaft legen, was tun Sie für gute Arbeit an der eigenen Universität? Schließlich sehen sich die Hochschulen selbst mit dem stärker werdenden Fachkräftemangel konfrontiert.
Ich danke Ihnen ausdrücklich für diese Frage, denn damit sind wir an einem Schlüsselpunkt angelangt. Wir Hochschulen müssen als Arbeitgeber attraktiver werden, uns dafür am eigenen Schlafittchen packen und viel mehr tun für verlässliche Karrierewege auch unterhalb der Professur. So sind auch zahlreiche Stückelverträge hintereinander unfair gegenüber den jungen Menschen, die sich uns anvertrauen. Die Ampel will zu diesem Zweck das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) novellieren, doch das wird ins Auge gehen, wenn sie das falsche Modell wählt. Laut aktuellem Entwurf sollen künftig nach der Promotion vier Jahre Befristung erlaubt sein und dann nochmal zwei Jahre – aber nur, wenn klar ist, dass die Person danach einen Dauervertrag erhalten kann. Dies kann aber nur in wenigen Fällen erfolgen, so dass de facto für die meisten nach maximal viel Jahren als Postdoc Schluss wäre. Vier Jahre sind aber oft zu kurz, um sich über exzellente Forschung und hochkarätige Veröffentlichungen tatsächlich für eine Professur zu qualifizieren. So täuscht der Reformvorschlag für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine falsche Gerechtigkeit vor. Tatsächlich ist die Reduzierung der Höchstbefristung in der Post-Doc-Phase ungerecht, denn sie ist zum Schaden der jungen Menschen selbst. Und sie wird einen enormen Brain Drain auslösen, entweder heraus aus der Wissenschaft insgesamt oder hinein in ausländische Universitäten, die sich kein solch wissenschaftsfeindliches Korsett anziehen.
Ihr Alternativvorschlag lautet also: Einfach die Regelung lassen, wie sie ist?
Nein, ich unterstütze prinzipiell ein Tenure-Track-System für den wissenschaftlichen Mittelbau mit Nachdruck. Der aktuelle Gesetzesvorschlag ist allerdings verlogen! Statt den Befristungszeitraum von maximal sechs auf vier Jahre zu kürzen, wäre es im Sinne einer Karriereplanbarkeit sicher sinnvoller, die realen Vertragslaufzeiten für Postdocs generell an die Förder- oder Zuwendungsbescheide für Projekte anzupassen, anstatt sie mit Stückelverträgen zu gängeln. Wie auch immer macht die Umsetzung des aktuellen Gesetzentwurfs nur dann Sinn, wenn im dimensionalen Ausmaß neue entfristbare Stellen an die Universitäten kommen. Und dies halte ich vor dem Hintergrund der heute knappen Staatskassen für schieres Wunschdenken. Die Politik muss sich der Konsequenzen ihres Handelns schon bewusst sein!
Sie sagen, die Hochschulen seien gefragt, sich intelligente Konzepte für Karrierewege auch unterhalb der Professur zu überlegen. Welche fallen Ihnen da konkret für die TUM ein?
Das Wissenschaftsmanagement wird immer wichtiger und ist ein hoch attraktives Aufgabenfeld. Diese Kolleginnen und Kollegen tragen maßgeblich dazu bei, dass an der TUM Spitzenleistungen in Forschung und Lehre erzielt werden. Deswegen haben wir zum Beispiel das berufsbegleitende Qualifizierungsprogramm TUM Science Manager aufgelegt. Es dauert zwischen 12 und 24 Monate und die Teilnahme am Kursprogramm erfolgt während der Arbeitszeit – wird also bezahlt.
"Als Franke müsste ich angesichts der Gründung der TU Nürnberg jubeln, aber eine Spitzenuni lässt sich nicht mit der Brechstange schaffen."
Sie haben es vorhin gesagt: Die Hochschulfinanzierung wird auch in Bayern enger. Gleichzeitig hat der Freistaat vor wenigen Jahren die Technische Universität Nürnberg (UTN) neu gegründet, übrigens mit tatkräftiger Unterstützung Ihres Vorgängers, und massive Investitionen versprochen.
Da sehen Sie, dass wir uns doch in einigen Dingen unterscheiden.
Inwiefern?
Als Franke müsste ich jubeln! Aber wenn wir in die Welt hinausschauen sehen wir, dass sich international führende Forschungsstandorte evolutionär und über lange Zeiträume hinweg entwickelt haben. Eine Spitzenuni lässt sich nicht mit der Brechstange schaffen, sondern braucht Geld und vor allem Zeit – viel Zeit! Ein Professor in Stanford hat zu mir mal gesagt, eine wissenschaftliche Top-Einrichtung zu schaffen, koste 100 Milliarden und dauere 100 Jahre.
Erst neulich hat Ministerpräsident Söder einen Strategiewechsel verkündet: die Fokussierung der UTN auf das Thema Künstliche Intelligenz. Sogar einen schnittigen neuen Titel hatte er im Angebot: "Franconian University of Artificial Intelligence".
Ich habe das nicht zu entscheiden. Ich persönlich würde eine Universität nicht thematisch einschränken, selbst wenn es sich wie bei der KI um eine disruptive Querschnittstechnologie handelt. Aber ich glaube, das ist so auch nicht gemeint.
Vielleicht sagen Sie das nur, weil Sie fürchten, dass die UTN ihnen demnächst Ihre KI-Talente abjagt.
Das erwarte ich nicht, und es wäre auch kein sinnvoller bayerischer Ansatz, dass wir jetzt das Wildern beieinander anfangen.
Wie aber wollen Sie überhaupt all die neuen KI-Lehrstühle besetzt bekommen, die in den vergangenen Jahren im Freistaat ausgelobt wurden?
Da sehe ich kein Problem. Wir haben praktisch alle Professuren der HTA besetzt – mit wirklich exzellenten Leuten. Es ist nicht so, dass alle 150 sogenannten KI-Professuren in Bayern jetzt mit Mathematikern und Informatikern besetzt werden, die KI-Grundlagenforschung machen. Davon gibt es in ganz Europa vielleicht 50 ernstzunehmende Leute. Aber die KI hat viele Facetten und Anwendungsdomainen, in denen dann auch die Wertschöpfung von KI entsteht. In solchen Feldern haben wir zahlreiche Berufungen gemacht, wie beispielsweise in der Robotik, der Medizin, in den Sozialwissenschaften und vieles mehr.
Wie passt es eigentlich zusammen, dass Sie an der TUM Spitzentechnologien und KI derart in den Mittelpunkt stellen, gleichzeitig aber gerichtlich bestätigt einen Bewerber abgelehnt haben mit der Begründung, dessen Motivationsschreiben sei mithilfe Künstlicher Intelligenz erstellt worden? Warum sind Sie da nicht offener?
Weil das Motivationsschreiben die individuelle Prägung des Kandidaten zeigen soll. Welchen Sinn hätte es sonst? Etwas völlig Anderes ist es, wenn unsere Studierenden und Lehrenden ChatGPT oder andere sogenannte Large Language Models im Studium einsetzen, das stimulieren wir mit Nachdruck. So wie sich der Taschenrechner zum bewährten Hilfsinstrument entwickelt hat, wird das auch mit KI-Anwendungen sein. Darum bauen wir sie proaktiv in unsere Lehre ein, damit unsere Studierenden vorbereitet sind. Aber erklären, warum sie zu uns an die TUM kommen wollen, sollen unsere Bewerber schon noch selbst.
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Holger Hanselka soll die Fraunhofer-Gesellschaft aus der Krise holen. Wie will er das machen? In seinem ersten Interview als neuer Fraunhofer-Präsident spricht der Wissenschaftsmanager über saubere Governance, die Verteilung von Macht und eine deutsche Krise.
Angekommen: Am heutigen Dienstag übernimmt Holger Hanselka das Amt als Fraunhofer-Präsident. Foto: Markus Jürgens/Fraunhofer.
Herr Hanselka, herzlichen Glückwunsch zum Amtsantritt als neuer Fraunhofer-Präsident. Welches Dienstfahrzeug werden Sie fahren?
Funktional muss es sein. Als ich beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) anfing, habe ich den Sechszylinder meines Vorgängers gegen einen Vierzylinder eintauschen lassen. Damit fühlten sich die Fahrer nicht so gut, aber ich habe mich gut gefühlt. Heute denkt man nicht mehr in Zylindern, sondern in anderen Antriebsformen. Klar ist also: Fahren muss das Fahrzeug, ich muss drin arbeiten können, aber Luxus oder Statussymbol brauche ich nicht.
Wie sieht es mit der Kategorie der Hotels aus, in denen Sie übernachten werden?
Ich schlafe sehr häufig für 80 Euro die Nacht. Es gibt aber Jahreszeiten und Situationen, in denen mit 80 Euro nichts zu machen ist – denken Sie zum Beispiel an die Hannover-Messe –, und wenn man die nötigen Mehrausgaben plausibel begründet, geht das auch mit dem Reisekostengesetz in Ordnung. Ist eine ordentliche Begründung nicht möglich, dann sollte man es nicht machen. So einfach ist das. Ich sehe da kein Problem. In Zeiten gleich mehrerer Polykrisen auf dem gesamten Planeten steht Fraunhofer aber vor ganz anderen Herausforderungen.
Die massiven Vorwürfe gegen den Fraunhofer-Vorstand um Ihren Vorgänger Reimund Neugebauer sind aber ein Problem. Sie betreffen unter anderem den Umgang mit Spesen und Steuergeldern, ein mutmaßlich problematisches Führungsverhalten und die angebliche Erzeugung eines Klimas der Angst. Als neuer Präsident erben Sie die alten Skandale, die Vertrauenskrise nach außen und innen und die gerade erst begonnene Aufarbeitung.
Als neuer Präsident bin ich verantwortlich für die Fraunhofer-Gesellschaft, und dieser Verantwortung stelle ich mich. Es ist eine Selbstverständlichkeit für mich, dass all die Vorwürfe, die im Raum stehen, transparent und lückenlos aufgeklärt werden. Die Federführung dafür liegt beim Senat, und da gehört sie auch hin. Meine Rolle als Präsident wird darin bestehen, dass der Vorstand und ich den Senat bei seiner Aufklärungsarbeit weiterhin vollumfänglich unterstützen. Und wenn es soweit ist, wird es meine Aufgabe sein, aus bestätigten Fehlern und Fehlverhalten die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, so dass sie sich nicht wiederholen können. Ein Klima der Angst kann ich bei Fraunhofer nicht wahrnehmen.
HOLGER HANSELKA, 61, ist Maschinenbauingenieur und wurde am 25. Mai vom Fraunhofer-Senat einstimmig zum neuen Präsidenten der Forschungsgesellschaft gewählt. Die vergangenen zehn Jahre war er Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und fungierte als für den Forschungsbereich Energie zuständige Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft, zu der das KIT gehört. Bevor Hanselka nach Karlsruhe kam, leitete er das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit in Darmstadt. Das KIT hatte von 2006 bis 2012 den Status einer Exzellenzuniversität, verlor ihn dann vorübergehend – und gewann ihn 2019 zurück. Bei Fraunhofer gilt Hanselka nach angesichts der Spesenaffäre als Hoffnungsträger, der gleichermaßen Aufklärung und Neustart gewährleisten soll. Foto: Markus Breig, KIT.
Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf den Senat? Immerhin war er es, der noch im August 2021, als längst massive Whistleblower-Vorwürfe gegen Reimund Neugebauer laut wurden, Ihren Vorgänger nicht nur im Amt bestätigt, sondern seine Amtszeit sogar noch verlängert hat. Einfach so im Umlaufverfahren.
Wie der Senat in der Vergangenheit gewirkt hat, kann ich schwer beurteilen. Anfang dieses Jahres stand die Stellenausschreibung für das Präsidentenamt in der Zeitung, erst seitdem habe ich mich intensiv mit Fraunhofer und auch mit dem Fraunhofer-Senat auseinandergesetzt. Seitdem, das kann ich sagen, war ich besonders von der ebenfalls neuen Senatsvorsitzenden Hildegard Müller sehr beeindruckt und ihren Bemühungen um eine transparente und lückenlose Aufklärung. Daher lautet meine Antwort: In einen Senat unter Frau Müllers Leitung habe ich großes Vertrauen. Und wie gesagt: Ich als Präsident werde dafür sorgen, dass auch wir als Vorstand gemeinsam jeden erdenklichen Beitrag leisten, die Dinge zu klären.
Obwohl dem Senat zum Teil noch dieselben Leute angehören, die sich wie eine Mauer vor Reimund Neugebauer gestellt, im Herbst 2021 die Vorwürfe gegen ihn per Senatsbeschluss als "durchweg
haltlos" und die Aufklärung faktisch als abgeschlossen eingestuft haben. Übrigens sitzen auch im Vorstand, den Sie jetzt leiten, noch Leute, die über viele Jahre Weggefährten Neugebauers waren. Darunter Alexander Kurz, der seit 2011 verschiedene Vorstandsämter bekleidet hat, als enger Vertrauter Neugebauers gilt und genau wie dieser von der Fraunhofer-Mitgliederversammlung für das Rechnungsjahr 2022 nicht entlastet wurde. Wir erinnern uns: Die Rücktrittsforderungen nach den im Februar 2023 öffentlich gewordenen Vorwürfen im Bericht des Bundesrechnungshofs, erhoben unter anderem von Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger, richteten sich gegen den Vorstand als Ganzes.
Der Senat hat zur Aufklärung der sehr eindeutigen Vorwürfe im Rechnungshofbericht einen eigenen Ausschuss eingerichtet, der sich sehr intensiv seiner Arbeit widmet, und zwar in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Kanzleien und der Staatsanwaltschaft. Als bislang Außenstehender ist mein Eindruck, dass mit Unterstützung des gesamten Vorstands alles getan wird, was man tun kann, um Transparenz zu schaffen und aufzuklären. Die Frage nach den Konsequenzen, die ich gerade schon angesprochen habe, kann erst seriös beantwortet werden, wenn zu der begonnenen Untersuchung Ergebnisse vorliegen. Alles andere wäre unlauter. Worüber ich mir ehrlich gesagt die größeren Gedanken mache: Wie können und müssen wir die Governance bei Fraunhofer so verändern, dass künftig jeder seine Rolle hat, das Zusammenspiel funktioniert und vor allem auch die Aufsichtsfunktion des Senates greift? Da sehe ich Nachholbedarf.
"Ich sehe eine Parallelität zwischen dem Zustand, in dem sich das Karlsruher Institut für Technologie bei meinem Amtsantritt befand, und der Situation bei Fraunhofer heute."
Was meinen Sie konkret?
Die jetzt zu Recht von allen geforderte Compliance funktioniert nur, wenn die Governance einer Institution sauber aufgestellt ist. Und genau an der Stelle kann ich mit der Erfahrung, die ich anderswo gesammelt habe, meinen vielleicht wichtigsten Beitrag leisten. Ich werde mein Wissen und meine Erfahrung aus den vergangenen Jahren auf die Fraunhofer-Gesellschaft übertragen und hinterfragen: Was haben wir schon? Was fehlt? Das ist eine Aufgabe, auf die ich mich freue, weil sie klar und pragmatisch ist und ehrlich gesagt gar nicht so kompliziert. Man muss sie halt gründlich erledigen. Und dann können wir uns wieder um unser Kerngeschäft kümmern.
Wenn Sie von der anderswo gesammelten Erfahrung sprechen, meinen Sie das KIT, an dem Sie 2013 Präsident wurden?
In der Tat sehe ich eine Parallelität zwischen dem Zustand, in dem sich das KIT damals befand, und der Situation bei Fraunhofer heute.
2013 hatte das KIT gerade seinen Status als Exzellenzuniversität verloren, die Fusion der Universität mit einem Helmholtz-Zentrum steckte in der Krise, die Stimmung war schlecht und das Vertrauen der Mitarbeiter in die Institution gestört. Was fehlte, war ein vergleichbarer Compliance-Skandal.
Aber die institutionelle Governance war auch damals ein Problem. Und aus dieser Parallelität schöpfe ich Mut für meine aktuelle Aufgabe. Es ist mir einmal gelungen, das Ruder herumzureißen. Warum sollte es mir nicht ein zweites Mal gelingen? Der Schlüssel zum Erfolg war und ist aus meiner Sicht der Dialog. Mit den Menschen reden ist das, was ich kann. Und ich glaube, dass man mir zutraut, nach außen und innen aufrichtig zu kommunizieren und ehrlich miteinander umzugehen. Gerade am Anfang werde ich ein hohes Maß an Energie aufs Zuhören verwenden, um zu verstehen, wo die Probleme und Nöte liegen und wie wir gemeinsam zu Lösungen kommen.
"Dialog" und "Transparenz" sind in der Krisenkommunikation viel genutzte und oft missbrauchte Begriffe.
Nicht, wenn die Leute merken, dass sie ehrlich gemeint sind. Ich werde alles ansprechen, alles hinterfragen, mir zu allem erst eine Meinung bilden, wenn ich die der anderen gehört habe. Dialog funktioniert nur auf Augenhöhe – nur wenn ich selbst alles auf den Tisch lege, kann ich die anderen dazu ermutigen, das Gleiche zu tun. Das heißt nicht, dass alles geändert wird oder geändert werden kann. Aber, wo wir alle gemeinsam – und damit meine ich wirklich Fraunhofer als Ganzes – Fraunhofer besser machen können, werden wir nicht zögern, es zu tun. Diese herausragende Institution, deren Präsident ich nun sein darf, hat so viele Stärken, für sie arbeiten so viele engagierte und hochprofessionelle Menschen, es wäre doch gelacht, wenn wir es nicht schafften, uns wieder auf unsere weltweit anerkannte Arbeit zu konzentrieren.
"Wir müssen zur Normalität zurück, wie sie das Gesetz vorgibt: nicht wie die Fürsten speisen, aber es kann auch nicht sein, dass es nur noch Wasser und Salzstangen gibt."
Aus den Fraunhofer-Instituten ist großer Frust zu vernehmen, dass sie jetzt gerade stehen sollen für die mutmaßliche Steuerverschwendung in den Chefetagen. Nach dem Motto: Wir dürfen unseren Gästen nicht einmal mehr Kekse zum Kaffee servieren, weil es in der Zentrale Ärger um vermeintlich überflüssige Dienstfahrten oder angeblich horrende Bewirtungs- und Hotelrechnungen gibt.
Es trifft zu, dass die Fraunhofer-Gesellschaft verschärfte Auflagen im Zuwendungsbescheid durch das Bundesforschungsministerium bekommen hat, wie mit Geschenken, Bewirtungen oder Reisekosten umzugehen ist, deren Rigorosität man zum Teil schon hinterfragen kann. Ich finde, wir müssen auch da zur Normalität zurück, wie sie das Gesetz vorgibt: nicht wie die Fürsten speisen, aber es kann auch nicht sein, dass es nur noch Wasser und Salzstangen gibt. Angesichts der Vorwürfe ist das Pendel zu stark in die entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen.
Wenn für Sie eine funktionierende Governance in einer sauberen Rollenverteilung zwischen den Gremien und einer funktionierenden Aufsicht besteht, was bedeutet das für das künftige Verhältnis zwischen Senat, Vorstand und Mitgliederversammlung?
Der Senat kann nicht alles beaufsichtigen, deshalb ist der erste Schritt, seine Kontrollaufgaben genau zu definieren, zu denen sicher zentral die Überprüfung des Wirtschaftsplans gehört. Die Kontrollaufgaben, die der Senat hat, muss er dann professionell erledigen. Dafür muss er aus Menschen bestehen, die die Fähigkeiten und das Wissen haben, die notwendigen Bewertungen vornehmen zu können. Die bereit sind, möglicherweise ein Veto gegen eine Entscheidung des Vorstands einzulegen, wenn es die Aufsicht erzwingt. Genauso muss die Leitungsaufgabe des Vorstandes beschrieben sein, und ich als Präsident muss die Aufgabenverteilung des Vorstands vertreten, und gemeinsam müssen wir die nötigen Kompetenzen aufweisen, um diese zu erledigen. Drittens die Mitgliederversammlung: Ein eingetragener Verein, wie die Fraunhofer-Gesellschaft einer ist, hat weniger gesetzliche Anforderungen in Sachen Transparenz zu erfüllen als zum Beispiel eine Aktiengesellschaft. Darum muss die Mitgliederversammlung es zu ihrer zentralen Aufgabe machen, die Fraunhofer-Satzung so zu überarbeiten, dass sie die im Gesetz fehlenden Regeln, die Rollen- und Mandatsbeschreibungen für eine moderne Governance und Compliance, erfüllt. Das mag alles ein bisschen theoretisch klingen, ist aber grundlegend und muss einmal durchdekliniert werden. Das ist Fleißarbeit und hier und da auch eine Machtfrage.
"Wenn man mehr Macht in das eine Körbchen und weniger ins andere legt, schafft das die nötige institutionelle Balance, mag aber den einen oder anderen aus dem Gleichgewicht bringen."
Nur hier und da?
Macht ist an sich nichts Böses. Man muss nur definieren, wo sie liegt und wo nicht, und dass mit Macht auch immer Verantwortung verbunden ist. Das gilt es möglichst rational zu beschreiben, ohne Rollenbeschreibungen und Menschen zu vermischen. Aber klar: Wenn man mehr Macht in das eine Körbchen und weniger ins andere legt, schafft das hoffentlich die nötige institutionelle Balance, mag aber den einen oder anderen Betroffenen aus dem Gleichgewicht bringen. Macht muss sich aber von der zu erfüllenden Funktion ableiten und nicht von Personen.
Die von Ihnen beschworene Rationalität in Ehren. Aber seien wir ehrlich: Sie als Präsident sind neu, Sie kommen aber in ein System hinein mit vielen Leuten, die sich an dieses System gewöhnt haben – und damit an eine Machtverteilung, die womöglich weniger transparent, aber sehr real ist. Wie wollen Sie die überzeugen, die im Moment die Macht haben – zumal Sie die impliziten Machtstrukturen gar nicht genau kennen?
Wenn man eine Governance neu und transparent festzurrt, heißt das noch lange nicht, dass sich alle Personen dem unterwerfen werden. Darum braucht man Aufsichtsorgane. Vor allem aber braucht es die Hartnäckigkeit, jedem Menschen die immer gleichen Fragen zu stellen. Was tust du? Warum tust du die Dinge so, wie Du sie tust? Wem gegenüber trägst Du für Dein Handeln die Verantwortung? Wer hat dir etwas zu sagen? Wem hast du etwas zu sagen? Und: Ist es so richtig organisiert? All das habe ich am KIT schon einmal durchexerziert. Und aus dieser Erfahrung sage ich: Die meisten Dysfunktionalitäten entstehen nicht durch Vorsatz, nicht aus bösem Willen, sondern sie wachsen historisch und werden dann nicht mehr hinterfragt. Ich bin mir sicher: Ich werde viele Stellen finden, wo die Zuständigkeiten nicht richtig definiert sind und es nur funktioniert, weil die Menschen im Sinne der Sache die organisatorischen Schwächen kompensieren. Bis es dann halt irgendwann nicht mehr funktioniert. Diese ganze Fragerei wird mir sicherlich gerade am Anfang nicht nur Sympathien einbringen, aber für Sympathie werde ich nicht bezahlt. Sondern für Sinnstiftung. Und wenn dieser Sinn zu erkennen ist, folgen dem am Ende die Menschen.
Auch die Menschen, die in einem transparenten System zu den Verlierern zählen?
Ich bestreite, dass irgendwer in einem solchen System verliert. Vielleicht muss man sich neu orientieren, sich neu aufstellen. Aber was ist so schlimm daran? Wenn alles sich verändert, verliert nur der, der stehenbleibt. Und so ist Fraunhofer nicht. Das ist eine agile Gesellschaft, die aus veränderungsbereiten Menschen besteht, die sich an Märkten und ihren Bedürfnissen orientieren. Im Vergleich zu einer klassischen Universität wird es das für mich einfacher machen.
"Ich möchte eine Kultur, in der intern alles zu sagen erlaubt ist, auch das, was sich nicht gut anhört."
Werden Sie auch den Kontakt suchen zu den Whisteblowern innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft, die bislang aus Angst vor den Konsequenzen meist aus der Anonymität heraus agieren mussten?
Ich wünsche mir, dass wir bei Fraunhofer wieder lernen, miteinander zu reden und nicht übereinander. Das heißt: Ob Sie gute Nachrichten haben oder schlechte, bitte kommen Sie zu mir. Ich möchte eine Kultur, in der intern alles zu sagen erlaubt ist, auch das, was sich nicht gut anhört. Nur wenn alles gesagt wird, können wir gemeinsam darüber nachdenken, was zu tun ist. Wenn ich als Präsident Dinge nur um die Ecke erfahre, über irgendwelche Bande, macht das die Sache mit dem Dialog nicht unmöglich, aber schwieriger.
Der Bundesrechnungshof hat kürzlich seinen zweiten Fraunhofer-Bericht in diesem Jahr fertiggestellt. Darin kritisiert er den Umgang mit Rücklagen und die Abwicklung des internen Wettbewerbs zwischen den Fraunhofer-Instituten. Noch mehr Altlasten, mit denen Sie umgehen müssen?
Ich hatte bislang keinen Zugang zu diesem zweiten Bericht. Ich kenne auch nur die von Ihnen erwähnten Buzzwords. Sobald ich den Bericht habe, werde ich die Schlussfolgerungen des Rechnungshofs sehr genau studieren. Was ich schon jetzt und ein bisschen ins Blaue hinein sagen kann: Das Modell von Fraunhofer unterscheidet sich grundlegend von dem, was die Max-Planck-Gesellschaft oder die Helmholtz-Gemeinschaft ausmacht. Bei Fraunhofer ist weniger als ein Drittel des Haushalts durch staatliche Grundmittel finanziert; der Anteil, den die Institute selbst erwirtschaften müssen, ist viel größer. Wir müssen also wie Unternehmer denken und agieren. Dazu gehört, die eigene Liquidität zu sichern für Phasen, in denen die Geschäfte mal nicht so gut laufen. Dass eine solche Logik nur schlecht zur Kameralistik staatlicher Haushalte passt, dass es da immer wieder Spannungen gibt und geben muss, ist offensichtlich. Rücklagen gehören in dieses Spannungsfeld. Ich bin gespannt, was der Rechnungshof an Vorschlägen hat, um hier eine vernünftige Balance herzustellen.
Bevor Sie 2013 ans KIT wechselten, haben Sie selbst ein Fraunhofer-Institut geleitet. Der vom Rechnungshof kritisierte interne Wettbewerb zwischen den Instituten ist Ihnen also nicht fremd.
Einen internen Wettbewerb gibt es nicht nur bei Fraunhofer, er ist der Wissenschaft inhärent. Bei Helmholtz wird er über die Programmorientierte Förderung ausgetragen, mal in Kooperation, mal in Konkurrenz zwischen den Zentren. An den Hochschulen bewerben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam um DFG-Projektgelder und wetteifern zugleich um dieselben Töpfe. Die eine Woche sind sie Begutachtete, die nächste Woche Gutachtende. Diese Formen des Wettbewerbs halte ich für zwingend erforderlich, damit unser Wissenschaftssystem agil bleibt. Das Besondere bei Fraunhofer ist, dass die Institute rechtlich unselbstständig sind. Wenn sie im Wettbewerb besonders erfolgreich sind und Überschüsse erwirtschaften, gehen diese Überschüsse auf die Gemeinschaftsebene. Das muss zwangsläufig begleitet werden von einer anderen internen Verrechnung zugunsten der gut wirtschaftenden Institute, um den Anreiz und die Dynamik zu erhalten. Auch das ist eine Frage der vernünftigen Balance. Hier werde ich mich als Fraunhofer-Präsident dafür einsetzen, bei den Haushältern im Bundestag das nötige Verständnis zu schaffen und gleichzeitig im Dialog mit der Politik Wege zu finden, wie man das jetzige System zugleich bedarfsgerecht und anforderungsorientiert gestalten kann.
"Anstatt immer mehr Leute einzusetzen, die sich
angucken, was alles nicht funktioniert, sollten
wir den Spieß umdrehen und dafür sorgen, dass die Dinge erstmal wieder funktionieren."
Ist Fraunhofer inmitten seiner Modernisierungskrise Sinnbild für ein ganzes Land, dessen Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert? Spätestens in der Corona-Zeit zeigte sich, dass die Bundesrepublik ein dramatisches Innovationsproblem hat: eine veraltete Infrastruktur, eine lückenhafte Digitalisierung, eine in Teilen dysfunktionale Verwaltung – und eine Wirtschaft, die sich zu lange auf angestammte Produktlinien verlassen hat.
Ich glaube, es handelt sich eher um eine Krise der Haltung als der Modernisierung.
Was meinen Sie damit?
Ich fange mit dem Positiven an. Ich war am vorvergangenen Wochenende in München und habe aus naheliegenden Gründen eine neue Wohnung gesucht. Da kam ich an einem Schild vorbei, auf dem war ein Hirsch abgebildet, und ich habe erwartet, dass "Nicht füttern" drunter steht. Von wegen. Drauf stand: Wenn Sie die Tiere füttern möchten, denken Sie daran, dass es Pflanzenfresser sind, also bitte pflücken Sie Pflanzen oder nehmen Sie Mohrrüben. Die Bayern haben es irgendwie drauf, habe ich da als Norddeutscher gedacht. Die wissen, wie die Menschen sind, und anstelle von Verboten, die doch keiner einhält, gibt es pragmatische Tipps. Damit bin ich wieder bei der Krise der Modernisierung oder besser der Haltung. Wir müssen wegkommen von diesem Wahnsinn der Überregulierung und immer noch mehr Bürokratie, in den wir hineingeraten sind. Wir müssen als Gesellschaft wieder mehr Zuversicht und Vertrauen in die Menschen haben und ihnen mehr Freiraum geben.
Sagen Sie ausgerechnet nach dem, was gerade bei Fraunhofer passiert ist?
Ich kann da keinen Widerspruch erkennen. Für eine Ermöglichungskultur, die ich meine, brauchen Sie zuerst ein klares Regelwerk, eine in sich stimmige Governance. Wenn ich beides habe, ist zugleich die Zahl der unsinnigen Vorschriften reduziert, dann brauche ich keine Bürokratiemonster, um die Einhaltung der Regeln zu überprüfen. Anstatt immer mehr Leute einzusetzen, die sich angucken, was alles nicht funktioniert, sollten wir den Spieß umdrehen und dafür sorgen, dass die Dinge erstmal wieder funktionieren. Und je besser sie funktionieren, desto transparenter geht es zu, und desto weniger Leute müssen es kontrollieren.
Und die Innovationskrise erledigt sich dann quasi wie von selbst mit? Ist das nicht etwas zu einfach? Bei vielen Technologien hat Deutschland längst den Anschluss verloren, und das gründlich. Da hat auch Fraunhofer wenig dran geändert – das immer noch einen Großteil seiner Lizenzeinnahmen aus einer Innovation der 80er und 90er Jahre bestreitet: des MP3-Standards.
Da bin ich doch deutlich optimistischer als Sie und habe auch einen weiteren Innovationsbegriff. MP3 war vor allem ein Patenterfolg. Aber die Innovation, für die Fraunhofer steht, ist mehr als die wirtschaftliche Verwertung einzelner Technologien. Unser Kerngeschäft ist es, Forschungsaufträge mittelständischer Unternehmen auszuführen, aus denen dann in Form von Gemeinschaftsprojekten neue Erkenntnisse, Anwendungsmöglichkeiten und Produkte entstehen. Wenn Sie sich auf dem Weltmarkt umschauen, könnten Sie auf die Produkte unzähliger Unternehmen "Fraunhofer inside" draufschreiben, das ist unser Kerngeschäft, der Gradmesser unseres Erfolgs. Nur wird der in der politischen Debatte allzu oft auf die Zahl unserer Startups, Spinoffs und Patente verkürzt.
"Unser Ziel muss sein, dass zum Beispiel Batterien nicht irgendwo auf der Welt produziert werden, sondern bei uns in Deutschland, und dass dies dann auch in unserer Gesellschaft wertgeschätzt wird."
Soweit der Werbeblock für Fraunhofer. Eigentlich ging es mir aber um Deutschlands technologischen Rückstand.
Und an der Stelle bin ich ganz bei Ihnen. Wir gehen in Deutschland zu wenig ins Risiko. Wenn ich mir die Zukunftstechnologien anschaue, zum Beispiel die Künstliche Intelligenz, die Robotik oder die Energiespeicherung, dann befinden sich sämtliche Schlüsselspieler außerhalb von Deutschland und, in den meisten Fällen, Europas. Die Batterietechnik ist ein gutes Beispiel. Ob in Ulm oder Münster, bei der Forschung sind wir gut dabei, da gehören wir auch unter Fraunhofer-Beteiligung zur Weltspitze. Aber wir schaffen es nicht, die Forschungsergebnisse in die nächste oder übernächste Generation von Batterien auf den Weltmarkt zu bringen. Unser Ziel muss sein, dass uns genau dieses wieder gelingt: dass diese Batterien nicht irgendwo auf der Welt produziert werden, sondern bei uns in Deutschland, und dass dies dann auch in unserer Gesellschaft wertgeschätzt wird. Genau da kommt es auf uns bei Fraunhofer an.
Was können Sie von der internationalen Konkurrenz lernen?
Nehmen wir das Feld der Künstlichen Intelligenz. Da könnten Sie jetzt auch mit einigem Recht sagen, da sei für uns in Deutschland der Zug abgefahren. Aber ich glaube das nicht. Wir müssen genau hinschauen, was Amazon oder Microsoft erfolgreich macht. Das meiste werden wir nicht nachmachen können, weil die finanziell in ganz anderen Dimensionen unterwegs sind. Aber wir können schauen, wie auch wir die Künstliche Intelligenz nutzen, um zum Beispiel unsere Produktionsprozesse der Analyseverfahren zu verändern. Entscheidend ist, dass wir nicht zur verlängerten Werkbank anderer werden, sondern dass wir uns schleunigst die richtigen Partner in der deutschen und europäischen Industrie suchen. Dass wir uns mit ihnen zusammentun, um neue Technologien entwickeln, die zu unserer Wirtschaft passen und zu neuen Produkten und Wertschöpfungen führen. Keine Sorge, ich bin nicht naiv, ich weiß schon, dass wir aufpassen und hungrig bleiben müssen. Aber wann immer ich ein Fraunhofer-Institut besucht habe in der letzten Zeit, habe ich diesen Hunger in den Augen unserer jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gesehen.
Der neue Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, hat im Interview hier im Blog die Verbesserung der Karrierewege als zentrales Ziel seiner Amtszeit benannt. Nachdem auch Sie gerade die Bedeutung junger Forschender so betont haben, welchen Änderungsbedarf sehen Sie an der Stelle bei Fraunhofer?
Zur Abwechslung mal überhaupt keinen. Wer zu Fraunhofer geht, tut das nicht vorrangig um einer wissenschaftlichen Karriere willen. Wer die anstrebt, ist an den Universitäten oder bei Max Planck besser aufgehoben. Wer zu Fraunhofer geht, den interessiert das Projektgeschäft. Der möchte nah dran sein an den Belangen der Wirtschaft und der Märkte – und dabei möglicherweise eine Promotion mitnehmen. Und über diese Promotion springe ich dann entweder in die Industrie oder übernehme Verantwortung anderswo in der Gesellschaft. Dass ich nach einer Promotion aus der Fraunhofer-Welt hinaus auf eine Postdoc-Stelle wechsle, eine Habilitation anstrebe oder Richtung Juniorprofessur, ist ungewöhnlich und sollte es bleiben.
Zu den Aufgaben eines Fraunhofer-Präsidenten gehört vor allem auch die Lobbyarbeit gegenüber der Politik. Wofür werden Sie sich einsetzen in einer Zeit, in der mit viel zusätzlichem Geld nicht zu rechnen ist und einige sogar die regelmäßigen Aufwüchse für die Forschungsorganisationen in Frage stellen?
Ich fordere nicht mehr Geld. Ich fordere, dass die Politik alles dafür tut, dass wir wieder eine starke und gesunde Wirtschaft bekommen. Politik muss dafür die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Politik kann aber auch, und das ist besonders wichtig, Haltung zeigen, sich öffentlich positionieren. Politik braucht das Selbstbekenntnis zu unserer Wirtschaftskraft und ihrer Bedeutung, sie muss sie fördern und priorisieren. Wenn die Politik das tut, findet auch Fraunhofer seine Rolle als technologieorientierter Ermöglicher unserer wissensbasierten Art zu wirtschaften. Wir haben nichts Anderes als Nation, wir haben keine Rohstoffe, wir können nicht vom Ackerbau leben, wir haben nur unsere Art zu forschen und zu wirtschaften, aber in der waren wir immer richtig gut. Dahin müssen wir wieder zurückkommen.
"Auf meiner Agenda stehen acht Jahre, die traue ich mir zu."
Irgendwelche speziellen Wünsche für Fraunhofer?
Ich halte es für wichtig, dass die Politik sich noch einmal das Zuwendungsrecht ansieht. Wir entsprechen in der Art, wie wir wirtschaften, weniger den anderen Forschungsorganisationen und stärker der Bundesagentur für Sprunginnovationen, die gerade neue Freiheiten in der operativen Verwendung von Steuergeldern erhalten hat. Warum sollten Elemente davon nicht auch für Fraunhofer anwendbar sein?
Nach zehn Jahren verlassen Sie jetzt das KIT, das Sie zurück zum Exzellenzstatus geführt haben. Angesichts der gerade angelaufenen nächsten Runde der Exzellenzstrategie: Wie ungünstig ist der Zeitpunkt Ihres Weggangs für die Karlsruher Erfolgschancen?
Wir Menschen neigen dazu, uns die Welt schönzureden, aber ich glaube tatsächlich, dass der Zeitpunkt für meinen Weggang nicht besser sein könnte. Regulär wäre meine Amtszeit im September 2025 zu Ende gewesen, mitten in der entscheidenden Phase der Exzellenzstrategie. Ein Präsident, dessen Abschied fest- oder dessen Wiederwahl aussteht, hätte dann die Strategie für die nächsten sechs Jahre präsentieren müssen. Sowas kommt bei Gutachtern gar nicht gut an. Insofern ist es nahezu ideal, dass sich das KIT jetzt, zwei Jahre vor Beginn der Begutachtungen, eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten suchen kann.
Wie stark schmerzt Sie der Abschied?
Ich habe mehr gelernt, als ich je geglaubt habe, lernen zu können. Ich hatte das Privileg, alle Professorinnen und Professoren zu berufen, ich konnte in alle Wissenschaftsdisziplinen hineinschauen von den Natur- über die Ingenieur- bis hin zu den Geistes- und Sozialwissenschaften. Ich habe so viele neue Facetten für mich erkannt, wie Wissenschaft funktioniert und wie Menschen funktionieren in diesen Wissenschaften. Diese zehn Jahre des Lernens kann mir keiner nehmen, die begleiten mich in die nächste Welt hinein. Ich hatte 2013 das Bild einer Einrichtung vor Augen, das ich umsetzen wollte, und das habe ich meines Erachtens auch getan. Ich bin angetreten mit einem Zehn-Punkte-Plan für zehn Jahre, und diese zehn Punkte sind jetzt abgearbeitet.
Beim KIT war es ein Zehn-Punkte-Plan für zehn Jahre, wie viele Punkte für wie viele Jahre werden es bei Fraunhofer?
Auf meiner Agenda stehen acht Jahre, die traue ich mir zu. Und das kommuniziere ich bewusst schon jetzt so, damit keiner auf die Idee kommt, mich aussitzen zu können. Ich stehe für Veränderung, und diese Veränderung will ich erreichen. Einen neuen Punkteplan braucht es dafür nicht, denn es wäre langweilig, immer genau das Gleiche zu machen. Aber dass ich einen Plan habe, haben Sie hoffentlich gemerkt.
La presente tesi affronta il tema della modulazione degli effetti delle sentenze di accoglimento della Corte costituzionale intrecciandolo con l'analisi dell'esperienza tedesca delle Unvereinbarkeitserklärungen, le quali costituiscono lo strumento privilegiato con cui il Bundesverfassungsgericht modula nel tempo gli effetti della declaratoria di incostituzionalità. L'analisi congiunta del modello italiano e tedesco consente di valutare sotto un diverso angolo prospettico la questione relativa ai limiti dell'efficacia retroattiva delle sentenze di accoglimento, la quale ha interessato l'attività della Consulta sin dai primissimi anni della sua attività. Nel primo capitolo della tesi verrà analizzata la disciplina relativa agli effetti delle sentenze di accoglimento, ragionando in particolar modo sul principio di retroattività che presidia la declaratoria di incostituzionalità; nel secondo capitolo, verrà dedicato ampio spazio alla prassi temporalmente manipolativa della Corte costituzionale, evidenziandone le esigenze sottese e i relativi nodi problematici. Il terzo capitolo ospiterà una ricognizione delle decisioni di incompatibilità tedesche: l'analisi, che prenderà le mosse da una riflessione sul dogma della nullità e dell'annullabilità della norma incostituzionale, interesserà non solo le ragioni che conducono il Bundesverfassungsgericht a scindere il momento dell'accertamento da quello della declaratoria dell'incostituzionalità, ma anche gli effetti che si ricollegano alle diverse varianti decisionali delle Unvereinbarkeitserklärungen. Infine, l'ultimo capitolo sarà dedicato ad un raffronto tra l'esperienza temporalmente italiana e quella tedesca: esso si strutturerà principalmente intorno al profilo relativo al rapporto tra Giudice costituzionale e legislatore, ovverosia il perno intorno al quale si muove (o, meglio, dovrebbe muoversi) la giurisprudenza temporalmente manipolativa. ; The present thesis deals with the issue of modulating the effects of the sentences of the Constitutional Court by intertwining it with the analysis of the German experience of the Unvereinbarkeitserklärungen, which constitute the privileged temporally manipulative instrument with which the Bundesverfassungsgericht modulates over time the effects of the declaration of unconstitutionality. The analysis of German and Italian constitutional justice makes it possible to assess under a different perspective angle the question concerning the limits of the retroactive effectiveness of the declaration of unconstitutionality, which has affected the activity of the Corte Costituzionale since the very first years of its activity. If in the first chapter of the thesis the discipline relative to the effects of the sentences of unconstitutionality will be analyzed, reasoning in particular on the principle of retroactivity which oversees the declaration of unconstitutionality itself, in the second chapter ample space will be dedicated to the temporally modulative practice of the Constitutional Court, highlighting the underlying needs as well as the related problem areas. The third chapter is devoted to the study of the German incompatibility decisions. The analysis, which starts from a reflection on the dogma of nullity and the annulment of the unconstitutional rule, concerns not only the reasons that lead the Bundesverfassungsgericht to split the moment of assessment from that of the declaration of unconstitutionality, but also the effects that relate to the different decision-making variants of the Unvereinbarkeitserklärungen. Finally, the last chapter is devoted to a comparison between the temporally modulative Italian and German experience: it will be structured mainly around the profile relative to the relationship between the constitutional judge and the legislator, which constitutes the pivot around which the temporally modulative case-law moves (or, better, should move). ; In dieser Doktorarbeit wird das Thema der Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit der vom Verfassungsgerichts getroffenen Annahmeurteile (die "sentenze di accoglimento") mit besonderer Beachtung der Steuerung der zeitlichen Rechtswirkungen durch das Bundesverfassungsgericht untersucht. Vor der Erläuterung des Inhalts dieser Doktorarbeit erscheint es mehr als notwendig, einleitend kurz die Gründe für diese Überlegung zur deutschen Praxis hervorzuheben. In diesem Sinn ist die Behauptung des Verfassungsrichters Lattanzi zur Rechtsprechung im aktuellen Fall "Cappato" von großer Bedeutung: Es geht hier im Wesentlichen um die Ähnlichkeit des Typs der vom Verfassungsgericht getroffenen Entscheidung mit dem der deutschen Unvereinbarkeitsentscheidungen, die Hauptthema dieser Untersuchung sind, und zwar nicht nur, da diese einen zeitlichen Aufschub der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung (wenn auch auf eine ganz eigne Art) verfügen, sondern auch weil sie, wie in der deutschen Rechtslehre bestätigt, ein wichtiges Mittel zur Untersuchung der Beziehungen zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber darstellen. Auf der Ebene der Rechtslehre stellen die deutschen Unvereinbarkeitserklärungen den Gegenstand eines erneuten Interesses heute und sorgfältiger Untersuchungen in der Vergangenheit dar: In diesem Sinn ist das Studienseminar über die Modulation der Rechtswirkungen der von demselben Verfassungsgericht gefassten Annahmesprüche, bei denen die maßgebliche Rechtslehre die typischen Merkmale der Unvereinbarkeitsentscheidungen untersuchte, um eine mögliche Übertragung in die Sammlung der Entscheidungshilfen des Verfassungsgerichts zu erwägen, von Bedeutung. Bei jener Gelegenheit wurden viele Probleme eines solchen Entscheidungstyps vorgebracht: Insbesondere betrafen diese erstens die Schwierigkeit, ihre konkreten Rechtswirkungen zu erkennen, zweitens die Schwierigkeit, ihr in dem untätigen italienischen Parlament Folge zu leisten und drittens die abweichende Rolle, die das Bundesverfassungsgericht innerhalb der deutschen Regierungsform innehat. Es handelt sich um drei im letzten Teil dieser Doktorarbeit untersuchte Punkte, die in der Tat nicht wenige Probleme aufwerfen, vor allem angesichts der Aufnahme durch das Verfassungsgericht einiger Urteile, die unter verschiedenen Aspekten den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen ähneln. Dabei handelt es sich insbesondere um die Urteile Nr. 243 von 1993, Nr. 170 von 2014, Nr. 10 von 2015 und Nr. 207 von 2018. Ein enger Vergleich mit der Ratio und den Problempunkten der deutschen Unvereinbarkeitserklärungen ist somit nützlich, nicht nur, um deren möglichen Chancen in der italienischen Verfassungsrechtsprechung zu erwägen, sondern auch, um eine noch offene Frage zu erörtern, die das Verfassungsgericht seit Anbeginn ihrer Tätigkeit als Hüter des Grundgesetzes betrifft. Nach dieser Einleitung wird im ersten Kapitel der Doktorarbeit die gesetzliche Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile untersucht; das zweite Kapitel ist der Analyse der zeitlich handhabenden Praxis des Verfassungsgerichts gewidmet. Das dritte Kapitel ist der deutschen Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen gewidmet, während im vierten Kapitel die wichtigsten Punkte der Vergleichsstudie zwischen der zeitlich steuernden italienischen und der deutschen Praxis behandelt werden. Die Wahl eines solchen Aufbaus erklärt sich angesichts der Möglichkeit einer Analyse ex ante der mit der Handhabung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile verbundenen Problempunkte, um dann das Verständnis ex post der Gründe, die diese Doktorarbeit zu einer Untersuchung der "flexiblen" Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geführt haben, zu erleichtern. Im letzten Kapitel schließlich wird versucht, einige Aspekte, die mit den heutigen Schwierigkeiten der zeitlich steuernden Rechtsprechung der Verfassungsgerichte zu tun haben, nach der Logik von Ähnlichkeit und Gegensatz hervorzuheben, darunter insbesondere die Beziehung zwischen Verfassungsorgan und Legislativorgan. Das erste Kapitel ist vollkommen der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile gewidmet, die, wie bereits angedeutet durch Art. 136 des ital. GG, Art. 1 des ital. Verfassungsgesetzes Nr. 1 von 1948 und Art. 30, 3. Abs. des ital. Gesetzes L. Nr. 87 von 1953 vorgegeben sind. Das Kapitel ist in acht Abschnitte unterteilt, die teilweise auf den Entscheidungstyp der Unvereinbarkeitserklärungen Bezug nehmen. Der 1. Abschnitt (Rückkehr zu Kelsen zur Neuentdeckung möglicher, vom Verfassungsgericht umsetzbarer Perspektiven: Die Handhabung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile im Verlauf der Zeit und die Beziehung zum Gesetzgeber) ist einführend der These Kelsens hinsichtlich der Beziehung zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber gewidmet, in Anbetracht der Tatsache, dass, wie im letzten Kapitel erläutert, gerade die Rückkehr zum Ursprung und somit zur Lehre Kelsens bezüglich der Wirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung in dieser Doktorarbeit (mit der erforderlichen Vorsicht) als wünschenswert angesehen wird. Während im 2. Abschnitt (Der heutige Stand: ein "flexibles" Verfassungsgericht, fern vom ursprünglichen Gerüst der Rechtswirkungen der Annahmeurteile) eine zum Teil die Erläuterungen des zweiten Kapitels vorwegnehmende Überlegung zu einem Verfassungsgericht, das "fern" vom ursprünglichen Gerüst der Rechtswirkungen der Annahmeurteile ist, wird im 3. Abschnitt (Die Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile: Grundgedanken des Art. 136 ital. GG der verfassungsgebenden Versammlung. Einige Anregungen zur zeitlich handhabenden deutschen Praxis) versucht, zum Kern des Art. 136 der ital. GG vorzudringen, wo im ersten Absatz Folgendes vorgesehen ist: "Wenn das Gericht die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift oder einer gesetzeskräftigen Maßnahme erklärt, endet deren Wirksamkeit ab dem Folgetag der Veröffentlichung der Entscheidung". Im Verlauf des Abschnitts wird versucht, einen Überblick der wichtigsten Entwürfe bezüglich des ursprünglichen Art. 136 ital. GG zu liefern, wobei der Entwurf der Abg. Mortati, Ruini, Cappi, Ambrosini und Leone kurz untersucht wird. Besonders interessant ist, auch zum Zweck einer Vergleichsstudie mit den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen, der Entwurf des Abg. Calamandrei, der vorschlug, die Legislativorgane sollten im Anschluss an die Aufnahme eines Annahmeurteils sofort das Verfahren zur Gesetzesänderung einleiten, sodass sich, wenn auch mit der erforderlichen Vorsicht eine charakteristische Form der dem Legislativorgan zukommnenden "Nachbesserungspflicht" abzeichnet. Abschnitt 3.1. (Der Vorschlag Perassis: eine Modulation der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung ante litteram?) konzentriert sich in Übereinstimmung mit der deutschen Praxis auf den Vorschlag des Abg. Perassi, der vorsah, die Wirksamkeit des als verfassungswidrig erklärten Gesetzes sollte ab der Veröffentlichung erlöschen, außer bei Bedürfnis des Gerichts eine andere Wirkungsfrist (in jedem Fall nicht über sechs Monate) zu bestimmen; in diesem Sinn ist der Vorschlag des Abg. Perassi der österreichischen (und zum Teil der deutschen) Praxis ähnlich, und zwar einer Fristsetzung mit dem Ziel einer nützlichen Zusammenarbeit zwischen Verfassungsgericht und Legislativorgan. Perassi behauptete, dass "beim Erlöschen der Wirksamkeit einer gesetzlichen Vorschrift in bestimmten Fällen heikle Situationen auftreten können, da das Erlöschen dieser Vorschrift möglicherweise Probleme mit sich bringt, wenn man nicht vorsorgt". Die Annäherung an eines der wichtigsten Anwendungsgebiete der Unvereinbarkeitsentscheidungen, d.h. dem auf dem Argument der rechtlichen Folgen begründeten, ist in diesem Sinne eine unvermeidliche Pflicht. Gleichfalls interessant erscheint die Entgegnung auf die Voraussicht einer solchen Lösung durch den Abg. Ruini, der erklärte, eine derartige Regelung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung würde praktisch eine Situation voller übermäßig belastender Folgen hervorrufen, in der insbesondere die Gerichte fortfahren würden, "eine verfassungswidrige Norm anzuwenden". Daher die Bedeutung, die der durch die mit Fortgeltungsanordnung ergänzten Unvereinbarkeitsentscheidungen dargestellte Problempunkt hat. In Abschnitt 3.2 (Zeitlicher Rahmen des Art. 136 ital. GG) wird versucht, Art. 136 ital. GG innerhalb seines zeitlichen Rahmens zu untersuchen. In Kürze: Während der wortwörtliche Gehalt der besagten Verfügung sich anscheinend (nach einem Teil der Rechtslehre) auf eine lediglich zielgerichtete Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung bezieht, stellt dieser doch, nachdem er sich durch Art. 1 des ital. Verfassungsgesetzes Nr. 1 von 1948 und Art. 30 des ital. Gesetzes L. Nr. 87 von 1953 gefestigt hatte, die verfassungsrechtliche Verfügung dar, auf die sich die ex tunc-Wirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung gründet. Andererseits wäre es, wie ein anderer Teil der Rechtslehre behauptet, an und für sich nicht folgerichtig, ein System der Rechtswirkungen zu erfinden, das nur ex nunc-Wirkung hat, um dann anschließend den Richtern die Nichtanwendung des verfassungswidrigen Gesetzes "mit Wirkung lediglich nach eigenem Urteil" anzuvertrauen. In Abschnitt 3.3 (Räumlicher Rahmen des Art. 136 ital. GG) wird ein weiterer, an die Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung gebundener Punkt untersucht, nämlich die "räumliche" Ausdehnung der Wirksamkeit von Art. 136 ital GG. Außer der allgemein verbindlichen Wirksamkeit der Annahmeurteile, an welche die Untersuchung der von den Verfassungsgebenden gewählten Art der Normenkontrolle anknüpft, wird der mit der gerichtlichen oder gesetzgebenden Art der Verfassungswidrigkeitserklärung verbundene Rechtslehredisput, an den die "allgemeine" Wirksamkeit derselben unvermeidlich anknüpft, kurz untersucht. Während in den letzten vier Abschnitten der Art. 136 der ital. GG allein im Mittelpunkt steht, ist der 4. Abschnitt (Die "Revolution" des ital. Verfassungsgesetzes Nr. 1 von 1948) vollständig der "Revolution" gewidmet, welche das ital. Verfassungsgesetz Nr. 1 von 1948 darstellt. Für diese "Revolution" (oder besser die Spezifikation) ist der erste Artikel des besagten Gesetzes bezeichnend, wo es heißt: "Die amtlich erfasste oder von einer Partei im Verlauf eines Rechtsverfahrens erhobene und vom Richter nicht als offensichtlich unbegründet angenommene Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder einer gesetzeskräftigen Maßnahme der Republik wird dem Verfassungsgericht zur Entscheidung übertragen". Im Wesentlichen hat der besagte Artikel als tragendes Element der Inzidentalität des Verfassungssystems Art. 136 ital. GG Bedeutung verliehen, nicht nur, indem die Bedeutung tatsächlich im Einzelnen erläutert wird, sondern vor allem dadurch, dass der Klage vor dem Verfassungsgericht dort, wo es angerufen wird, für alle zu entscheiden (mit wenn auch innerhalb bestimmter Grenzen allgemein verbindlichen Rechtswirkungen) eine "logische" Bedeutung auf Grundlage einer "genetisch zwiespältigen" Erneuerung verliehen wird, und zwar anhand eines konkreten Einzelfalls". Es erscheint notwendig, anzumerken, dass die besagte Verfügung in Bezug auf die Ratio Art. 100, 1. Abs. des deutschen GG ähnelt, auf dessen Grundlage die sogenannte konkrete Normenkontrolle beruht. Und tatsächlich übernimmt das zwischenrangige Verfahren eine grundlegende Rolle in Bezug auf die Handhabung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung im Verlauf der Zeit, da es konkreter der in der Notwendigkeit, die diachronischen Rechtswirkungen der Verkündigung zu steuern, enthaltenen Ratio vollkommen antithetisch gegenübersteht. Wie können die Jura angesichts einer Handhabung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung für die Zukunft geschützt werden? Während Art. 1 des ital. Gesetzes L. Nr. 1 von 1948 das zwischenrangige Verfahren kennzeichnet und definiert, so hat Art. 30, 3. Abs. des ital. Gesetzes Nr. 87 von 1953, der Hautuntersuchungsgegenstand des 5. Abschnitts (Die Rückwirkung der Annahmeurteile: Art. 30, 3. Abs. ital. Gesetz L. Nr. 87 von 1953) ein weiteres Element zur Erläuterung der Ratio der zeitlichen Orientierung, welche die Rechtsauswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung im Verlauf der Zeit annehmen, hinzugefügt. Im Anschluss an das Inkrafttreten desselben, wo es heißt, "die als verfassungswidrig erklärten Normen können nicht ab dem Folgetag der Veröffentlichung der Entscheidung Anwendung haben", hat die Rückwirkung des Annahmeurteils begonnen, die Form der ius receptum anzunehmen, wie durch die maßgebliche Rechtslehre bestätigt. Nun war diese, mit Art. 1 des ital. Gesetzes L. Nr. 1 von 1948 in die Verfassung eingeführte "Errungenschaft" das Ergebnis einer umfassenden theoretischen Analyse und Überlegung: Es ist kein Zufall, dass einer der zentralen Mechanismen der Normenkontrolle eher das "Ergebnis der beharrlichsten Arbeit der Rechtslehre war, statt ein präziser Gesetzesentwurf" und hauptsächlich auf der Notwendigkeit beruhte, nicht nur den Grundsatz der Gleichheit, sondern auch den der Verteidigung zu bewahren, und dies unter Ausschluss der s.g. abgeschlossenen Rechtsbeziehungen, die bei Eintritt der Rechtskraft, Verjährung, Verwirkung und Vergleich bestehen. Hinzu kommt, dass das Prinzip der Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung laut Art. 30, 3. Abs. ital. Gesetz L. Nr. 87 von 1953 – vielleicht auch angesichts der Möglichkeit die Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung in verschiedenen Abstufungen und somit nicht absolut zu klassifizieren – auch Gegenstand einer erheblichen Kontroverse zwischen Verfassungsgericht und Strafkammer des Kassationshofs eben zum Thema der Nichtanwendung der als verfassungswidrig erklärten Norm war. In diesem Sinne treten die Urteile Nr. 127 von 1966 und Nr. 49 von 1970 hervor: beim ersten hatte das Verfassungsgericht über die notwendige Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung von Prozessvorschriften befunden; mit der zweiten Verkündigung dagegen bestätigte das Gericht vollkommen überraschend, den Richtern "das letzte Wort" zu lassen. Dieses Prinzip kann nicht übergangen werden: So hatte beispielsweise im Anschluss an das in keiner Weise rückwirkende Urteil Nr. 10 von 2015 das Verfassungsgericht einer bedeutenden Form der Rebellion durch das vorlegende Gericht beigewohnt, das nicht befunden hatte, sich in Bezug auf die zeitliche Rechtswirkung der Verfassungswidrigkeitsaussprüche vom Gesetzesrahmen zu distanzieren. Gleichzeitig erhält auch in der zeitlich handhabenden deutschen Praxis die Rolle der Richter Bedeutung: Sollte beispielsweise der Gesetzgeber seiner Reformpflicht im Anschluss an die Aufnahme eines Unvereinbarkeitsspruchs nicht nachkommen und dadurch die Ratio der Unvereinbarkeitsentscheidung vollkommen zunichte gemacht werden, können die Richter angerufen werden, um "letztendlich" und in Übereinstimmung mit der Verfassung einzugreifen. Im 6. Abschnitt (Der zeitliche Rahmen der verfassungswidrigen Norm: Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit? Eine Überlegung ausgehend vom amerikanischen und vom österreichischen Modell. Hinweise auf die Art der Annahmeurteile) lässt die Studie der gesetzlichen Regelung der zeitlichen Auswirkungen des Verfassungswidrigkeitsspruchs Raum für eine Untersuchung bezüglich der Vernichtbarkeit oder Nichtigkeit der als verfassungswidrig erklärten Norm und dies angesichts einer anfänglichen Überlegung zum amerikanischen und zum österreichischen Modell des Verfassungsrechts, die bekanntlich gegensätzlich zueinander eingestellt sind. Und tatsächlich ist die zeitliche Orientierung des Annahmeurteils nicht nur direkt an die Art derselben Verfassungswidrigkeitserklärung gebunden, sondern ist in ihrem Wesen indirekt an die Wahl des Modells zur Normenkontrolle geknüpft: Irgendwie scheint die ursprüngliche Zweideutigkeit des Art 136 ital. GG tatsächlich an die "gemischte" Natur des italienischen Verfassungsrechts anknüpfen zu können, das sich aus einigen typischen Elementen des amerikanischen Systems (Diffusivität der jedem Richter zukommenden Kontrolle) und dem österreichischen System (ausschließliche Zuständigkeit des Verfassungsgerichts in Bezug auf die Verfassungswidrigkeitserklärung einer nicht mit der Verfassung übereinstimmenden Norm mit allgemeiner Rechtswirkung) zusammensetzt. Nun wirkt die Wahl des Systems zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit auf die von der Ungültigkeit der verfassungswidrigen Norm angenommene Form ein, welche ihrerseits nach der typischen Logik des Teufelskreises die Art der Verfassungswidrigkeitserklärung beeinflusst: Im amerikanischen Verfassungsrechtssystems ist die verfassungswidrige Norm null and void, da sie dem Willen einer superior Norm widerspricht und somit unwirksam ist; im österreichischen System dagegen ist die verfassungswidrige Norm lediglich vernichtbar, und zwar deshalb, weil Grundlage des Systems die Idee ist, dass, da die gesamte politische Macht auf dem Gesetz gründet, "das Konzept eines von Beginn an nichtigen Gesetzes" vollkommen inakzeptabel ist. Übrigens darf nicht verwundern, dass im Bereich des amerikanischen Verfassungsrechts die Verfassungswidrigkeitserklärung eine Norm erklärender Art ist, während sie im Bereich des österreichischen Verfassungsrechts eine verfassungsgebende Natur annimmt. Nun teilt im Bereich des italienischen Verfassungsrechts nur eine Minderheit die Idee der Nichtigkeit der verfassungswidrigen Norm und somit des Annahmeurteils erklärender Natur, die Mehrheit teilt die These der Vernichtbarkeit der verfassungswidrigen Norm, die also der verfassungsgebenden Natur des Gerichtsspruchs entspricht. Dass die obigen Ausführungen wahr sind, ist daran zu erkennen, dass in der maßgebenden Rechtslehre bestätigt wurde, dass die Verfassungsgebenden dachten, ein im Wesentlichen von dem im österreichischen Grundgesetz vorgesehenen System der Verfassungsgerichtsbarkeit abgeleitetes System eingeführt zu haben. Auch erklärt sich die verfassungsgebende Bedeutung der Verfassungswidrigkeitserklärung angesichts der Betrachtung, dass das allgemeine Verbot, die verfassungswidrige Norm anzuwenden, tatsächlich nur im Zeitraum vor der Aufnahme der Verfassungswidrigkeitserklärung durch das Verfassungsgericht besteht. Wenn man zur nicht statischen sondern "dynamischen" Ebene der Verfassungswidrigkeitserklärung wechselt, ist Zagrebelskys Theorie zu betrachten, nach der im Anschluss an die Aufnahme des Annahmeurteils das Verfassungsproblem entsteht, dem bezüglich anderen institutionellen Stellen wie Richtern und dem Gesetzgeber umfangreicher Spielraum gelassen wird. In diesem Sinn ist das Verfahren der Unvereinbarkeitserklärungen interessant, welche eben hinsichtlich des "Verfassungsproblems" eingreifen, um dies dank der Mitarbeit anderer Verfassungsorgane, unter denen zumindest anfangs der Gesetzgeber zu nennen ist, zu lösen. Im 7. Abschnitt (Erste Zeichen für die Zulässigkeit eines Verfassungsgerichts als "Verwalter" der Rechtswirkungen seiner eigenen Entscheidungen) wird die mögliche Legitimation (auf theoretischer Ebene) des Verfassungsgerichts als Verwalter der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitsurteile angedeutet, wobei insbesondere die Tatsache diskutiert wird, dass der zeitgenössische Konstitutionalismus wegen seiner substantialistischen Eigenschaft die Suche der für den spezifischen Fall am besten geeigneten Lösung und somit die "Negativ-Neuqualifizierung der Automatismen" erfordert, um zu starre Lösungen zu vermeiden. In diesem Sinn ist die Praxis des Bundesverfassungegsricht und dessen Erfindung der Unvereinbarkeitsentscheidungen von großer Bedeutung. In der Tat ist ein "flexibler" Ansatz an den zeitlichen Faktor der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung in verschiedenen europäischen Erfahrungen erkennbar; andererseits ist das was als "Naivität der Verfassungsgebenden" bezeichnet wurde, und zwar die "allzu simple Formulierung des Art. 136 ital. GG" hauptsächlich auf zwei Ursachen zurückzuführen, erstens die Notwendigkeit des Schutzes des Prinzips der Gewaltenteilung, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und zweitens der Schutz der Rechtssicherheit. Im 8. Abschnitt (Verwaltet das Verwaltungsgericht die Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit?) tritt das Verfassungsrecht in den Hintergrund, um zumindest in Kürze über die Steuerung der Rechtswirkungen der Annullierungsurteile durch das Verwaltungsgericht nachzudenken, wobei von einer Betrachtung ausgegangen wird, welche in der Rechtslehre – recht eindrucksvoll – klar ausgedrückt werden sollte, und zwar, dass die Verwaltungsprozessregeln wegen ihres entscheidenden kreativen Beitrags zur Rechtsprechung einen Ausgangspunkt und sicher keinen Endpunkt darstellen: In diesem Sinn erhielt das von der 4. Kammer des Staatsrats getroffene Urteil Nr. 2755 von Mai 2011 Bedeutung, wie auch das vom selben Verwaltungsrechtsorgan getroffene Urteil Nr. 13 von 2017. In beiden Fällen scheint der Staatsrat bestimmt zu haben, die Rechtswirkungen der eigenen Verkündigung angesichts der Notwendigkeit, einen übermäßigen Bruch innerhalb der Rechtsordnung zu verhindern, zeitlich zu steuern. Insbesondere hätte der Staatsrat ("Consiglio di Stato") beim ersten Spruch eine neue Art der Verkündigung gebildet, indem er bei der Untersuchung – nach einer vollkommen neuen Logik – den Bereich der zeitlichen Rechtswirkung des eigenen Spruchs so definierte, dass eine lediglich für die Zukunft geltende Rechtswirkung der eignen Entscheidung vorhergesehen wurde, sodass das Prinzip der Effektivität des Schutzes über das des Antrags der Partei siegt. Es ist unbedingt anzumerken, dass, wenn die Aufrechterhaltung der Rechtswirkungen der rechtswidrigen Maßnahme spiegelbildlich der Beibehaltung des Allgemeininteresses entspricht, die urteilende Tätigkeit des Verwaltungsgerichts dem des "Verwaltungsorgans" zu ähneln scheint. Auch bei seiner zweiten Verkündigung steuerte der Staatsrat die Rechtswirkungen mit Wirksamkeit pro futuro; die ganze Versammlung befand nämlich, das Urteil Nr. 10 von 2015 anzuführen, fast als Rechtfertigung des Argumentationskonstrukts zur Wahl einer derartigen Wirksamkeit, wobei im Übrigen bestätigt wurde, dass "die Ausnahme von der Rückwirkung […] auf dem Grundsatz der Rechtssicherheit beruht: […] die Möglichkeit für die Betroffenen, die Rechtsnorm wie ausgelegt anzuwenden, wird eingeschränkt, wenn die Gefahr schwerer wirtschaftlicher oder sozialer Auswirkungen besteht, die zum Teil auf die hohe Anzahl von in gutem Glauben begründeten Rechtsbeziehungen zurückzuführen ist […]". Darüber hinaus befand der Staatsrat, als spezifische Bedingungen, die es ermöglichen, die Rückwirkung einzuschränken oder richtiger "die Anwendung des Rechtsgrundsatzes auf die Zukunft zu beschränken" folgende: die objektive und erhebliche Unsicherheit bezüglich der Tragweite der auszulegenden Verfügungen; das Bestehen einer mehrheitlichen Orientierung entgegen der eingeführten Auslegung und die Notwendigkeit zum Schutz eines oder mehrere Verfassungsgrundsätze oder in jedem Fall, um schwere sozialwirtschaftliche Rückwirkungen zu verhindern. Das zweite Kapitel dieser Doktorarbeit ist gemeinsam mit dem ersten Kapitel darauf ausgerichtet, zu zeigen, dass die Frage bezüglich der Grenzen der Rückwirkung der Annahmeurteile seit den allerersten Jahren der Verfassungsrechtsprechung eine nicht nebensächliche Rolle gespielt hat, wie man sehen konnte. Daher die Bedeutung der Behauptung der neuesten deutschen Rechtslehre, die bestätigt, dass die Entscheidungshilfsmittel eines Verfassungsgerichts nicht vollkommen von der fortlaufenden "Konstitutionalisierung" der "neuen Rechte" entbunden sind. Somit scheint es eben diese dynamische Sicht zu sein, die Grundlage der Aufnahme der deutschen Unvereinbarkeitsentscheidungen war (und vor allem heute noch ist) und auch Grundlage einiger neuerer Verkündigungen des Verfassungsgerichts ist, darunter vor allem die Verordnung Nr. 207 von 2018. Wie im Übrigen im dritten Kapitel dieser Doktorarbeit ausgeführt wird, gab es bei der Regelung bezüglich der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung zwei Änderungsversuche innerhalb der deutschen Ordnung, die beide darauf abzielten, die Wirksamkeit der Nichtigkeitserklärung "flexibler" zu machen. Angesichts der obigen Ausführungen ist im Verlauf der Zeit nicht nur - wie schon geschrieben - eine gemeinsame Tendenz der Verfassungsgerichte erkennbar, die insbesondere den Umgang mit der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung prägt, sondern auch ein "konstantes" Bedürfnis, die "starre" Regelung der Rechtswirkungen zu reformieren, die – wenn auch nur zum Teil – eine wichtige Form der Umsetzung im Bundesverfassungsgerichtsgesetz fand. Das zweite Kapitel beginnt im 1. Abschnitt (Eine Stellungnahme: die Furcht vor den "Folgen" der Verfassungswidrigkeitserklärung und die Regelung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit) mit einer Überlegung zur Furcht des Verfassungsgerichts, die Ordnung im Anschluss an die Aufnahme einer Verfassungswidrigkeitserklärung negativ zu beeinflussen; wie in der maßgeblichen Lehre Sajas bestätigt, darf das Verfassungsgericht "das Gewicht" seiner eigenen Entscheidungen nicht übersehen, denn dieses ist voll und ganz in einen sozialwirtschaftlichen Rahmen eingefügt, dessen Dynamik es tatsächlich nicht kennen kann; das Bedürfnis einer größeren "Flexibilität" der dem Verfassungsgericht zur Verfügung stehenden Entscheidungshilfsmittel ist, wie im Übrigen im Verlauf des Abschnitts gezeigt wird, verschiedenen europäischen Erfahrungen gemein. Auch aus diesem Grund legte der Gesetzgeber – was vielleicht nicht überrascht – mit der Zeit verschiedene Gesetzesentwürfe vor, die darauf abzielten, den Aspekt der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile zu ändern. Diese Änderungsvorschläge werden (in der Zeit zurückgehend) im 2. Abschnitt (Die Reformversuche hinsichtlich der Regelung der Verfassungswidrigkeitserklärung) dargelegt: Die Analyse beginnt bei dem Gesetzesentwurf A. S. 1952, der verzeichnet ist unter "Änderungen der Gesetze Nr. 87 vom 11. März 1953 und Nr. 196 vom 31. Dezember 2009 zur Ermittlung und Transparenz in Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit", der nie diskutiert und daher nie aufgenommen wurde. Dieser letzte Änderungsversuch war durch das "Kostenurteil" Nr. 70 von 2015 angeregt worden, das wegen seiner vollständigen Rückwirkung die Wirtschaftsstruktur des Staates besonders belastete und den Gesetzgeber dazu veranlasste, eine Form der Positivierung der zeitlichen "Steuerung" der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung zu erfinden. In Art. 1, lit. c) des Gesetzesentwurfs ist vorgesehen, den Inhalt des dritten Absatzes, Art. 30, ital. Gesetz L. 87 von 1953 zu erweitern und somit neben der Nichtanwendung der als verfassungswidrig erklärten Norm den Einwand der Verfügung durch das Verfassungsgericht einer "anderen Handhabung der Wirksamkeit im Verlauf der Zeit derselben Entscheidung zum Schutz anderer Verfassungsgrundsätze" vorzusehen. Bedeutend scheint dabei der Verweis auf "Verfassungsgrundsätze", die, wenn korrekt und ausführlich beschrieben, nach der Ratio des vorliegenden Gesetzesentwurfs, den Antrag auf Steuerung der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung legitimieren können. Es folgt eine kurze Analyse des Verfassungsgesetzesentwurfs Nr. 22 von 2013, der, wie es schien, eine wesentliche Änderung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile einführen wollte und eine Bevollmächtigung des Gesetzgebers zur effektiven Steuerung der Wirksamkeit der erfolgten Verfassungswidrigkeitserklärung vorsah, denn der Gesetzesentwurf verwendete den Begriff "Abschaffung" für das Phänomen des aufhebenden Eingriffs des Verfassungsgerichts. Was vermutlich an diesem Änderungsentwurf am meisten interessiert, ist die Voraussicht der Spaltung zwischen dem Zeitpunkt der Feststellung und dem der "verfassungsgebenden" Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung: Man beachte in diesem Sinne Art. 1 der Gesetzesvorlage, laut der "[…] die Regierung […] die Initiative ergreift, den Kammern ein Aufhebungsgesetz oder eine Änderung des als verfassungswidrig erklärten Gesetzes vorzulegen; diese Initiative kann direkt von den Versammlungen ergriffen werden, […] sofern der Gesetzesentwurf nicht innerhalb der Frist der folgenden sechs Monate bzw. neun Monate bei Verfassungsgesetzen verabschiedet wird; dieselben Versammlungen erklären die Wirksamkeit des als verfassungswidrig erklärten Gesetzes als erloschen". Schließlich ist der am 30. Juni 1997 verabschiedete Entwurf zu beachten, in dem vorgesehen war, dass "wenn das Gericht die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift oder einer gesetzeskräftigen Maßnahme erklärt, die Wirksamkeit dieser Norm am Folgetag der Veröffentlichung der Entscheidung endet, außer dem Gericht bestimmt eine andere Frist, in jedem Fall nicht über einem Jahr ab Veröffentlichung der Entscheidung". Der besagte Entwurf ähnelt der österreichischen Praxis sehr, wo der Verfassungsgerichtshof über einen bestimmten Ermessensspielraum in Hinsicht auf die Möglichkeit verfügt, den Stichtag zeitlich zu verschieben, wie es zum Teil auch in der Praxis des Bundesverfassungsgerichts geschieht. Im 3. Abschnitt (Ein Verfassungsgericht, das handelt und die "traditionellen Einschränkungen" des Verfassungsrechts über die Verwaltung der Verfahrensregeln des Verfassungsprozesses hinaus überwindet) wird das Thema der Überwindung der traditionellen Einschränkungen des Verfassungsrechts durch die italienischen Verfassungsgerichte behandelt, insbesondere in Hinsicht auf die Einschränkung des Ermessensspielraums des Gesetzgebers. In diesem Sinne tritt der Beschluss Nr. 207 von 2018 hervor – der es vielleicht ermöglicht, das Thema der zeitlichen Steuerung der Rechtswirkungen wieder mit dem der Beziehung zwischen Verfassungsgericht und Parlament auf dem Gebiet des Strafrechts zu verbinden – mit dem das Verfassungsgericht meinte, mit einer ganz eigenen und besonders "gefestigten" Mahnung einzugreifen; weiter verfolge das Verfassungsgericht, wie der Verfassungsrichter Lattanzi schreibt, in letzter Zeit einen eher interventionistischen und weniger von Selbstbeschränkung geprägten Trend. In diesem Sinn treten einige Verkündigungen im Strafrecht hervor, darunter Urteil Nr. 236 von 2016 (auf das auch in dem erst kürzlich ergangenen Urteil Nr. 242 von 2019 verwiesen wird und das die "Sage" Cappato beendete), Urteil Nr. 222 von 2018, Urteil Nr. 233 von 2018, das allerdings nicht im Strafrecht eingeführte kürzliche Urteil Nr. 20 von 2019, das jedoch für die Rolle, die das Verfassungsgericht in Bezug auf das Legislativorgan einnimmt, von Bedeutung ist. Im 4. Abschnitt (Die Form der Entscheidungstechniken, mit denen das Verfassungsgericht die Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung "Richtung Vergangenheit" verwaltet) wird die "Form" der Entscheidungstechniken, mit denen das Verfassungsgericht die Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung steuert, untersucht: in diesem Sinn tritt das Mittel der Urteile der verschobenen Verfassungswidrigkeit hervor, welche den Urteilen der plötzlichen Verfassungswidrigkeit im weiteren Sinn ähneln, und sich dagegen von den Urteilen der Verfassungswidrigkeit im engeren Sinn, da letztere das Phänomen der Abfolge der Nomen im Verlauf der Zeit betreffen, abheben. Kurz gesagt, im 4. Abschnitt wird versucht – auf theoretischer Ebene – zu zeigen, wie das Verfassungsgericht das Hilfsmittel der eintretenden Verfassungswidrigkeit (in diesem Sinn ist Urteil Nr. 174 von 2015 vollkommen unerheblich) oder der verschobenen Verfassungswidrigkeit unter Ausschluss des Fehlens jeglicher Form der Positivierung des Umgangs mit dem Zeitfaktor hinsichtlich der Wirksamkeit der Annahmeurteile, verwendet. In diesen Fällen kommt dem Verfassungsgericht ein bestimmter Ermessensspielraum in der Bestimmung des Stichtags zu. Im 5. Abschnitt (Die Entscheidungen, die der Handhabung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile in Bezug auf die Vergangenheit zugrunde liegen) dagegen sollen die Gründe erkannt werden, die dem Bedürfnis, die Rechtswirkungen der Urteile im Verlauf der Zeit zu steuern, zugrunde liegen. Erstens tritt die Notwendigkeit hervor, den Grundsatz der Rechtskontinuität ganz allgemein zu schützen, der als ein zu schützender Grundsatz definiert wurde und tatsächlich zu den von der Verfassung abgesicherten Grundsätzen, Interessen und Rechtssituationen gehört, zweitens tritt das Bedürfnis hervor, schwere Schädigungen des öffentlichen Haushalts oder neue und höhere finanzielle Ausgaben für den Staat und die öffentlichen Einrichtungen zu verhindern. Dieser Grundsatz wurde, wie zu unterstreichen ist, als ein allgemeiner verfassungsrechtlicher Wert definiert. Nach einem ersten theoretischen Teil wird im zweiten Kapitel versucht, die zeitlich handhabende Praxis des Verfassungsgerichts zu untersuchen. Ende der achtziger Jahre führte das Verfassungsgericht die allerersten zeitlich handhabenden Urteile ein (Abschnitte 5.1 und 5.2) und begann mit den Urteilen Nr. 266 von 1988, 501 von 1988 und 50 von 1989 die zeitlichen Rechtswirkungen der Annahmeurteile zu regulieren; später verwaltete das Verfassungsgericht den Zeitfaktor der Rechtswirkungen der eigenen Entscheidungen weiter und beträchtlich, ohne allerdings jemals ausdrücklich zu erklären, in die Steuerung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile einzugreifen (eingreifen zu wollen). Zur Sparte der ersten zeitlich handhabenden Urteile gehört auch das Urteil Nr. 1 von 1991, das hinsichtlich der finanziellen Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung (wie auch bezüglich der vom Verfassungsgericht vor der Einführung desselben durchgeführten Ermittlung) von besonderer Bedeutung ist. Wenig später führte das Verfassungsgericht das Urteil Nr. 124 von 1991 ein (über dessen Wesen die Rechtslehre diskutiert, da sie teilweise der Meinung ist, es handele sich um ein Urteil zur plötzlichen Verfassungswidrigkeit im engeren Sinn), bei dem man ein weiteres Mal der Steuerung der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung beiwohnen konnte. Von Bedeutung ist auch Urteil Nr. 360 von 1996: bei dieser Gelegenheit erklärte das Verfassungsgericht die (alleinige) Verfassungswidrigkeit der ihm zur Beurteilung vorgelegten Verfügung der Gesetzesverordnung, ohne die Tragweite allgemein auf die wiederholten Verordnungen auszudehnen. In diesem Fall hätte das Verfassungsgericht in seiner Eigenschaft als Hüter der Rechtsordnung befunden, die Annullierung der wiederholten Gesetzesverordnungen angesichts des Grundsatzes der Rechtssicherheit zu "einzusparen". Am Rande der genannten Verkündigungen werden andere Entscheidungen in der Hauptsache untersucht, bei denen das Verfassungsgericht, wenn auch keine wahre zeitliche Handhabung der Rechtswirkungen vornahm, so doch eine erhebliche Furcht vor dem gezeigt hatte, was in der Rechtslehre als horror vacui bezeichnet wird. In Abschnitt 5.2.1 (Fokus: Urteil Nr. 1 von 2014: "ausgleichende" Bedeutung und horror vacui) wird Urteil Nr. 1 von 2014 Gegenstand der Untersuchung, bei dem das Verfassungsgericht zum Thema Wahlsystem eingriff und die Verfassungswidrigkeit des s.g. Porcellum erklärte, d.h des proportionalen WahlgesetzesmitMehrheitsprämieund starren Listen, welche die Wahl derAbgeordnetenkammerund desSenats der Republikin Italien in den Jahren2006,2008und2013 geregelt hatte. Das Verfassungsgericht hatte bei diesem Anlass von der Kategorie der abgeschlossenen Rechtsbeziehungen Gebrauch gemacht, um sich Handlungsspielraum hinsichtlich der zeitlichen Handhabung der Wirksamkeit der eignen Urteile zu verschaffen, nicht ohne die Prozessregeln politisch zu nutzen: Es handelt sich hierbei um einen der Fälle, bei denen das Verfassungsgericht angesichts des Nichtbestehens der Möglichkeit zur Steuerung der Rechtswirkungen der eignen Urteile bestimmt hat, die Regeln des eigenen Verfahrens vollkommen elastisch zu nutzen. Die Elastizität der Interpretation der Kategorie und der Regeln des Verfassungsverfahrens war im untersuchten durch das Bedürfnis, den Grundsatz zum Schutz des Staats und der verfassungsgemäß notwendigen Funktionen beizubehalten, vorgeschrieben. In diesem Sinn ähnelt die Ratio, die der besagte Spruch mit sich bringt, zum Teil einem der Anwendungsthemen der Unvereinbarkeitserklärungen, und zwar dem der "Rechtsfolgen". Nun tritt das Urteil Nr. 1 2014 in dieser Doktorarbeit hervor, da die Eigentümlichkeit der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung (wie auch der Kategorie der s.g. abgeschlossenen Rechtsbeziehungen) angesichts der verfassungsgemäßen Bedürfnisse "gesteuert " worden wäre. Während in Abschnitt 5.2.2. (Am Rande des Urteils Nr. 1 von 2014) nochmals auf das Thema des s.g. horror vacui hingewiesen wird, so wird im 6. Abschnitt (Das Haushaltsgleichgewicht als Gegenspieler der Rückwirkung von Annahmeurteilen) der Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts als möglicher, im Übrigen nach Inkrafttreten des ital. Gesetzes L. Nr. 1 von 2012, das den Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts einführte, erstarkter Gegenspieler der in den Annahmeurteilen verwurzelten Rückwirkung, untersucht. Kurz gesagt, obwohl Art. 81, dritter Abs, ital. GG ("Jedes Gesetz, das neue oder höhere Ausgaben mit sich bringt, muss für die dafür notwendigen Mittel sorgen") nicht für die Tätigkeiten des Verfassungsorgans gilt, sondern nur für den Gesetzgeber, haben der Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts und somit die streng finanziellen Bedürfnisse das Verfassungsgericht dazu geführt, Entscheidungsmittel zur Steuerung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile einzusetzen (wie auch im Bereich der französischen und der spanischen Verfassungsjustiz), und zwar deshalb, weil das Verfassungsgericht sich – unvermeidlicherweise – in einem durch eingeschränkte wirtschaftliche Ressourcen charakterisierten Umfeld bewegt. Nicht nur hat es in der Verfassungsrechtsprechung verschiedene Verkündigungen gegeben, bei denen die Rückwirkung mit der konkreten Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Wirtschafts- und Finanzstruktur kontrastierte (man beachte, wenn auch unter anderen Gesichtspunkten, die Urteile Nr. 137 von 1986, Nr. 1 von 1991, Nr. 240 von 1994, Nr. 49 von 1995, Nr. 126 von 1995) und nicht nur wurde der letzte Änderungsvorschlag der Regelung der Annahmeurteile im Anschluss an die Aufnahme eines Kostenurteils vorgebracht, sondern vor allem beschloss das Verfassungsgericht mit Urteil Nr. 10 von 2015 zum ersten Mal mit Kenntnis der Sachlage, die Möglichkeit zur zeitlichen Handhabung der Rechtswirkungen der eigenen Urteile zu erklären. In dieser Arbeit wird insbesondere in Abschnitt 6.1 (Fokus: Das Urteil Nr. 10 von 2015: ein unicum in der Geschichte der Verfassungsjustiz) dem Urteil Nr. 10 von 2015 viel Raum gewidmet, da dieses tatsächlich ein unicum in der Geschichte der italienischen Verfassungsjustiz darstellt: Dabei bestimmte das Verfassungsgericht, den Verfassungsprozess nach vollkommen kreativen Regeln zu steuern und setzte das um, was als "Verfassungsgewalt" bezeichnet wurde und das, wie anscheinend behauptet werden kann, auf einer bestehenden starken Korrelation zwischen der Verfassungsjustiz und dem materiellen Verfassungsrecht basiert. In der Tat kann nicht geleugnet werden, dass das Thema der Handhabung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung im Verlauf der Zeit ein Thema des materiellen Verfassungsrechts ist, welches bedeutende Anregungen für eine Überlegung zur Beziehung zwischen dem Verfassungsgericht und seinem Verfahren bietet. Weiter zwingt die Überbeanspruchung des Mechanismus, auf den sich die Inzidentalität des Systems gründet, dazu, über die Bedeutung nachzudenken, welche die Abwägung der Interessen, die einen verfassungsmäßigen Schutz verdienen, erwirbt. Vor allem scheint sich das Thema der Identifizierung jener Interessen zu stellen, die einen derartigen verfassungsmäßigen Schutz verdienen, dass sie vielleicht eine Ausnahme von der Regelung zur Steuerung der Wirksamkeit der Annahmeurteile rechtfertigen. Nun meinte das Verfassungsgericht mit Urteil Nr. 10 von 2015 die Rückwirkung mit dem Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts aufwiegen zu können und somit Art. 81 ital. GG im Sinne eines "Übergrundsatzes" einzuordnen. Das materielle Recht, der Schutz der Verfassungsgrundsätze und -werte kollidierte also mit der Garantie der Jura und somit der Anrechte der Einzelnen. Der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Verteidigung waren somit Gegenstand einer Abwägung mit Art. 81 ital. GG: Das Ergebnis war der Sieg des letzteren, da das Verfassungsgericht befand, dem besagten Urteil eine bloße ex nunc-Wirkung zu verleihen. Mit dem besagten Urteil erklärte das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der s.g. Robin Hood tax, einer 2008 eingeführte der Erdölbranche auferlegte Steuer. Das Verfassungsgericht bestätigte äußerst vielsagend – nach einer vollkommen innovativen Logik – Folgendes: "Bei der Verkündigung der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Verfügungen kann dieses Verfassungsgericht den Einfluss, den eine solche Verkündigung auf andere Verfassungsgrundsätze ausübt, nicht unbeachtet lassen, um die eventuelle Notwendigkeit einer Abstufung der zeitlichen Rechtswirkungen der eigenen Entscheidungen über die anhängigen Beziehungen zu beurteilen. Die diesem Gerichtshof übertragene Rolle als Hüter der Verfassung in ihrer Gesamtheit erfordert es, zu verhindern, dass die Verfassungswidrigkeitserklärung einer gesetzlichen Verordnung paradoxerweise "mit der Verfassung noch weniger vereinbare Rechtswirkungen bestimmt" (Urteil Nr. 13 von 2004) als die, welche zur Zensierung der Gesetzesordnung geführt haben. Um dies zu verhindern, muss der Gerichtshof seine eigenen Entscheidungen auch unter dem zeitlichen Aspekt modulieren, sodass die Behauptung eines Verfassungsgrundsatzes nicht die Opferung eines anderen zur Folge hat. Dieser Gerichtshof klärte mit den (Urteilen Nr. 49 von 1970,Nr. 58 von 1967undNr. 127 von 1966) dass die Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitsverkündigungen ein allgemeines Prinzip ist (und sein muss), das in den Urteilen vor diesem Gerichtshof gilt; dieses ist jedoch nicht uneingeschränkt. Zunächst ist unbestreitbar, dass die Wirksamkeit der Annahmeurteile nicht in soweit rückwirkend ist, dass sie "in jedem Fall rechtskräftig gewordene Rechtslagen" d.h. "abgeschlossene Rechtsbeziehungen" umkehrt. Andernfalls wäre die Sicherheit der Rechtsverhältnisse beeinträchtigt (Urteile Nr. 49 von 1970,Nr. 26 von 1969,Nr. 58 von 1967undNr. 127 von 1966). Der Grundsatz der Rückwirkung "gilt […] nur für noch anhängige Verhältnisse, mit daraus folgendem Ausschluss der abgeschlossenen, die weiter durch das als verfassungswidrig erklärte Gesetz geregelt bleiben" (Urteil Nr. 139 von 1984, zuletzt wieder aufgenommen imUrteil Nr. 1 von 2014). In diesen Fällen gehört die konkrete Erkennung der Einschränkung der Rückwirkung, die von der besonderen Regelung der Abteilung abhängt – zum Beispiel bezüglich der Ablauf-, Verjährungs- oder Unanfechtbarkeitsfristen von Verwaltungsmaßnahmen – die jede weitere Rechtsmaßnahme oder -behelf ausschließt, in den Bereich der ordentlichen Auslegung, für den die gewöhnlichen Gerichte zuständig sind (ex plurimis bestätigter Grundsatz durchUrteile Nr. 58 von 1967undNr. 49 von 1970)". Das Verfassungsgericht behauptet weiter, um sein praeter legem-Vorgehen zu rechtfertigen: "der Vergleich mit anderen europäischen Verfassungsgerichten, wie beispielsweise dem österreichischen, dem deutschen, dem spanischen und dem portugiesischen zeigt im Übrigen, dass das Einschränken der Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitsentscheidungen auch in zwischenrangigen Verfahren eine verbreitete Vorgehensweise darstellt, unabhängig davon, ob die Verfassung oder der Gesetzgeber dem Verfassungsgericht diese Befugnisse ausdrücklich übertragen haben". Somit verließ das Verfassungsgericht bei dieser Verkündigung den Weg der "getarnten" Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit, um das Thema des Interventionismus zur Steuerung der Wirksamkeit der eigenen Verkündigungen im Verlauf der Zeit ausdrücklich in Angriff zu nehmen. In Abschnitt 6.2 (Die Rebellion des vorlegenden Gerichts gegenüber des mit Rückwirkungsklausel ausgezeichneten Aufschubs der Rückwirkung) wird versucht, über die von den vorlegenden Gerichten an den Tag gelegte Rebellion gegenüber dem Aufschub der Rechtswirkungen durch die Verkündigung Nr. 10 von 2015 nachgedacht: Der Kurzschluss Verfassungsgericht – Richter läuft Gefahr, mit der Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit beinahe ein unicum zu werden, sollte letztere nicht Gegenstand einer Positivierung durch den Gesetzgeber werden. Wie durch die maßgebliche Rechtslehre bestätigt, haben im Übrigen "die Richter" das letzte Wort. Wie im dritten Kapitel ausgeführt wird, übernehmen in diesem Sinn die Richter auch im deutschen System eine Hauptrolle in Bezug auf die Flexibilisierung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile, nicht nur hinsichtlich der "Folgen" der Unvereinbarkeitssprüche, sondern auch in dem Fall, wo der Gesetzgeber nicht innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht angegebenen Frist handelt, denn diese, wie durch maßgebliche Rechtslehre bestätigt, werden angerufen, um verfassungsmäßig zu entscheiden. In Abschnitt 6.3 (Ein inkohärentes Verfassungsgericht? Der "Einzelfall" des Urteils Nr. 10 von 2015 und die anschließende Rechtsprechung) werden die beiden, im Anschluss an das Urteil Nr. 10 von 2015 eingeführten Kostenurteile untersucht: das Urteil Nr. 70 von 2015 und das Urteil Nr. 178 von 2015. Bei erstgenanntem erklärte das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit derital. Gesetzesverordnung Nr. 201 vom 6. Dezember 2011 (Eilverfügungen zum Zuwachs, zur Angemessenheit und zur Konsolidierung der Staatsfinanzen), das mit Änderungen durch Art. 1, 1. Abs. ital. Gesetz Nr. 214 vom 22. Dezember 2011 umgewandelt wurde, ohne jegliche zeitliche Modulation der Rechtswirkungen vorzunehmen. Aus diesem Grund stufte die Rechtslehre die besagte Verkündigung als ein "überraschendes" Urteil ein, in Anbetracht der Tatsache, dass die aus den Einwirkungen auf die wirtschaftlich-finanzielle Basis entstehenden Kosten entschieden höher waren als die, welche aus der Aufnahme des Urteils Nr. 10 von 2015 entstanden wären, hätte man dieses ganz einfach mit Rückwirkung ausgestattet. Andererseits, während der Gerichtshof beim Urteil Nr. 10 von 2015 meinte, eine Ausnahme von der den Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung zugrunde liegenden Regelung zu machen, obwohl die Aufnahme einer "physiologischen" Verfassungswidrigkeitserklärung von sich aus hohe Kosten "nur" in Bezug auf die Erdölbranche und insbesondere in Bezug auf einen bestimmten Unternehmenszweig bewirkt hätte, ist es schwer zu verstehen, warum das Verfassungsgericht im Fall des Urteil Nr. 70, das nicht nur die s.g. Goldpensionen, sondern auch das Rentensystem insgesamt betraf, befand, nicht nach derselben Logik zu verfahren. In diesem Sinn liegt eine Antwort auf diese Entscheidungsinkohärenz vielleicht in der mangelnden Verwendung durch das Verfassungsgericht der Ermittlungsbefugnisse, die weiter unten behandelt werden. Sicher ist, dass das Verfassungsgericht eine vollkommen ungeordnete Steuerung seiner Prozesse an den Tag legte und tatsächlich eine freie und unbefangene Vorgehensweise hinsichtlich der Regeln des verfassungsrechtlichen Prozesses bewies. Die obige Behauptung wird durch die Aufnahme des zum Thema Tarifverhandlungen eingeführten Urteils Nr. 178 von 2015 bewiesen, bei dem das Verfassungsgericht durch Verwendung des Hilfsmittels der plötzlichen Verfassungswidrigkeit erneut die zeitliche Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung steuerte. Das Verfassungsgericht behauptet nämlich: "Erst jetzt offenbarte sich vollkommen, wie strukturpolitisch die Verhandlungsaussetzung war, daher kann die eintretende Verfassungswidrigkeit, deren Rechtswirkungen im Anschluss an die Veröffentlichung dieses Urteils beginnen, als eingetreten angesehen werden. Der unversehens begonnene Mangel an Verfassungsmäßigkeit erklärt sich angesichts der Kritiken, die dem Verfassungsgericht im Anschluss an das "denkwürdige" Urteil Nr. 10 von 2015 entgegengebracht wurden. Darum kommentierte die Rechtslehre die besagte Verkündigung im Sinne eines Falls, bei dem "ein Mangel am selben Tag auftritt und verschwindet, an dem er durch den Richter erklärt wird, welcher gleichzeitig das Fehlen zum Zeitpunkt der Überweisung der Maßnahmen an das Verfassungsgericht feststellt". Im Wesentlichen ist unzweifelhaft, dass das Verfassungsgericht einen Aufschub der Rechtswirkungen seiner eigenen Verkündigung aus plausiblerweise mit den finanziellen Folgen verbundenen Gründen in die Tat umsetzte. Hier soll in jedem Fall hervorgehoben werden, dass, wie in dem der deutschen Praxis gewidmeten Kapitel ausgeführt wird, auch das Bundesverfassungsgericht manchmal, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet zeitlich handhabende und nicht vollkommen mit der grundlegenden Ratio kohärente Verkündigungen einführte. Außerhalb des Rahmens des zwischenrangigen Verfahrens führte das Verfassungsgericht im Bereich des Hauptverfahrens das Urteil Nr. 188 von 2016 ein, bei dem eine vollkommene Rückwirkung der Verkündigung, wieder einmal zum Zweck der maximalen Verminderung der finanziellen Beeinträchtigung durch die rückwirkende Rechtskraft verfügt wurde. Der Fall ergab sich aus einer Klage der Region Friuli Venezia Giulia bezüglich des Haushaltsgesetzes 2013, da die Region mit besonderer Rechtsstellung befand, dass einige Artikel einigen Bestimmungen der besonderen Rechtsstellung der Region, einigen Durchführungsbestimmungen dieser Rechtsstellung und anderen, aus dem System zur Steuerung der Beziehungen zwischen dem Staat und dieser Region ableitbare Grundsätzen auf finanziellem Gebiet widersprachen. Im Wesentlichen kommt das Verfassungsgericht, auch angesichts der Durchführung einer Ermittlung zu dem Schluss der Verfassungswidrigkeit der beurteilten Norm und behauptet im Einzelnen wie folgt: "Der Grundsatz des dynamischen Gleichgewichts, der eng verbunden ist mit dem für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen, finanziellen und vermögensrechtlichen Gleichgewichts im Verlauf der Zeit grundlegenden Prinzip der Haushaltskontinuität, […] kann auch zum Zweck des erweiterten Schutzes der Finanzlage der öffentlichen Hand angewendet werden, indem gestattet wird, die finanziellen Beziehungen bei Abkommen auch in Hinsicht auf die vergangenen Betriebsjahre angemessener umzugestalten" (Urteil r. 155 von 2015).Im Übrigen behauptete dieser Gerichtshof, wenn man einen anderen auf steuerrechtlichem Gebiet zwischenrangig eingeleiteten Fall untersucht, dass der Gesetzgeber rechtzeitig eingreifen muss, "um die verfassungsmäßige Auflage des Haushaltsgleichgewichts auch in dynamischer Hinsicht zu erfüllen (Urteile Nr. 40 von 2014,Nr. 266 von 2013,Nr. 250 von 2013,Nr. 213 von 2008,Nr. 384 von 1991eNr. 1 von 1966), […] dies eventuell auch, indem die erkannten Mängel der untersuchten Steuerregelung behoben werden" (Urteil Nr. 10 von 2015). Schließlich kann das Urteil Nr. 27 von 2018, ebenfalls auf wirtschaftlichem Gebiet interessieren. Im 7. Abschnitt (Eine Betrachtung über die Handhabung der Wirkungen: die Untersuchungsbefungnisse des Verfassungsgerichts) wird das Thema der Ermittlungsbefugnisse des Verfassungsgerichts untersucht, insbesondere in Bezug auf die Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit, ausgehend von der Voraussetzung, dass die Annahmeurteile tatsächlich "systemische" Rechtswirkungen erzeugen: daher erscheint es im höchsten Maße relevant, dass das Verfassungsrechtsorgan in Hinsicht auf die eventuell durch seine Urteile erzeugten Einwirkungen auf die Ordnung bewusste Entscheidungen aufnehmen kann. Der kritische Punkt ist, dass das Verfassungsgericht selten von seinen Ermittlungsbefugnissen Gebrauch macht (obwohl die vom Verfassungsgericht tatsächlich verwendbaren Hilfsmittel in den ergänzenden Normen besonders detailliert erläutert werden), was sich nicht nur, wie oben beschrieben in wirtschaftlich-finanzieller Hinsicht auswirkt, sondern auch auf dem Gebiet der Wissenschaft (vgl. Urteile Nr. 162 von 2014, Nr. 96 von 2015 und Nr. 84 von 2016). Ab dem 8. Abschnitt (Die Verschiebung des Stichtags: die Gründe, die der zeitlich Richtung Zukunft handhabenden Verfahrensweise zugrunde liegen) ist das zweite Kapitel der Arbeit den ein Prinzip ergänzenden Urteilen, den Urteilen zur ermittelten aber nicht erklärten Verfassungswidrigkeit und den mahnenden Urteilen gewidmet. Im Allgemeineren ist dieser Abschnitt den Gründen gewidmet, die der zeitlich handhabenden Vorgehensweise, bei denen der zukünftige Zeitabschnitt hervortritt, zugrunde liegen: Es handelt sich um die Fälle, in denen das Verfassungsgericht nicht festlegt (oder nicht nur festlegt), die Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung bzgl. der Vergangenheit einzuschränken, sondern (auch) entscheidet, einen Anschluss zum Gesetzgeber zu suchen, indem der Stichtag aufgeschoben wird. Weiter im Einzelnen nutzt das Verfassungsgericht einige Entscheidungsstrategien, um der Bildung der s. g. Gesetzeslücken vorzubeugen, die an sich der Kontinuität der staatlichen Funktionen wie auch der Stabilität der Rechtsverhältnisse, der positiven Tendenz der Finanzlage der öffentlichen Hand wie auch der öffentlichen Verwaltung schaden. Die Gründe, auf denen die besagte zeitlich handhabende Vorgehensweise aufbaut, sind ein weiteres Mal denen sehr ähnlich, die den Unvereinbarkeitserklärungen zugrunde liegen: die Gefahr, dass sich im Fall der Einführung eines die Verfassungswidrigkeit einer Norm ganz einfach erklärenden Urteils ein "Chaos" innerhalb der Rechtsordnung bildet. Im 9. Abschnitt (Die Mittel zur Vorverlegung des Stichtags: Die Urteile zur ermittelten aber nicht erklärten Verfassungswidrigkeit) werden die Hauptmerkmale der ermittelten ab nicht erklärten Verfassungswidrigkeit dargelegt ("sentenze di incostituzionalità accertata ma non dichiarata") die den Entscheidungen der Unvereinbarkeitserklärungen erheblich ähneln, denn in beiden Fällen besteht der Mangel der Verfassungsmäßigkeit und der Gerichtshof mahnt gleichzeitig den Gesetzgeber zur (mehr oder weniger unverzüglichen) Handlung, um die Beseitigung der Verfassungswidrigkeit, die das Rechtssystem insgesamt gefährdet, zu beschleunigen. Der grundlegende Unterschied besteht in der Tatsache, dass im Fall der Unvereinbarkeitserklärungen, die Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht nur ermittelt, sondern auch erklärt wird und dies eben in Form der Unvereinbarkeitserklärung (und also nicht der Verfassungswidrigkeitserklärung). In Abschnitt 9.1 (Die Aufschiebung des Stichtags: die ein Prinzip ergänzenden Urteile) werden die ein Prinzip ergänzenden Urteile ("sentenze additive di principio") ebenfalls in ihren Hauptmerkmalen zum Gegenstand der Untersuchung; diese gehören, wie von der neuesten Rechtslehre bestätigt zu einem ungeschriebenen, der Rechtsprechung entspringenden Prozessrecht, auf das erst kürzlich vom Gerichtshof zum Thema der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärungen auch mit Bezugnahme auf ausdrücklich komparatistische Bezüge verwiesen wurde. Mittels dieser Art der Entscheidung erklärt das Verfassungsgericht zwar die Verfassungswidrigkeit einer Norm für den Teil, in welchem diese keine bestimmte Voraussicht oder Regelung enthält, stellt jedoch gleichzeitig einen Grundsatz auf, der prinzipiell vom Gesetzgeber ausgeführt werden muss (welcher je nach Fall mehr oder weniger Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieses Grundsatzes haben kann). Wie man sieht, ähnelt das besagte Entscheidungshilfsmittel in seiner Art den Unvereinbarkeitserklärungen, da diese eine synergetische Form der Zusammenarbeit zwischen den Organen Verfassungsgericht, Gesetzgeber und Richter mit sich bringen. Doch nicht nur das: Der Gesetzgeber wird außerdem dazu aufgerufen, die Wiederherstellung der verletzten Verfassungslegalität zu optimieren, so wie mit Bezug auf die zeitlich handhabende deutsche Praxis, denn das, was die Unvereinbarkeitserklärung auszeichnet, ist die Reformpflicht, die s.g. Nachbesserungspflicht. Im Fall einer legislativen Untätigkeit im Anschluss an die Aufnahme eines ein Prinzip ergänzenden Urteils muss die "juristische Ebene" aktiviert werden: in Wirklichkeit ist vor dem Eingriff des Legislativorgans immer eine gewisse Zusammenarbeit zwischen den Richtern und dem Verfassungsgericht notwendig: in diesem Sinne haben die ein Prinzip ergänzenden Urteile eine weitere Ähnlichkeit mit den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen. Den Urteilen der "reinen" Unvereinbarkeit ebenfalls sehr ähnlich sind die mit einer allgemeinen Beschlussformel ausgestatteten, ein Prinzip ergänzenden Urteile ("sentenze additive di principio dotate di un dispositivo generico"): in diesem Fall im Anschluss an die erfolgte Verfassungswidrigkeitserklärung, wenn es dem Gericht schwerfällt, im Anschluss an eine wissenschaftliche Auslegung des vom selben Verfassungsgericht erkannten Grundsatzes eine anzuwendende Norm zu bestimmen. Nach diesen Erläuterungen darf das Urteil Nr. 243 von 1993, das in dieser Doktorarbeit ausgiebig behandelt wird, nicht unberücksichtigt bleiben. Mit diesem Urteil erklärte das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit eines bestimmten Mechanismus, der vom Gesetzgeber im Rentensystems erkannt wurde, ohne jedoch mit der Aufnahme eines Verfassungswidrigkeitsurteils mit ex tunc-Wirkung fortzufahren. Die mit der Aufnahme eines Urteils der ganz einfachen Annahme verbundenen Folgen wären nämlich für die Staatskassen übermäßig belastend gewesen. Die Rechtswirkungen einer derartigen Verkündigung, die daher von der Rechtslehre akkurat als ein einen Mechanismus ergänzendes Urteil definiert wird, erwiesen sich als denen der deutschen Unvereinbarkeitsurteile vollkommen ähnlich, insbesondere in Bezug auf die Beziehung zum Gesetzgeber: Letzterer wird nicht nur dazu angerufen, zu handeln, um den festgestellten Legitimitätsmangel zu beseitigen, sondern wird auch aufgefordert, innerhalb einer präzisen Frist einzugreifen; die Festsetzung einer Frist ist nämlich einer der Aspekte, der die zeitlich handhabende Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen am stärksten auszeichnen. Ebenfalls von Bedeutung ist das Urteil Nr. 170 von 2014, das eben durch den allgemeinen Grundsatz ein Paradox innerhalb der Rechtsordnung erzeugte: Es wurde eine homosexuelle Ehe vorgesehen, obwohl die homosexuelle Ehe in Italien noch nicht legalisiert ist (man beachte im Übrigen, dass dasselbe Verfassungsgericht "BVerfG 1. Senat Beschluss vom 27. Mai 2008, 1 BvL 10/05" zitiert). Der Fall ergab sich aus einem von einem Ehepaar (bei dem eine Person, ihr Geschlecht verändert hatte) eingeleiteten Verfahren, um die Löschung der Eintragung "Beendigung der Rechtswirkungen des amtlichen Ehebundes" zu erwirken, die der Standesbeamte zusammen mit der Eintragung im Auftrag des Gerichts zur Berichtigung (von "männlich" in "weiblich") des Geschlechts des Ehemanns unter die Heiratsurkunde gesetzt hatte; das Verfassungsgericht befand, das Fehlen jeglicher Regelung des besagten Paars stelle eine Verletzung der unantastbaren Menschenrechte laut Art 2 ital. GG dar. Dennoch behauptete das Verfassungsgericht: "Die reductio adlegitimitatemdurch eine handhabende Verkündigung, welche die automatische Scheidung durch eine beantragte Scheidung ersetzt, ist nicht möglich, da dies gleichbedeutend mit einer Fortdauer des Ehebundes zwischen Personen desselben Geschlechts, im Widerspruch zu Art. 29 ital. GG wäre. Es wird also Aufgabe des Gesetzgebers sein, eine alternative (und von der Ehe verschiedene) Form einzuführen, die es den Ehepartnern ermöglicht, den Übergang von einem Zustand höchsten rechtlichen Schutzes zu einer auf dieser Ebene absolut unbestimmten Bedingung zu verhindern. Und der Gesetzgeber wird angerufen, diese Aufgabe mit höchster Eile zu erfüllen, um die erkannte Gesetzeswidrigkeit der untersuchten Regelung unter dem Gesichtspunkt des heutigen Rechtsschutzdefizits der betroffenen Personen zu überwinden". Schließlich ist das ein Prinzip ergänzende Urteil Nr. 278 von 2013 zur Anonymität der Mutter und das Recht des Kindes, seine Herkunft zu kennen, um seine Grundrechte zu schützen, von Bedeutung. Abschnitt 9.2 (Der Aufschub des Stichtags: die Appelle und die "Geisterhandhabung ", die diese mit sich bringen) schließlich ist den Mahnungsurteilen gewidmet, die, obwohl sie nicht in die Steuerung der Verfassungswidrigkeitserklärung eingreifen, dennoch einen Ausgleich zwischen Grundsätzen und Werten mit sich bringen, der "typischerweise" die Grundlage der zeitlichen Handhabung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile ist: Der Gesetzgeber wird im Bereich eines Unzulässigkeitsurteils oder eines ablehnenden Urteils aufgefordert, in Bezug auf eine bestimmte Gesetzesordnung zu handeln, um die Legalität wiederherzustellen, von der angenommen wird, dass sie tatsächlich verletzt wurde. In Bezug auf Mahnungen ist Abschnitt 9.3 (In Bezug auf gefestigte Appelle: die Beziehung zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber angesichts des Beschlusses Nr. 207 von 2018) vollständig dem Fall Cappato gewidmet, einem wichtigen und bedeutenden juristischen Fall, der es gestattet, die Wechselbeziehungen zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber unter einer besonderen Lupe (auf dem Gebiet des Strafrechts) zu untersuchen. Zunächst scheint es relevant, die Sachlage zu erläutern: Der allgemein als DJ Fabo bekannte Fabiano Antoniani, der durch die Folgen eines Autounfalls 2014 querschnittsgelähmt und blind geworden war, bat Marco Cappato im Januar 2017, ihm zu helfen, die Schweiz zu erreichen, wo er die Euthanasie durch den sogenannten unterstützten Suizid beantragt hatte und am 27. Februar 2017 erhielt. Marco Cappato, dem bekannt war, dass auch die alleinige Hilfe bei der Beförderung in die Schweiz des Kranken, der darum bittet, nach italienischem Recht verboten ist, verklagte sich selbst bei seiner Rückkehr nach Italien. Gegen Marco Cappato wurde ein Verfahren eingeleitet, das später der Ausführung der Straftat nach gemäß Art. 580 ital. StGb als "Verleitung oder Hilfe zum Selbstmord" rubriziert wurde, nach dem "jeder, der Andere zum Selbstmord bringt oder sie in ihrem Suizidvorhaben bestärkt bzw. auf jedwede Weise dessen Ausführung erleichtert, wird, sofern der Selbstmord erfolgt mit fünf bis zwölf Jahren Haft bestraft". Die Prozessverhandlungen fanden am 8. November 2017, am 4. Und 13. Dezember 2017, am 17. Januar 2018 und am 14. Februar 2018 mit Verlesung des Beschlusses durch den Vorsitzenden des Geschworenengerichts Mailand statt, das die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Norm an das Verfassungsgericht verwies. Das Mailänder Gericht hatte zwei verfassungsrechtliche Legitimitätsfragen aufgeworfen: a) "dort, wo das Verhalten zur Hilfe zum Selbstmord statt des Verhaltens zur Verleitung zu Last gelegt wird und somit abgesehen von seinem Beitrag zur Entscheidung oder Bestärkung des Suizidvorhabens" wegen angenommenen Widerspruchs zu den Artikeln 2, 13, erster Absatz und 117 des ital. GG zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK, das in Rom, am 4. November 1950 unterzeichnet, ratifiziert und durch Gesetz Nr. 848 vom 4. August 1955 vollstreckbar wurde); b) "dort, wo das Verhalten der Erleichterung in der Ausführung des Selbstmords vorgesehen ist, das nicht auf den Weg der Entscheidungsfindung des Suizid-Anwärters einwirkt, mit einer Haftstrafe von 5 bis 10 [recte: 12] Jahren, ohne Unterschied zum Verhalten der Verleitung bestraft werden kann", wegen angenommenen Widerspruchs zu den Artikeln 3, 13, 25, zweiter Absatz, und 27, dritter Absatz, ital. GG. Das Verfassungsgericht bestätigte bei der Aufnahme des Beschlusses Nr. 207 von 2018 die Nicht-Unvereinbarkeit der Beschuldigung der Hilfe zum Selbstmord mit dem Grundgesetz; dennoch befand das Verfassungsgericht, spezifische Fälle zu erkennen, in denen das besagte Verbot fallen müsse. Es handele sich um völlig außergewöhnliche Situationen, und zwar solche, in denen die unterstützte Person sich selbst wie folgt identifiziere: (a) als an einer unheilbaren Krankheit leidend, die (b) körperliches und psychisches Leiden mit sich bringt, die von der Person als absolut nicht auszuhalten betrachtet werden, welche (c) durch lebenserhaltende Maßnahmen am Leben gehalten wird, aber (d) in der Lage ist, Entscheidungen frei und bewusst zu treffen. In allen anderen Fällen könnte sich der Sterbewille dank Anwendung des ital. Gesetz L. Nr. 219 von 2017 erfüllen, das als Normen zur aufgeklärten Einwilligung und Patientenverfügung) rubriziert ist und durch die Voraussichten des ital. Gesetzes Nr. 38 vom 15. März (Bestimmungen zur Gewährleistung des Zugangs zu Palliativpflege und Schmerztherapie) ergänzt wurde. Anschließend bestätigt das Verfassungsgericht bedeutungsvoll: "Dieses Gericht befindet im Übrigen, zumindest zu diesem Zeitpunkt, keine Abhilfe schaffen zu können gegen die erkannte Rechtsverletzung hinsichtlich der oben aufgeführten Grundsätze durch die bloße Ausweisung aus dem Anwendungsbereich der Strafverfügung jener Fälle, in denen die Hilfe gegenüber Personen geleistet wird, die sich in den gerade beschriebenen Zuständen befinden", denn "eine solche Lösung würde an sich die Leistung materieller Hilfe gegenüber von Patienten in diesen Zuständen, in einem ethisch-gesellschaftlich höchst empfindlichen Bereich, in welchem jeder mögliche Missbrauch mit Bestimmtheit auszuschließen ist, vollkommen ungeschützt lassen". Die besagte Regelung müsste anfangs dem Parlament anvertraut werden, da die normale Aufgabe dieses Gerichtshofs die Überprüfung der Vereinbarkeit der vom Gesetzgeber in Ausübung seines politischen Ermessensspielraums bereits vorgenommenen Entscheidungen mit den durch die Notwendigkeit der Beachtung der verfassungsrechtlichen Grundsätze und der Grundrechte der betroffenen Personen vorgeschriebenen Einschränkungen ist. Das Verfassungsgericht bestimmt also, "seine eigenen Befugnisse zur Steuerung des Verfassungsprozesses" zu nutzen und die nicht mit dem Grundgesetz übereinstimmende Vorschrift beizubehalten, ohne jedoch deren Anwendung durch die Richter zu verfügen, in Anbetracht der Tatsache, dass die Wirksamkeit der zensierten Regelung im vorliegenden Fall angesichts "dessen besonderer Eigenschaften und wegen der Bedeutung der damit verbundenen Werte" nicht als erlaubt gelten könnte. Wie man bemerken kann, scheint die Ratio der Unvereinbarkeitserklärung in diesem Fall tatsächlich die Rolle des "steinernen Gastes" übernommen zu haben. Der Gerichtshof bestätigt somit: "Um zu verhindern, dass die Vorschrift in dem hier angefochtenen Teil in der Zwischenzeit angewendet werden kann, wobei dem Parlament dennoch die Möglichkeit gegeben ist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, die grundsätzlich in seinem Ermessensspielraum bleiben – die Notwendigkeit, den Schutz der Patienten in den mit dieser Verkündigung angegebenen Einschränkungen zu gewährleisten, bleibt unangetastet – befindet der Gerichtshof somit auf andere Weise vorsorgen zu müssen, indem er also die Aufschiebung des laufenden Verfahrens verfügt und die Verhandlung zur neuen Diskussion der Verfassungsmäßigkeitsfragen für den 24. September 2019 anberaumt; in den anderen Verfahren dagegen obliegt es den Richtern, zu beurteilen, ob, angesichts der Angaben in dieser Verkündigung ähnliche Fragen zur Verfassungslegitimität der untersuchten Verfügungen als erheblich und nicht offensichtlich unbegründet anzunehmen sind, um die Anwendung derselben Verfügung in dem hier angefochtenen Teil zu vermeiden". Die besagte Verkündigung ist durch die nun sehr bekannte Beschlussformel, charakterisiert, welche die getroffene Erklärung der Verfassungswidrigkeit von Art. 580 ital. StGb nicht enthält. Darin heißt es: "Aus diesen Gründen wird die Behandlung der mit dem im Rubrum angegebenen Beschluss aufgeworfenen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit auf die öffentliche Verhandlung am 24. September 2019 verschoben". Es handelt sich nämlich um einen vorläufigen Beschluss, mit dem das Verfassungsgericht entschied, das Gerichtsverfahren aufzuschieben und die Verfassungswidrigkeit von Art. 580 ital. StGb auf die in derselben Verkündigung beschriebene Weise zu überprüfen. Die deutschen Unvereinbarkeitserklärungen ähneln jedoch in Ratio und Aufbau der besprochenen Verkündigung, denn derselbe Verfassungsrichter Modugno verwies in Bezug auf Beschluss Nr. 207 von 2018 bei der öffentlichen Verhandlung am 24. September 2019 ausdrücklich auf die deutsche Rechtsprechung. In erster Linie tritt die "Anwendungssperre der verfassungswidrigen Norm" hervor; in zweiter Linie tritt die für den Gesetzgeber vorgesehenen Frist und der Verweis auf eine "faire und dialektische institutionelle Zusammenarbeit" hervor; in dritter Linie tritt der weite Ermessensspielraum, den das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber zur verfassungsgemäßen Gestaltung der Regelung gelassen hat, hervor. Wie in der Rechtslehre bestätigt, handele es sich um ein "gefestigter" Appell, ein Urteil zur ermittelten aber nicht erklärten ganz eigenen Verfassungswidrigkeit, eine italienische Unvereinbarkeitserklärung. Außerdem besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass das Gebiet, auf welchem die besagte Verkündigung eingriff, das Strafrecht ist, indem das Ermessen des Gesetzgebers erheblich bedeutend ist. Trotz der Absicht des Verfassungsgerichts handelte der Gesetzgeber nicht innerhalb der vorgesehenen Frist, aus diesem Grund referierte das Verfassungsgericht in der am 25. Oktober 2019 veröffentlichten Pressemeldung, dass "der Gerichtshof in Erwartung eines unerlässlichen Eingriffs des Gesetzgebers die Nicht-Strafbarkeit der Beachtung der Verfahren, die in der Vorschrift zur aufgeklärten Einwilligung, zur Palliativpflege und zur kontinuierlichen tiefen Sedierung (Artikel 1 und 2 des ital. Gesetzes 219/2017) und der Überprüfung sowohl der erforderlichen Bedingungen als auch der Ausführungsverfahren durch eine öffentliche Einrichtung des staatlichen Gesundheitsdienstes nach Anhörung des Bescheids des örtlich zuständigen Ethik-Kommission vorgesehen sind, unterstellt". Vor wenigen Tagen wurde das Urteil Nr. 242 von 2019 hinterlegt, mit dem das Verfassungsgericht die "Sage" Cappato "abschloss": aus zeitlichen Gründen konnte diese Verkündigung, die jedoch in Bezug auf die Beziehung zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber von erheblicher Bedeutung für diese Doktorarbeit ist, nicht untersucht werden. Das Verfassungsgericht entschied somit, die "Verfassungswidrigkeit von Art. 580 des ital. Strafgesetzbuchs dahingehend" zu erklären, "dass die Strafbarkeit dessen nicht ausgeschlossen wird, der mit der in den Artikeln 1 und 2 des ital. Gesetzes Nr. 2019 vom 22. Dezember 2017 (Normen zur aufgeklärten Einwilligung und Patientenverfügung)– d.h. in Bezug auf die Tatbestände vor der Veröffentlichung dieses Urteils im Amtsblatt der Republik mit gleichwertigen Vorgehensweisen wie in der Begründung – vorgesehenen Art und Weise die Ausführung des sich selbständig und frei gebildeten Suzidvorhabens einer durch lebenserhaltende Maßnahmen am Leben gehaltenen Person, die an einer unheilbaren Krankheit leidet, welche körperliche und psychische Leiden mit sich bringt, die von dieser als nicht auszuhalten angesehen werden, welche aber in der Lage ist, Entscheidungen frei und bewusst zu treffen, sofern diese Bedingungen und die Ausführungsverfahren durch eine öffentliche Einrichtung des staatlichen Gesundheitsdienstes überprüft werden nach Anhörung des Bescheids des örtlich zuständigen Ethik-Kommission erleichtert". Der Gesetzgeber, der zum Handeln im Anschluss an die erfolgte Aufschiebung der Rechtswirkungen des Urteils der "ermittelten" Verfassungswidrigkeit laut Beschluss Nr. 207 von 2018 aufgerufen wurde, scheint zusammen mit und vor allem durch seine Untätigkeit im Urteil Nr. 242 von 2019 in den Vordergrund zu treten. Das dritte Kapitel ist vollumfänglich der deutschen Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen gewidmet, deren wichtigste Vorteile und Problempunkte untersucht werden. Im 1. Abschnitt (Die Ratio eines Vergleichs zwischen der "alternativen Tenorierung" des BVerfG und der zeitlich handhabenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichts) wird versucht, die Gründe, auf denen das Interesse für die zeitlich handhabende deutsche Praxis beruht zu erklären. Erstens entspricht, wie weiter unten ausgeführt sowohl in der italienischen Ordnung wie auch in der deutschen die Verfassungswidrigkeit einer Norm faktisch seiner Ungültigkeit. Trotz dieser gemeinsamen Voraussetzung, eben in Hinsicht auf die Notwendigkeit, eine Steuerung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit der Verfassungswidrigerklärung vorzunehmen, sah der deutsche Gesetzgeber eine Änderung des BVerfGG vor, während dagegen, obwohl die Corte costituzionale in einigen Fällen befunden hatte, von der Rückwirkung der Annahmeurteile abzuweichen, das Verfassungssystem, wie im ersten und zweiten Kapitel zu zeigen versucht wurde, noch keine Form der Positivierung der Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit erfahren. Und dies trotz der kürzlichen Einführung von Urteil Nr. 10 von 2015 und Beschluss Nr. 207 von 2018: erstes enthält, wie bereits besprochen, einen ausdrücklichen Verweis auf die deutsche Praxis; zweiter dagegen verweist lediglich implizit auf den Aufbau und die Ratio der deutschen Unvereinbarkeitserklärungen. Die besagten Entscheidungen werden aufgrund ihrer Bedeutung Untersuchungsgegenstand in Abschnitt 1.1. (Die Ratio des Vergleichs: zwei aktuelle Beispiele). In Abschnitt 1.2. (Die Problematik eines Vergleichs zwischen der italienischen und der deutschen Praxis) wird die Problematik bezüglich eines Vergleichs zwischen der italienischen und der deutschen Praxis hervorgehoben. In erster Linie tritt die verschiedene gesetzliche Regelung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigerklärung hervor; in zweiter Linie die ungleichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Verfassungsorganen (zu denen das Verfassungsgericht offensichtlich gehört). In diesem Abschnitt werden diese beiden Aspekte beleuchtet, wobei jedoch nicht zu vergessen ist, dass, wenn auch die Beziehung zwischen BVerfG und dem Gesetzgeber entschieden entspannter ist als in der italienischen Situation, werden in der deutschen Rechtslehre dennoch die Problematiken hervorgehoben, die ein eventuelles Nicht-Erfüllen des Gesetzgebers der Vorgabe des Verfassungsgerichts mit sich bringt; gleichzeitig weisen die Unvereinbarkeitserklärungen Elemente der Unklarheit auf, und zwar in Bezug auf die Möglichkeit, ihre juristischen Folgen sicher kennen zu können, da diese konkret von den Entscheidungen des BVerfG abhängen; aus diesem Grund ist dieser Entscheid zum Teil auch Gegenstand der Kritik durch die deutsche Rechtslehre. Im Übrigen, während in Bezug auf die italienische Praxis die Unvereinbarkeitserklärungen vor allem angesichts der "unvorhersehbaren" Folgen kritisiert werden, kann man gleichzeitig nicht übersehen, dass dieselbe Kritik (und nicht nur diese) in der deutschen Rechtslehre angeführt wird, in der auch einige Problempunkte in Bezug auf die Beziehung zwischen Gesetzgeber und BVerfG mit besonderem Verweis auf die zeitlich handhabende Praxis hervorgehoben werden. In Abschnitt 1.3. (Ziel des Vergleichs mit den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen) wird das Ziel des Vergleichs unterstrichen, das nicht nur in einer Überlegung zur hypothetischen Übertragung dieses Entscheidungstyps in die Sammlung der Entscheidungsmittel des Verfassungsgerichts ist, sondern auch in einer Überlegung zum Thema der "Einschränkung" der Rückwirkung besteht. Die nachfolgenden Abschnitte sind der Untersuchung der Norm gewidmet. Im 2. Abschnitt (Die Nichtigkeitslehre und die Theorie der Vernichtbarkeit) geht es auf rein theoretischer und allgemeiner Ebene um die Grundzüge der Nichtigkeitslehre und der Vernichtbarkeitstheorie. Abschnitt 2.1. ist vollumfänglich der Ipso-iure-Nichtigkeit gewidmet, die das Panorama der deutschen Rechtslehre seit den fünfziger Jahren beherrscht; es werden die juristischen Modelle untersucht, auf denen sie beruht und auf die Verfassungsnormen und das einfache Recht verwiesen, auf das sie aufbaut. Abschnitt 2.2. (Die Theorie der Nichtigkeit im Grundgesetz) ist den Verfassungsnormen gewidmet, welche die Grundlage der Nichtigkeitslehre darzustellen scheinen. Abschnitt 2.3. (Die Nichtigkeit des Verfassungsgesetzes und die Hauptquelle: §78 BVerfGG) ist der Untersuchung von § 78 BVerfGG gewidmet, wo es heißt, "Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, dass Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig". Wie man sieht, bestätigt diese Verfügung die Nichtigkeit der für verfassungswidrige erklärten Norm und steht so im Widerspruch zur "bloßen" Erklärung der Unvereinbarkeit der verfassungswidrigen Norm. Abschnitt 2.4. (Die Gesichtspunkte der Flexibilisierung der Rechtswirkungen der Entscheidung angesichts der Ipso-iure-Nichtigkeit) ist den allerersten Versuchen des BVerfG gewidmet, eine Ausnahme vom Dogma der Nichtigkeit zu machen und sich auf dieser Weise dem zu nähern, was als "Anwendbarkeit des Rechts" definiert wurde. Abschnitt 2.5. ist vollumfänglich der Vernichtbarkeitstheorie des Gesetzes gewidmet; insbesondere werden im Verlauf desselben die theoretischen und gesetzlichen Grundlagen dieser These untersucht, die sich teilweise mit der Notwendigkeit der Überwindung der die Nichtigkeitserklärung charakterisierenden Problempunkten deckt, wobei die Bedeutung, die diese Theorie hinsichtlich der Unvereinbarkeitserklärungen annimmt zu berücksichtigen ist. Der 3. Abschnitt (Die Folgen der Nichtigkeitserklärung, §79 BVerfGG) ist der Untersuchung der Folgen (gegenüber Vergangenheit und Zukunft) der Verfassungswidrigerklärung gewidmet: Diese Analyse entwickelt sich angesichts einiger von einigen Autoren der deutschen Rechtslehre, darunter vor allen Kneser, Gusy und Ipsen vorgebrachten Thesen. Abschnitt 3.1. (Die Vorschläge zur Änderung der Rechtswirkungen der deutschen Nichtigkeitserklärung) ist, fast symmetrisch zum 2. Abschnitt des 2. Kapitels, der Untersuchung zweier bedeutender Versuche zur Änderung der Rechtswirkungen laut § 79, Abs. 1 BVerfGG (BT-Drs. V/3916) und (BT-Drs VI/388) gewidmet, die, obwohl nie verabschiedet zur Verbreitung einer möglichen Rechtfertigung der Theorie der Vernichtbarkeit der verfassungswidrigen Norm beigetragen haben. Nach einem Teil der Rechtslehre war der Grund für die mangelnde Änderung der Rechtswirkungen des Nichtigkeitsurteils laut §79 BVerfGG sehr einfach, denn jede Form der Kodifizierung würde die notwendige Handlungsflexibilität des BVerfG einschränken, welches im Übrigen durch den Gebrauch der Unvereinbarkeitserklärungen immer anwendbare Handlungen gefunden hat. In jedem Fall änderte der Gesetzgeber im Jahr 1970 durch das Vierte Gesetz zur Änderung des BVerfGG den §79 1. Abs. und den § 31 2. Abs., in denen die Möglichkeit vorgesehen ist, dass die verfassungswidrige Norm nicht nur nichtig erklärt wird, sondern auch unvereinbar. Der umfangreiche 4. Abschnitt (Die deutschen Unvereinbarkeitserklärungen) ist den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen gewidmet, die unter mehreren Gesichtspunkten untersucht werden und in diesem Kapitel Hauptgegenstand der Studie sind. In Abschnitt 4.1. (Grundlage und Legitimation der Unvereinbarkeitserklärungen) werden die allgemeinen Gründe untersucht, die das BVerfG dazu führten, trotz der Vorgabe des § 78 BVerfGG einen von der Nichtigkeitserklärung verschiedenen Entscheidungstyp einzuführen. Der zu untersuchende Entscheidungstyp ist mit der Zeit nach einem Teil der Rechtslehre zu einer "Regel" geworden, denn §78 BVerfGG hätte (nach der Lehre Burkiczaks) ein primitives Wesen angenommen. Andererseits weist der Pragmatismus des BVerfG einige bedeutende Schwierigkeiten auf, wie hier hervorzuheben versucht wird: Erstens die der Erkennung einer juristisch-theoretischen Rechtfertigung des besprochenen Entscheidungstyps und zweitens das Problem der Beschreibung der Anwendungstopoi, in Anbetracht der Tatsache, dass die Anwendungskriterien der Unvereinbarkeitserklärungen oft Überlagerungen aufweisen. In Abschnitt 4.2. (§ 79 1. Abs. des BVerfGG und § 31, 2. Abs. BVerfGG: die Revolution des Vierten Gesetzes zur Änderung des BVerfGG) wird das Thema der Revolution des Vierten Gesetzes zur Änderung des BVerfGG in Angriff genommen, das §79 1. Abs. des BVerfGG und § 31 2. Abs. BVerfGG änderte und die Möglichkeit einfügte, die Norm für unvereinbar zu erklären. Während in Abschnitt 4.3. (Der § 31 des BVerfGG) eben § 31 des BVerfGG, untersucht wird, befasst sich Abschnitt 4.4. (Der § 35 des BVerfGG) mit § 35 des BVerfGG, welcher nicht nur die Grundlage der Fortgeltungsanordnung der unvereinbaren Norm, sondern auch die möglichen Formen zu deren Vollstreckung begründet. Gerade wegen der "pragmatischen" Natur der Unvereinbarkeitserklärungen ist es schwierig, die Anwendungstopoi dieses Entscheidungsmittels zu erkennen; nicht ohne Grund wird in der maßgeblichen Rechtslehre auf eine pragmatische, flexible und nicht dogmatische zeitlich handhabende Praxis verwiesen, die im 5. Abschnitt (Das Problem der Erkennung einer Kasuistik der Unvereinbarkeitserklärungen: die pragmatische, flexible und nicht dogmatische Praxis) behandelt wird. Ganz allgemein werden Unvereinbarkeitserklärungen in folgenden Fällen angewendet: a) wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, um den Mangel an Verfassungsmäßigkeit zu beseitigen, für gewöhnlich, wenn der Gleichheitsgrundsatz verletzt wird, da dem Gesetzgeber ein großer Ermessensspielraum zukommt, um die verletzte Legalität wiederherzustellen. In diesem Fall ist es der Schutz der Ermessenssphäre des Gesetzgebers der zur Grundlage der Beurteilung (oder wenn man will der Abwägung) der juristischen Folgen der Verfassungswidrigerklärung wird. Hinsichtlich der Beziehung zum Gesetzgeber wird in der Rechtslehre eine Form der spezifischen Koordinierung zwischen BVerfG und Gesetzgeber bezeichnet, in Anbetracht der Tatsache, dass die Unvereinbarkeitserklärung den Ermessensspielraum des Gesetzgebers in Hinsicht auf den Zeitraum zwischen der Erklärung der Unvereinbarkeit und der Einführung der neuen Gesetzesverordnung schützt. b) wenn ein Übergang von der verfassungswidrigen Lage zur verfassungsmäßigen Situation im Gemeininteresse notwendig ist. Im Wesentlichen erhält dieser Anwendungsbereich in dem Fall Bedeutung, wo die Aufnahme einer Verfassungswidrigerklärung die Verfassungswidrigkeit innerhalb der Rechtsordnung noch verschlimmern würde. In diesem Sinne tritt die "Chaos-Theorie" hervor, die im Übrigen an die Verletzung der Artt. 33. 1. Abs., 2. Abs., 3. Abs. und 21 1. Abs. GG anknüpft. Während man die Einwendung der möglichen Unbestimmtheit der s.g. Anwendungstopoi der Unvereinbarkeitserklärungen eben wegen des Fehlens einer umfassenden Gesetzesgrundlage, die in Abschnitt 5.1. (Gibt es einen Numerus clausus der Anwendungsfälle der Unvereinbarkeitserklärungen?) angesprochen wird, im Hinterkopf behält, wird im 6. Abschnitt (Die Unterkategorien der Unvereinbarkeitserklärungen) auf die notwendige Unterscheidung zwischen den Unvereinbarkeitsentscheidungen und den s.g. Appellentscheidungen hingewiesen, um dann im Verlauf von Abschnitt 6.1. (Das "reine" Unvereinbarkeitserklärung) zur Untersuchung der Hauptmerkmale der reinen (oder schlichten) Unvereinbarkeitserklärung überzugehen, die sich vor allem durch eine Reformpflicht (mit dem Ziel der Garantie der freien Ausübung durch den Gesetzgeber seines Werks zur Beseitigung des vom BVerfG entschiedenen Legitimitätsmangels) und durch die s.g. Anwendungssperre des für verfassungswidrig erklärten Gesetzes charakterisiert, wie im Übrigen in der allerersten Unvereinbarkeitsentscheidungen, BVerfGE 28, 227 (Steuerprivilegierung Landwirte) vorgesehen war. Abschnitt 6.2. (Die Unvereinbarkeitserklärung und die s.g. weitere Anwendbarkeit des für unvereinbar erklärten Gesetzes) ist der Untersuchung des Aufbaus der vom BVerfG verfügten Anordnung der Anwendung des für unvereinbar erklärten Gesetzes: wie in diesem Abschnitt gezeigt wird, betrachtet die Rechtslehre das Mittel der Fortgeltungsanordnung als eine Art "Ebene" des "reinen" Unvereinbarkeitsurteils; gleichzeitig wird deren so verschiedenartiger Aufbau untersucht. In diesem Sinn wird auf die vorläufige Weitergeltungsanordnung und die endgültige Weitergeltungsanordnung verwiesen. Die Fortgeltungsanordnung wird auch in Abschnitt 6.2.1. untersucht, wo die gesetzliche Grundlage der Fortgeltungsanordnung zum Analyseobjekt wird; gleichzeitig erfolgt eine Überlegung zur Möglichkeit, die Voraussicht der zeitlich beschränkten Anwendung des für unvereinbar erklärten Gesetzes mit der Normenhierarchie zu vereinen. Die Lösung scheint in dem vom BVerfG verspürten Bedürfnis, die verfassungsfernere Lösung auszuschließen zu liegen. In Abschnitt 6.2.2. (Die in der Motivation der Unvereinbarkeitserklärungen liegende Schwierigkeit, vor allem in Bezug auf die mit Fortgeltungsanordnung verbundenen Erklärungen) wird der Problempunkt der schwierigen Erkennung der Folgen, die sich aus den Unvereinbarkeitsurteilen ergeben können, behandelt, und insbesondere im Fall der mit Anordnung der s.g. weiteren Anwendbarkeit, verbundenen Entscheidungen, in Anbetracht der Tatsache, dass das BVerfG die Folgen der Unvereinbarkeitsentscheidungen offen lässt. In Abschnitt 6.3. (Die mit einer Übergangsregelung verbundenen Unvereinbarkeitserklärungen) werden dagegen die mit einer vom selben BVerfG bestimmten Übergangsregelung verbundenen Unvereinbarkeitsentscheidungen analysiert. Die besagten Übergangsregelungen bestehen auch unabhängig von der Anwendung der Unvereinbarkeitserklärungen, denn diese können an Nichtigkeitserklärungen gebunden sein: Man denke beispielsweise an die Entscheidungen BVerfGE 1, 39 – Schwangerschaftsabbruch 1 und BVerfGE 88, 203 – Schwangerschaftsabbruch II. Wie weiter unten gezeigt, übernehmen die Übergangsregelungen, wenn sie in Begleitung der Unvereinbarkeitserklärungen beschlossen werden, die Rolle der "Entscheidungsgrundlage", und zwar deshalb, weil die Übergangsregelung keinen unabhängigen Entscheidungstyp darstellt. Der 7. Abschnitt (Die Anwendungsgebiete der Unvereinbarkeitserklärungen) besteht aus mehreren Unterabschnitten und beschäftigt sich mit Überlegungen zu den Anwendungsgebieten der deutschen Unvereinbarkeitserklärungen, die vor allem in Bezug auf die italienische Praxis von besonderem Interesse sind. Wie weiter unten gezeigt, basieren die Unvereinbarkeitserklärungen auf denselben Gründen wie die vom Verfassungsgericht entwickelte umfangreiche Sammlung an Entscheidungsmitteln, d.h. zum Beispiel die Urteile mit verschobener Verfassungswidrigkeit, die ein Prinzip ergänzenden Urteile und die Urteile zur ermittelten aber nicht erklärten Verfassungswidrigkeit. Erstens ist der Anwendungstopos der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, zu berücksichtigen, der in Abschnitt 7.1. (Die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und der Schutz des Ermessensspielraums des Gesetzgebers) ausgehend von der ersten "offensichtlichen" Entscheidung mit Verzicht auf die Anwendung der Nichtigkeitserklärung BVerfGE 22, 349 (361-362) – Waisenrente und Wartezeit – untersucht wird. Das Ziel, die Optimierung der Beseitigung des Mangels an Verfassungsmäßigkeit zu gewährleisten, vereint sich im Fall der Verletzung des – in Art. 3 GG dargelegten Gleichheitsgrundsatzes – mit dem Schutz des Ermessensspielraums des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 17, 148; BVerfGE 93, 386; BVerfGE 71, 39; BVerfGE 105, 73; siehe schließlich auch das Urteil zum dritten Geschlecht vom 10. Oktober 2017). Während in Abschnitt 7.1.1. (Die Einführung der Nichtigerklärung im Fall der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes) die (außergewöhnlichen) Gründe behandelt werden, aufgrund derer das BVerfG verfügt, die Nichtigerklärung anzuwenden, obwohl ein Gleichheitsgrundsatz verletzt wurde, beschäftigt sich Abschnitt 7.2. (Die s.g. Chaos-Theorie) mit der Theorie, die auch als "Argument der juristischen Folgen" bezeichnet wird: Dieses Argument liegt, wie man im Verlauf dieses Kapitels sieht, dem Verzicht auf die Anwendung der Nichtigerklärung zugrunde, d.h. die Gefahr eines noch "verfassungsferneren Zustands bei Nichtigerklärung" (vgl. BVerfGE 37, 217; BVerfGE 33, 303; BVerfGE 132, 134). Es ist interessant zu bemerken, dass dieser Anwendungstopos im Bedürfnis, die Rechtssicherheit und den Rechtsstaat zu gewährleisten, substanziiert werden kann; weiter könnte das BVerfG nicht nur gesellschaftliche, sondern auch durch das Grundgesetz gewährleistete Grundrechte schützen wollen. Wegen der Bedeutung der Kategorie der Rechtssicherheit in der Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen ist Abschnitt 7.2.1. (Rechtssicherheit . Eine elastische Kategorie) einer Untersuchung der Beziehung zwischen diesem juristischen "Gut" und der zeitlich handhabenden Praxis des BVerfG gewidmet; in Abschnitt 7.2.2. (Der Schutz des Gemeinwohls und die mit Fortgeltungsanordnung verbundenen Unvereinbarkeitserklärungen) wird eine Überlegung zur Beziehung zwischen den mit Fortgeltungsanordnung verbundenen Unvereinbarkeitserklärungen und der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit zum Schutz des Gemeinwohls entwickelt (vgl. BVerfGE 91, 186; BVerfGE 198, 190; BVerfGE 109, 190); der nächste Abschnitt 7.3. (BVerfG und Strafrecht) behandelt die Verwendung der Unvereinbarkeitserklärungen (insbesondere der mit Fortgeltungsanordnung verbundenen) durch das BVerfG auf dem Gebiet des Strafrechts. Dieser Abschnitt ist für italienische Forscher besonders interessant, nicht nur angesichts des weiten Ermessensspielraums, der dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Strafrechts zukommt, sondern auch angesichts der Aufnahme des kürzlichen Beschlusses Nr. 208 von 2017, der im späteren Verlauf seine "Folge" in Urteil Nr. 242 von 2019 fand (vgl. BVerfGE 109, 190; die Verkündigung zur Sicherungsverwahrung vom 4. Mai 2011, oder weiter die Entscheidung vom 20. April 2016 zum Thema Bundeskriminalamtgesetz). Wie man sehen wird, scheinen der Gesetzgeber und das BVerfG auf dem Gebiet des Strafrechts zwischen den Vorgaben der Beachtung des legislativen Ermessens und der erfolgten Unvereinbarkeitserklärung der nicht mit der Verfassung zu vereinbarenden Strafnorm zu "dialogisieren". Abschnitt 7.4. (Der Topos der Finanz- und Haushaltsplanung) ist der zwischen der Annahme der Unvereinbarkeitserklärung, seiner zeitlichen Wirkung und der Notwendigkeit zum Schutz des Staatshaushalts bestehenden Beziehung gewidmet. Zu diesem Zweck darf man die Tatsache nicht vergessen, dass die Weitergeltungsanordnung eine ausreichende juristische Grundlage ist, um die Zahlung der Steuern von den Bürgern zu fordern und dass diese gleichzeitig ein mögliches Mittel darstellt, um das Auftreten einer unsicheren Rechtssituation zu verhindern, da die Steuereinnahmen des Bundes oder der Länder verloren gehen könnten (vgl. BVerfGE 138, 136; Urteil vom 15. Januar 2019 2 BvL 1/09). Der Abschnitt 7.5. (Die Unvereinbarkeitserklärungen gegenüber der legislativen Unterlassung) behandelt die Beziehung zwischen der Unterlassung des Gesetzgebers und dem Verzicht auf die Nichtigkeitserklärung einer Norm. Es handelt sich im Wesentlichen um ein vollkommen primitives – und problematisches – Kriterium der Anwendung der Unvereinbarkeitserklärungen, wie es auch die Kategorie hinsichtlich des Ermessens des Gesetzgebers ist, dessen Hauptmerkmale in Abschnitt 7.6. (Ein primitives Kriterium: der Ermessensspielraum des Gesetzgebers) untersucht werden. Im 8. Abschnitt (Die Folgen der Unvereinbarkeitserklärungen: Eine allgemeine Übersicht) werden die Folgen analysiert, die ganz allgemein die Anwendung der Unvereinbarkeitserklärung betreffen, wobei jedoch zu unterstreichen ist, dass die Folgen je nach der "konkreten" Praxis, die dasselbe BVerfG befindet, Änderungen unterliegen können. Die Auswirkungen der Unvereinbarkeitserklärung haben keine "klare Linie". Ganz allgemein folgt der Anwendung einer Unvereinbarkeitserklärung die Pflicht des Gesetzgebers, den Mangel an Verfassungsmäßigkeit zu beseitigen und die Pflicht der Richter, die Vorgabe des Gerichts in Bezug auf die für unvereinbar erklärte Norm zu befolgen. In Bezug auf die Beziehung zwischen BVerfG und Gesetzgeber wird in Abschnitt 8.1. (Die aus der Pflicht zur Reform der unvereinbaren Norm, der s.g. Nachbesserungspflicht entstehenden Folgen) die Reformpflicht des Gesetzgebers untersucht und deren ex tunc- bzw. ex nunc-Wirkung je nachdem, wie das Bundesverfassungsgericht von Fall zu Fall entscheidet. In diesem Abschnitt wird versucht, auch die Natur und das Gebundensein an die Frist zu untersuchen, einem nicht ganz unbekannten Instrument im Bereich des italienischen Verfassungsrechts. Obwohl der Deutsche Bundestag häufig innerhalb der vom BVerfG, vorgesehenen Frist eingreift, gibt es doch auch Fälle, in denen der Gesetzgeber nicht innerhalb des vorgesehenen Zeitraums gehandelt hat (vgl. BVerfGE 99, 300; und das Urteil zur Erbschaftssteuer vom 17. Dezember 2014). In Bezug auf Problematiken hinsichtlich der Untätigkeit des Gesetzgebers kommt man nicht umhin, das in der übermäßigen zeitlichen Verlängerung der Anwendungssperre liegende Risiko zu betrachten (vgl. BVerfGE 82, 136). In Hinsicht auf die anderen Verfassungsorgane hat die Rechtslehre im Fall von legislativer Untätigkeit zwei verschiedene Möglichkeiten zum "Sperren" des verfassungswidrigen Zustands erkannt: Eingriff der Gerichte, die dazu aufgerufen sind, verfassungsmäßig zu entscheiden und Eingriff desselben BVerfG in "Einzelfall" gemäß § 35 des BVerfGG. Hinzu kommt, wie man weiter unten sieht, dass es schwierig ist, die Nichtigkeit der für unvereinbar erklärten Norm bei Untätigkeit des Gesetzgebers vorauszusehen. In jedem Fall sind die Probleme hinsichtlich des mangelnden Nachkommens der Nachbesserungspflicht eher theoretischer Art, wenn man die bestehende gute Zusammenarbeit zwischen Gesetzgeber (Richtern) und BVerfG bei der Umsetzung der zeitlich handhabenden Praxis bedenkt. In Abschnitt 8.2. (Die spezifischen Folgen der Unvereinbarkeitserklärungen) werden die spezifischen juristischen Folgen der Unvereinbarkeitserklärungen untersucht, wobei vor allem die "reinen" und die mit weiterer Anwendbarkeit verbundenen Unvereinbarkeitserklärungen betrachtet werden. Der 9. Abschnitt (Der Zeitfaktor der Unvereinbarkeitserklärungen: ein flexibles Entscheidungsmittel) widmet sich der zeitlichen Orientierung, welche die Rechtswirkungen der Unvereinbarkeitsurteile annehmen können, und zwar ex tunc- oder ex nunc-Wirkung, je nach der ihrerseits von der Reformpflicht des Gesetzgebers angenommenen zeitlichen Orientierung. Die mit der bloßen ex nunc-Wirkung der Unvereinbarkeitserklärungen verbundenen Problematiken, die in den Bereichen zur Beurteilung der konkreten Normenkontrolle und der Verfassungsbeschwerde am deutlichsten hervortreten, sind für das italienische Verfassungsrecht besonders interessant, in Anbetracht der Tatsache, dass dieses weitgehend durch die Inzidentalität des Systems charakterisiert ist, das durch die Unterbrechung des Inzidentalitätszusammenhangs stark beeinträchtigt würde. Die gleichen Problematiken scheinen sich laut der deutschen Rechtslehre in Bezug auf die beiden eben angeführten deutschen Urteilstypen zu stellen; ein deutliches Beispiel ist das in diesem Abschnitt untersuchte Urteil, die Entscheidung vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14. Angesichts der Ausführungen im ersten, zweiten und dritten Kapitel werden im letzten die Schlüsse dieser Doktorarbeit gezogen und versucht einen roten Faden zwischen der zeitlich handhabenden Rechtsprechung des ital. Verfassungsgerichts und der des BVerfG zu finden, und zwar anhand der Untersuchung einiger Aspekte, die das heutige Verfassungsrecht zu "modellieren" scheinen und deren korrekte Funktionsweise dadurch beeinflussen. Die abschließenden Betrachtungen (4. Kapitel) drehen sich um die Beziehung zwischen Verfassungsgerichtshof und Gesetzgeber der italienischen Praxis einerseits und der deutschen andererseits (1. Abschnitt), um die Beachtung des legislativen Ermessens in der italienischen Praxis einerseits und der deutschen andererseits (2. Abschnitt) und um die Notwendigkeit, "übermäßige Folgen" zu verhindern, sowohl in der italienischen als auch in der deutschen Praxis (3. Abschnitt). Weiter angesichts der deutschen Praxis, die sich auf den Schutz der Grundrechte aber weitgehend auch der Rechtsordnung insgesamt zu konzentrieren scheint, wird versucht, über eine mögliche neue Theorie der "Verfassungsfestigkeit" des Rechtssystems nachzudenken (4. Abschnitt - Eine neue Theorie der "Verfassungsfestigkeit" des Rechtssystems? Überlegungen zur deutschen Praxis). Nach dieser Klarstellung kommt man zur Endaussage dieser Doktorarbeit, die mit dem 5. Abschnitt (Reformbedarf der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile. Auf welche Weise?) schließt: Es ist unbestreitbar, dass die Unumgänglichkeit der Rückwirkung den verfassungsrechtlichen (materiellen) Problematiken zugrunde liegt. Die deutsche Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen beeinflusst das Verfassungsrecht unter mehreren Gesichtspunkten. Erstens in Hinsicht auf die Verbindung zwischen Verfassungsgericht und Legislativorgan. Eine Bestimmung des zeitlichen Elements der Rechtswirkungen der Entscheidungen der koordinierten Verfassungswidrigkeit gestattet es dem Gerichtshof, die Grenzen des Ermessensspielraums des Gesetzgebers zu ziehen. Daher die Bedeutung der Frist zur Eingrenzung der gesetzgebenden Gewalt innerhalb der verfassungsrechtlichen Trasse, um eine gemeinsame Beseitigung des Mangels an Verfassungsmäßigkeit zu fördern. Im Gegenfall muss das italienische Verfassungsgericht "alles alleine machen". Wie bereits angemerkt, sind die Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die beispielsweise die mangelnde Reform des Strafgesetzbuchs von 1930 mit sich bringt, das unter anderem zu einem "unsystematischen und ungenauen" wie auch nicht in den Werterahmen der Verfassungsurkunde passendes Strafsystem geworden ist. Von erheblicher Bedeutung ist in dieser Hinsicht die kürzliche Pressemitteilung in Bezug auf die endgültige Entscheidung in der "Cappato-Sage", die auf der offiziellen Website des Verfassungsgerichts am 25. September 2019 veröffentlicht und durch das entsprechende nachfolgende Urteil Nr. 242 von 2019 bestätigt und in dieser Studie bereit ausgiebig behandelt wurde. Aufgrund seiner Relevanz wird hier der Text der Mitteilung vollumfänglich wiedergegeben: "Das Verfassungsgericht hat sich zur Urteilsfindung zurückgezogen, um die vom Mailänder Geschworenengericht zu Artikel 580 des Strafgesetzbuchs aufgeworfenen Fragen zur Strafbarkeit der Hilfe zum Selbstmord gegenüber einer Person, die entschlossen ist, ihrem Leben ein Ende zu setzen, zu untersuchen. In Erwartung der Urteilshinterlegung lässt die Presseabteilung wissen, dass der Gerichtshof eine Person, welche die Ausführung des selbständig und frei gebildeten Suizidvorhabens eines durch lebenserhaltende Maßnahmen am Leben gehaltenen Patienten, der an einer unheilbaren Krankheit leidet, welche körperliche und psychische Leiden mit sich bringt, die von diesem als nicht auszuhalten angesehen werden, welcher aber in der Lage ist, Entscheidungen frei und bewusst zu treffen, erleichtert, unter bestimmten Bedingungen für nicht strafbar laut Artikel 580 des Strafgesetzbuchs hält. In Erwartung eines unerlässlichen Eingriffs des Gesetzgebers hat das Verfassungsgericht die Nicht-Strafbarkeit der Beachtung der Verfahren, die in der Vorschrift zur aufgeklärten Einwilligung, zur Palliativpflege und zur kontinuierlichen tiefen Sedierung (Artikel 1 und 2 des ital. Gesetzes 219/2017) und der Überprüfung sowohl der erforderlichen Bedingungen als auch der Ausführungsverfahren durch eine öffentliche Einrichtung des staatlichen Gesundheitsdienstes nach Anhörung des Bescheids des örtlich zuständigen Ethik-Kommission vorgesehen sind, unterstellt. Der Gerichtshof unterstreicht, dass die Festlegung dieser spezifischen Bedingungen und Verfahrensweisen, die aus bereits in der Ordnung vorhandenen Normen abgeleitet werden, notwendig wurde, um die Risiken des Missbrauchs gegenüber besonders schwachen Personen zu verhindern, wie bereits in Beschluss 207 von 2018 hervorgehoben. Gegenüber den bereits umgesetzten Verhalten wird das Gericht das Bestehen äquivalenter materieller Bedingungen zu den oben angeführten beurteilen". Wie man beim einfache Lesen der Mitteilung erahnen kann, war es Absicht des Verfassungsgerichts, bei der Erklärung der Nicht-Strafbarkeit der Person, die unter bestimmten Bedingungen die Ausführung des Suizidvorhabens erleichtert (es handelt sich um die in Beschluss Nr. 207 von 2018 festgelegten Bedingungen), den Gesetzgeber aufzufordern, der erneut auf dem Gebiet des Lebensendes durch eine eigene Regelung eingreifen soll: Zweck des Beschlusses Nr. 207 von 2018 war gerade die zeitliche Verschiebung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigerklärung, um "vor allem dem Parlament zu gestatten, durch eine angemessene Regelung einzugreifen". Und wie man sieht, befand das Verfassungsgericht, gegenüber der fehlenden gesetzgebenden Handlung in der Rechtsordnung eine Form des Schutzes der Einzelnen durch Anwendung der bestehenden Bestimmungen zum Lebensende zu erkennen: Daher die (offensichtliche) Bedeutung, die dem Thema der Abstimmung zwischen Verfassungsgericht und Legislativorgan zukommt. Der Fall Cappato bestätigt die Idee, dass die Zusammenarbeit zwischen Gerichtshof und Parlament, sich eben in Richtung einer möglichen Einführung der Trennung zwischen dem Zeitpunkt der Feststellung und dem der Erklärung der Verfassungswidrigkeit bewegen könnte, ohne den Inzidentalitätszusammenhang zu opfern. In diesem Sinn treten die Unvereinbarkeitsentscheidungen hervor, bei denen der Gesetzgeber dazu verpflichtet ist, den Mangel an Verfassungsmäßigkeit mit Rückwirkung zu "bereinigen", sodass ein solches Modell funktionieren kann; dennoch ist es notwendig, der Abstimmung zwischen Gerichtshof und Parlament – wenn möglich – einen bestimmten Grad juristischer Gebundenheit zu verleihen. Anhand der deutschen Praxis und in Hinsicht auf das (entschieden kreative) zu formulierende Gesetz könnte eine bedeutende Verfassungsreform, in dieser Richtung vom Verfassungsgesetzgeber in Betracht gezogen werden (auch in diesem Fall unter Voraussicht der Rückwirkung im vorgelegten Verfahren). Wie man sehen konnte, sind die Entscheidungen des BVerfG gesetzeskräftig und bindend für alle Verfassungsorgane; sicher ist diese Grundlage in erster Instanz vorgesehen und sicher beruht auch die Pflicht des deutschen Gesetzgebers zur Beachtung der Entscheidung des BVerfG theoretisch auf Verfassungsgesetzen: dennoch wäre es vielleicht nützlich, die Vorgaben des Art. 136 2. Abs. ital. GG aufzuwerten, der, wenn auch in Bezug auf eine Beurteilung der Nützlichkeit des Eingriffs durch die Kammern und die betroffenen Regionalversammlungen doch "eine ausdrückliche und dynamische Verbindlichkeit […] der Legislativfolgen" darzustellen scheint. Eine mögliche Festigung der Verbindung zum Gesetzgeber könnte also durch eine Verfassungsreform umgesetzt werden, und zwar insbesondere durch die Änderung von Art. 132 2. Abs. ital. GG. Auf diese Weise würde die Möglichkeit des Verfassungsgerichts zur Festlegung einer Frist für den Gesetzgeber gerechtfertigt, ein Verfahren, das im Übrigen in unserem Verfassungssystem sicher nicht unbekannt ist, wie man sehen konnte. Sollte das Verfassungsgericht aufgrund verfassungsrechtlicher Bedürfnisse befinden, auf eine Form der Modellierung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit und damit einer zeitlichen Verschiebung der Wirksamkeit der Verfassungswidrigerklärung durch eine Rückwirkungsklausel nicht verzichten zu können, dann gäbe es zwei mögliche Lösungen, die in Bezug auf ihre konkrete (aber eventuelle) "leichte" Umsetzbarkeit in absteigender Reihenfolge erläutert werden, im Bewusstsein jedoch, dass die Annahme einer der drei Vorschläge erhebliche Schwierigkeiten aufweist, sodass es vielleicht ratsam wäre, dass der Gesetzgeber sie alle untersucht und so dem Gerichtshof Spielraum lässt, durch eine Abwägung nach Feststellung einer elastischen Regelung der Rechtswirkungen zu handeln. Es ist jedoch sicher, dass die zuerst umrissene Lösung in jedem Fall die zu sein scheint, die am ehesten einer "Rückkehr zum Ursprung" des Verfassungsrechts entspricht, einschließlich der für das österreichische Verfassungsrecht im Bereich der ex nunc-Wirkung so typischen "Umfassungsprämie", die es ermöglicht, gleichzeitig sowohl den Einzelfall als auch die Ordnung insgesamt zu schützen. a) angesichts einer angemessenen Ermittlung könnte das Verfassungsgericht die Rechtswirkung der Verfassungswidrigerklärung auf Grundlage einer strengen Reglementierung aller an die Folgen der Einschränkung oder "Aussetzung" der mit der Rückwirkung verbundenen Aspekte und der Fälle, in denen eine derartige relevante und bedeutende Ausnahme in vollkommen außergewöhnlicher Weise erfolgen könnte, in der Zeit verschieben (wie es in Bezug auf die deutsche Praxis nicht geschehen ist), ebenfalls nach einer "kelsenschen Orientierung" der Reform des Artikels 30 3. Abs. ital. GG. In diesem Sinn tritt das Gesetzesdekret d.d.l. Lanzillotta hervor, wo befunden wurde, zu einer "schlichten" Reglementierung jener Fälle überzugehen, in denen der Gerichtshof eine Modulation der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit legitimerweise hätte tätigen können. In Art. 1 des Gesetzesentwurfs A.S. 1952 war vorgesehen, "c)im dritten Absatz des Artikels 30 werden am Ende folgende Worte hinzugefügt: ", außer falls der Gerichtshof eine andere Handhabung der Wirksamkeit im Verlauf der Zeit derselben Entscheidung zum Schutz anderer Verfassungsgrundsätze verfügt". Die "allgemeine" Formulierung ähnelt dem ersten Änderungsvorschlag für § 79 des BVerfGG: Die Ausdehnung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigerklärung war in beiden Fällen vorgesehen, in denen wie hervorzuheben ist, das deutsche und das italienische Verfassungsgericht "freie Hand" gehabt hätten. Vielleicht könnte man aber in Hinsicht auf die gemeinsame Trendlinie bemerken, dass Grundlage einer eventuellen Positivierung der zeitlichen Handhabung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitssprüche eine übermäßige Versteifung der Fälle, welche die Verfassungsgerichte zur Abweichung von der Rückwirkung der Verfassungswidrigerklärung legitimieren würden, sein könnte. b) man könnte – mit der angemessenen Vorsicht und im Bewusstsein der erheblichen Problematik, die diese aufweist – eine dritte Lösung von anderer Art erfinden, die von einer ganz einfachen bloßen ex nunc,-Wirkung geprägt und von der Zusammenarbeit des Gesetzgebers und der Gerichte begleitet wäre (grundsätzlich nach dem Vorbild jener Unvereinbarkeitsentscheidungen, die keine "reinen" Unvereinbarkeitsentscheidungen sind). Eine solche Hypothese und extreme Lösung könnte von der Betrachtung ausgehen, dass die Rettung allein des vorgelegten Verfahrens vor der gesetzlichen Priorität den Gleichheitsgrundsatz (und auch den damit verbundenen Grundsatz des Rechts auf Verteidigung) verletze. Abgesehen von der Vorliebe für das erste vorgeschlagene Modell könnte es sich vielleicht auch auf Grundlage einer elastischen Reform der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile als nützlich erweisen, dem Verfassungsgericht die Wahl des verfassungsrechtlich zwingenden Wegs – Auswegs – dem, welcher der geringsten Qual am nächsten kommt, zu überlassen, wobei alle Möglichkeiten sorgfältig abzuwägen sind, wenn man bedenkt, dass in der Tat im Fall a) einer "ungeregelten" Modulation ohne juristische Grundlage, b) der Vorgabe einer Modulation unter Beachtung des Grundsatzes der Rückwirkung nur im vorgelegten Verfahren und c) einer ganz einfachen Modulation ohne Beachtung des Rückwirkungsprinzips, man in jedem Fall einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes oder des Grundsatzes des Rechts auf Verteidigung (oder beider) beiwohnt. Sicher ist es nicht einfach, eine angemessene Änderung der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile in Anlehnung an das deutsche Modell vorzusehen: Mit jeder Hypothese für das zu formulierende Gesetz sind erhebliche Schwierigkeiten verbunden. Und doch ist zum heutigen Stand vielleicht sicher, dass die Lösung, die Augen vor den vom Verfassungsgericht verspürten Bedürfnissen zu schließen, dem Rahmen, in welchem dieses sich bewegt, nicht gerecht werden würde, denn dieses sollte manchmal, eben aufgrund der Beachtung des Grundsatzes der höheren Stellung der Verfassung, die Möglichkeit haben, die Rückwirkung angesichts einer größeren Verfassungswidrigkeit auszuschließen und dem Gesetzgeber gestatten, durch eine gute Verwendung seines Ermessensspielraums wieder zu einer größeren Verfassungsmäßigkeit zu gelangen.
Aus der Einleitung: 4.500 Mitarbeiter, zehn Länder, drei Kontinente und fünf Zeitzonen: Das ist die Bilanz der Produktion der elektrischen Zahnbürste "Sonicare Elite 7000" der Firma Philips aus den Niederlanden (vgl. Abb. 1). Bis zu der Verpackung in Seattle haben die Komponenten zwei Drittel des Erdumfangs zurückgelegt. Die "Weltbürste" ist nur eines von zahllosen Beispielen, welches auf die weltumspannenden Produktionsnetze hinweist. Die Ausweitung der internationalen Arbeitsteilung ist der Motor der Weltwirtschaft, die sich laut Weltbank in der "revolutionären Phase" der Globalisierung befindet. Unter Globalisierung versteht man gemeinhin die Zunahme weltweiter Verflechtungen infolge der Ausbreitung und Vertiefung ökonomischer, ökologischer, politischer und kultureller Prozesse. Aus ökonomischer Perspektive steht die Ausbildung weltweiter Märkte im Mittelpunkt, "auf denen Waren und Dienstleistungen gehandelt, Investitionen getätigt, Technologien übertragen und Informationen ausgetauscht werden". Mit zunehmender Interdependenz der Weltwirtschaft hängt das ökonomische und soziale Wohl der Nationen, Regionen und Städte von komplexen Interaktionen auf globaler Ebene ab. Mit anderen Worten, "what happens in any given country or locality is broadly determinedby its role in systems of production, trade and consumption which have become global in scope". Jeder Ort, jede Region oder Nation übernimmt somit innerhalb des von Konkurrenz geprägten Weltsystems eine spezifische Rolle. Der gegenwärtige Strukturwandel im Zeichen der Globalisierung fordert die "Rollenverteilung" des "modernen Weltsystems", dessen Ursprung unter anderem im Europa des 15. Jahrhunderts zu suchen ist, heraus. Vor diesem Hintergrund ist der "ökonomische Auf- bzw. Abstieg von Ländern und Regionen" zu sehen, das heißt es gibt Gewinner und Verlierer des Strukturwandels. Dubai bietet die moderne Version von Tausendundeiner Nacht: es sind vor allem Projekte der Superlative, wie zum Beispiel das einzige Sieben-Sterne Hotel der Welt und aufgeschüttete Inseln in Form einer Palme, die das Bild von Dubai nachhaltig prägen. Künstliche Welten, internationale Sportereignisse, Gesundheitstourismus und an erster Stelle Shopping-Tourismus – Dubai ist in vielfältiger Weise für Touristen aus aller Welt attraktiv. Jedoch beginnt die große Erfolgsgeschichte der Moderne nicht erst mit dem Touristenaufkommen der 1990er Jahre. Dubai konnte sich früh als Dienstleistungs- und Handelszentrum in der Golfregion etablieren, bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts spielte der Perlenhandel die entscheidende Rolle. Zollfreiheit und Steuervergünstigungen zogen bereits damals zahlreiche Händler an – heute gilt Dubai als einer der bedeutendsten Umschlagplätze für den Goldhandel. Die Erlöse aus den Petrodollars nutzte die Führung seit den 1960er Jahren, um den Standort Dubai durch groß angelegte Infrastrukturprojekte, wie beispielsweise die beiden Tiefseehäfen Jebel Ali und Port Rashid, kontinuierlich zu stärken und für die Nach-Erdöl-Zeit zu sorgen. Zu Beginn des Jahres 2006 machte Dubai mit Schlagzeilen auf sich aufmerksam, die als Menetekel für die etablierten Industrieländer gedeutet werden können: Zum einen der Vorstoß der Dubai Ports World sechs Häfen an der Ostküste der USA zu übernehmen, zum anderen die neu gegründete internationale Börse DIFX (Dubai International Financial Exchange), die Unternehmen aus einem Raum anziehen will, in dem ein Drittel der Weltbevölkerung lebt. Innerhalb von nur 50 Jahren ist Dubai vom verschlafenen Fischerdorf zur "cosmopolitan regionally dominant twenty-first century city" aufgestiegen und hat somit eine einzigartige Entwicklung vollzogen. Auf der Suche nach einer Position in der Weltwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung gibt man sich nicht mit der "reaktiven Mittlerrolle" eines "globalisierten" Ortes zufrieden, sondern strebt die aktive Funktion eines "globalen Ortes" an.m Could Dubai become the most important city on earth?" – fragt Nicolson im Online-Angebot der Khaleej Times vom 13. Februar 2006 und bringt damit das Selbstbewusstsein und die Ambitionen der Regierung Dubais auf den Punkt. Scheinbar erwacht hier eine Region, die bisher kaum jemand auf dem "Globalisierungsradar" hatte. Die Globalisierungsdebatte vermittelt oftmals den Eindruck von einem zeitlich "isoliert" auftretenden Phänomen. Der zweite zentrale Begriff des Titels der Arbeit - Weltwirtschaftssystem - wurde gewählt, um den Globalisierungsansatz in einen systematischen (historischen) Zusammenhang zu stellen. Welchen Beitrag leistet die geographische Perspektive? Die Weltwirtschaftlichen Vorgänge und die mit diesen zusammen-hängenden Transporte von Personen sowie von materiellen und immateriellen Gütern und Leistungen sind nicht nur an sich wirtschafts-geographische Arbeitsfelder, sondern ihre Wirkungen auf das innere Gefüge der an den Außenbeziehungen beteiligten Staaten machen sie zu einem wirtschaftsgeographischen Kernbereich. Ein Autor beklagt, dass die Beschäftigung der Geographen mit dem Welthandel immer spärlich ausfiel und seit Mitte des 20. Jahrhunderts zum Stillstand kam. Der Hauptgrund ist der kleine Maßstab, das heißt Übersee- und Welthandel sind mit geographischen Methoden nur schwer fassbar. Ferner hätte man versäumt eine "tragfähige Brücke zur Außenhandelstheorie der Nationalökonomie zu schlagen." Zehn Jahre später greift ein anderer die Problematik wieder auf und stellt sie gleichzeitig in den größeren Zusammenhang der Globalisierungsdiskussion. Obwohl die Prozesse und die Folgen, die mit dem Begriff Globalisierung verbunden sind, Gegenstandsbereich der Geographie sind, seien die Geographen an den zentralen Streitfragen nicht beteiligt: "Geography is rather like the small child in the school playground who always gets missed out when the big children are picking teams". Darüber hinaus moniert er, dass sich die geographische Forschung in großem Maße mit dem Zu- und Abfluss von ausländischen Direktinvestitionen beschäftige, während Handelsströme wenig beachtet würden: "in the case of international trade, what matters are not so much changes in volume - although they are important - as changes in composition". Mit eben jener "composition" in zeitlicher und räumlicher Dimension beschäftigt sich das nachfolgende Kapitel. Eine explizite "Theorie der Weltwirtschaft" existiert nicht. Dennoch sollen die vorgestellten Konzepte1 mit ihren verschiedenen Aspekten in der Gesamtansicht eine erste systematische Annäherung an das Weltwirtschaftssystem darstellen. Den aktuellen Entwicklungen und der Struktur der Weltwirtschaft im Kontext der Globalisierung widmet sich das dritte Kapitel, welches zusammen mit dem zweiten Kapitel einen "theoretischen Rahmen" bildet, innerhalb dessen schließlich die Bedeutung von Dubai herausgearbeitet werden soll.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.EINLEITUNG1 1.1Von der "Weltbürste" zur Weltwirtschaft1 1.2Warum Dubai?2 1.3Forschungsstand und Fragestellung3 2.WELTWIRTSCHAFTSSYSTEM4 2.1Weltsystem-Theorie und "Weltwirtschaften"5 2.1.1Das Weltsystem nach WALLERSTEIN5 2.1.1.1Die Analyse des Weltsystems5 2.1.1.2Das moderne Weltsystem6 2.1.2Die "Weltwirtschaften" nach BRAUDEL8 2.2Die Wirtschaftsräume nach OTREMBA10 2.3Tripolarität der Weltwirtschaft11 2.3.1Die Triade nach OHMAE11 2.3.2Regionale Theorie des Welthandels nach GROTEWOLD12 2.3.3Weltstädte, Global Cities und Steuerungszentralen14 2.4Zusammenfassung16 3.GLOBALISIERUNG DER WELTWIRTSCHAFT19 3.1Problematisierung der Globalisierung19 3.1.1Der problematische Begriff Globalisierung20 3.1.2Das Problem Globalisierung21 3.2Konzeption von Globalisierung22 3.2.1Globalisierung als neue Epoche23 3.2.2Globalisierung als Prozess24 3.2.3Voraussetzungen der Globalisierung24 3.2.3.1Technologische Innovationen24 3.2.3.2Institutionelle Veränderungen26 3.2.3.3Die Integration neuer Märkte27 3.2.4Akteure der Globalisierung27 3.2.4.1Der Nationalstaat als Akteur28 3.2.4.2Global agierende Unternehmen28 3.2.4.3Der Konsument29 3.3Erscheinungsformen der Globalisierung30 3.3.1Globalisierung des Handels30 3.3.1.1Entwicklung der Rahmenbedingungen des Welthandels30 3.3.1.2Entwicklungen im Handel mit Waren und Dienstleistungen31 3.3.1.3Regionale Struktur des Welthandels34 3.3.2Globalisierung der Produktion44 3.3.2.1Von der klassischen zur neuen internationalen Arbeitsteilung44 3.3.2.2Transnationale Unternehmen46 3.3.2.3Ausländische Direktinvestitionen47 3.3.3Globalisierung der Finanzmärkte52 3.3.3.1Das Bretton Woods-System52 3.3.3.2Spekulation versus Effizienz53 3.3.4Globale Transportnetze54 3.3.4.1Die Herausbildung von Transportnetzen55 3.3.4.2Containerlinienschifffahrt55 3.3.4.3Luftverkehr61 3.4Fazit – das globalisierte Weltwirtschaftssystem64 3.4.1Globalisierung versus Regionalisierung65 3.4.2Globale Vernetzung68 3.4.2.1Global Cities als Nodalpunkte von globalen Netzwerken68 3.4.2.2Verbindung der Nodalpunkte69 4.DUBAI IM WELTWIRTSCHAFTSSYSTEM71 4.1Die Golfregion72 4.1.1Die Golfküste unter europäischem Einfluss72 4.1.2Beginn der Öl-Ära73 4.1.3Eine Region hängt am Öltropf74 4.1.3.1Die Ausgangsbedingungen74 4.1.3.2Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC)76 4.1.4Die Golfregion – Dependenz versus internationale Profilierung80 4.2Überblick über die VAE81 4.2.1Politisches System der VAE82 4.2.2Außenwirtschaftspolitik der VAE84 4.2.3Sozio-ökonomische Betrachtung der VAE87 4.2.3.1Entwicklung im Zeichen des Ölreichtums87 4.2.3.2Entwicklung im Zeichen der Diversifizierung91 4.3Dubai – Wirtschaftsstruktur und Standortfaktoren94 4.3.1Der Aufschwung Dubais nach dem Zweiten Weltkrieg96 4.3.2Ölinduzierte Entwicklung und Diversifizierungstendenzen98 4.3.2.1Immobilienboom in Dubai101 4.3.2.2Freihandelszonen als Schnittpunkte der Diversifizierungsstrategie 102 4.3.2.3Wer investiert in Dubai?104 4.3.3Handel105 4.3.4Transportwesen108 4.3.4.1Die Häfen Dubais108 4.3.4.2Dubai International Airport 113 4.3.5Tourismus118 4.3.6Finanzen122 4.3.7Produzierendes Gewerbe123 4.4Fazit: Dubais Sonderweg in der Golfregion 124 5.DUBAIS BEDEUTUNG IM GLOBALISIERTEN WELTWIRTSCHAFTS-SYSTEM126 5.1Gewinner und Verlierer der Globalisierung126 5.2Dubai als "Hub" der Golfregion128 5.3Dubai – ein überregionales Steuerungszentrum?131 6.LITERATURVERZEICHNIS132Textprobe:Textprobe: Kapitel 4.3.2; Ölinduzierte Entwicklung und Diversifizierungstendenzen: 1963 begann man in Dubai mit den Bohrungen nach Öl, 1966 stieß man auf Öl und drei Jahre später schließlich wurde das erste Rohöl aus Dubai exportiert. Boomartig strömten Menschen, Güter und finanzielle Mittel nach Dubai. Die Ausweitung der Rohölföderung in den 1970er Jahren und die starke Anhebung des Weltmarktpreises für Rohöl in den Jahren 1973 und 1979 bescherten dem Emirat über die Zahlungen der Ölgesellschaften reiche Finanzmittel. Daraufhin erlebte die Stadt einen beispiellosen "Bau-Boom". Schulen, Krankenhäuser, Straßen und moderne Telekommunikationsnetzwerke wurden aufgebaut. Ein neuer Hafen (Port Rashid) wurde gebaut, der Dubai International Airport (DIA) wurde um einen Terminal erweitert und mit einer erweiterten Landebahn ausgestattet, die für jeden Flugzeugtyp geeignet ist. Mit Jebel Ali baute man den größten künstlichen Hafen der Welt. Um ihn herum wurde die Jebel Ali Freihandelszone (JAFZ) eingerichtet, heute eine unter vielen Freihandelszonen, mit denen Dubai Investoren anlockt. Für die zahlreichen Projekte brauchte man bereits Ende der 1960er Jahre möglichst billige Arbeitskräfte, die man insbesondere in Indien und Pakistan fand. Viele kamen auch aus dem Iran, Europa und arabischen Ländern. 1968 betrug der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte 50% der Gesamtbevölkerung Dubais. Zwar hatten die "expatriates" oder "non-nationals" einen beträchtlichen kulturellen Einfluss auf die einheimische Gesellschaft, aber ihr politischer Einfluss in der Zivilgesellschaft war und ist beschränkt, so dürfen sie beispielsweise keine Gewerkschaften bilden. Den entscheidenden Anstoß für den Aufstieg Dubais lieferten die Öleinnahmen, eine weitere entscheidende Antriebskraft waren die lokalen Kaufleute mit ihrem Netzwerk aus internationalen Kontakten. Schon früh diversifizierten sie ihre Geschäftstätigkeiten, finanzierten große Projekte, agierten als Berater und investierten als Aktionäre in private Unternehmen, beispielsweise in die Dubai Telephone Company. Im ersten Golfkrieg bewiesen die Kaufleute ein feines Gespür für Unternehmertum, als sie in den sehr lukrativen Handel mit dem Iran eingebunden waren. Der Handel mit Konsumgütern und Ausrüstungsgegenständen jeglicher Art brachte ihnen und der gesamten Wirtschaft hohe Gewinne ein. Auch die Häfen und angeschlossene Dienstleistungen profitierten von dem Krieg, da die internationale Schifffahrt die sichereren Trockendocks in Dubai den Häfen von Kuwait und Iran vorzog. Seit den frühen 1980er Jahren ist der Handel mit den anderen GCC-Staaten kontinuierlich angewachsen, so dass die Häfen Dubais zu den geschäftigsten der ganzen Region wurden. Seit den 1970er Jahren machte Dubai durch den Bau von Trockendocks, von See- und Flughäfen sowie von Luxushotels, die Einrichtung von Freihandelszonen, das zollfreie Angebot von Uhren, Fotoartikeln, Goldschmuck und Perlen, aber auch das Angebot von Alkohol und Night Life (in Maßen) auf sich aufmerksam. Das moderne Dubai mit seinem Ruf als Handelsplatz steht damit in einer Linie mit dem Dubai vor der Öl-Ära und kann damit auf etwas aufbauen, das SALLOUM als "inherited ability for commerce by its people" bezeichnet. Dubai besitzt nur einen kleinen Anteil von 4% am Erdölvorkommen und 1,9% am Erdgasvorkommen der VAE. Die Lebensdauer beider Ressourcen wird auf 30 bis 40 Jahre geschätzt. Angesichts dessen bestimmte von Beginn an die Notwendigkeit zu alternativen Einkommensquellen für die "Nach-Erdöl-Zeit" das Handeln der Verantwortlichen. Einseitig auf den Industriesektor zu bauen kam aufgrund der nationalen und regionalen Marktenge nicht in Frage. Die politischen Entwicklungen nach dem 11. September 2001 brachten zusätzlich Unsicherheiten bezüglich der Investitionen und Anlagen im Ausland – vor allem in den USA – mit sich. Die Verantwortlichen in Dubai erkannten die Zeichen der Zeit und setzten auf die Privatisierung der Wirtschaft, die Öffnung des Landes für den internationalen Tourismus, die Liberalisierung der Immobilienmärkte sowie des Waren- und Finanzverkehrs. Flankierend dazu wurden Transportwesen, Infrastruktur und IT-Kommunikation den neuen Gegebenheiten angepasst, günstige Arbeits-, Aufenthalts- und Lebensbedingungen für alle Fachkräfte, Investoren und Besucher geschaffen. Im Zeitraum von 1975 bis 1981 verzeichnete das Emirat ein Wachstum des BIP von durchschnittlich 17% pro Jahr. Infolge des Verfalls des Ölpreises und der instabilen Verhältnisse in der Region während des ersten Golfkrieges stagnierte das BIP weitestgehend bis Ende der 1980er Jahre. Von 1990 bis 2000 verzeichnete Dubai ein Wachstum des BIP (in nominalen Preisen) zum Vorjahr von durchschnittlich 7.7%. Für das Jahr 2004 wird das BIP bei KKP mit 30 Mrd. US-$ angegeben. Das Wachstum wurde dabei primär über eine stabile Entwicklung außerhalb des Rohölsektors ("Nicht-Öl-Sektor") erreicht, welcher im Zeitraum von 1990 bis 2000 ein durchschnittliches Wachstum von 11.1% erzielte. Der Rohölsektor hingegen verzeichnete im gleichen Zeitraum einen durchschnittlichen Rückgang von -2.4% pro Jahr. Der Rohölsektor verlor demnach Anteile am BIP zugunsten des Nicht-Öl-Sektors (vgl. Abb. 26). In den 1970er und 1980er Jahren wurde knapp die Hälfte des BIP außerhalb des Rohölsektors erwirtschaftet, ab den 1990er Jahren stieg der Anteil des Nicht-Öl-Sektors am BIP deutlich: Im Jahr 1990 betrug er 65.2% des BIP, 2000 90% und 2004 bereits mehr als 93%. Die Werte belegen die von der Regierung erfolgreich eingeleiteten Diversifizierungsprozesse, insbesondere seit Beginn der 1990er Jahre, so dass die Vulnerabilität des BIP gegenüber Ölpreisschwankungen bedeutend reduziert werden konnte. Der Anteil des Rohöls am BIP Dubais ist mit 7% signifikant geringer als im Landesdurchschnitt, der einen Anteil von 33% verzeichnet (vgl. Abb. 27). Bei einem Anteil von 28% der Bevölkerung steuert Dubai alleine 31% des gesamten Nicht-Öl-Sektors der VAE bei. Besonders dynamisch entwickelten sich die Sektoren Handel, Finanzen, Transport- und Kommunikationswesen, Restaurant- und Hotelgewerbe und das produzierende Gewerbe. Zwischen 1994 und 2000 wuchs das im Hotel- und Gastronomiegewerbe erwirtschaftete BIP um 165.2%, was zu einem Großteil auf die geographische Erschließung der touristisch attraktiven Strandgebiete zurückzuführen ist. Es folgen im gleichen Zeitraum das produzierende Gewerbe (+129.6%), Transport- und Kommunikationswesen (+101.6%) und das Finanz- und Versicherungswesen (+92.2%) (VAN DE BUNT 2003: 31f.). Die neuesten Zahlen zeigen die Fortsetzung der Trends. 2004 wuchs das reale BIP Dubais um 13.3%, die Hauptanteile am Zuwachs hatten dabei: Immobilien (19.8%), produzierendes Gewerbe (15.5%), Bauindustrie (12.6%), Finanz- und Versicherungswesen (12.6%), Handel (10.7%) sowie Transport- und Kommunikationswesen (9.6%). Der Anteil des Transport- und Kommunikationswesens von Dubai ist für über 55% des gleichen Sektors der VAE verantwortlich. Des Weiteren entspricht Dubais Finanzsektor 47% des VAE–Finanzsektors. Kapitel 4.3.2.1, Immobilienboom in Dubai: Der hohe Anteil des Immobiliensektors am BIP-Zuwachs Dubais verweist auf den Boom im Immobiliensektor. Der Wert der geplanten Projekte für die nächsten fünf Jahre wird auf 30 Mrd. US-$ geschätzt. 2004 hatte die Bauindustrie einen Anteil von 13% am Nicht-Öl-BIP. Seit 2000 ist sie mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 24% gewachsen, was den Bau-Boom widerspiegelt, der sich im Jahre 2003 im Bau von über 2000 Gebäuden niederschlug. Der Bausektor gilt auch als größter Arbeitgeber, 24% aller Arbeitskräfte sind hier beschäftigt, hauptsächlich aus dem Ausland stammende Arbeitnehmer. Spektakuläre Projekte, zum Beispiel "The Palm Jumeirah", "The Palm Jebel Ali" und "The World", locken Käufer schon vor Beginn der Bautätigkeiten an, so dass in Dubai die Immobilien "fast vollständig bereits vom Reißbrett verkauft" werden. Die Käufer spekulieren auf die enormen Wertsteigerungen am Immobilienmarkt Dubais – in keinem anderen Land der Welt sind Immobilien nach Fertigstellung 20% teurer geworden. Initiator und Träger der Projekte ist letztlich das Herrscherhaus beziehungsweise die von ihm kontrollierten Finanzgesellschaften – beispielsweise EMAAR, die 1997 gegründet wurde oder NAKHEEL, 2003 gegründet. In sehr viel geringerem Maße übernehmen auch Privatpersonen und Banken die (Vor-)Finanzierung der "Megaprojekte", wie sie von manchen Offiziellen bezeichnet werden. Nach der Fertigstellung werden sie meist privatisiert, das heißt vollständig oder teilweise an Einheimische vergeben. Im Sinne des Rentierstaates werden somit die Pfründe an die lokale Bevölkerung verteilt, doch die Einkommen werden erst dann erzielt, wenn die Objekte über Immobilienagenturen vermietet, verpachtet oder auch verkauft werden. Die Akteure müssen sich dazu mit einer verschärften Wettbewerbssituation auseinandersetzen. Die vielfältigen Bauaktivitäten generieren ein enormes, qualitativ und preislich hochwertiges Angebot, das die Erschließung des globalen Marktes geradezu herausfordert. Wie bereits angedeutet, sind die meisten Projekte, obwohl noch teilweise in Planung, verkauft, verpachtet oder vermietet. Die Käufer stammen überwiegend aus der Golfregion (40-46%), zu je 15-22% aus Russland und anderen GUSStaaten sowie beispielsweise aus Indien, Japan oder Südkorea. Kapitel 4.3.2.2, Freihandelszonen als Schnittpunkte der Diversifizierungsstrategie: In der Nachkriegszeit setzte die Regierung Dubais auf einen liberalen, "unternehmensfreundlichen" ökonomischen Kurs mit geringen Steuerabgaben und politisch stabilem Rahmen, in der Hoffnung, dadurch Investitionen anzuziehen. Diese Haltung drückt sich besonders in der 1985 gegründeten Jebel Ali Free Zone (JAFZ) aus, die erste in der Region gegründete Freihandelszone. Das Areal wurde unmittelbar im Bereich des schon existierenden Tiefsee-hafens Jebel Ali eingerichtet, der gleichzeitig mit der Gründung ausgebaut wurde. Das Konzept sieht vor, dass innerhalb der "Enklave" Geschäftstätigkeiten frei von Zoll und gesetzlichen Beschränkungen durchgeführt werden können. Unternehmen, die sich in der Freihandelszone niederlassen, nutzen nicht nur die niedrigen Arbeitskosten und Visum-freie Anheuerung der nicht-organisierten Arbeitskräfte, sondern vor allem die Möglichkeit, sich zu 100% an Kapitalgesellschaften zu beteiligen. Für Ausländer ist das außerhalb der Freihandelszonen sonst nicht möglich, es dürfen nach geltendem Recht maximal 49% einer Unternehmung in ausländischen Besitz übergehen. Die Geschäftsleute genießen noch weitere Privilegien: es ist kein Sponsor erforderlich, es ist kein Service Agent bei Zweigniederlassungen erforderlich, zwischen 15-30 Jahre garantierte Steuerbefreiung (Körperschafts- und Einkommenssteuer), freier Kapital- und Gewinntransfer. Grundsätzlich ist die aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben der VAE erlaubt, es können Waren importiert und exportiert werden. Die Lizenzen sind jedoch nur auf das Gebiet der jeweiligen Freihandelszone beschränkt, mit der Folge, dass diese Niederlassungen gesellschaftlich als nicht in den VAE niedergelassen gelten. Deshalb erfordert der Export in die VAE einen Handelsvertreter, Importeur oder auch ein Joint Venture in Form einer Vertriebsgesellschaft. Die Entscheidung, sich in innerhalb der VAE oder in einer Freihandelszone niederzulassen, hängt somit wesentlich von dem angestrebten Zielmarkt ab. Ist dieser nicht auf die VAE beschränkt, stellt die Niederlassung in einer Freihandelszone eine sinnvolle Alternative zu einem Standort innerhalb der VAE dar. Seit der Gründung flossen über 2,5 Mrd. US-$ an Investitionen in die JAFZ, in der 2003 2.350 Firmen aus 97 Ländern angesiedelt waren. Neben japanischen Firmen (Nissan, Mitsubishi, Honda, Sony) sind vor allem auch europäische multinationale Unternehmen vertreten, beispielsweise ABB, Shell, BASF und Unilever. In den 1980er Jahren fungierte die JAFZ überwiegend als Lagerungs- und Verteilerzentrum für die multinationalen Unternehmen. In den letzten Jahren ließen sich dort auch Unternehmen des produzierenden Gewerbes nieder, dennoch dominiert der Handel mit 80% die Aktivitäten in dem Areal. Der Erfolg der JAFZ war ausschlaggebend dafür, dass in der Folgezeit noch weitere Freihandelszonen – nicht nur in Dubai – eingerichtet beziehungsweise noch in Planung gegeben wurden. Bemerkenswert sind auch die Bemühungen der Führung, Dubai als IT- und Medienstandort zu positionieren. Die Dubai Internet City stellt die notwendige Infrastruktur bereit, "that enables ICT enterprises to operate locally, regionally and globally from Dubai, with significant competitive advantage". Namhafte Unternehmen wie Microsoft, Oracle und Canon nutzen bereits dieses Angebot. Die Dubai Media City zielt auf internationale Medienunternehmen ab, die sich in den speziell eingerichteten Studios und Bürogebäuden niederlassen sollen. CNN und Reuters haben hier beispielsweise Zweigstellen etabliert. 2004 wurde die erste Produktionsstätte für Chips, CDs, DVDs und Software, das Dubai Silicon Oasis gegründet, das zusammen mit dem Knowledge Village das "knowledge-economy-system" komplettiert. Der Mix aus Industrie und Dienstleistungen in den meisten Freihandelszonen kennzeichnet ebenfalls die Diversifizierung der Wirtschaft Dubais. Zusätzlich zu produzierendem Gewerbe und Logistikunternehmen werden heute auch moderne Dienstleistungen aus dem Bereich Bankwesen, Versicherung und Recht angeboten. Dubais zukünftige Entwicklung ist durch die Entwicklung des Dienstleistungssektors determiniert. Die strukturelle Verschiebung zu einem Dienstleistungszentrum par excellance zeigt sich in den breit gefächerten Dienstleistungsaktivitäten: Handel-, Reparatur-, Restaurant- und Hoteleinrichtungen, Transport- und Kommunikationswesen, Immobiliendienstleistungen, soziale und Personaldienstleistungen, Finanz- und Versicherungswesen, staatliche Leistungen sowie Haushaltsdienstleistungen. Der Anteil des Dienstleistungssektors am BIP Dubais ist von 38% im Jahre 1985 auf 71% 2003 gestiegen (vgl. Abb. 28). Die "Wasserscheide" zu Beginn der 1990er Jahre ist mit dem im gleichen Zeitraum rapide wachsenden BIP in Verbindung zu bringen (vgl. Abb. 26) und bestätigt darüber hinaus die erfolgreiche Diversifizierungsstrategie in den 1990er Jahren. Kapitel 4.3.2.3, Wer investiert in Dubai?: Insbesondere seit den Terroranschlägen von New York und Washington sind die Rückflüsse arabischer Geldanlagen aus Amerika und Europa beträchtlich. Es existieren keine genauen Zahlen über die Privatvermögen im Ausland. Dennoch gilt als sicher, dass allein im Jahr 2002 ein dreistelliges Milliardenvermögen aus Amerika abgezogen wurde, wo Untersuchungen der Finanzbehörden ebenso drohen wie Schadenersatzprozesse im Zusammenhang mit der Finanzierung von Terrornetzwerken wie Al Qaida. Das Geld für die Milliardeninvestitionen stammt demnach vor allem von Investoren der Region, die "heute noch von den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem US-amerikanischen Krieg gegen islamisch fundamentalistischen Terror" profitiert. Laut des Global Business Policy Council20 sehen asiatische Investoren Dubai an neunter Stelle der attraktivsten Investitionsstandorte, während Europäer es an 20. Stelle nennen. Unter japanischen und indischen Investoren rangiert Dubai auf dem 6. Platz, Investoren aus der Schweiz setzen Dubai auf den dritten Rang der attraktivsten Investitionsstandorte. ADI in Dubai sind im Jahr 2004 enorm angestiegen, auf 840 Mio. US-$, gegenüber 30 Mio. US-$ im Jahr zuvor21. Investoren des Chemie- und Elektronikbereichs äußern sich sehr zuversichtlich über die Entwicklung des produzierenden Gewerbes der Region. Insbesondere die Freihandelszonen – wie die JAFZ – sind für die Investoren aufgrund der Zoll- und Steuerprivilegien als Standort attraktiv. Die im Jahr 2005 eröffnete Industrial City in Dubai, die Investitionsanreize für die Schwerindustrie bietet, fördert das Interesse der Investoren zusätzlich. Die Direktinvestitionen in das Ausland fallen dagegen gering aus, sie werden auf 1% des BIP geschätzt. Im Vergleich dazu steuern Direktinvestitionen im Ausland zu dem BIP Hongkongs 24%, dem Singapurs 10% und dem der Schweiz 7,9% bei. Die Vorteile der Freihandelszonen-Strategie liegen auf der Hand, doch nicht alle Investoren teilen diese Euphorie. So gibt es beispielsweise Bedenken hinsichtlich der lokalen Geschäftspraktiken und geistigen Eigentumsrechte, da vertrauliche Informationen auf dem engen Raum einer Freihandelszone möglicherweise reibungsloser zu den umgebenden Wettbewerbern diffundieren. Die Bedenken haben jedoch scheinbar eine kulturelle Komponente: Asiatische Unternehmen scheinen sich weniger um mögliche Beeinträchtigungen zu sorgen als europäische oder amerikanische Firmen, wie die Entwicklung des Dragon Mart aufzeigt. Hier können sich bis zu 4.000 chinesische Firmen niederlassen, denen 15.000m² Lagerungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus ist der Aufbau einer "special China Town" vorgesehen, die bis zu 20.000 Händler anziehen möchte. Von den Unternehmensclustern versprechen sich die Verantwortlichen die Stärkung des komparativen Vorteils von Dubai – insbesondere im Hinblick auf asiatische Händler – "as a gateway to serve the Middle East and European Markets". Durch die geplante Erhöhung der Anzahl der Direktflüge in die USA, ausgehend von dem Dubai International Airport, wird auch dieser Markt in stärkerem Maße berücksichtigt werden. Für die Einordnung von Dubais Rolle im Weltwirtschaftssystem ist es notwendig auf einzelne Sektoren näher einzugehen. Nachfolgend werden die Entwicklungen in den Wirtschaftssektoren Handel, Transportwesen, produzierendes Gewerbe, Finanzen sowie Tourismus aufgezeigt.
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Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra über die neuen Berliner Hochschulverträge und den altbekannten Sanierungsstau, die Chancen des Exzellenzverbundes BUA – und wie es mit der Postdoc-Entfristung weitergeht.
Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra. Fotos: Nils Bornemann.
Frau Czyborra, am Dienstag hat der Berliner Senat die neuen Hochschulverträge beschlossen. Was drinsteht, war seit der Ihrer Einigung mit den Hochschulen im August im Wesentlichen bekannt. Vor allem, dass es bis 2028 jedes Jahr fünf Prozent mehr Landesgeld gibt und dass die Zahl der Lehramts-Studienplätze aufgestockt wird. Was ist aus Ihrer Sicht sonst noch bemerkenswert?
Ich bin sehr zufrieden mit dem Erreichten. Wir geben nicht einfach mehr Geld, wir haben auch die überkomplexe Systematik reformiert, nach der das Geldbislang verteilt wurde. Konkret: Wir haben die Zahl der Leistungsindikatoren für die Hochschulen verringert und dafür gesorgt, dass sich die gesetzten Anreize nicht mehr gegenseitig aufheben. Wichtig ist auch, dass Minderleistungen in einem Bereich nicht mehr durch Mehrleistungen an anderer Stelle ausgeglichen werden können. Es kann also zu Abzügen kommen.
Wie stark können die werden?
Theoretisch bis zu 30 Prozent. Aber da muss eine Hochschule schon alles falsch machen. Realistisch gehe ich von maximal fünf Prozent aus. Aber die können schon richtig wehtun.
Weil das meiste Budget in Personalkosten gebunden ist und jedes Minus voll auf die wenigen beweglichen Gelder durchschlägt. Und das ist eine gute Nachricht für die Hochschulen?
Die gute Nachricht ist, dass wir Leistung tatsächlich belohnen. Die Abzüge gehen ja nicht zurück in den Landeshaushalt, sondern fließen in den Topf der Qualitätsoffensive für die Lehre – aus dem wir dann wieder gezielte Maßnahmen in den Hochschulen finanzieren können, und zwar genau dort, wo eine besondere Innovationsdynamik herrscht. Das hilft auch den Präsidien. Beispiel Gleichstellung: Wenn eine Fakultät da nicht mitzieht, können die Hochschulleitungen die resultierenden Mittelabzüge direkt dorthin durchreichen, wo die Verantwortlichen sitzen. Allerdings, das gebe ich zu, hat unsere Indikatorik noch Schwächen.
Ina Czyborra, 57, ist promovierte Archäologin und stellvertretende SPD-Landesvorsitzende in Berlin. Über viele Jahre war sie wissenschaftspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus. Im April 2023 übernahm sie das Amt der Berliner Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege.
Welche meinen Sie?
Die dritte große Aufgabe der Hochschulen neben Lehre und Forschung ist der Transfer, da brauchen wir dringend mehr Output in Form technologischer und sozialer Innovationen, aber auch anderen Formen von Wissenstransfer. Dafür müssen wir aber erstmal wissen, wie wir erfolgreichen Transfer sinnvoll messen. Wir können ja nicht nach Bauchgefühl gehen. Unsere Aufgabe ist, diese harten Indikatoren jetzt zu entwickeln, damit wir sie in der nächsten Phase der Hochschulverträge einbauen können.
Keine Lösung präsentiert haben Sie darüber hinaus für die jetzt schon sechs Millionen Euro pro Jahr, die die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) für das Studienangebot für künftige Polizeikräfte ausgibt. Zugunsten der Senatsverwaltung des Innern – aber die zahlt nicht.
Das ist nicht die Verantwortung der Innenverwaltung, sondern Folge der Eigenheit der Finanzverwaltung, Sonderprogramme außerhalb der normalen Haushaltssystematik zu produzieren, die dann alle zwei Jahre erneuert werden müssen, was bei einem Studiengang von drei oder vier Jahren absolut keinen Sinn ergibt. In der Wissenschaftsverwaltung waren wir da aber vielleicht auch etwas blauäugig.
Inwiefern?
Weil uns die Finanzverwaltung immer wieder signalisiert hatte, dass sie die Polizei-Thematik in den Hochschulverträgen berücksichtigen wolle, worauf wir uns verlassen haben. Wenn es jetzt heißt, dafür gebe es ja die fünf Prozent für alle Hochschulen oben drauf, daraus müssten auch die Polizei-Studienplätze finanziert werden, dann muss uns die Finanzverwaltung die Frage beantworten, an welcher anderen Stelle die Hochschulen das nötige Geld einsparen sollen. Etwa bei der Byzantinistik oder der Altphilologie? Bei der Elektrotechnik oder dem Maschinenbau, weil es da gerade weniger Bewerber gibt? Sollen Kürzungen wirklich die Antwort sein?
"Das sind die Debatten, die ich mit den Hochschulen führen möchte"
Wie lautet denn Ihre Antwort?
Wir sollten diese Studiengänge nicht kaputtsparen, sondern gemeinsam mit den Hochschulen darüber reden, wie wir sie attraktiver machen. Das sind die Debatten, die ich unterhalb der Hochschulverträge in den nächsten Jahren mit den Hochschulen führen möchte. Gleichzeitig hoffe ich, dass wir irgendwann mit der Finanzverwaltung und anderen Ressorts zu einem klaren Verständnis kommen, was die Stadt eigentlich an Studienangeboten braucht und erwartet. Im Augenblick höre ich nur Klagen, die Hochschulen erhielten so viel Geld, doch die nötigen Fachkräfte seien trotzdem nicht da. Meine Gegenfrage an die anderen Ressorts lautet: Welche Personalbedarfe habt ihr denn? Definiert die bitte für die nächsten zehn, 15 Jahren – von der Zahl der Pflegekräfte über die Verwaltung bis hin zu Radweg- und Verkehrsplanern. Dann kann ich mit den Hochschulen besprechen, wie wir die Bedarfe decken, in Einklang mit der Wissenschaftsfreiheit, versteht sich. Doch bislang bekomme ich keine Antwort.
Unstrittig ist der Bedarf an zusätzlichen Lehrkräften.
Erfreulicherweise sieht es so aus, als sei die Zahl der Bewerber um einen Studienplatz gestiegen. Ob daraus mehr Immatrikulationen werden, wissen wir noch nicht.
Sie haben in den Hochschulverträgen verabredet, dass bis 2028 die Zahl der Lehramts-Studienplätze auf 2500 aufgestockt werden soll. Wird das reichen, um die Zahl der Studiengänge mit Zugangsbeschränkungen zu senken? Derzeit kann man die Signale an die Bewerber nur als widersprüchlich bezeichnen: Die Politik beklagt den Lehrermangel, gleichzeitig lässt sie viele Lehramts-NCs zu.
Das ist ein Schein-Widerspruch. Da, wo der Bedarf an Lehrkräften hoch ist, in Mathe, Chemie oder Physik etwa, haben wir keinerlei NCs. Wenn aber viele junge Menschen Politologie oder Geschichte auf Lehramt studieren wollen, obwohl es gar nicht so viel Personalbedarf für das Fach gibt, dann ist es legitim, wenn wir vergleichsweise wenig Studienplätze zur Verfügung stellen. Hinzu kommt ein Phänomen, über das nicht so gern geredet wird. Wenn Sie in Berlin Grundschullehramt studieren, müssen Sie Mathe belegen. Es sei denn, Sie wählen alternativ Sonderpädagogik. Wenn es da dann plötzlich 1000 Bewerber gibt und einen extremen NC, handelt es sich ganz offenbar um eine Fehlsteuerung.
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Mehr Lehrkräfte würde die Stadt auch dadurch bekommen, dass die hohen Schwundquoten im Studium runtergehen.
Diese behaupteten Schwundquoten gibt es doch in der Form bei uns gar nicht. Wir haben zum Beispiel einen Bachelor mit Lehramts-Option. Wenn sich Studierende dagegen entscheiden, fertig auf Lehramt zu studieren, ist das so im System angelegt und kein Studienabbruch, nur weil sie vielleicht nicht im Master of Education auftauchen. Aus der Humboldt-Universität höre ich, dass sie tatsächlich im Grundschullehramt signifikant niedrigere Abbrecherquoten als anderswo haben.
Man hört viel und weiß wenig, weil die exakten Zahlen nicht erhoben werden?
Natürlich würden wir gern mehr wissen, was aus den Studienanfängern wird. Natürlich stützen wir uns zu oft auf anekdotische Evidenz und hätten gern mehr Verbleibstudien. Aber die Auskunftsfreude derjenigen, die sich exmatrikulieren, ist gering, der Rücklauf von Fragebögen entsprechend überschaubar. Persönlich würde ich gern selbst mal eine der Mathe-Klausuren schreiben, die im Grundschullehramt obligatorisch sind. Von den Studierenden vernehme ich da die schlimmsten Geschichten, während mir etwa die Freie Universität mitteilt, der abgefragte Stoff gehe über den Satz des Pythagoras nicht hinaus. Zumindest dessen Beherrschung erwarte ich dann schon von jeder Grundschul-Lehrkraft. Sonst kommen wir in Deutschland nie raus aus dem verqueren Verhältnis, was viele Menschen zur Mathematik haben.
Ende des Jahres legt die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz ihre Empfehlungen zur Reform der Lehrkräftebildung vor. Wie groß wird danach der Reformeifer in Berlin ausfallen?
Ich beobachte mit einer gewissen Faszination, wie an vielen Orten in Deutschland schon jetzt kräftig herumreformiert wird. Vieles davon erscheint mir wenig systematisch. Genau diese Systematik erhoffe ich mir aber vom SWK-Gutachten. Sehr hilfreich fand ich bereits das Papier des Wissenschaftsrats zur Lehramtsausbildung im Fach Mathematik. In Berlin haben wir zusammen mit der Bildungsverwaltung einige Runde Tische mit Experten vor uns. Als nächstes möchte ich mit den Universitäten in eine offene und zugleich zielgerichtete Debatte einsteigen. Mein Ziel ist, dass wir im ersten Halbjahr 2024 Eckpunkte zur Reform der Lehrerbildung in Berlin vorlegen. Persönlich bin ich ein großer Fan von Ein-Fach-Lehramtsstudiengängen, die flexible Einstiege ermöglichen und doch qualitativ hochwertig sind. Was ich für keine gute Idee halte: Im Rahmen eines dualen Studiums die Studienanfänger ohne jeden Abstand zur eigenen Schullaufbahn am ersten Tag vor eine Schulklasse zu stellen. Das geht auf Kosten der Unterrichtsqualität und der Studierenden.
"Es gab die richtige und hehre Absicht, aber nie einen zu Ende gedachten Plan, wie sich der Sanierungsstau in sinnvollen Schritten abarbeiten ließe"
Zurück zu den Hochschulverträgen: Die Freude an den Hochschulen ist stark getrübt, weil sich parallel der enorme Sanierungsstau immer handfester bemerkbar macht. Die Technische Universität Berlin musste mehrere Gebäude kurzfristig schließen, TU-Präsidentin Geraldine Rauch warnt vor dramatischen Konsequenzen für die Hochschullehre.
Ich habe die Wortmeldungen von Frau Rauch zur Kenntnis genommen, auch ihre Mahnungen, die Baumisere gefährde Berlins Chancen in der Exzellenzstrategie. Dazu noch ihre Forderung, verschiedene Gebäude in die Sanierungsplanung aufzunehmen. Als nächstes wünsche ich mir konkrete Vorschläge, wie wir mit den kurzfristigen Problemen umgehen. Weder werden Frau Rauchs Exzellenz-Warnungen auf Begeisterung bei den anderen Universitäten stoßen noch wird das Setzen auf irgendwelche Sanierungslisten etwas ausrichten gegen einen Wasserschaden in der Chemie oder die mutwillige Sabotage in der Mathematik. Zumal das neue Mathematik-Gebäude ja längst im Werden und 2025 fertig ist. Aber was machen wir bis dahin? Wo will die TU Container hinstellen, um die akute Platznot zu beheben und den Betrieb zu stabilisieren? Die Studierenden haben ein Anrecht auf baldige Antworten. Mit Frau Rauch stehen wir zu all diesen Fragen in einem engen Austausch. Ich freue mich, dass seit der vergangenen Woche zumindest Teile beider Gebäude wieder genutzt werden können.
Aber Frau Rauch hat doch einen Punkt! Der damalige Regierende Bürgermeister Michael Müller und sein Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach hatten den Hochschulen schon vor Jahren bis 2036 jährlich 250 Millionen Euro für die Hochschulbau und -sanierung versprochen, doch diesen Aufbruch sieht man den Berliner Hochschulen nicht an.
Weil es zwar die richtige und hehre Absicht gab, aber nie einen zu Ende gedachten Plan, wie sich der Sanierungsstau über diesen langen Zeitraum in sinnvollen Schritten abarbeiten ließe. Hinzu kommt, dass sich die finanzielle Situation geändert hat. 2018 hatte wir steigende Steuereinnahmen, jetzt haben wir es mit enormen Baukostensteigerungen zu tun. Außerdem seit Jahren mit einem Fachkräfteproblem, auch in den Bauabteilungen der Hochschulen. Dann war da die Pandemie, die uns über Jahre im Griff hatte.
Und schließlich wurde viel Geld in Leuchtturmprojekte gesteckt.
Klar spielt das da rein, wenn wir, was ich für richtig und unabdingbar halte, für das Herzzentrum eine halbe Milliarde Euro ausgeben. Oder für das Museum für Naturkunde 330 Millionen. Beim Campus Tegel sind wir mittlerweile bei 365 Millionen angekommen, und die Planungen für die Charité, immerhin das siebtbeste Universitätskrankenhaus der Welt, schlagen ebenfalls zu Buche. Da sind Schwerpunkte gesetzt worden.
Und nun?
Was auf jeden Fall gilt: Wir müssen schneller werden, wegkommen von der Kameralistik und den ewigen Planungsprozessen zwischen drei Behörden und den Hochschulen. Es kann nicht sein, dass zwischen Beschluss und Fertigstellung eines Gebäudes zehn Jahre vergehen. Ich kann mir vorstellen, dass wir eine Hochschulbau-Gesellschaft gründen, die alles aus einer Hand macht. Aber die Hochschulen sollten sich auch an die eigene Nase fassen. Die TU hat in den vergangenen Jahren nur ein Drittel ihres Budgets für den Bauunterhalt ausgegeben und den Rest in die Rücklage gepackt. Wir alle müssen flexibler im Denken werden.
"Wir sollten als Land Berlin handeln und eine Gesellschaft für den Hochschulbau gründen."
Das heißt?
Da Studiengebühren ja kein Weg sind, sollten wir über neue Modelle der Baufinanzierung und -durchführung sprechen, wie sie zum Beispiel Österreich entwickelt hat. Dort gibt es die Bundesimmobilien-Gesellschaft, die den Schul- und Hochschulbau auf grundsätzlich neue, wirtschaftlich tragfähige Füße gestellt hat. Da wir Derartiges von unserem Bund nicht zu erwarten haben, finde ich, dass wir als Land Berlin handeln und eine Gesellschaft für den Hochschulbau gründen sollten. In die bringen wir bebaubare Grundstücke ein, das nötige Eigenkapital, und dann generieren wir über die Investitionsbank Berlin Brandenburg die nötige Restfinanzierung. Das würde auch planerisch große Synergien schaffen, darum möchte ich die Idee mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gern vorantreiben.
Vorantreiben wollten Sie und Ihre Mitstreiter:innen im Abgeordnetenhaus einst auch die Entfristung von Postdocs ins Berlin. Als Sie kurz vor der Abgeordnetenhauswahl 2021 den umstrittenen Paragraph 110, Absatz 6 ins neue Berliner Hochschulgesetz bugsierten, haben Sie und ihre Parlamentskolleg:innen von den Grünen und der Linken anschließend eine Flasche Sekt aufgemacht und sich beim Anstoßen ablichten lassen. War die Sektlaune verfrüht?
Der Wortlaut der Bestimmung war nicht wirklich zu Ende gedacht. Das war dem hohen Zeitdruck geschuldet, unter dem er entstand – und der wenig seriösen Zuarbeit aus der damaligen Wissenschaftsverwaltung…
…die die Regelung nicht wollte…
Aber es hat sich ja alles geklärt seitdem. Berlin kann sich auf die Fahnen schreiben, dass wir mutig vorangeschritten sind und die "#IchbinHanna"-Debatte massiv beflügelt haben. Das war nicht nur für die noch immer nicht abgeschlossene Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) auf Bundesebene wichtig, sondern hat die Berliner Hochschulen motiviert, spannende Personalkonzepte zu entwickeln.
Die wurden im Herbst 2022 bei der Senatsverwaltung eingereicht. Seitdem ist nichts passiert. Im Gegenteil: Der neue Senat von CDU und SPD hat die geplante Entfristung der Postdocs bis 2025 ausgesetzt.
Die Hochschulen haben versprochen, trotz der Aussetzung an den Konzepten festzuhalten. Nachdem wir die Hochschulverträge unter Dach und Fach haben, können wir uns jetzt die unterschiedlichen Ideen genauer anschauen. In den meisten Fällen läuft es auf "2+4"-Modelle hinaus: also zwei Jahre einfache Befristung nach der Promotion, die anschließende Befristung für weitere vier Jahre ist dann mit einer Anschlusszusage verbunden, natürlich abhängig von der Erfüllung vereinbarter Leistungskriterien. Es gibt weitere spannende Ideen, etwa den Plan des Instituts für Philosophie der Humboldt-Universität, die Personalmittel der Mehrheit der Professoren in fünf neue Tenure-Track-Stellen für Postdocs umzuwandeln.
Wo aber ist die politische Initiative?
Wir werten aus, was die Schwarmintelligenz der Berliner Hochschulen an Konzepten hervorgebracht hat, wir warten das Ergebnis der WissZeitVG-Reform ab, und dann passen wir den Paragraphen 110 entsprechend an. Es kann gut sein, dass wir durch die WissZeitVG-Reform und mögliche Öffnungsklauseln sogar mehr Regelungskompetenz auf Länderebene bekommen. Die werden wir nutzen.
"Es ist völlig unklar, wann die Richter sich äußern, das kann zehn Jahre dauern. Deshalb machen wir uns davon unabhängig."
Und irgendwann wird sich das Bundesverfassungsgericht zum Paragraph 110 äußern. Ende 2021 hatte die Humboldt-Universität Verfassungsbeschwerde eingereicht, im Frühjahr 2022 folgte die damals oppositionelle CDU-Fraktion mit einer Normenkontrollklage.
Es ist völlig unklar, wann die Richter sich äußern, das kann zehn Jahre dauern. Die Prioritäten des Gerichts liegen – vorsichtig formuliert – woanders. Eine Verfassungsklage gegen das Thüringer Hochschulgesetz harrt seit 2019 der Dinge. Deshalb machen wir uns davon unabhängig. In der Vereinbarung von CDU und SPD ist klar geregelt, dass wir auf die Reform im Bund warten, dass die Neuregelung dann aber zum 1. April 2025 in Kraft tritt.
TU-Präsidentin Rauch warnt vor Folgen des Sanierungsstaus für die Exzellenzchancen. Sie sagen, das werde den anderen Universitäten der Berlin University Alliance (BUA) nicht gefallen. Ist die Stimmung in der BUA so schlecht?
Die BUA hatte einen schwierigen Start. Das hatte mit Corona zu tun und mit einem Selbstfindungsprozess zwischen den Universitäten, der nicht einfach war. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass die Vorstellungen über den nächsten Antrag des Verbundes in der Exzellenzstrategie sehr klar sind.
Es gibt Stimmen, die sagen: Auf die Qualität des Antrags kommt es gar nicht an, die BUA ist ohnehin too big to fail.
Darauf würde ich mich nicht verlassen. Die BUA muss mehr sein als die Summe ihrer Teile, das hat auch etwas mit einem Gemeinschaftsgeist zu tun, der sich entwickeln muss. Dazu muss die BUA unter anderem das Verhältnis der einzelnen Cluster zueinander und zu ihrer Gesamtstrategie klären. Genau da haben wir noch einige Debatten vor uns.
Ein bisschen rosig gemalt, oder?
Die Wissenschaftslandschaft funktioniert nach ihren eigenen Gesetzen. Wer die heile Welt sucht, ist da falsch. Das gilt übrigens, sage ich als Gesundheitssenatorin, im Gesundheitswesen genauso. Hier wie da gibt es massive Einzelinteressen, daraus entsteht eine Vielstimmigkeit, die manchmal an Kakophonie grenzt. Das kann man nicht schönreden und ja, das erfordert mehr Commitment von allen BUA-Partnern.
Oder die Schlussfolgerung, dass es ein Fehler war, die Universitäten in die BUA zu drängen? Das Problem ist ja nicht die Zusammenarbeit in den einzelnen Clustern. Das Problem ist, dass die Hochschulleitungen ihre Entscheidungen zuallererst am Wohl der eigenen Institution ausrichten – auch wenn das auf Kosten der Partnerschaft geht.
Die Universitäten haben sich freiwillig zur BUA bekannt, und bei allem Einzelkämpfertum wissen sie, dass sie im Kampf um die wissenschaftlichen Fleischtöpfe dieser Welt nur in Kooperation bestehen können.
Hat die Exzellenzstrategie als Wettbewerb ihren Zenit überschritten? Fast alle Wissenschaftsminister:innen, die sie 2016 als Fortsetzung der Exzellenzinitiative auf den Weg gebracht haben, sind außer Dienst. Ihre Nachfolger finden andere Themen wie den Wissens- und Technologietransfer offenbar viel spannender. Die Politikerreden von "Exzellenz" weichen mehr und mehr den Forderungen nach Anwendungsnähe.
Ich glaube, dass der Exzellenz-Begriff falsch verstanden wird. Anders als oft behauptet geht es nicht um Elitenbildung, sondern Exzellenz bedeutet Relevanz, Transfer, Kooperation, das Arbeiten an den großen gesellschaftlichen Fragestellungen, den Grand Challenges. Übrigens bin ich überzeugt, dass auch Edelgard Bulmahn…
…die Bundesforschungsministerin, die die erste Exzellenzinitiative 2005 auf den Weg gebracht hat…
…Exzellenz genauso gemeint hat. Wenn ich die BUA-Cluster besuche, erlebe ich all das: transdisziplinäre Zusammenarbeit, die Suche nach Lösungen für die großen Probleme, die wir heute und in Zukunft haben. Die Cluster führen Menschen zusammen, die vorher nicht zusammengearbeitet haben, aus den verschiedensten Wissenschaften und Institutionen. In ihrem Miteinander, ihrer Vernetzung und an den Grenzflächen wird das wirklich Neue geschaffen.
" Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich nur eine einzige Wissenschaftlerin davon abschrecken lässt, dass es in Berlin nicht so leicht ist, einen Arzttermin zu bekommen."
Und während Sie über die großartigen Bedingungen der Spitzenforschung in Berlin schwärmen, berichten Forschende, dass sie keine Kita-Plätze für ihre Kinder bekommen, dass die Mieten unbezahlbar werden und sie ganze Nachmittage auf dem Einwohnermeldeamt verbringen.
Die Hürden in der Forschung haben Sie noch gar nicht erwähnt. Zum Beispiel, dass es viel zu lange dauert, bis Tierversuche genehmigt werden. Klar müssen wir bei all dem besser werden. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, dass sich nur eine einzige Wissenschaftlerin davon abschrecken lässt, dass es in Berlin nicht so leicht ist, einen Arzttermin zu bekommen – wenn umgekehrt ein für sie einzigartiges Forschungsumfeld lockt.
Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sagte neulich hier im Blog, man solle beim Vergleich der Metropolen auch über das Funktionieren der Bürokratie reden, und was das Fünf-Prozent-Plus in den Berliner Hochschulverträgen angeht, sagte sie: "Ich schaue mir die Zahlen immer gern sehr genau an und stelle dann fest: Fünf Prozent auf dem Papier sind am Ende nicht immer fünf Prozent, die bei den Hochschulen ankommen."
Und ich sage immer: Berlin und Hamburg sind neidische Schwestern. Wir streiten uns, aber irgendwie haben wir uns dann doch lieb. In Sachen Verwaltung könnten wir in der Tat einiges von Hamburg lernen. Wir versuchen das auch seit Jahrzehnten. Nur ist das mit der Umsetzung in Berlin immer eine besondere Herausforderung, das hat mit der Zerrissenheit der Stadt zu tun. Genau diese Zerrissenheit, diese manchmal chaotische Vielfalt ist es aber auch wiederum, die die Leute in die Stadt zieht. Ich erinnere mich an eine Islamwissenschaftlerin aus Yale, die dort irre viel Forschungsgeld und wenig Lehrverpflichtung hatte und doch nach Berlin kam, wegen der Stadt, wegen der Leute, wegen der wissenschaftlichen Dynamik.
Viele andere Landeswissenschaftsminister waren in den vergangenen Jahren zunehmend genervt von Berlin, das eine Bundesförderung nach der anderen einheimste. Bestes Beispiel: die Eingliederung des bundesfinanzierten Berliner Instituts für Gesundheitsforschung (BIG) in die Charité, ein zu dem Zeitpunkt bundespolitisch einzigartiger Vorgang. Verstehen Sie, wenn Ihre Kollegen sagen: Jetzt reicht es aber mal?
Ich kann das nachvollziehen. Wir sind ein föderaler Staat, wir haben viele Zentren. Wenn Misstrauen gegenüber einer großen und weiter wachsenden Hauptstadt entsteht, begleitet von der Angst, abgehängt zu werden, müssen wir das ernstnehmen. Hier gilt tatsächlich dieser Begriff "too big to fail": Alle wollen nach Berlin, die Studierenden, die Wissenschaftler:innen, viele neue außeruniversitäre Forschungsinstitute sind bei uns entstanden. Wenn die staatlichen Gelder knapper werden, fällt es anderen noch schwerer, mit uns im Streit um die besten Köpfe mitzuhalten.
Mit Verlaub: Oft war es weniger die wissenschaftliche Qualität, sondern das schon legendäre Verhandlungsgeschick von Müller und Krach.
Wir hatten aber auch die Flächen, wir konnten sagen: Kommt nach Berlin, wir stellen euch ein neues Gebäude mitten in die Stadt. Jetzt ist der Platz knapper, die Preise sind zu hoch, wir können nicht mehr alle und jeden zentral unterbringen. Wir können auch nicht immer noch mehr Kofinanzierung für vom Bund mitfinanzierte Einrichtungen leisten. Jetzt geht es mehr ums Konsolidieren und Qualität als Wachstum um jeden Preis, wir müssen die Ansiedlungen, die wir erreicht haben, langfristig finanziell absichern. Und ansonsten wählerisch sein und uns fragen: Was fehlt uns wirklich noch in der Berliner Wissenschaft?
"Wenn der Bund über die grundsätzliche Finanzarchitektur zwischen Bund und Ländern reden will: aber gern. Dann sollten wir aber überall da anfangen, wo die Bundesregierung Beschlüsse zulasten Dritter, von uns Ländern, macht"
Gerade jetzt fordert der Bund von den Ländern sogar noch mehr Kofinanzierung, wenn sie bestehende Bund-Länder-Programme fortgesetzt sehen wollen. Aktuell steht unter anderem die Verlängerung der Forschungsförderung an Hochschulen für angewandte Wissenschaften an. Bisher zahlen die Länder da keinen Euro dazu. Der Bund will künftig immer und überall mindestens 50 Prozent Länderanteil. Haben Sie dafür Verständnis?
Nein, habe ich nicht. Wenn der Bund seine Kooperation nur noch zu Bedingungen anbieten will, die sich kein Land leisten kann, wenn er sich dann als Konsequenz aus der Forschungsförderung zurückziehen würde oder aus dem Ausbau digitaler Bildungsangebote an Schulen und Hochschulen, dann frage ich: Worin sonst besteht die originäre Aufgabe eines Bundesministeriums für Bildung und Forschung, wenn nicht im Setzen solcher zusätzlichen Impulse? Die Kofinanzierung von uns Ländern ist die um ein Vielfaches teurere Grundfinanzierung, die wir jeden Tag leisten. Wenn der Bund über die grundsätzliche Finanzarchitektur zwischen Bund und Ländern reden will: aber gern. Dann sollten wir aber überall da anfangen, wo die Bundesregierung Beschlüsse zulasten Dritter, von uns Ländern, macht. Wenn ein FDP-Bundesfinanzminister die Umsatzsteuer für die Gastronomie dauerhaft auf sieben Prozent senken möchte, kostet das allein Berlin 90 Millionen pro Jahr. Das ist anderthalbmal so viel, wie der Bund insgesamt für die Förderung von Forschung an HAWs in allen 16 Ländern ausgibt.
Was antwortet Ihnen Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger auf solche Argumente?
Es gibt ja leider nicht so viel Austausch mit ihr. Vergangene Woche war sie eine Stunde bei der Kultusministerkonferenz dabei. Eigentlich müssten wir Ministerinnen und Minister uns open end zusammensetzen und miteinander klären, wie wir die anstehenden Zukunftsaufgaben stemmen wollen: vom Klimaschutz über die Digitalisierung und die Gebäudesanierung bis hin zu Investitionen in neue Forschungsprogramme. Das Fingerzeigen aufeinander können wir uns nicht mehr leisten.
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Warnung zur Verfügbarkeit
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Unterrichtseinheit zum Thema Kinderrechte und deren Untersuchung und Umsetzung in der Schule (Grundschule, Klassenstufen 3/4, 3-4 (Doppel-)Stunden)
Die Kinderrechte als über die Menschenrechte hinausgehende Bestimmungen sind sowohl international anerkannt als auch Teil des baden-württembergischen Bildungsplans für die Grundschule. Darüber hinaus stellt die Kenntnis über die eigenen Rechte eine bedeutsame Ressource für Kinder dar.
Die Vorstellung einer Unterrichtseinheit zur Heranführung an die Kinderrechte und deren Untersuchung und Umsetzung im schulischen Kontext für die Klassenstufen 3/4 der Grundschule ist Inhalt des folgenden Blogbeitrags:Auf eine theoretische Einführung zum Hintergrund der Kinderrechte folgt die Begründung der Relevanz der Thematik. Daran schließen didaktische Überlegungen zu Zeitpunkt, Thema und Inhalten sowie Intentionen an. Der Teil Aufbau der Unterrichtseinheit beinhaltet eine Beschreibung der vier (Doppel-)Stunden, inklusive Vorschlägen zur Abwandlung und Anpassung an andere Klassenstufen sowie Informationen zu Alternativen, die erwogen wurden.Im Anhang findet man neben den Unterrichtsskizzen (Übersicht) Materialien und Formulierungsideen für die vorgestellte Unterrichtseinheit auch eine ausführliche Liste zu empfehlenden Unterrichtsmaterials anderer Websites und Organisationen sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis mit sowohl Online- als auch Printliteratur, um Möglichkeiten zur weiteren Vertiefung, beispielsweise im Hinblick auf die Partizipation von Kindern in der Schule oder bezüglich des Zusammenhangs zwischen Kinderrechten und Demokratie, zu geben.Die im Blogbeitrag angegebenen Literaturangaben finden sich entweder im Literaturverzeichnis oder in der Liste mit zu empfehlendem Unterrichtsmaterial. Ein Abkürzungsverzeichnis am Ende des Blogbeitrags ist ebenfalls vorhanden.Theoretische Einführung
Überblick
Die Kinderrechte sind in der Konvention über die Rechte des Kindes, auch 'Kinderrechtskonvention' (kurz: KRK, englisch: Convention on the Rights of the Child, kurz: CRC), festgeschrieben und damit völkerrechtlich verbindlich (vgl. BMZ 2023). Die KRK wurde 1989 durch die Vereinten Nationen (kurz: VN, englisch: United Nations, kurz: UN) angenommen und ist 1990 in Kraft getreten (vgl. Gareis/Varwick 2014, S. 192, ausführlicher siehe Historischer Verlauf). Sie ist einer der meistratifizierten Menschenrechtsverträge (vgl. DIMR 2023b), nachdem sie von allen Ländern mit Ausnahme der USA ratifiziert wurde (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner 2023, ausführlicher siehe Ratifizierung). In Deutschland gilt die KRK seit 1992 (vgl. Auswärtiges Amt 2023, ausführlicher siehe Deutschland).
Die KRK umfasst 54 Rechte, die sich in mehrere Kategorien differenzieren lassen (ausführlicher siehe Inhalt und Aufbau). Außerdem existieren drei Zusatzprotokolle, die allerdings nicht in gleicher Zahl ratifiziert sind wie die KRK selbst (vgl. United Nations Human Rights Office of the High Commissioner 2023). Zentrales Prinzip ist es, im "besten Interesse des Kindes" zu handeln (vgl. BMZ 2023). Als Kind gilt dabei "jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt" (Artikel 1 der UN-KRK, UN-Generalversammlung 1989, S. 9).
Kinder benötigen "besonderen Schutz, besondere Förderung und besondere, kindgerechte Beteiligungsformen" (vgl. Maywald 2010), da sie "in vielerlei Hinsicht besonders verletzbar" (Auswärtiges Amt 2023) und von Erwachsenen abhängig sind. Durch die KRK werden Kinder erstmals als eigenständige (Recht-)Subjekte anerkannt (vgl. DIMR2023a, ausführlicher siehe Historischer Verlauf).
Das sich im Anhang befindliche Literaturverzeichnis beinhaltet unter 'Primärliteratur' Angaben zu fünf online frei zugänglichen Versionen der KRK: deutsch, deutsch mit Zusatzprotokollen, deutsch kinderfreundliche Version, verschiedene Sprachen kinderfreundliche Version, englisch.
Historischer Verlauf
Lange Zeit wurden Kinder als den Erwachsenen unterlegen betrachtet und waren "rechtlich und faktisch nicht gleichgestellt" (Maywald 2010). Erst 1924 wurde vom Völkerbund, dem Vorläufer der VN, eine Kindercharta, die Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes (englisch: 'Geneva Declaration'), verabschiedet. Sie war allerdings nicht rechtsverbindlich (vgl. bpb 2019). Ihre Überarbeitung durch die VN mündete 1959 in die Erklärung der Rechte des Kindes, die das Kind erstmals auf internationaler Ebene als Rechtsträger anerkannte und den Begriff des Kindeswohls definierte (vgl. Maywald 2010). Anlässlich des 'Jahres des Kindes' 1978 schlug die polnische Regierung vor, die Erklärung der Rechte des Kindes von 1959 in einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag umzuwandeln. Nach mehrjähriger Tätigkeit einer entsprechenden Arbeitsgruppe wurde am 20. November 1989 die heute gültige Kinderrechtskonvention einstimmig von der Generalversammlung der VN verabschiedet (vgl. bpb 2019). Dieses Datum gilt seither als der Tag der Kinderrechte (vgl. bpb 2017).
Die Links zur Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes von 1924 und zur Erklärung der Rechte des Kindes von 1959 finden sich auch im angehängten Literaturverzeichnis unter 'Primärliteratur, Weitere Konventionen'.
Ratifizierung
Folgende Tabelle zeigt den Status der KRK und ihrer Zusatzprotokolle (Stand 2023). Die Daten entstammen einer interaktiven Karte des United Nations Human Rights Office of the High Commissioner.
"State Party" (ratifiziert)
"Signatory" (unterzeichnet)
"No Action" (nichts)
UN-Kinderrechtskonvention
196
1 (USA)
0
1. Zusatzprotokoll (Schutz vor Kinderhandel)
178
7
12
2. Zusatzprotokoll (Schutz in bewaffneten Konflikten)
173
7
17
3. Zusatzprotokoll (Individualbeschwerden)
50
16
132
Durch die freiwillige Handlung der Ratifizierung gehen die Staaten eine rechtlich bindende Verpflichtung ein (vgl. Würth/Simon 2012).
Stellenwert
Laut Maywald (2010) ist die KRK "insofern einmalig, als es die bisher größte Bandbreite fundamentaler Menschenrechte – ökonomische, soziale, kulturelle, zivile und politische – in einem einzigen Vertragswerk zusammenbindet." Die Relation zu den Menschenrechten ist dabei unzureichend bestimmt (vgl. Busen/Weiß 2023). Durch weitere Konventionen einen vergleichbaren Schutz erfahren Frauen, Wanderarbeiter*innen, Menschen mit Behinderungen sowie Gefolterte und Verschwundene (vgl. ebd.).
Inhalt und Aufbau
Die 54 Artikel der KRK lassen sich in drei Kategorien unterteilen: Schutzrechte, Förderrechte und Beteiligungsrechte (vgl. BMFSFJ 2023, BMZ 2023, DIMR2023a, Maywald 2010, Würth/Simon 2012).
Außerdem verfügt die KRK über vier Grundprinzipien: Nichtdiskriminierung, Kindeswohlvorrang, Recht auf Leben und Entwicklung sowie Beteiligung des Kindes und Berücksichtigung seiner Meinung (vgl. Auswärtiges Amt 2023, BMFSFJ 2023, BMZ 2023, Würth/Simon 2012). Sie sind in den Artikeln 2, 3, 6 und 12 festgehalten (vgl. DIMR 2023b), weswegen diese als die wichtigsten Artikel der KRK bezeichnet werden (vgl. Maywald 2010).
Schlussendlich umfasst die KRK vier Verfahrensregeln: die Verpflichtung der Staaten zur Bekanntmachung der Kinderrechte (Art. 42), die Einsetzung eines Ausschusses der VN für die Rechte des Kindes (Art. 43), die Berichtspflicht über die Maßnahmen zur Verwirklichung der Kinderrechte (Art. 44) sowie die Mitwirkungsmöglichkeiten von Nichtregierungsorganisationen (Art. 45) (vgl. Maywald 2010).
Die drei Zusatzprotokolle der KRK wurden im Anschluss an den 20. November 1989 verabschiedet.Fakultativprotokoll zur Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten: 12. Februar 2002Fakultativprotokoll über den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und Kinderpornografie: 18. Januar 2002Fakultativprotokoll: Individualbeschwerde-, Staatenbeschwerde- und Untersuchungsverfahren: 14. April 2014 (vgl. DIMR 2023b)
Umsetzung
Die KRK als völkerrechtliches Übereinkommen stellt "nicht Gesetzgebung im geläufigen Sinne, sondern Vertragsrecht" (Maywald 2010) dar, was lediglich Verpflichtungen der Vertragsstaaten begründet. Diese sogenannten Staatenpflichten sind bei menschenrechtlichen Verträgen die folgenden:Respektierungspflicht / duty to respect: "der Staat ist verpflichtet, Verletzungen der Rechte zu unterlassen"Schutzpflicht / duty to protect: "der Staat hat die Rechte vor Übergriffen von Seiten Dritter zu schützen"Gewährleistungspflicht / duty to fulfill: "der Staat hat für die volle Verwirklichung der Menschenrechte Sorge zu tragen" (Maywald 2010)
Darüber hinaus verpflichten sich die Vertragsstaaten zu internationaler Zusammenarbeit (vgl. Würth/Simon 2012).
Die konkrete Umsetzung der Kinderrechte wird durch die nationalen Gesetzgebungen der einzelnen Länder geregelt. Lediglich Artikel 2, 3, 6 und 12 (ausführlicher siehe Inhalt und Aufbau) als sogenannte unmittelbar anwendbare Rechte (englisch: self executing rights) sind davon ausgenommen (vgl. ebd).
In der Bundesrepublik Deutschland haben die Kinderrechte beispielsweise in Form des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und des Rechts aller Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr auf einen öffentlichen Betreuungsplatz Eingang in das Grundgesetz gefunden (vgl. bpb 2019).
Überprüfung
Die VN verfügen, wie in Artikel 43 der KRK gefordert (vgl. Maywald 2010), über einen 'Ausschuss für die Rechte des Kindes' (kurz: Kinderrechtsausschuss), der die Einhaltung der KRK überwacht und als Adressat für Individualbeschwerden dient (vgl. Auswärtiges Amt 2023).
In Deutschland erfolgt die Kontrolle der Umsetzung der Kinderrechte durch eine unabhängige Monitoring-Stelle, die beim Bundesfamilienministerium eingerichtet ist (vgl. bpb 2019).
Artikel 44 beschreibt weiterhin, dass die Vertragsstaaten regelmäßig über ihre Maßnahmen zur Verwirklichung der Kinderrechte zu berichten haben (vgl. Auswärtiges Amt 2023). Dies geschieht in Form von Staatenberichten, wodurch die KRK als "eher schwaches völkerrechtliches Instrument" (Gareis/Varwick 2010, S. 197) gilt. Der Fünfte und Sechste Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland wurde im April 2019 dem Kinderrechtsausschuss vorgelegt (vgl. Auswärtiges Amt 2023). Ein Link zum Download ist auch im Literaturverzeichnis dieses Blogbeitrags unter 'Primärliteratur' zu finden.
Deutschland
In Deutschland erlangte die KRK 1992 Gültigkeit (vgl. Auswärtiges Amt 2023) – zu Beginn allerdings mit Einschränkungen, nachdem nicht klar war, ob sie mit dem deutschen Ausländerrecht, konkret mit der Möglichkeit, minderjährige nicht-deutsche Staatsangehörige in ihre Herkunftsländer auszuweisen oder abzuschieben, kollidieren würde (vgl. bpb 2017). Die erklärten Vorbehalte wurden 2010 zurückgenommen (vgl. BMFSFJ 2023), wodurch die KRK verbindlich geltendes Recht wurde (vgl. DIMR 2023c).
Die KRK hat Auswirkungen auf die nationale Gesetzgebung der Bundesrepublik (ausführlicher siehe Umsetzung). Dennoch sind die Kinderrechte in Deutschland bisher kein eigener Teil des Grundgesetzes. Dies ist Gegenstand einer Debatte. Als Argumente für die Aufnahme werden genannt:die Stärkung des Bewusstseins für die Rechte von Kindern;die Verbesserung der Position von Kindern gegenüber dem Staat und im Konfliktfall gegenüber ihren Eltern;die Stärkung der elterlichen Verantwortung, die Rechte des Kindes zur Geltung bringen;die Förderung der Berücksichtigung von Kindesinteressen im politischen Raum sowie der damit einhergehende Ausdruck des hohen Rangs von Wohl und Rechten von Kindern (vgl. Maywald 2010).Außerdem können Kinder zum aktuellen Zeitpunkt, im Gegensatz zu anderen Grundrechtsträgern, ihre Rechte an vielen Stellen nicht selbst einfordern, da sie weiterhin als Objekte betrachtet werden (vgl. bpb 2017). Das Deutsche Institut für Menschenrechte spricht darüber hinaus davon, dass die Kinderrechte in Deutschland grundlegend "noch nicht ernst genommen und oftmals leichtfertig übergangen" werden (DIMR 2023a).Gegenstimmen einer Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz berufen sich darauf, dass dies nicht dazu führen würde, dass Kinder mehr Rechte erhielten (vgl. bpb 2023a). Eine Rechtsangleichung wird vom UN-Kinderrechtsausschuss empfohlen und entspricht einer Vorgabe der Grundrechte-Charta der EU (vgl. Maywald 2010).
In Bezug auf die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland werden von unterschiedlichen Seiten Forderungen gestellt. Sie beziehen sich unter anderem auf die Schaffung von Bildungsgerechtigkeit (vgl. Maywald 2010). Weiterhin verlangt wird die Erhebung von mehr kinderrechtsbasierten Daten zur Untersuchung der Wirkung politischer Maßnahmen, die gezielte Stärkung der Selbstorganisation von Kindern und Jugendlichen, insbesondere in öffentlichen Bildungseinrichtungen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, sowie, nach Vorbild anderer Vertragsstaaten, die Errichtung leicht zugänglicher Kinderrechtsinstitutionen und -stellen im direkten Lebensumfeld von Kindern (vgl. DIMR 2023a).Kinder selbst fordern laut der Bundeszentrale für politische Bildung ein Recht auf Taschengeld, das Recht zu wählen sowie ein Recht auf Arbeit, das sich auf die Aufwertung der sozialen Stellung von arbeitenden Kindern und so die Stärkung ihrer Verhandlungsmacht bezieht (vgl. bpb 2023a).Relevanz der Thematik
"Die Kinderrechte und die Geltung und grundlegende Einhaltung dieser Rechte in Deutschland sind eine bemerkenswerte Errungenschaft, die vielen Kindern wahrscheinlich gar nicht bewusst ist" (Bohlen 2021). Dieses von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte Zitat fasst hervorragend zusammen, weswegen die Behandlung der Kinderechte im Unterricht von Relevanz ist:Die Kinderrechte bieten, wie bereits in der theoretischen Einführung beschrieben, bis dato nie dagewesene rechtliche Möglichkeiten für Kinder. Deren Einforderung durch Kinder kann allerdings nur geschehen, wenn sie über ihre Rechte im Bilde sind. Schule im allgemeinen und der Politik- beziehungsweise in der Primarstufe der Sachunterricht im besonderen hat den Auftrag, die Mündigkeit der Schüler*innen zu fördern (vgl. Detjen 2007, S. 211). Demnach obliegt Schule auch die Aufgabe, über die Kinderrechte zu informieren. Dies entspricht darüber hinaus dem "pädagogischen Blickwinkel" nach Kahlert (2010, S. 267), der Sachunterrichtsplanung als "begründungspflichtige Anforderung an professionelles Lehrerhandeln" (ebd., S. 264) mit mehreren, zu begründenden Dimensionen beschreibt (vgl. ebd., S. 267), indem folgende Leitfrage beantwortet wird: "Warum ist dies [der Inhalt, Anm. LS] sinnvoll für die Persönlichkeitsentwicklung des einzelnen Kindes?" (ebd.).
Im Kontext von Sachunterricht wird durch die Thematisierung von Kinderrechten weiterhin die Umsetzung sowohl der ersten als auch der zweiten Dimension der Allgemeinbildung nach Klafki (2005) erreicht, da nicht nur Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit gefördert werden, sondern die Kinderrechte auch Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung haben (vgl. ebd.). Ferner wird der Behandlung der epochaltypischen Schlüsselprobleme der Ungleichheit innerhalb von Gesellschaften und der internationalen Ungleichheit nachgekommen (vgl. ebd.). Der "kulturelle Stellenwert" als zweite Komponente der begründungspflichtigen "bildungstheoretischen Dimension" nach Kahlert (2010, S. 267) und der Frage danach, "welche Bedeutung es für das Zusammenleben heute und in Zukunft hat, wenn Kinder in der Schule diesem Inhalt begegnen" (ebd.), wird somit ebenfalls Rechnung getragen.
Auch der baden-württembergische Bildungsplan von 2016 für das Fach Sachunterricht fordert die Auseinandersetzung mit dem Thema Kinderrechte explizit. Im Bereich der inhaltsbezogenen Kompetenzen für die Klassenstufen 3/4 wird unter '3.2.1 Demokratie und Gesellschaft 3.2.1.4 Politik und Zeitgeschehen' Folgendes genannt:"DenkanstößeWie wird die aktive Umsetzung von Grund- und Kinderrechten in der Klasse und Schule gestaltet?Wie reagiert die Schule auf Missachtung der Kinderrechte im Schulalltag? [...]TeilkompetenzenDie Schülerinnen und Schüler können(1) zentrale ausgewählte Grund- und Kinderrechte beschreiben und auf konkrete Situationen in Deutschland und andere Länder übertragen(Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016, S. 36)
Außerdem wird mit der Thematisierung der Kinderrechte der prozessbezogenen Kompetenz '2.5 Reflektieren und sich positionieren' nachgekommen:"Die Schülerinnen und Schüler können[…] 2. Empathiefähigkeit entwickeln und Perspektivwechsel vornehmen (zum Beispiel […] in der Auseinandersetzung […] mit Grund- und Kinderrechten […])" (ebd., S. 12)
Im Bereich der Denkanstöße besonders betont wird die Umsetzung der Kinderrechte in der Schule. Vor diesem Hintergrund scheint die Forderung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, insbesondere in Bildungseinrichtungen mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder zu schaffen (vgl. DIMR 2023a, ausführlicher siehe Theoretische Einführung, Deutschland), noch bedeutsamer.Didaktische Überlegungen
Zeitpunkt
Da die Grundrechte ebenfalls Teil des Bildungsplans sind (ausführlicher siehe Relevanz der Thematik), bietet es sich an, die Unterrichtseinheit zu Kinderrechten in zeitlicher Nähe zu einer Behandlung der Grundrechte durchzuführen.
Themen und Inhalte
Die Unterrichtseinheit beschäftigt sich mit der Umsetzung von Kinderrechten, zuvorderst im Kontext Schule. Dies begründet sich zum einen in der durch die Denkanstöße des baden-württembergischen Bildungsplans gelegten Basis (ausführlicher siehe Relevanz der Thematik). Zum anderen wird angestrebt, Schüler*innen die Kinderrechte als solche Rechte zu vermitteln, über die sie selbst verfügen und die sie in ihrem direkten Umfeld jederzeit einfordern können. Hintergrund bildet auch die Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, dass diese Möglichkeiten, insbesondere im Bildungskontext, bisher nicht in ausreichender Anzahl und Erreichbarkeit vorhanden sind (vgl. DIMR 2023a, ausführlicher siehe Theoretische Einführung, Deutschland). Partizipation ermöglicht darüber hinaus, die eigene Selbstwirksamkeit zu erfahren, was ein positives Selbstkonzept fördert. Eine Auseinandersetzung mit weiteren erwogenen Schwerpunkten der Unterrichtseinheit erfolgt im Teil Aufbau der Unterrichtseinheit, Erwogene Alternativen.Die Themen der ersten beiden Unterrichtsstunden sind als Fragen formuliert: 'Kinderrechte – Welche Rechte habe ich?', 'Kinderrechte – Wie können wir sie umsetzen?'. Daraus ergeben sich drei Vorteile: Erstens wird dem Unterrichtsprozess Geschlossenheit verliehen, da sich die Frage als roter Faden durch die Stunde zieht und die einzelnen Unterrichtssituationen miteinander verbindet (vgl. Tänzer 2010, 132). Zweitens ermöglicht eine Frage, den Unterricht weniger lehrkraftzentriert zu gestalten, da die Schüler*innen selbst Lösungen finden sollen (ebd.). Und drittens verlangt eine Frage nach einer Antwort, was motivationale Aspekte fördert und eine Ergebnissicherung einschließt. Die dritte und gegebenenfalls vierte Unterrichtsstunde sind mit 'Kinderrechte – Wir setzen sie um!' betitelt, was den produzierenden Charakter der Stunde verdeutlicht sowie durch das Personalpronomen 'Wir' den Klassenzusammenhalt fokussiert und einen Hinweis auf die Sozialform liefert.
Die KRK umfasst 54 Rechte, die nicht alle Inhalt des Unterrichts sein können und müssen. Im Bildungsplan wird die Formulierung "ausgewählte Grund- und Kinderrechte" (Ministerium für Jugend, Kultus und Sport Baden-Württemberg 2016, S. 36) genutzt. Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über diejenigen Kinderrechte, die vor dem Hintergrund einer ausführlichen Recherche und unter Beachtung der Adressat*innengerechtigkeit für die Unterrichtseinheit vorgeschlagen werden. Die Auswahl obliegt der Lehrkraft.Es wird empfohlen, die vier Grundprinzipien der KRK (Art. 2, 3, 6, 12) in jedem Fall zu thematisieren. Weiterhin ist es sinnvoll, darüber zu sprechen, dass die KRK Artikel beinhaltet, die die Umsetzung der Kinderrechte regeln (Art. 43-54). Schlussendlich wird im Verlauf der Unterrichtseinheit der Film "Kinderrechte raten" der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb 2022d) eingesetzt, weswegen es sich anbietet, auch die dort vorkommenden Kinderrechte vorab anzusprechen.Die Anzahl der weiteren Kinderrechte kann je nach Klassenstufe, -größe und -zusammensetzung variiert werden (ausführlicher siehe Ablauf der Unterrichtseinheit, Abwandlungen / Anpassung an andere Klassenstufen). Insbesondere im Zusammenhang mit Krieg und Flucht sollten die Vorerfahrungen und mögliche Traumata der Schüler*innen berücksichtigt werden. Sensibilität ist geboten.
Artikel
Offizielle Bezeichnung
Kinderfreundliche Bezeichnung (in Anlehnung an Deutsches Komitee für UINCEF 2023a, 2023h, BMFSJ 2018)
Inhaltliche Begründung (ausführlicher siehe Theoretische Einführung, Inhalt und Aufbau)
Didaktische Begründung
2
Achtung der Kinderrechte; Diskriminierungsverbot
Recht auf Gleichheit
4 Grundprinzipien / unmittelbar anwendbares Recht
3
Wohl des Kindes
Recht auf das Beste für jedes Kind
6
Recht auf Leben
Recht auf Leben
12
Berücksichtigung des Kindeswillens
Recht auf eine eigene Meinung und darauf, ernst genommen zu werden
13
Meinungs- und Informationsfreiheit
Beteiligungsrecht
Einteilung logo!: Öffentliche Rechte (vgl. BMFSJ 2018, S. 40)
16
Schutz der Privatsphäre und Ehre
Recht auf Privatsphäre
Schutzrecht
Einteilung logo!: Private Rechte (vgl. BMFSJ 2018, S. 33)
17
Zugang zu den Medien; Kinder- und Jugendschutz
Recht auf Medien
Beteiligungsrecht
Film bpb "Kinderrechte raten" (vgl. bpb 2022d)
22
Flüchtlingskinder
Recht auf besonderen Schutz und Hilfe für Flüchtlingskinder
Schutzrecht
Einteilung logo!: Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (vgl. BMFSJ 2018, S. 52ff.)
23
Förderung behinderter Kinder
Recht auf besondere Förderung und Unterstützung für behinderte Kinder
Förderrecht
Poster UNICEF (vgl. Deutsches Komitee für UINCEF 2023g)
24
Gesundheitsvorsorge
Recht auf Gesundheit
Förderrecht
Einteilung logo!: Recht auf Fürsorge (vgl. BMFSJ 2018, S. 32)
27
Angemessene Lebensbedingungen; Unterhalt
Recht auf gute Lebensverhältnisse
Schutzrecht
Einteilung logo!: Recht auf Fürsorge (vgl. BMFSJ 2018, S. 30)
28
Recht auf Bildung; Schule; Berufsausbildung
Recht auf Bildung
Förderrecht
Film bpb "Kinderrechte raten" (vgl. bpb 2022d)
31
Beteiligung an Freizeit, kulturellem und künstlerischem Leben; staatliche Förderung
Recht auf Spiel und Freizeit
Förderrecht
Film bpb "Kinderrechte raten" (vgl. bpb 2022d)
32
Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung
Recht auf Schutz vor ausbeuterischer Kinderarbeit
Schutzrecht
Einteilung logo!: Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (vgl. BMFSJ 2018, S. 45)
38
Schutz bei bewaffneten Konflikten; Einziehung zu den Streitkräften
Recht auf Schutz im Krieg
Schutzrecht
Einteilung logo!: Schutz vor Ausbeutung und Gewalt (vgl. BMFSJ 2018, S. 50f.)
43-54
"Diese Artikel erklären, wie die Vereinten Nationen in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie UNICEF dafür sorgen wollen, dass die Kinderrechte eingehalten werden." (UNICEF 2023a)
u.a. Verfahrensregeln (Art. 42-45)
Hinweise zu den didaktischen Begründungen:Das Buch "Die Rechte der Kinder. von logo!einfach erklärt" (BMFSJ 2018) beinhaltet eine sinnvolle Einteilung, die über die Einteilung in Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte hinausgeht. Das Poster "Kinderrechte" von UNICEF (Deutsches Komitee für UINCEF 2023g) umfasst mit dem 'Recht auf besondere Förderung und Unterstützung bei Behinderung' ein Kinderrecht, das grundlegend von Bedeutung und im schulischen Kontext vor dem Hintergrund des Inklusionsbestrebens im Bildungssystem besonders relevant erscheint.Der Film "Kinderrechte raten" der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb 2022d) kommt im Verlauf der Unterrichtseinheit zum Einsatz.
Intentionen
In dem 2013 veröffentlichten Perspektivrahmen Sachunterricht spricht die Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts davon, dass Ausrichtung und Anliegen des Sachunterrichts […] als zu fördernde Kompetenzen und Kompetenzerwartungen" (GDSU 2013, S. 12) beschrieben werden können. Nach Weinert (2001, S. 27f.) sind Kompetenzen "die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können".
Die folgenden Ziele stellen Lernziele dar, die sich sowohl auf Inhalt als auch auf Methoden beziehen (vgl. Tänzer 2010, S. 104). Sie werden auch als Verhaltensdispositionen bezeichnet, was verdeutlichen soll, dass sie "nicht zwangsläufig beobachtbar" (ebd., S. 102) sind. Die Ziele sind nach Stunden sortiert und orientieren sich in ihrer Reihenfolge an deren Aufbau.
Erste (Doppel-)Stunde
Die Schüler*innen könnenBedürfnisse / Wünsche von Kindern erkennen und nennenBedürfnisse / Wünsche von Kindern priorisieren / gewichtenKinderrechte nennenBedürfnissen / Wünschen von Kindern entsprechende Kinderrechte zuordnenzwischen Bedürfnissen / Wünschen und Rechten von Kindern unterscheideneine Verbindung zwischen den Kinderrechten und dem eigenen Leben herstellen
Zweite (Doppel-)Stunde
Die Schüler*innen könnenbegründen, warum bestimmte Kinderrechte bedeutsam sinddie Umsetzung von Kinderrechten in der Schule beurteilenVorschläge zur Verbesserung der Umsetzung von Kinderrechten in der Schule machen
Dritte (Doppel-)Stunde
Die Schüler*innen könnenin einer Gruppe auswählen, welche Inhalte zu einem bestimmten Kinderrecht auf einem Plakat Platz finden sollenin einer Gruppe ein Plakat zu einem Kinderrecht gestaltenin einer Gruppe ein Plakat zu einem Kinderrecht präsentieren
Aufbau der Unterrichtseinheit
Die folgenden Ausführungen sind auch als Übersicht in tabellarischer Form verfügbar. Die Übersicht orientiert sich an klassischen Unterrichtsskizzen, um im Unterricht als Leitfaden genutzt werden zu können. (Sie befindet sich auch noch einmal im Anhang.)
Die Unterrichtseinheit besteht aus drei obligatorischen Stunden und einer fakultativen Stunde. Sie können je nach Vorwissen, Arbeitstempo etc. der Schüler*innen als Einzel- oder als Doppelstunden durchgeführt werden.
Erste (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Welche Rechte habe ich?
Die erste (Doppel-)Stunde mit dem Thema 'Kinderrechte – Welche Rechte habe ich?' dient dazu, die KRK kennenzulernen und ihren Nutzen und ihre Schwerpunkte zu verstehen. Außerdem werden "ausgewählte [...] Kinderrechte" (siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte) besprochen und eigene Ausgaben der KRK angefertigt.Dafür werden in einem ersten Schritt (Einstieg) Bedürfnisse / Wünsche von Kindern durch die Schüler*innen genannt. Als Sozial- und Sitzform wird ein Stuhlkreis empfohlen. Die Lehrkraft (LK) notiert die Bedürfnisse / Wünsche auf bunten Karten, die in die Mitte des Stuhlkreises gelegt werden. Dies bietet den Vorteil, dass die daraufhin folgende Diskussion zum Stellenwert der einzelnen Bedürfnisse / Wünsche durch Verschieben der Karten visualisiert werden kann. Sie soll zeigen, dass einige Bedürfnisse zentraler, umfassender oder weitreichender sind als andere. Von großer Bedeutung ist hierbei, dass kein Konsens innerhalb der Klasse erzielt werden muss. Kindern können unterschiedliche Dinge wichtig sein. Ein offener Austausch, während welchem jede Meinung gehört wird, dient der Horizonterweiterung oder der Festigung des eigenen Standpunkts. Es sollte darauf geachtet werden, zwischen den Bedürfnis-Karten ausreichend Platz zu lassen, um zur Verdeutlichung des Nutzens der Kinderrechte in der Phase der Erarbeitung Kinderrechte-Karten hinzulegen zu können (ausführlicher siehe unten). Die Bedürfnis-Karten sollten nicht vorher vorbereitet sein. Dies würde unter Umständen die Assoziationsfreiheit der Schüler*innen einschränken, da der Eindruck entstehen könnte, bestimmte, 'richtige' Bedürfnisse nennen zu müssen. Je nach Gesprächsverlauf kann die LK eine Frage dazu stellen, wie die genannten Bedürfnisse / Wünsche garantiert werden könnten, um damit zur nächsten Phase, der Hinführung, überzuleiten. (Eine Formulierungsidee hierzu findet sich im Anhang.)In der Phase der Hinführung informiert die LK die Schüler*innen über die KRK, genauer über ihre Entstehung, ihren Ratifizierungsstatus, ihren Umfang und die Umsetzung durch Staaten und Organisationen sowie ihre Überprüfung mittels Staatenberichten und dem Kinderrechtsausschuss der VN. (Auch hier kann eine Formulierungsidee im Anhang eingesehen werden.) Es bietet sich an, in diesem Zusammenhang die Artikel 1 und 2 der kinderfreundlichen Version der KRK (Deutsches Komitee für UNICEF 2023a) vorzulesen, um konkrete Einblicke zu gewähren, über die Existenz eines Gesetzestextes explizit für Kinder zu informieren sowie zu der Phase der Erarbeitung überzuleiten. Die kinderfreundliche Version der KRK kann hier sowohl online heruntergeladen als auch kostenfrei als Printausgabe bestellt werden. Im Anschluss an die Hinführung kann die KRK im Klassenzimmer platziert werden, um den Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte zu jeder Zeit nachlesen zu können.In der Phase der Erarbeitung werden die Schüler*innen dazu aufgefordert, mögliche Kinderrechte zu nennen. Diese werden in Form vorbereiteter Kinderrechte-Karten (Kopiervorlagen unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte im Anhang) den bereits im Stuhlkreis liegenden Bedürfnis-Karten zugeordnet. Gegebenenfalls können weitere Bedürfnis-Karten beschriftet werden. Als Differenzierung können an dieser Stelle Murmelphasen zu zweit eingebaut werden. Auf den Kinderrechte-Karten befindet sich eine kinderfreundliche Beschreibung des entsprechenden Kinderrechts (siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte) sowie eine Visualisierung, die eine Situation darstellt, in der das Kinderrecht zur Anwendung kommt / kommen sollte. Es wird empfohlen, die Kinderrechte-Karten auf weißes Papier zu drucken, um sie visuell gut von den bunten Bedürfnis-Karten unterscheiden zu können. Bei Nennung eines nicht vorbereiteten Kinderrechts kann dieses problemlos auf einem weiteren, weißen Blatt Papier notiert werden. Eine Diskussion über mögliche Visualisierungen regt die Auseinandersetzung mit dem Kinderrecht weiter an. Es sollte in jedem Fall auf die Exemplarität der ausgewählten Kinderechte eingegangen werden und ein Austausch über den Zusammenhang zwischen Bedürfnissen und Kinderrechten und somit den Nutzen der KRK stattfinden. (Eine Formulierungsidee findet sich im Anhang.) Weiterhin wichtig ist es, die Ausgestaltung der Kinderrechte gut zu erklären und alle aufkommenden Fragen zu beantworten, um die Etablierung von Fehlkonzepten, zum Beispiel in Bezug auf Kinderarbeit, zu vermeiden. Es kann dazu kommen, dass einigen Wünschen kein Kinderrecht zugeordnet werden kann. An dieser Stelle kann die LK, sofern dies nicht bereits ohne ihr Zutun geschieht, einen Austausch über die Gründe dafür – beispielsweise die Nichtauswahl des entsprechenden Kinderrechts oder die eingeschränkte Reichweite des Wunsches – anstoßen. Es bietet sich an, den Unterschied zwischen einem Recht und einem Wunsch explizit zu verdeutlichen (ausführlicher siehe Formulierungsideen).Zur Ergebnissicherung gestalten die Schüler*innen in Einzelarbeit ihre eigene Ausgabe der KRK. (Eine Kopiervorlage für die einzelnen Seiten findet sich unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte im Anhang.) Pro Kinderrecht soll eine Seite gestaltet werden. Die Anzahl der Kopien hängt demnach von Klassenstärke und Anzahl der ausgewählten Kinderrechte ab. Die gestalteten Seiten können anschließend mit einem Heftstreifen oder einem Faden gebunden werden. Die Anordnung der Kinderrechte innerhalb ihrer Konvention soll von den Schüler*innen selbst bestimmt werden, um zu bewirken, dass sie noch einmal individuell über die Bedeutsamkeit der entsprechenden Kinderrechte nachdenken. Logistisch empfiehlt sich die reguläre Sitzform. Währenddessen kann die LK die sortierten Bedürfnis- und Kinderrechte-Karten gut sichtbar im Klassenzimmer anbringen, um den Schüler*innen zu ermöglichen, sich die gemeinsame Erarbeitung jederzeit wieder ins Gedächtnis zu rufen.Sollte es Schüler*innen geben, die früher fertig werden als andere, kann auf geeignetes, kostenfreies Zusatzmaterial der Bundeszentrale für politische Bildung und / oder der Kinder-Nachrichtensendung logo! zum Thema Kinderrechte zurückgegriffen werden. (Hinweise dazu finden sich auch in der letzten Zeile der Übersicht über die Unterrichtseinheit. Außerdem sei auf die Liste mit zu empfehlendem Unterrichtsmaterial im Anhang verwiesen).
Zweite (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Wie können wir sie umsetzen?
Die zweite (Doppel-)Stunde beschäftigt sich mit dem Thema 'Kinderrechte – Wie können wir sie umsetzen?', wobei es sich um die Umsetzung in der Schule handelt (ausführlicher siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte).Zuvor werden die Inhalte der letzten (Doppel-)Stunde wiederholt. Ein Film der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb 2022b, 0:27-2:52) bereitet drei Kinderrechte so auf, dass sie durch die Betrachter*innen erraten werden können. Der Film muss dazu nicht in kompletter Länge gesehen werden, zumal insbesondere sein Schlussteil keinen sinnvollen Zusammenhang zur Unterrichtseinheit aufweist. In Anlehnung an Diskussionsvorschläge der Bundeszentrale für politische Bildung wird vorgeschlagen, im Anschluss an die Nennung des Kinderrechts noch einmal seine Bedeutsamkeit zu thematisieren. Außerdem bietet es sich unter Umständen an, ebenfalls wiederholend auf den Inhalt des Kinderrechts einzugehen. (Formulierungsideen finden sich im Anhang.) Um auch die weiteren, in der vorausgegangenen Stunde eingeführten Kinderrechte zu wiederholen, folgt eine Übertragung des Formats des Films auf die Klassenebene: Freiwillige Schüler*innen beschreiben ein Kinderrecht, ohne dessen Bezeichnung zu nennen, während die anderen raten. Die Diskussion über Inhalt und Bedeutsamkeit als etablierte Struktur und relevanter Teil, um das Verständnis zu sichern, mögliche Lücken zu ergänzen und Fehlvorstellungen zu korrigieren, schließt an. Als Sitzform wird der Kinositz vorgeschlagen. In dem zweiten Teil der Wiederholung kann das entsprechende Kind zur Beschreibung seines Kinderrechts vor die Klasse treten und mit Überblick über seine Mitschüler*innen Antworten entgegennehmen. Dieser Teil der Stunde bringt eine natürliche Differenzierung mit sich, solange alle Schüler*innen auf freiwilliger Basis die Rolle eines vortragenden oder eines zuhörenden und gegebenenfalls ratenden Kinds einnehmen.Die Phase der Erarbeitung beinhaltet eine Untersuchung und Diskussion der Umsetzung der Kinderrechte in der Schule. Dies kann, je nach Vorerfahrungen und regulärer Sitzform der Klasse, in Partner- oder Gruppenarbeit geschehen. Ein Arbeitsblatt, das vier Spalten umfasst und so neben der Möglichkeit der Verschriftlichung der Zustände auch Platz für das Notieren von Lösungsvorschlägen bietet, dient der Ergebnissicherung des Austausches. (Die Kopiervorlage des Arbeitsblatts befindet sich auch im Anhang unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte.) Entsprechend der Möglichkeiten der Einhaltung der Aufsichtspflicht kann erwogen werden, die Schüler*innengruppen im Schulgebäude oder auf dem Schulgelände Hinweise auf Kinderrechte finden zu lassen. Vermutlich wird beispielsweise das Recht auf Gesundheit eher bedacht, wenn die Kinder vor oder in der Mensa stehen. Auch hier empfiehlt es sich, Zusatzmaterial für schneller arbeitende Schüler*innen zur Verfügung zu stellen.Um die Ergebnisse vergleichen und einordnen und die Lösungsvorschläge diskutieren zu können, wird in der Phase der Ergebnissicherung im Stuhlkreis ein Austausch durch die LK moderiert. Sie hat an dieser Stelle außerdem die Möglichkeit, auf Kinderrechte hinzuweisen, die nicht genannt werden. Sollte die Idee nicht von der Klasse selbst kommen, kann die LK als eigenen Vorschlag die Plakatgestaltung einbringen, die in der kommenden, dritten (Doppel-)Stunde durchgeführt werden soll. Die weiteren Lösungsvorschläge können auf einem Plakat gesammelt und im Klassenzimmer angebracht werden, um in der vierten (Doppel-)Stunde darauf zurückgreifen zu können.
Dritte (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Wir setzen sie um!
(Doppel-)Stunde 3 'Kinderrechte – Wir setzen sie um!' beinhaltet die Gestaltung von Plakaten zu den Kinderrechten, um die Bekanntheit dieser in der Schule zu erhöhen.Für die Durchführung in Gruppen wird empfohlen, die Schüler*innen nach klasseneigenen Methoden einzuteilen und vorab über das Verhalten in Gruppen, wie beispielsweise die Rollenverteilung oder den Umgang miteinander, zu sprechen. Je nach Anzahl der "ausgewählten [...] Kinderrechte" (siehe didaktische Überlegungen, Thema und Inhalte), können die Gruppen unterschiedlich groß sein. Es kann sich auch auf einige zentrale Kinderrechte beschränkt werden. Die Zuordnung von Kinderrechten zu entsprechenden Gruppen kann per Zufallsprinzip oder beispielsweise anhand der von den Schüler*innen in der vorherigen, zweiten (Doppel-)Stunde in PA / GA gefundenen und geschilderten Kinderrechte erfolgen. Das bereits angesprochene Zusatzmaterial kann erneut für schneller arbeitende Schüler*innen zum Einsatz kommen. Eine weitere Möglichkeit ist, diese Schüler*innen andere Gruppen unterstützen zu lassen. Die kinderfreundliche Version der KRK und die sortierten Bedürfnis- und Kinderrechte-Karten im Klassenzimmer sowie die eigenen Ausgaben der KRK können als inhaltliche Stütze dienen. Es bietet sich darüber hinaus an, vorab zu klären, welche Inhalte die Plakate umfassen sollen, um eine möglichst hohe Informationsdichte und Einheitlichkeit aller Plakate zu gewährleisten.In der Phase der Ergebnissicherung werden die Plakate im Kinositz präsentiert, bevor sie gemeinsam im Schulhaus angebracht werden. Die LK stellt ebenfalls ein Plakat vor, was Informationen zu Hilfemöglichkeiten / Anlaufstellen beinhaltet, die bei Verletzung oder Missachtung der eigenen Kinderrechte oder der anderer aufgesucht beziehungsweise kontaktiert werden können. (Eine Plakatvorlage und Ideen zur Präsentation finden sich im Anhang unter Material Unterrichtseinheit Kinderrechte und Formulierungsideen.)
Vierte (Doppel-)Stunde: Kinderrechte – Wir setzen sie um!
Die vierte (Doppel-)Stunde ist fakultativ. Sie befasst sich ebenfalls mit dem Thema 'Kinderrechte – Wir setzen sie um!' und bietet Raum, die weiteren Lösungsvorschläge der Schüler*innen aus der Erarbeitungsphase der zweiten (Doppel-)Stunde anzugehen.Darüber hinaus könnten auch das Aufzeigen der Möglichkeit der Partizipation in einem Kinderparlament in der eigenen oder einer nahe gelegenen Stadt oder die Vorbereitung einer Teilnahme an der UNICEF-Aktion 'Wir reden mit!', die jedes Jahr am Tag der Kinderrechte (20.11) stattfindet (vgl. Deutsches Komitee für UNICEF 2023i), Inhalt sein. Zu der Planung und Durchführung eines eigenen Projekts können Informationsmaterialien bei der Bundeszentrale für politische Bildung eingesehen werden (vgl. Sander 2013).
Abwandlungen / Anpassung an andere Klassenstufen
InsgesamtAnpassung der Anzahl der "ausgewählte[n] [...] Kinderrechte"
Erste (Doppel-)StundeEinstieg: Bedürfnisse mündlich, keine PriorisierungHinführung: Anpassung der InformationsmengeErarbeitungKinderrechte-Karten: keine Schrift, nur VisualisierungZusammenhang von Kinderrechten und Bedürfnissen mündlichErgebnissicherung: in zu gestaltenden Ausgaben der KRK ist kinderfreundlicher Titel des Kinderrechts / Schlagwort zur Verdeutlichung des Kinderrechts (z.B. Bildung, Gesundheit…) bereits vorhanden (von LK vor dem Kopieren auf Kopiervorlage notiert), Kinder malen ausschließlich dazu
Zweite (Doppel-)StundeErarbeitung: gemeinsamer Gang durch das Schulhaus / über das Schulgelände und Thematisierung der Kinderrechte vor Ort, kein ABErgebnissicherung: Sammeln von Lösungsvorschlägen im Plenum, LK notiert Vorschläge auf Plakat mit
Dritte (Doppel-)StundeGestaltung von Bildern zu Kinderrechten (anstatt von Plakaten): auch in EA möglich, freie Wahl des Kinderrechts möglichErgebnissicherung: keine Präsentation, Anbringen der Bilder unterhalb vorbereiteter Schriftzüge mit kinderfreundlichen Titeln der Kinderrechte (durch LK vorbereitet)
Vierte (Doppel-)StundeBereits angepasst an die Interessen der Schüler*innenAnpassung an Kapazitäten der Schüler*innen
Erwogene Alternativen
Alternative
Begründung für deren Ausschluss
Kinderrechte in aller Welt
- 'Kinder in aller Welt' eigenes Thema des baden-württembergischen Bildungsplans für Klassen 1/2 und 3/4: Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen > Kultur und Gesellschaft (vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport 2016, S. 17, 35)- großer Vorbereitungs- und Zeitaufwand, um zu vermeiden, dass sich Stereotype / Generalisierungen / Machtgefälle (gebildet – ungebildet, reich – arm, modern – vormodern) etablieren und auf die Klassenebene übertragen werden
Fokus auf ein Recht im Besonderen
- wurde bereits in Blogbeitrag Kinderrechte unterrichten mit Astrid Lindgren (Reusch 2018) umgesetzt - Wahl eines Kinderrechts und somit Hervorhebung dieses Kinderrechts schwierig (wenn dann Recht auf Bildung (s. unten))
Umsetzung in Deutschland: Bildungs-ungerechtigkeit
- eher anspruchsvoll und umfangreich - von Bundeszentrale für politische Bildung für Klassen 5-8 empfohlen (vgl. Sander et al. 2013)
Debatte: Kinderrechte ins Grundgesetz
- aktuelle Thematik, Unterrichtseinheit könnte schnell inhaltlich überarbeitet werden müssen - Berücksichtigung des Kontroversitätsgebots (Beutelsbacher Konsens) schwierig
Abkürzungsverzeichnis
CRC = Convention on the Rights of the Child
BMFSFJ = Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
BMZ = Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
bpb = Bundeszentrale für politische Bildung
DIMR = Deutsches Institut für Menschenrechte
EA = Einzelarbeit
GA = GruppenarbeitGDSU = Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts
KRK = Konvention über die Rechte des Kindes, kurz: Kinderrechtskonvention
LK = Lehrkraft
PA = Partnerarbeit
UN = United Nations (engl. für: Vereinte Nationen)
UNICEF = United Nations International Children's Emergency Fund
VN = Vereinte NationenAnhang
Übersicht Unterrichtseinheit Kinderrechte
Material Unterrichtseinheit Kinderrechte
Formulierungsideen Unterrichtseinheit KinderrechteListe zu empfehlendes Unterrichtsmaterial KinderrechteLiteraturverzeichnis Kinderrechte
DIE UNSTERBLICHE LANDSCHAFT. ZWEITER BAND: FLANDERN. ARRAS-SOMME-ST. QUENTIN. DIE AISNE-CHAMPAGNE-FRONT. DER KAMPFRAUM VERDUN. VOGESENKRIEG. DER KRIEG IN DEN KOLONIEN. DER SEEKRIEG. Die unsterbliche Landschaft (-) Die unsterbliche Landschaft. Zweiter Band: Flandern. Arras-Somme-St. Quentin. Die Aisne-Champagne-Front. Der Kampfraum Verdun. Vogesenkrieg. Der Krieg in den Kolonien. Der Seekrieg. (II. / 1935) ( - ) Einband ( - ) Titelseite ( - ) Impressum ( - ) Flandern ( - ) Vorwort ([1]) Die Eroberung von Lüttich (1) [2 Abb.]: (1)Der große Augenblick des Einmarsches in Feindesland! (2)Die Regimenter liegen am Abend des 5. August in weitem Halbkreis um die Fortlinie. In dem Ernst der Gesichter prägt sich die Spannung des bevorstehenden Gefechts aus. (1) [2 Abb.]: (1)Der nächtliche Kampf in brennenden Dörfern entschleiert dem Soldaten hier zum ersten Male das grausige Gesicht des Krieges. (2)Einer einzigen Kolonne glückt der Einbruch in die Festung. In fieberhafter Eile wird schwerstes Geschütz gegen die Forts in Stellung gebracht, um den Eingeschlossenen Hilfe zu bringen. (2) [3 Abb.]: (1)Fort Liers. In einem gewaltigen Betonklotz sind vier Panzerkuppeln eingebettet; eine Anlage, die unverwundbar schien. (2)Fort Loncin. Teile des Forts sind durch die deutsche Beschießung in ein Trümmerfeld verwandelt; andere, dicht daneben liegende Teile sind von der Geschoßwirkung fast unberührt geblieben, ein Zeichen für die Treffgenauigkeit der schweren Geschütze. (3)Das Geschütz war stärker als Panzer und Beton! Die Forts mußten Kapitulieren. - Wall und Graben eines gestürmten Werkes. Voll Staunen betrachten die deutschen Soldaten die zerschmetternde Wirkung der 42-cm-Granate. (3) [2 Abb.]: (1)Der Justizpalast, im 16. Jahrhundert als Residenzschloß des Fürstbischofs erbaut, im 18. Jahrhundert erneuert, würde für kurze Zeit Hauptsitz der militärischen Verwaltungsbehörde. (2)Hof des Justizpalastes in Brüssel nach der Besetzung. Er gehört zu den bedeutendsten Baudenkmälern Brüssels. (4) Der Durchmarsch durch Belgien im August 1914 (5) [2 Abb.]: (1)Durch die bei Lüttich geschlagene Bresche strömten um die Mitte des August die 1. und 2. deutsche Armee nach Belgien hinein. (2)Marschieren! - Marschieren! (5) [3 Abb.]: (1)Nicht selten kam es zu erbitterten Ortskämpfen mit der aufständischen Bevölkerung, deren völkerrechtswidriges Verhalten strenge Strafmaßnahmen notwendig machte. - Im Franktireurkrieg in Brand geratenes Dorf. (2)Unsere vorrückenden Truppen begegneten überall flüchtender Zivilbevölkerung. (3)Auf Schubkarren führen die heimatlos Gewordenen ihre ärmliche Habe mit sich. - Ein trauriges Bild des erbarmungslosen Krieges. (6) [2 Abb.]: Am 20. August wurde Brüssel besetzt, das Sitz des Generalgouverneurs von Belgien wurde. Hier liefen während des ganzen Krieges die Fäden der Verwaltung zusammen. (1)Auf dem Marktplatz vor dem Rathaus. (2)Die deutsche Wache vor dem Brüsseler Rathaus. (7) [2 Abb.]: (1)Namur. Blick von der Zitadelle auf das tief eingeschnittene Maastal mit seinen bewaldeten Hängen. Teile der Stadt sind durch die Belagerung zerstört worden. (2)Maubeuge, Fort Boussoir. Wirkung eines 42 cm-Treffers auf eine Panzerkuppel, deren Deckel abgehoben und fortgeschleudert ist. (8) [2 Abb.]: Rastlos weiter geht der Marsch, nach Frankreich hinein. Immer länger werden die rückwärtigen Verbindungen zu den Proviant- und Munitionsdepots der Heimat. Die Kolonnen haben schwere Arbeit. (2)Am härtesten sind die Anforderungen an die Infanterie. Die ungeheure Spannung der Lage erlaubt keine Ruhe und Schonung. Todmüde sinken die Soldaten bei jeder Rast zu Boden. (9) Die Eroberung Antwerpens im Oktober 1914 (10) [2 Abb.]: (1)Einschlag einer 42-cm-Granate im Fort de Wavre St. Catherine. Man erkennt die klare Linie der Wallböschung rechts und links vom Einschlag und die Panzerkuppeln. (2)Vor dem Sturm auf Fort de Wavre. Die Sturmkolonne hat in einem riesigen, anscheinend von einem 42-cm-Geschoß herrührenden Granattrichter Deckung genommen und erwartet das Signal zum Vorbrechen. Einige Leute sind mit Brandröhren zum Ausräuchern der Grabenwehren ausgerüstet. Der offizier trägt noch den langen Degen. Haltung und Gesichtsausdruck der Mannschaften ist für die Lage sehr bezeichnend. (10) [2 Abb.]: (1)Sturm auf das Fort de Wavre. Über den Wassergraben des Forts sind von den Pionieren tragbare Schnellbrücken geschoben für den Übergang der Infanterie. In der Mitte der Wallböschung sammelt sich der Sturmtrupp, um geschlossen in das Innere des Forts einzubrechen. Links daneben eine außer Gefecht gesetzte Panzerkuppel. (2)Zertrümmerter Panzerbeobachtungsturm. Ein einziger Volltreffer hat genügt. (11) [2 Abb.]: (1)In den Straßen, die zum Hafen hinabführen, einst von Seeleuten aus aller Welt belebt, ist es still geworden. Der herrliche Turm der Kathedrale ist das stolze Wahrzeichen der reichen alten Handelsstadt. (2)Teil des Hafens an der Schelde mit Blick auf die Kathedrale. (12) Der Vormarsch der neuen Reservekorps nach Flandern (13) [Abb.]: Marschrast. Die jungen Soldaten wußten noch nichts von dem furchtbaren Ernst des Krieges, der sie an der Yser und vor Ypern erwartet. (13) [2 Abb.]: (1)Gent. Blick von der St.-Michaels-Brücke auf die St.-Nikolaus-Kirche und den Belfried, (2)Marktplatz in Courtrai. (14) [2 Abb.]: Das prachtvolle gotische Rathaus in Oudenaarde legt Zeugnis ab von dem einstigen Reichtum selbst der kleineren flandrischen Städte. (2)Belgische Flüchtlinge kehren zurück. Charakteristisch ist die Art, wie das schwere belgische Pferd ohne Deichsel an losen Ketten vor den Wagen gespannt ist. (15) [2 Abb.]: (1)Brügge, in früheren Jahrhunderten Mittelpunkt des Welthandels im nördlichen Europa, heute eine stille verträumte Stadt, der die altertümlichen Bauten und zahllose Kanäle einen einzigartigen Zauber verleihen. - Der Marktplatz mit den vom Belfried überragten "Hallen". (16) An der belgischen Küste (17) [2 Abb.]: (1)Schützengräben in den Dünen bei Zebrügge nahe der holländischen Grenze. Der Strand ist durch Buhnen gegen die Gewalt der Fluten geschützt. Ins Meer hinaus geführte Dämme sichern den Kanal gegen Versandung. Hinter den Dünen breitet sich eine fruchtbare Landschaft. - Die Aufnahme stammt von 1917. (2)Ein Seekanal verbindet Brügge mit dem Seehafen Zeebrügge. (17) [3 Abb.]: (1)Am Meer. - Badende Soldaten. (2)Das Weltbad Ostende wurde ohne Widerstand besetzt. Auf den Terrassen der Luxushotels vergessen die Soldaten für kurze Stunden den Ernst des Krieges. (3)Aber bald ändert sich auch hier das Bild. Die Ostender Strandpromenade, einst Treffpunkt der eleganten Welt, wird ein Teil der Küstenkampffront. (18) [2 Abb.]: (1)Küstenverteidigung bei Ostende. Von Marinesoldaten besetzte Stellungen in den Dünen. (2)Matrosenartillerie. - Vier Jahre lang hielten die deutschen schweren Geschütze die englische Flotte von der belgischen Küste fern. (19) [2 Abb.]: Küstenbatterie Kaiser Wilhelm II. bei Knocke. (1)Eine gewaltige Anlage mit Betonunterständen und Panzerschutz und mit Gleisanschlüssen für den Munitionstransport. Vor der Batterie ein Drahthindernisstreifen. Weiter vorwärts, hier nicht mehr sichtbar, Infanterieanlagen, durch Annäherungswege mit der Batterie verbunden. (2)Aufbau einer Küstenbatterie, aus der Nähe gesehen. Die unter Panzerlafette stehenden Geschütze sind im Halbkreis drehbar und durch mächtige gemauerte und betonierte Schulterwehren gegen Schrägfeuer geschützt. Hinter den Geschützen läuft das Förderbahngleis für den Munitionstransport. Die Geschützstände stehen auf Kasematten für die Unterbringung der Mannschaften und der Munition. (20) [2 Abb.]: Deutsche Torpedoboote und U-Boote vor Zebrügge. (21) [2 Abb.]: (1)Rundbild vom Lombardzyde. (2)Rundbildaufnahme des Geländes zwischen Nieuport und Nieuport Bad. Im Vordergrund der Groot Noord Nieuwland Polder mit der durch den Durchstich des Yserdammes hervorgerufenen Überschwemmung. Die deutschen Stellungen laufen durch die Zuckerfabrik, die französischen liegen an der Baumlinie hinter der Polder Ferme. (22 -23) Der Kampfraum an der Yser (24) [2 Abb.]: (1)Große Yserschleuse bei Nieuport. Infolge der Zerstörung der Schleusen strömte das Meerwasser ungehindert in das teilweise unter dem Meeresspiegel liegende Land ein. Der aus dem Schleusenbecken in der Mitte des Bildes nach oben rechts führende Wasserlauf stellt die Verbindung zum Meer her; die nach unten und nach links führenden Wasserläufe sind Kanäle und schiffbar gemachte Flußläufe, die in das Innere des Landes gehen. Das Bild ist 1915 aufgenommen. Die Zerstörungen um Nieuport sind bereits sehr beträchtlich. (2)Immer mehr füllte sich die Yserniederung mit Meerwasser. Nur die auf Dämmen führenden Straßen boten noch Verkehrsmöglichkeiten. Neben dem Fahrdamm läuft, ein in der Flandrischen Landschaft häufiges Bild, eine Kleinbahn. Charakteristisch für Flandern sind die schiefgeneigten Baumreihen. (24) [2 Abb.]: Die steigende Wasserflut machte die Fortsetzung des Angriffs schließlich unmöglich. In kurzer Zeit war ein weitausgedehntes Sumpfgebiet entstanden. (25) [2 Abb.]: (1)Selbst die Kanalböschungen mußten, um Schutz zu gewinnen, erhöht werden. Im Vordergrund eine behelfsmäßige Kanalbrücke, hinten ein langer über die Wasserfläche führender Laufsteg. (2)Schräge Ballonaufnahme aus dem Überschwemmungsgebiet. Die dunklen Flächen sind trockengebliebenes Land. (26) [2 Abb.]: (1)Senkrechte Fliegeraufnahme vom Überschwemmungsgebiet. Die Verteilung von Wasser und Land ist deutlich zu erkennen. - Der helle Strich von links oben nach rechts unten ist eine Chaussee. Die dünnen Linien sind Laufstege, die zu den Stützpunkten (Werften) führen. In der rechten unteren Ecke ein zur Verteidigung eingerichtetes Dorf mit vielen Geschoßeinschlägen; in der linken ein Fluß, an dessen Ufern befestigte Häusergruppen stehen. (2)Englisches Arbeitskommando im Überschwemmungsgebiet. (27) [2 Abb.]: (1)Das zerstörte Rathaus in Dixmuiden, 1917 aufgenommen. Die edlen architektonischen Formen sind selbst aus den Trümmern noch deutlich erkennbar. (2)Straße am Kanal in Dixmuiden. - Aufnahme von 1916. (28) Der Kampfraum um Ypern (29) [2 Abb.]: (1)Vorkriegsaufnahme der Tuchhalle und der Kathedrale St. Martin in Ypern. Diese beiden Meisterwerke der gotischen Baukunst Flanderns hat der Weltkrieg bis auf spärliche Reste vernichtet. Heute ist die Kathedrale nach den alten Plänen wieder vollständig aufgebaut. (2)Blick aus dem Fesselballon auf das brennende Ypern. (29) [3 Abb.]: (1)Rundbild von Ypern vom Juni 1915. Die Aufnahme ist von Höhe 60, nördlich Hollebeck, gemacht. Am unteren Rand des Bildes ist die Brustwehr des deutschen Schützengrabens sichtbar, links in der Mitte das feindliche Drahthindernis; dahinter maskierte Schützengräben. Die Raumverhältnisse sind durch die Fernaufnahme stark verschoben. Die Entfernung bis Ypern beträgt etwa 7 km. (2)Fliegeraufnahme von Ypern aus dem Jahre 1915. In der Mitte die Tuchhalle mit dem Belfried, dahinter die Kathedrale. Die ganze Stadt ist schon fast ausgebrannt. Nur die Umfassungsmauern stehen noch. (3)Ypern im Jahre 1917. Oben in der Mitte ein Teil der Tuchhalle, links daneben die Kathedrale (Turmseite). Die Umfassungsmauern der Gebäude sind durch die ständige Beschießung größenteils eingestürzt. In der linken und rechten Ecke mächtige Erdtrichter, wahrscheinlich von schweren Fliegerbomben herrührend. (30 - 31) [2 Abb.]: (1)Unterstände im Damm des Yserkanals (Innenseite). Die Kanalwand ist durch Faschinen befestigt. Ein Bohlenweg stellt die Verbindung her. (2)Flandrischer Kanal. Die Schleuse (unten) ist zerstört. Vier Brücken stellen auf der kurzen Strecke schnellen Übergang sicher. (32) [Abb.]: Die zerstörte Kirche von Langemarck. (33) [2 Abb.]: (1)Deutsche Betonunterstände bei Langemarck, die alle Stürme der Materialschlachten überdauert haben, dienten nach dem Kriege den Bauern als Geräteschuppen. (2)Ehrenhof in der Gedächtnishalle auf dem deutschen Gefallenenfriedhof bei Langemarck, den die deutsche Studentenschaft im Jahre 1932 unter Verwendung der alten Betonunterstände errichten ließ. (34) [2 Abb.]: Das stark zerschossene "Polygonwäldchen" südöstlich Ypern, einer der Brennpunkte des Kampfes. (35) [2 Abb.]: Englische und deutsche Schützengräben bei Zonnenbeke im Jahre 1915. (36) [2 Abb.]: (1)Paschendaele vor Beginn der Flandernschlacht 1917. Um diese Zeit standen noch Trümmer des Dorfes. Die Straßenzüge sind deutlich erkennbar. (2)Becelaire. Man erkennt die ganz flache Bodenwelle, wie sie für diese Landschaft charakteristisch ist. Nach dem oberen und linken Rand des Bildes zu fällt das Gelände ab und bildet dort eine flache Mulde. Die Schützengräben und Annäherungswege um Kirche und Dorf zeichnen sich deutlich ab. (37) [Abb.]: Gutausgebauter Schützengraben im Park des Schlosses Hooge, östlich Zillebeke. (38) [2 Abb.]: (1)Im Houthulsterwald Anfang 1917. Trotz der Verwüstungen sind noch Schützengräben und Annäherungswege vorhanden, die eine geregelte Gefechtstätigkeit ermöglichen. (2)Betonunterstand in Gegend Hollebeke. Da die Anlage von Unterständen in dem versumpften flandrischen Boden je länger je mehr unmöglich wurde, war man gezwungen, auf dem gewachsenen Boden mächtige Betonflötze (Bunker) zu errichten. (39) [2 Abb.]: (1)Meilenlange Bohlenstraßen wurden gebaut, um der Kampffront Verpflegung und Kampfgerät zuführen zu können. So entstand ein ganz neues Wegenetz, eine Glanzleistung deutscher Pioniere. (2)Außerhalb der Bohlenwege war in dem Trichterfeld ein Verkehr von Fahrzeugen vielfach gar nicht mehr möglich. (40) [2 Abb.]: (1)Im Wytschaetebogen. - In dem Höhengelände südlich Ypern wurden die riesigen bei den englischen Sprengungen entstandenen Trichter zu Stützpunkten ausgebaut. (2)Auf der anderen Seite des Stacheldrahts (41) Die Schlacht in Flandern 1917 (42) [2 Abb.]: (1)Trommelfeuer auf den deutschen Stellungen bei Zillebeke. Dieser Geschoßhagel hielt ohne Unterbrechung Tage und Wochen an, bis endlich der Infanterieangriff begann. - Der schwarz-Weiße Strich ist ein Teil des Flugzeugs. (2)Stellung im Trichtergelände vor dem Trommelfeuer. Es besteht noch eine Art durchlaufender Graben. Zahlreiche Trampelwege führen nach vorwärts und rückwärts. Links oben ein Förderbahngleis. Der Platz in der Mitte ist anscheinend Stapelplatz für Pioniergerät; auf seiner rechten Seite ein gut getarnter Bunker. (42) [2 Abb.]: (1)Flandrisches Trichterfeld. Der Soldat muß sich zwischen den Trichtern mühsam seinen Weg suchen, bis zu den Knien im Morast watend, stets in Gefahr, in einem Trichter zu versinken. In dunkler Nacht und unter schwerem Feuer steigert sich das Grausen einer solchen Wanderung ins unvorstellbare. (2)Trichterstellung während der Flandernschlacht. Es gibt keine zusammenhängenden und durchlaufenden Gräben mehr, sondern nur noch einzelne Maschinengewehrnester und Postenlöcher (auf dem Bild an der dunkleren Färbung erkennbar). In ihnen lagen die Mannschaften halb im Wasser und Schlamm, wochenlang der Wirkung der Artillerie und der Infanterieflieger schutzlos preisgegeben. - Die drei von rechts oben nach links unten führenden dunklen Striche deuten noch die ursprüngliche Grabenanlage an, die jedoch völlig aufgegeben ist. (43) Die Erstürmung des Kemmel im April 1918 (44 - 45) [3 Abb.]: (1)Blick aus der Gegend nordöstlich Armentières auf den Kemmel. (2)Die Artillerievorbereitungen für den Sturm auf den Kemmel: Vergasung der feindlichen Artilleriestellungen und Beobachtungsstellen. Die in der Bildmitte schwarz erkennbaren feindlichen Infanteriestellungen weisen vorläufig nur wenig Beschuß auf. (3)Rundbild vom Kemmelgebiet, aufgenommen vom Straßenkreuz östlich Nieuwekerke. Man erkennt, daß es sich um einen ziemlich flachen, mit schütterem Wald bedeckten Höhenzug handelt, der indessen einen umfassenden Überblick über das Gelände südlich Ypern gewährt. Links im Walde zahlreiche Wellblechbaracken. Auf dem rechten Teil des Bildes sind Stellungen sichtbar. (44 - 45) [2 Abb.]: (1)Die ganze Feuervorbereitung dauerte nur wenige Stunden, war dafür aber von ungeheurer Stärke. - Das Bild zeigt die höchste Feuersteigerung. Der ganze Berg liegt unter einem Orkan, bei dem die einzelnen Einschläge nicht mehr erkennbar sind. (2)An der Vormarschstraße. (46) [2 Abb.]: (1)Schnell ausgehobene Gräben boten geringen Schutz. - Meldegänger am Hang des Kemmel. (2)Der Kemmel nach dem Sturm. - Ein riesiges Trichterfeld, in dem die Stellungen kaum noch erkennbar sind. (47) [Abb.]: Am Ortseingang des wiedererstandenen Langemarck. (48) [3 Karten]: (1)Westflandern (2)Belgien (3)Sprachgebiete von Belgien ( - ) Arras - Somme - St. Quentin ( - ) Vorwort ([1]) [Abb.]: Das Industriegebiet von Lille bildete die Grenze zwischen den Kampfräumen Flandern und Lens - Arras. - Die Stadt Lille, die seit Herbst 1914 nahe hinter den deutschen Linien lag, erlitt verhaltensmäßig nur geringe Zerstörungen. (1) [2 Abb.]: (1)Amiens, die alte Hauptstadt der Pikardie, sah nur beim Vormarsch 1914 deutsche Truppen in ihren Mauern. Während des späteren Stellungskrieges lag es weit vor der deutschen Front. - Die herrliche Kathedrale blieb unbeschädigt. (2)Marktplatz von Cambrai. - Die Stadt geriet nur 1917 in der Tankschlacht von Cambrai in den Brennpunkt der Kämpfe. (2) [2 Abb.]: (1)In der Schlacht von St. Quentin warf die deutsche 2. Armee in den letzten Augusttagen 1914 den bereits bei Charleroi geschlagenen Feind erneut zurück. Im späteren Stellungskrieg hatte die Stadt zeitweise schwer unter dem Krieg zu leiden. (2)Péronne war während der Sommeschlacht einer der Hauptpfeiler der deutschen Front. Die Stadt wurde beim Rückzug in die Siegfriedstellung dem Feind überlassen, in der Großen Schlacht in Frankreich im Frühjahr 1918 aber zurückerobert. (3) [2 Abb.]: (1)Sommelandschaft bei Cléry nordwestlich von Péronne. Die Somme verläuft hier in einer breiten sumpfigen Niederung zwischen flachen Hügeln. (2)Landschaft bei Arras. Das Bild ist von den Stellungen bei Beaurains aus mit der Blickrichtung von Süden nach Norden aufgenommen. (4 - 5) Die Schlacht bei Arras (6 - 7) [2 Abb.]: Das Hügelland des Artois fällt zwischen Arras und Lens mit einer deutlichen Stufe nach Westen zur flandrischen Ebene ab. Um die Abhänge bei Farbus, Vimy, Souchez, die im Herbst 1914 von den Deutschen besetzt worden waren, wurde jahrelang unter ungeheurem Einsatz von Menschen und Material gekämpft. Erst im Jahre 1917 wurden die Deutschen endgültig von den Hängen heruntergedrängt. - Blick von Liévin auf Schloß und Wald von Noulette. (2)Die Kämpfe bei Lens-Souchez, spielten sich vielfach mitten zwischen den Schachtanlagen und Geröllhalden und im Straßengewirr der Arbeiterkolonien ab. Sie erhielten dadurch ein ganz besondereres Gepräge. - Der Schacht 6, südlich von Angres. (6 - 7) [Abb.]: Marktplatz und Kirche in Lens vor dem Beginn der großen englischen Offensive beiderseits von Arras im April 1917. (8) [2 Abb.]: (1)Der gleiche Platz nach der Schlacht, in deren Verlauf die feindlichen Linien bis unmittelbar an Lens heranrückten. (2)Die Ruinen der Schlachtanlagen mit gespenstisch in die Luft ragenden Maschinen gaben der Landschaft ihre besondere Note. (9) [2 Abb.]: (1)Rundblick auf die Lorettohöhe, einen schmalen von Südost nach Nordwest sich hinziehenden Bergrücken westlich Lens mit einer Notre Dame de Loretto genannten Wallfahrtskapelle, die vom Herbst 1914 bis zum Herbst 1915 im Brennpunkt der Kämpfe bei Arras stand. - Das Bild ist von der östlich der Lorettohöhe gelegenen Gießlerhöhe aufgenommen worden. (2)Kampfgelände vor der Siegfriedstellung, nordwestlich St. Quentin. Blick vom Standpunkt 500 m östlich St. Emilie nach Südwesten auf Villers-Faucon und Roisel. - Das Bild wurde im Mai 1918, nach der Großen Schlacht in Frankreich, aufgenommen. (10 -11) [2 Abb.]: (1)Um Schußfeld für die Stellungen zu schaffen, die seit dem Frühjahr 1917, nach der Arrasschlacht, durch den Westteil von Lens führten, wurde durch ausgedehnte Sprengungen eine breite Lücke mitten durch das Häusergewirr geschlagen. (2)Die neben den Schächten auftragenden Schlackenpyramiden wurden zu Hauptstützpunkten der Verteidigung ausgebaut. (12) [2 Abb.]: (1)Das Rathaus von Arras, mit seinem hochragenden Belfried, eine der schönsten Bauten Frankreichs, vor der Zerstörung. (2)Die Ruinen des Rathauses, nachdem Arras durch jahrelange Beschießung zum großen Teil in Trümmer gesunken war. (13) [2 Abb.]: (1)Das zerstörte Souchez. Im Hintergrund der Hang der Lorettohöhe. (2)Sehr schwere Kämpfe spielten sich auch weiter nördlich am La-Bassée-Kanal ab. - Fliegerbild vom Kampfgelände am Kanal. (14) Die Sommeschlacht (15) [2 Abb.]: (1)Schwere englische Artillerie in Feuerstellung auf dem Sommeschlachtfeld. (2)Englische Munitionskolonne. Bei dem gewaltigen Munitionsverbrauch hatten die Kolonnen große Arbeit zu leisten. (15) [2 Abb.]: (1)Im Kampfgebiet an der Somme. Das Gelände ist durch das Trommelfeuer vollkommen zerstampft. Die Bodenbewachsung und - bedeckung ist ganz verschwunden. Die deutschen Gräben sind nur noch in schwachen Umrissen zu erkennen. (2)Zum Durchbruch kam es trotzdem nicht. Die deutschen Reserven setzten sich in dem Trichtergelände immer wieder fest. (16) [2 Abb.]: (1)Eingreifdivisionen standen hinter den Kampflinien bereit, um sich dem Feind im Gegenangriff entgegenzuwerfen. (2)Kampfgelände bei Maurepas. (17) [2 Abb.]: (1)Der Wald von Thiepval, nordöstlich Albert. (2)Kampfgelände zwischen Combles und Morval. (18) [2 Abb.]: (1)Kampfgelände bei Cléry. (2)Truppenverbandplatz hinter der Front. (19) [2 Abb.]: (1)Der Weg nach "vorn" führte an zusammengeschossenen Munitionswagen und an Toten vorbei, die das Feuer gefaßt hatte. (2)Straße in Bapaume. Die Kampflinie rückte im Laufe der Kämpfe bis dicht an die zusammengeschossene Stadt heran. (20) [2 Abb.]: (1)Ebenso wie Baupame wurde auch Péronne während der Schlacht zerstört. Die Kathedrale fiel der Beschießung zum Opfer. (2)Englische Reserven auf dem Vormarsch zur Front. (21) [2 Abb.]: (1)Die Trümmer von Chaulnes, des südlichen Eckpunktes der deutschen Stellungen in der Sommeschlacht. (2)Platz vor der Kathedrale von Péronne. (22) [2 Abb.]: (1)Je tiefer die angreifenden Engländer und Franzosen in das völlig zerstörte Gelände eindrangen, um so schwieriger gestalteten sich die rückwärtigen Verbindungen. - Wegeausbesserungen hinter den englischen Stellungen bei Guillemont. (2)Als die Schlacht im November 1916 zu Ende ging, hatten die Angreifer nur einen schmalen Streifen von wenigen Kilometer Tiefe gewonnen. Dieser Raum war mit dem Blut von mehr als einer Million Toter und Verwundeter getränkt. (23) Die Siegfriedstellung (24 - 25) [3 Abb.]: (1)Noyon. Im Hintergrund die Türme der Kathedrale. Der weit nach Südwesten auspringende Bogen von Noyon wurde beim Rückzug in die Siegfriedstellung aufgegeben. (2)Bei La Fère die Stellungen auf das Westufer der Oise vorgeschoben und bildeten dort einen Brückenkopf. (3)Oiselandschaft nördlich von La Fère. Das durch Flußanstauungen weithin überschwemmte Gelände gewährte den deutschen Stellungen wirksamen Schutz. (24 - 25) [2 Abb.]: (1)Brand und Sprengungen in dem wenige Kilometer vor der Siegfriedstellung, westlich von La Fère, gelegenen Chauny. (2)Besonderen Wert legte man auf die Zerstörung der Bahnanlagen. - Sprengung an der Bahnstrecke Chauny - Noyon. (26) [2 Abb.]: (1)Um dem Feind jede Unterkunftsmöglichkeit zu nehmen, mußte eine größere Anzahl an Dörfern niedergelegt werden. (2)Alles Gerät und alle Vorräte, die für die Kriegführung irgendwie von Nutzen sein konnten, werden zurückgeschafft. (27) [3 Abb.]: (1)St. Quentin im Januar 1917, also noch vor dem Rückzug in die Siegfriedstellung. Die Stadt befand sich um diese Zeit in völlig unversehrtem Zustande. (2)Durch den Rückzug in die Siegfriedstellung geriet St. Quentin in die vorderste Kampflinie und wurde durch die französische Beschießung allmählich zerstört. Blick auf die ausgebrannte Kathedrale. Rechts auf dem Bilde ein Einschlag. (3)Im sterbenden St. Quentin: Die Straßen verwandeln sich durch Beschießung und Brände allmählich in Schutthaufen. Im Hintergrunde des Bildes ist, von der Seite gesehen, das durch seine reiche Architektur berühmte Rathaus sichtbar. (28 - 29) Die Tankschlacht bei Cambrai. (30) [Abb.]: Feindlicher Tankhafen hinter der Front. Die mit Lagerräumen und Reparaturwerkstätten ausgestatteten Sammelstellen dienten auch als Exerzierplätze. Die Tankspuren lassen die Beweglichkeit und Wendigkeit der Tanks erkennen. (30) [2 Abb.]: (1)Der Marktplatz von Cambrai. Die Stadt wurde durch die Tankschlacht aus ihrer bisherigen Ruhe heftig aufgeschreckt. (2)Englische Tanks im Abwehrfeuer deutscher Geschütze und Minenwerfer. Ein großer Teil wurde kampfunfähig gemacht. (31) [2 Abb.]: (1)Durch das deutsche Abwehrfeuer kampfunfähig gemachte und liegengebliebene Tanks. - Auf der linken Bildseite ist ein in den Graben seitlich abgerutschter Tank erkennbar. Ein anderer liegt im Trichtergelände (Bildmitte). Die kreisrunde Spur auf der rechten Bildseite läßt darauf schließen, daß sich hier ein Tank völlig um seine eigene Achse gedreht hat. (2)Die schwersten Kämpfe spielten sich im Bourlonwald westlich von Cambrai ab. - Ein durch Volltreffer vernichteter Tank. (32) [2 Abb.]: (1)Auf der großen Straße Bapaume - Cambrai drangen die englischen Tanks bis Fontaine, hart westlich Cambrai, vor. (2)Tankabwehrgeschütz in Feuerstellung. - Das leichte Geschütz erwies sich bis zum Kriegsende als bestes Tankabwehrmittel. (33) Die Große Schlacht in Frankreich und die Armentières-Offensive im Frühjahr 1918 (34) [2 Abb.]: (1)Eine gewaltige Artillerie wurde bereitgestellt, um die Verteidigung zu lähmen. - Mörserbatterie geht in Stellung. (2)Die Geheimhaltung des Angriffsplanes war von entscheidender Wichtigkeit. - Gut getarntes deutsches Langrohrgeschütz. (34) [2 Abb.]: Oben und unten: Die Wirkung des straff zusammengefaßten deutschen Artillerie- und Minenwerferfeuers war außerordentlich stark; sie reichte meist aus, um der Infanterie den Durchbruch durch die feindlichen Stellungen zu ermöglichen. (35) [2 Abb.]: Oben und unten: Dicht hinter der Infanterie überschritt ein Teil der Artillerie die feindlichen Stellungen. Es bedurfte des Einsatzes alle Kräfte, um die Geschütze über das Gewirr der Gräben und Hindernisse hinwegzubringen. (36) [2 Abb.]: (1)Zum ersten Mal seit Herbst 1914 wurden auch die höheren Stäbe wieder beweglich. Divisionsstab auf dem Gefechtsfeld. (2)Das Kampffeld war bedeckt mit Schützenlinien und Kolonnen, die hinter dem weichenden Feind zur Verfolgung antraten. (37) [2 Abb.]: (1)Deutsche Marschkolonne in St. Quentin. (2)In Templeux. (38) [2 Abb.]: (1)Vor Ham. (2)Im alten Kampfgebiet der Somme. (39) [2 Abb.]: (1)Auch die hohen Stäbe mußten schließlich ihre Quartiere nach vorn verlegen. Quartierwechsel eines Armeekommandos. (2)Tausende von Geschützen und Minenwerfer fielen in die Hand der Deutschen. Sie säumten überall die Straßenränder. (40) [Abb.]: Unendliche Massen von Muntion und Kriegsgerät, die nicht geborgen werden konnten, bedeckten das weite Schlachtfeld. (41) [2 Abb.]: (1)In den eroberten englischen Magazinen fanden die ausgehungerten deutschen Soldaten reiche, hochwillkommenen Beute. (2)Auf dem Marktplatz in Ham. (42) [2 Abb.]: (1)Die englischen Gefangenen leisteten beim Rücktransport von Verwundeten aus der Kampflinie sehr erwünschte Hilfe. (2)Rast deutscher Truppen in Bethencourt. (43) [2 Abb.]: (1)Im eroberten Montdidier. Die Stadt, die bisher wenig gelitten hatte, geriet jetzt mitten in die Hauptkampfzone. (2In rastloser Verfolgung wurde das Sommeschlachtfeld des Jahres 1916 durchschritten. Schon gelangte der Angriff in ein Gebiet, das bisher vom Kampf noch kaum berührt war. - Kampfgelände bei Moreuil an der Avre, südöstlich Amiens. (44) [2 Abb.]: (1)Au & Noyon kam wieder in den Bereich der Kämpfe. Die herrliche Kathedrale geriet durch das Artilleriefeuer in Brand. (2)Endlich erlahmte die Kraft des deutschen Vormarsches an dem wachsenden Widerstand der in der letzten Minute unter den einheitlichen Oberbefehl Generals Foch gestellten feindlichen Armeen. - Der blutige Weg, der von St. Quentin bis dicht an Amiens herangeführt hatte, endete schließlich doch wieder in der hoffnungslosen Öde des Stellungskrieges. (45) [2 Abb.]: (1)Die Bereitstellung der Truppen und das erste Vorgehen litten unter der Ungunst des tiefliegenden Angriffsgeländes. (2)Das während des Angriffs vergaste Armentières wurde am 11. April besetzt. - Deutsche Truppen auf dem Marktpatz. (46) [2 Abb.]: (1)Mitten zwischen den Häuserreihen der Stadt hatten die Engländer ihre sehr geschickt getarnten Batterien aufgestellt. (2)Estaires und Bailleut konnten noch genommen werden. Dann erlahmte die Offensive. - Fliegeraufnahme von Estaires. (47) [2 Abb.]: (1)Neue Dörfer sind emporgewachsen. Freundlich, als wüßten sie nichts mehr vom Krieg, grüßen sie aus der Landschaft. (2)Das Kriegsgerät findet heute vielfach Verwendung: Bunker dienen als Keller, Wellblechbaracken als Ställe. (48) [2 Abb.]: (1)Der eine deutsche Kriegerfriedhof auf der Vimyhöhe trägt schlichte schwarze Holzkreuze für 41 000 Gefallene. (2)Gegnüber leuchten in unendlichen Reihen die weißen Grabsteine der in fremder Erde ruhenden Söhne Großbritanniens. (49) [Abb.]: Das Ehrenmal, das deutsche Soldaten im Kriege ihren toten Kameraden in St. Quentin errichteten, steht nicht mehr. Aber die Dankbarkeit des Vaterlandes ist den an der Somme und Arras gebliebenen Söhnen gewiß. (50) [3 Karten]: (1)Somme-Aisne (2)Die Kämpfe bei Arras (3)Der französ.-engl. Angriff an der Somme 1916 ( - ) Die Aisne - Champagne - Front ( - ) Vorwort ([1]) [Abb.]: Die Kathedrale von Reims, eine der schönsten gotischen Kirchen Frankreichs, seit dem 12. Jahrhundert Krönungsstätte der französischen Könige, wurde im Weltkrieg durch Beschießung und Brand schwer beschädigt. Sie wird in ihrer alten Gestalt wieder hergestellt. (1) [2 Abb.]: (1)Dinant. Auf steilem Felsen über dem Fluß liegt die veraltete Zitadelle, an ihrem Fuß erhebt sich die Kathedrale. (2)Givet. Die auf dem Westufer der Maas gelegenen Befestigungen ergaben sich rasch nach Einsatz schwerer Geschütze. (2) [2 Abb.]: (1)Sedan. Die Maashöhen beiderseits der Stadt konnten am 25. August 1914 erst nach hartem Gefecht genommen werden. (2)Charleville. Die Doppelstadt Charleville-Mézières war später jahrelang Sitz der deutschen Obersten Heeresleitung. (3) [2 Abb.]: (1)Der Marsch der 3. Armee führte über Rethel. Die Stadt wurde teilweise zerstört. Die Kathedrale blieb unversehrt. (2)Die Festung Reims bereitete keinerlei Aufenthalt. - Rastende deutsche Truppen auf dem Platz vor der Kathedrale. (4) [2 Abb.]: (1)Die 4. Armee marschierte westlich der Argonnen über Vouziers. - Die Stadt wurde im letzten Kriegsjahr halb zerstört. (2)Am Schicksalsfluß, der Marne, wandte sich das Kriegsglück. Marnelandschaft zwischen Château Thierry und Epernay. (5) [3 Abb.]: (1)Rundbildaufnahme vom Ostrand des Argonner Waldes. Blickrichtung von Norden nach Süden. Am unteren Bildrand sind die durch die Kämpfe hervorgerufenen, quer durch den Wald sich hinziehenden Verwüstungen deutlich zu erkennen. (2)Um den steil über das umliegende Gelände emporragenden Vauquois, am Ostrand der Argonnen, wurde besonders heftig gekämpft. - Das Bild ist vom Westrand des Cheppywaldes aus aufgenommen. (3)Der Minenkrieg spielte in den Kämpfen um den Vauquois eine besondere Rolle. Der Gipfel des Berges war durch eine Kette der Minensprengungen vollkommen zerrissen. (6 -7) [2 Abb.]: (1)Varennes. - In dem wenige Kilometer hinter der Front gelegenen Städtchen liefen die Hauptverbindungen östlich der Argonnen zusammen. Es war auch Ausgangspunkt der wichtigsten Querstraße durch die Argonnen. (2)Ein gewaltiges Denkmal erinnert heute in Varennes an den amerikanischen Angriff zwischen den Argonnen und Verdun, der im Rahmen der allgemeinen Offensive der Entente hier im Herbst 1918 begann. (8) [2 Abb.]: (1)Außerhalb der wenigen Dörfer finden sich in dem Waldgebiet der Argonnen kaum irgendwelche menschlichen Ansiedlungen. Um einige in der Kampffront liegende Jagdhütten, "Pavillons" genannt, wurde besonders heftig gekämpft. (2)Französische Stellung am Bagatelle-Pavillon. Das ungemein dichte Unterholz in den Argonnen verlangte schärfste Aufmerksamkeit gegen überraschende Angriffe. (9) [2 Abb.]: (1)Deutsche Laufgräben im Minen- und Sprengtrichtergelände des Argonner Waldes. (2)Deutsche Reserven hinter der Front in Gegend Binarville. Unmittelbar neben dem Lager war ein Kriegerfriedhof. (10) [2 Abb.]: (1)Besondere Sorgfalt mußte in dem stets feuchten Waldgelände auf den Bau guter Wege verwendet werden. - Die "Halberstädter Straße". (2)Der Weiler Le Four de Paris, eine wichtige Straßenkreuzung im Biesmetal, war Hauptziel der deutschen Angriffe. (11) [2 Abb.]: (1)Oben: Aufgemauerte Stellung. - Die Aufnahme zeigt, mit welcher Sorgfalt die Gräben im Argonnerwald im Laufe der Jahre ausgebaut wurden. - (2)Unten: Hinter den französischen Linien: Quartierleben in einem halbzerstörten Dorf. (12) [2 Abb.]: (1)Heute deckt frisches Grün das Kampfgelände in den Argonnen. Der breite Streifen der Kampfzone ist an den jungen Baumbeständen noch deutlich sichtbar. Jahrzehnte werden vergeben, bis die Narben verheilt sind und der Wald wieder ein gleichmäßiges Bild zeigt. Einzelne abgestorbene Bäume erinnern noch an das Grauen des Krieges. (2)Geht man wenige Schritte vom Weg ab, dann birgt sich unter dem üppigen Wuchs der Pflanzen und Sträucher ein fast undurchdringliches Gewirr von Gräben, Draht, Betondrümmer und Esienstangen. Es scheint bisweilen, als hätten die Truppen dieses Gelände erst vor wenigen Monaten verlassen. (13) [2 Abb.]: (1)Oben: Kampfgelände zwischen Moronvilliers und St. Souplet. - (2)Unten: Französische Reservestellungen bei Perthes. (14) [2 Abb.]: (1)Champagnelandschaft. Das Bild zeigt die Umgebung des aus den Heeresberichten bekannten Ortes Somme Py. (2)Der Stützpunkt "Ulm" bei Souain, wo den Franzosen in der Herbstschlacht in der Champagne ein Einbruch gelang. (15) [2 Abb.]: (1)Champagnerkämpfe: Luftbild vom Vorgehen französischer Reserven durch die Annäherungswege in den vordersten Linien. (2)Französisches Artilleriefeuer im Kampfgelände bei Souain. Die Sturmtruppen warten auf den Befehl zum Angriff. (16) [2 Abb.]: (1)Betonblockhaus am Mont Cornillet, der die Hügelkette Pöhlberg-Keilberg-Hochberg nach Westen zu abschließt. (2)Die gleiche Gegend im Jahr 1935. Die Landschaft zeigt auch heute, nach zwanzig Jahren, noch ein Bild der Verwüstung. (17) [2 Abb.]: (1)Rundbild aus Gegend nordwestlich Moronvilliers (etwa 15 km östlich Reims) nach Süden auf das Höhengelände des Poehlberges, Keilbergs und Hochbergs. Diese beherrschenden Höhen gingen in den Kämpfen im Frühjahr 1917 zum Teil an die Franzosen verloren. (2)Eine wichtige Rolle, besonders für die Artillerie, spielte weiter östlich bei Rouvroy-Massiges der Kanonenberg. - Das Bild ist vom Ballon nördlich Rouvroy mit dem Blick nach Süden aufgenommen und umfaßt den Raum von Minaucourt bis Ville sur Tourbe. (18 - 19) [3 Abb.]: (1)Blick aus Gegend Berru, östlich Reims, auf die Stadt. Im Vordergrund vor dem Wald ist ein Teil der Stellungen sichtbar. Hinter der Stadt steigen die Höhen des Reimser Bergwaldes empor, die ein nicht erreichtes Ziel der deutschen Offensive im Juli 1918 bildeten. (2)Das brennende Reims. - Der größte Teil der Stadt sowie die Kathedrale wurden durch die Kampfereignisse zerstört. (3)Fort Brimont nordöstlich Reims. Von hier aus verliefen die Stellungen hinter dem Aisne-Marnekanal auf Berry-au-Bac. (20 - 21) [2 Abb.]: (1)Blick von den Höhen bei Crouy auf Soissons. Die Stadt lag ebenso wie Reims dicht vor den deutschen Linien und wurde stark zerstört. Im März 1917, bei dem Rückzug in die Siegfriedstellung, wurden die deutschen Linien hier bis Lauffaux zurückverlegt. (2)Rundbild von Höhe 109 nördlich Vailly auf das Aisnetal und die gegenüberliegenden Höhen. Dieser Teil des Kampffeldes ging bei der großen Nivelleoffensive im Frühjahr verloren. (22 - 23) [2 Abb.]: (1)Bis zum Frühjahr 1915 wies das hochgelegene Craonne, wie das Bild zeigt, nur ziemlich geringe Beschädigungen auf. (2)Zwei Jahre später, in der französischen Offensive im Frühjahr 1917, mußte es von den Deutschen preisgegeben werden. (24) [2 Abb.]: (1)Das berühmte Schloß Coucy le Château, nördlich Soissons, galt als eine der schönsten Burgruinen Frankreichs. Es mußte im Frühjahr 1917 gelegentlich des Rückzugs in die Siegfriedstellung aus taktischen Gründen niedergelegt werden. (2)Als im Sommer des Jahres 1918, während der Schlacht bei Soissons und Reims, der Chemin des Dames von den Deutschen zurückerobert wurde, kündeten nur noch schwache Mauerreste von den Dörfern Craonne und La Ville-aux-Bois. (25) [2 Abb.]: (1)Filain, am Nordhang des Chemin des Dames, das im Verlauf der Kämpfe des Jahres 1917/18 völlig zerstört wurde. (2)Blick auf die im Mai 1918 von den Deutschen gestürmten englischen Stellungen am Aisne-Kanal und bei Berry-au-Bac. (26) [2 Abb.]: (1)Blick vom nordöstlichen Ufer der Ailette nach Süden auf den von den Deutschen Ende 1917 geräumten Chemin des Dames. (2)An den Abhängen des Chemin des Dames führen Steinbrüche tief in das Innere des Berges hinein. Die Höhlen, in denen ganze Bataillone und Regimenter Platz fanden, bildeten bombensichere Unterkunftsräume für die Kampfreserven. (27) [2 Abb.]: (1)Fernaufnahme vom Chemin des Dames aus nach Norden auf das hochgelegene Laon mit seiner mächtigen Kathedrale. (2)Blick von den Höhen bei Chermizy, nördlich der Ailette, aus auf den Chemin des Dames zwischen Cerny und La Creute. (28 - 29) [2 Abb.]: (1)Die Sturmtruppen überschreiten auf Schnellbrücken den Ailettebach und stellen sich am Südufer zum Angriff bereit. (2)Offiziere beobachten von der Höhe nördlich Berry-au-Bac das Vorgehen der vordersten Angriffslinien gegen die Aisne. (30) [2 Abb.]: (1)Vor dem Befehl zum Antreten. (2)Der Sturmangriff: Die ersten Gefangenen. - Eines jener nicht häufigen Bilder, die in der vordersten Linie während des Sturmes aufgenommen sind, an die daher in technischer Hinsicht keine großen Ansprüche gestellt werden können. (31) [2 Abb.]: (1)Vorgehen deutscher Infanterie über den Chemin des Dames. - Ohne Aufenthalt erreichte die Strumgruppe das Aisnetal. (2)Ein Maschinengewehrtrupp eilt im Laufschritt zum jenseitigen Rand eines eben eroberten Dorfes. (32) [2 Abb.]: (1)Angriff unter dem Schutz von Nebelbomben auf ein vorher von der eigenen Artillerie sturmreif geschossenes Dorf. (2)Auf dem Weg zur Marne. - Vormarsch durch zerstörtes Gelände. (33) [2 Abb.]: (1)Aus dem Angriffsgelände bei Berry-au-Bac: deutsche Minenwerfer überschreiten die vordersten englischen Stellungen. (2)DerWinterberg bei Craonne nach dem Sturm. (34) [2 Abb.]: (1)Deutsche Reserven marschieren durch Craonelle (südlich Craonne), einen Hauptkampfpunkt auf dem Chemin des Dames. (2)Am Winterberg. (35) [2 Abb.]: (1)Die Verluste des Feindes waren schwer. Lange Züge Gefangener wurden zurückgebracht. (2)Zusammengeschossene französische Artillerie. (36) [2 Abb.]: (1)Deutsches Feldlazarett im Schloß Pinon nördlich von Laffaux. (2)Ein Teil der Einwohner der Kampfzone war in den halbzerstörten Häusern geblieben. (37) [2 Abb.]: (1)Die Stimmung der Truppe war glänzend. Sie glaubte, diesmal sei die Entscheidung errungen. (2)Die Schnelligkeit des deutschen Vormarsches hatte die gründliche zerstörung der Brücken verhindert. (38) [2 Abb.]: (1)Im eroberten Soissons. Schwere Brände wüteten in den Ruinen der Stadt. (2)Auf dem Kirchplatz in Cormicy, südwestlich von Berry-au-Bac. (39) [Abb.]: Immer größer wurde die Beute an Gefangenen und Kriegsmaterial. Gefangenentransport in der Zitadelle von Laon. (40) [2 Abb.]: (1)Am Abend des ersten Angriffstages standen die deutschen Truppen in Fismes an der Vesle. (2)Kurze Rast. - Die Anstrengungen der Truppen, die teilweise über 25 km zurückgelegt hatten, war außerordentlich. (41) [2 Abb.]: (1)Auch an der Vesle vermochten die Franzosen sich nicht zu halten. Die Verfolgung ging südlich des Flusses weiter. (2)Divisionsstab auf dem Gefechtsstand. (42) [2 Abb]: (1)Hinter der Kampffront: Der Verwundetentransport nach der Verwundetensammelstelle erfolgte oft durch Gefangene. (2)Schwere Batterie auf dem Vormarsch. (43) [3 Abb.]: (1)Blick von den Höhen bei Troissy am Südufer der Marne auf das Nordufer. An dieser Stelle erzwangen deutsche Truppen im Verlauf der mit einem Mißerfolg endenden letzten deutschen Offensive beiderseits Reims im Juli 1918 den Übergang über den Fluß. (2)Vincelles an der Marne im feindlichen Artilleriefeuer. Hinter dem Dorf ist die Marne sichtbar. (3)Auf der Straße nach Château Thierry. (44 - 45) [Abb.]: Auf dem Chemin des Dames erinnern heute nur noch wenige Trümmer an den Krieg. - Betonklotz im Fort de Malmaison. (46) [2 Karten]: Aisne und Champagne. (1)Aisne: (2)Champagne: ( - ) [Karte]: Nordfrankreich ( - ) Der Kampfraum Verdun ( - ) Vorwort ([1]) Die lothringische Landschaft (1) [Abb.]: Umgebung von Dieuze. In dieser Landschaft spielte sich im August 1914 die Lothringer Schlacht ab. - Hinter der Stadt (Mitte) ist der Linderweiher erkennbar. Am Horizont die Vogesen. - Dieuze war vor dem Kriege Grenzgarnison. (1) [2 Abb.]: (1)Mörchingen, an der Bahn Salzburg - Metz. Auch dieses Gelände zeigt die charakteristischen Merkmale der lothringischen Landschaft: Flache, weitgestreckte Hügel, Waldparzellen zwischen den Feldern und Wiesen, spärliche Besiedlung. (2)Der Gedanke, Frankreich durch einen Gürtel von Befestigungen abzuschließen, ist alt. Marsal ist eine der vielen unter Ludwig XIV. erbauten Grenzfestungen, die schon längst vor dem Weltkrieg ihren militärischen Wert völlig verloren hatten. (2) [2 Abb.]: (1)An der elsaß-lothringischen Grenze stießen die Grenzkorps frühzeitig aufeinander. Bei dem am Rhein - Marne-Kanal liegenden Lagarde erfochten preußische und bayerische Truppen am 11. August 1914 einen der ersten deutschen Siege. (2)Im südlichen Teil der lothringischen Front zogen sich die Stellungen in den Nordausläufern der französischen Vogesen von Blâmont über Badonviller nach Moyenmoutier. - Vorgeschobener deutscher Posten in den französischen Nordvogesen. (3) [2 Abb.]: (1)Lothringen war ein römisches Siedlungsland. - Reste der nach Metz führenden alten Wasserleitung in Jouy aux Arches. (2)Das Moseltal zwischen Ars und Metz. Das Bild läßt die Lage von Metz zwischen den zu beiden Seiten des Flusses ansteigenden Höhen erkennen, die die alten Befestigungen trugen. Die modernen Werke lagen in weiter Entfernung der Stadt. (4) Der Mihielbogen (5) [2 Abb.]: (1)Landschaft bei Pont à Mousson. Das Bild vom heiß umkämpften Priesterwald nordwestlich der Stadt aufgenommen. (2)Über Pont à Mousson erhebt sich steil und beherrschend die Moussonhöhe, ein Wahrzeichen der dortigen Landschaft. (5) [3 Abb.]: (1)Kampfgelände im Priesterwald. Im Hintergrund zwischen den Bäumen ist das Moseltal bei Pont à Mousson erkennbar. Auf der linken Bildseite der Moussonberg. (2)Am Wald von Apremont. Das Gelände zeigt hier bereits die für die Côtes Lorraines eigentümlichen Bergvorsprünge. (3)Mörserstellung bei St. Mihiel. Das den felsigen Boden bedeckende Gestrüpp erleichterte die Maskierung der Geschütze. (6 - 7) [2 Abb.]: (1)St. Mihiel. Die deutschen Stellungen reichten nur in einer ganz schmalen Ausbuchtung auf das westliche Maasufer hinüber. (2)Das auf dem Ostufer der Maas über St. Mihiel gelegene Sperrfort Camp des Romains wurde nach kurzer Beschießung aus schwerem Geschütz von den Bayern im Handstreich genommen, eine der glänzendsten Waffentaten des Weltkrieges. (8) [2 Abb.]: (1)Die auf das westliche Maasufer vorgeschobene Stellung konnte bis zum Herbst 1918 behauptet werden - Auf den Höhen im Hintergrunde liegt das Nachbarsperrfort Les Paroches, vor dem der Vorstoß im Herbst 1914 zum Stehen kam. (2)Die Festung Toul, 20 Kilometer südlich der Südfront des Mihielbogens gelegen, geriet nie in den unmittelbaren Bereich der Kämpfe. - Die Fliegeraufnahme zeigt das Stadtbild im Rahmen der alten Vaubanschen Stadtbefestigungen. (9) [2 Abb.]: (1)Auf einem der zahlreichen Bergvorsprünge der Côte liegt Hattonchâtel. Das Bild gibt den Blick nach Süden. Im Vordergrund Vigneulles. Der einzelne Berg im Hintergrund ist der in den Kämpfen um den Mihielbogen oft genannte Mont Sec. (2)Das die Ebene weithin beherrschende Hattonchâtel fiel den Bayern im September 1914 ohne ernste Kämpfe in die Hände. Die Baulichkeiten weisen weit in die Vergangenheit zurück. (10) [2 Abb.]: (1)Thiaucourt, halbwegs zwischen St. Mihiel und Metz in der Ebene gelegen, war der Hauptverkehrspunkt des Mihielbogens. (2)Pannes bei Flirey. Typ eines französisch-lothringischen Bauernhofs romanischer Bauart: Breite Straßen, eng aneinandergebaute Häuser, flache Dächer. (11) [3 Abb.]: (1)Die Combreshöhe vom Westausgang des Dorfes Saulx, also aus genau östlicher Richtung gesehen. Die deutschen Stellungen lagen auf dem Kamm und führten von "Combres Ost" in die Ebene hinab. Der Montgirmont war in französischem Besitz. - Jeder Fußbreit Boden war hier von größter Bedeutung. (2)Senkrechte Fliegeraufnahme der Höhe Combres Ost und des Dorfes Combres. Die Kämpfe um den Berg fanden auf den Nordwesthängen statt. Hier liegen auch die von den deutschen und französischen Sprengungen herrührenden Minentrichter. (3)Schräge Fliegeraufnahme der Combreshöhe im Augenblick einer Minensprengung. Die Eingänge der Sprengstellen führenden Minenstollen liegen, wie auf dem Bild erkennbar ist, auf dem diesseitigen Hange der Höhe. (12 - 13) Die Woëvre-Ebene. (14 - 15) [2 Abb.]: (1)Rundbildaufnahme der Côte von Broville, 5 km westlich Etain aus gesehen. Der Ausschnitt umfaßt den Höhenrand zwischen der waldigen Kuppe des Hardaumont und der Straße Etain - Verdun. Die Aufnahme ist nach Abschluß der großen Verdunkämpfe im Mai 1917 gemacht. - Man blickt in das teifeingeschnittene, zwischen den Forts Douaumont und Vaux gelegene Vauxtal, um dessen Besitz im Jahr 1916 monatelang mit unvorstellbarer Erbitterung gekämpft wurde. (2)Dieser ganz der Woëvre-Ebene zugeordnete Abschnitt lag außerhalb der entscheidenden Kämpfe. Die beherrschende Lage der Côtes wird hier deutlich erkennbar. (14 - 15) [2 Abb.]: (1)Etain bildet den Mittelpunkt des nordöstlichen Woëvre-Gebiets. Es wurde im Laufe des Krieges fast völlig zerstört. (2)In den Dörfern wenige Kilometer hinter der Kampffront atmete die Landschaft eine fast unwahrscheinliche Ruhe. (16) [2 Abb.]: (1)Constans, ein Etappenort zwischen Etain und Metz. - Der Posten übt, wie das neben dem Schilderhaus erkennbare Schild "Hat" zeigt, die den rückwärtigen Gebieten oft sehr notwendige Kontrolle über den Kraftwagenverkehr aus. (2)Briey. Seine Besetzung durch die Deutschen bedeutete einen schweren Verlust für die französische Kriegswirtschaft. (17) Die Nordostfront von Verdun (18) [2 Abb.]: (1)Die kleine Festung Longwy bildete neben Briey den Mittelpunkt des französisch-lothringischen Erzgebietes. Hier erfocht die 5. Armee ihren ersten Sieg. Die veralteten Befestigungen fielen nach kurzer Beschießung in deutsche Hand. (2)Montmédy, einer der wichtigsten Etappenorte an der Nordfront, war angefüllt mit Einrichtungen der Heeresverwaltung. Das auf die Straße verlegte Eisenbahngleis diente zur Umgehung des von den Franzosen gesprengten Eisenbahntunnels. (18) [2 Abb.]: (1)Dun, malerisch am rechten Ufer der Maas nördlich von Verdun gelegen, war ein wichtiger Übergangspunkt für den Verkehr der Truppen und Kolonnen zwischen den beiden Maasufern. (2)Das nahe hinter der Front gelegene Städtchen Marville bedeutete für zahlreiche Verdunkämpfer eine Erinnerung. (19) [2 Abb.]: (1)Moirey, südlich Damvillers, lag in der Kampfzone vor Beginn der großen Kämpfe des Jahres 1916. Im Hintergrund der Gündelberg, der als günstiger Beobachtungsposten eine Rolle spielte. (2)Straße in dem ebenfalls am Fuße des Gündelberges gelegenen Dorfe Chaumont. (20) [2 Abb.]: (1)Die unzähligen Verdunkämpfer bekannte Straßenkreuzung in Ville; von hier zweigten mehrere Wege nach vorn ab. (2)Deutsche Truppenlager am Berge Morimont unweit des am Rande der Woëvreebene gelgene Romagne sous les Côtes. (21) [2 Abb.]: (1)Brabant an der Maas. Hier ging im Februar 1916 der rechte Flügel des deutschen Angriffs vor. (2)Französische Gefangene aus den Verdun-Kämpfen. (22) [2 Abb.]: (1)Flabas, ein etwa in der Mitte der Angriffsfront liegender Ort. (2)Auf der anderen Seite: Rastende französische Truppe im Kampfgelände von Verdun. (23) [Abb.]: Verdun war die erste der großen Materialschlachten des Weltkrieges, bei denen durch Masseneinsatz von Artillerie die Entscheidung erzwungen werden sollte. Alle Geschützarten, von der Schützengrabenkolonne bis zum großkalibrigen, weittragenden Eisenbahngeschütz, gelangten hier zum Einsatz. - 21-cm-Mörser unmittelbar nach dem Abfeuern. (24) [2 Abb.]: (1)Am 21. Februar 1916 drangen die deutschen Sturmtruppen in glänzendem Anlauf tief in die feindlichen Stellungen ein. (2)Gegen die Durchschlagskraft der schweren Kaliber schützten die stärksten Eindeckungen nichts: Ein Volltreffer in einen mit dicken Stämmen eingedeckten Unterstand. (25) [2 Abb.]: (1)Die Wälder in der Kampfzone wurden fast völlig vernichtet. Nur einzelne Baumstümpfe blieben übrig. - Der Chaumewald am Südrand der Ornesschlucht. (2)Die im nördlichen Teil des Angriffsgebietes liegenden Ortschaften wurden im ersten Angriff rasch durchschritten. Hier blieben wenigstens noch Trümmer stehen. - Kirche in Ornes, die in ihrem damaligen Zustand bis heute belassen ist. (26) [2 Abb.]: (1)Das weit ins Hinterland reichende Feuer der Fernkampfgeschütze erfaßte mehrfach Munitionszüge. Die Munitionsvorräte wurden hierbei meist vernichtet. (2)In der Wüste des Schlachtfeldes blieben mitunter durch merkwürdigen Zufall einzelne Heiligenbilder unversehrt. Da die Soldaten stets eifrig bemüht waren, sie zu erhalten, standen manche von ihnen noch am Ende des Krieges. (27) [2 Abb.]: (1)Oben und unten: Von Ornes aus zieht sich die Ornesschlucht in das Kampfgelände nach Westen. Auf dem von Granaten zerwühlten Talgrund entstand ein Schlammboden, der stellenweise nur noch auf Brückenstegen überschritten werden konnte. (28) [2 Abb.]: (1)Die Vauxkreuzschlucht führt von Ornes nach Südwesten zu einer auf der Landkarte als "Vauxkreuz" bezeichneten Höhe. (2)Grémilly, am Rande der Côtes gelegen. Von hier aus etwa ging der linke Flügel des Angriffs im Februar 1916 vor. (29) Douaumont und Vaux. (30 - 31) [3 Abb.]: (1)Französische Aufnahme des Douaumont von Südwesten her. Das Fort ist durch das Feuer schon fast unkenntlich geworden. (2)Trümmer des in der Mitte des Angriffsfeldes gelegenen Ortes Louvemont, der längere Zeit heiß umkämpft war. (3)Blick vom Douaumont in südwestlicher Richtung nach Thiaumont und Froide Terre. Das Bild ist während der Beschießung unter erschwerten Umständen aufgenommen. Es gibt trotz technischer Mängel einen unmittelbaren Eindruck des Kampfgeländes. (30 - 31) [2 Abb.]: (1)Das Fort Douaumont, wie es der Flieger Anfang 1916 sah, zu einer Zeit, als die Schlacht noch nicht begonnen hatte. (2)Eine spätere Aufnahme des Forts Douaumont, nachdem bereits monatelang das schwerste Feuer auf ihm gelegen hatte. (32) [2 Abb.]: (1)Französische Aufnahme des Forts Douaumont vom Beginn des Jahres 1916. Man sieht die noch gut erhaltene Kehlkaserne. Links im Schatten der innere Graben. Auf dessen Grunde liegt die durch einen Tunnel in das Fort führende Einfahrt. (2)Blick vom östlichen (rechten) Schulterpunkt des Forts Douaumont in den auf der rechten Flanke entlang führenden Graben. (33) [2 Abb.]: (1)Rundbild von der Höhe 378 östlich Louvemont auf einen Teil der Forts der Nordostfront. Man sieht von rechts nach links das erst später eroberte Zwischenwerk Thiaumont auf der Côte de Froide Terre; dann das mehrere Kilometer südlich liegende Fort zweiter Linie Souville, schließlich das Dorf und Fort Douaumont. Das Bild ist nach der Schlacht von Verdun im Frühjahr 1917 aufgenommen. (2)Anfang März griffen die Kämpfe auch auf das westliche Maasufer über. Das von Höhe 165 am Westufer der Maas, östlich des Cumieres Waldes, aufgenommene Rundbild gibt einen Überblick über das Hauptkampfgelände auf dem Westufer: Cumières-Wald- (rechts) - Toter Mann - Wälder zwischen Avaucourt und Béthelainville (Hessenwald). Im Vordergrunde das Maastal. (34 - 35) [2 Abb.]: (1)Oben: Deutsche Soldaten im Hauptgang des Untergeschosses des Fort Douaumont. Das Bild gibt eine Vorstellung davon, unter welchen Umständen die Fortbesetzung zu Ruhe und Schlaf gelangte. (2)Unten: Französisches Geschütz zur Bestreichung des Grabens der linken Flanke im Fort Douaumont. Die Mauer nach dem Graben zu ist teilweise zerstört. Im Dunkel des Hintergrundes liegt der Eingang zu einem anschließenden Hohlraum. (36) [2 Abb.]: (1)Deutscher M. G.-Schütze an einem französischen Maschinengewehr in einer der Grabenstreichen des Forts Douaumont. Der Mann hat es sich auf seinem gefährlichen Sitz, auf dem er in schärfster Anspannung stundenlang hocken muß, so bequem wie möglich gemacht; Munition und Verpflegung sind in ausreichenden Mengen rings um ihn aufgebaut. (2)Unten: Als die Franzosen im Herbst 1916 bei Verdun zur Gegenoffensive schritten, gelang es ihnen, das Fort Douaumont zurückzuerobern. - Das aus dem Januar 1917 stammende französische Bild zeigt, daß die Kämpfe um das Fort um diese Zeit endgültig abgeschlossen waren und daß bereits wieder ein regelrechter Kantinenbetrieb in ihm stattfand. (37) [2 Abb.]: (1)Ein Kasemattenraum im Fort Douaumont (heutiger Zustand), in dem durch eine gewaltige Handgranatenexplosion am 8. Mai 1916 hunderte von deutschen Soldaten ums Leben kamen. Das es unmöglich war, die Toten im Fort regelrecht zu begraben, beließ man sie im Hohlraum und mauerte dessen Zugänge zu (2)Das Fort Douaumont im Jahre 1917 nach Abschluß der Kämpfe. Die Umrisse des Forts sind nur noch schwach zu erkennen. (38) [2 Abb.]: (1)Nicht weniger heiß umstritten als der Douaumont war das Fort Vaux, das durch seine Lage als Eckpunkt der Nordfront und der Ostfront von Verdun besondere Bedeutung besaß. Das Bild gibt das Gelände am Rande der Côtes vom Fort Vaux (links oben) über die "Hohe Batterie" (Mitte) bis zum Zwischenwerk Lauffée (rechts unten) (2)Die Rückseite des Forts Vaux im März 1917, nach seiner Wiedereinnahme durch die Franzosen. Die auf dem Bild erkennbare gewaltige Stärke der Betondecke macht es erklärlich, daß die Wirkung der schwersten Geschosse hier versagte. (39) [Abb.]: In dem Fort Vaux war eine Art Kapelle eingerichtet, die man in ihrem damaligen Zustande bis heute erhalten hat. (40) [2 Abb.]: (1)Fliegeraufnahme der Vaux-Schlucht (vergl. auch die Bilder auf S. 26/27), die sich zwischen den Douaumont und dem Fort Vaux hinzieht. Sie gehört zu den blutigsten Kampffeldern des Weltkrieges. - Von dem verschwundenen Dorf Vaux (rechte untere Ecke) führt die Schlucht zum Vaux-Teich und gabelt sich hier in mehrere Seitentäler, an deren Hängen Waldstücke lagen: der Caillette-Wald (oben rechts), der Chapitre-Wald oben links), das Fumin-Wäldchen (unten links). (2)Die Vaux-Schlucht in ihrem heutigen Zustand. Im Vordergrund der Vaux-Teich. Die Trichter sind völlig zugewachsen. (41) [2 Abb.]: (1)Das Dorf Fleury (Bildmitte), das nach schweren Kämpfen erst Ende Juni erobert wurde, bildete ungefähr den äußersten von den Deutschen in der Verdunoffensive 1916 erreichten Punkt. - Die auf der rechten Bildseite nach rechts oben zusammenlaufenden Mulden umschließen den Chapitre-Wald und endigen in ihrem weiteren Verlauf in der Vaux-Schlucht. (2)Das Fort Tavannes, südlich von Fort Vaux, lag bereits an der äußersten Grenze der Hauptkampfzone. Sein Zustand zu Beginn des Jahres 1917 läßt erkennen, daß es nicht so im Brennpunkt der Kämpfe stand, wie Douaumont und Vaux. (42) [2 Abb.]: (1)Fliegeraufnahme von Verdun. Die Stadt war halb zerstört. Die alten Vaubanschen Befestigungsanlagen treten deutlich hervor. - Verdun und seine Umgebung gilt seit den Kämpfen des Jahres 1916 den Franzosen als heiliger Bezirk. (2)Kronprinz Wilhelm, der als Oberbefehlshaber der 5. Armee die Verdunkämpfe befehligte, im Gespräch mit Verwundeten. (43) Das westliche Maasufer (44) [2 Abb.]: (1)Oberes Bild: Im Rabenwald östlich vom Toten Mann. (2)Unten: Das Dorf Malancourt auf dem westlichen Maasufer, das im März 1916 gegen zäheste französische Verteidigung genommen wurde. (44) [2 Abb.]: (1)Der Montfaucon bot einen glänzenden Überblick über die Nordwestfront von Verdun zwischen den Argonnen und der Maas. Es war hier der wichtigste Beobachtungspunkt der deutschen Artillerie. - Kirche von Montfaucon im Oktober 1915. (2)Der Ort Montfaucon nach seiner Eroberung durch amerikanische Truppen während der Herbstoffensive der Entente 1918. (45) [2 Abb.]: (1)Inmitten grüner Wiesen starren dem Wanderer die dunklen Schießscharten mächtiger Maschinengewehrstände entgegen. (2)Die Combreshöhen, wie man sie heute sieht. Die Gipfel sind noch immer zerrissen durch die riesigen Minentrichter. (46) [2 Abb.]: (1)Die Lage der einstigen blühenden Ortschaft Fleury ist heute nur noch durch ein einfaches Denkmal zu erkennen. (2)Gedenkhalle über dem "Graben der Bajonette" bei Fort Douaumont, in dem eine ganze französische Kompanie verschüttet wurde, deren Bajonette aus der Erde ragen. - Dieser Graben gilt als heiliges Symbol der Verdunkämpfe. (47) [Abb.]: Wie friedliche Teiche und Tümpel wirken heute die Granattrichter auf den Höhen rings um Verdun, ganz überwuchert von Gebüsch, Gras und Schilf. Aber noch viele Jahrzehnte werden sie ein Mahnzeichen sein für die Toten von Verdun. (48) [2 Karten]: (1Chamapagne-Woëvre (2)Verdun ( - ) Vogesenkrieg ( - ) Vogesenkrieg ( - ) Vorwort ([1]) [Abb.]: Das Staßburger Münster, ein Meisterwerk deutscher Gotik. - Straßburg, nach Metz die stärkste Festung an der Westgrenze, blieb im Weltkrieg von den Kriegsvorgängen fast unberührt. Die mehrfachen Einfälle der Franzosen in das Oberelsaß gelangten nicht bis zum Bereich der Festungsgeschütze. - Als Landeshauptstadt und Hauptetappenort war die Stadt fast allen deutschen Soldaten, die im Elsaß gekämpft haben, wohlbekannt. (15) [3 Abb.]: (1)Blick von der Ebene aus gegen die Hohkönigsburg. Im Vordergrund der Flugplatz. - Die Hohkönigsburg, eine der schönsten Burgen des Elsaß, mit mächtigem Bergfried, liegt westlich von Schlettstadt auf einem steil emporragenden Bergkegel. Einst Hohenstaufenburg, wurde die Hohkönigsburg im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden zerstört. 1901 wurde im Auftrag Kaiser Wilhelms mit ihrem Wiederaufbau begonnen. Zu Beginn des Weltkrieges war sie in ihrem ursprünglichen Zustand völlig wieder hergestellt. (2)Deutsche Vogesenlandschaft in Gegend Markirch. Die Vogesen verlaufen in einer nur durch wenige Einsenkungen und Paßübergänge unterbrochenen Kette langgestreckter Kämme aus verwittertem Granit, die sich von Süden nach Norden hinziehen. Von ihnen abzweigende Seitenkämme bilden nach der Rheinebene zu tief eingeschnittene Täler. (3)Blick vom Hartmannsweilerkopf in die Rheinebene. - Die Vogesen fallen nach dem Rheintal ziemlich steil ab. Der untere Teil der Berghänge ist bedeckt mit Weinbergen; dahinter liegt eine fruchtbare Landschaft mit Ackerbau und Laubwäldern, durchströmt vom Rhein (im oberen Bilddrittel als seine Linie erkennbar). Jenseits die Schwarzwaldberge. (16 - 17) [2 Abb.]: (1)Elsässisches Bauerndorf alemannischer Bauart: Dorfstraße in dem durch das Jugenderlebnis Goethes berühmt gewordenen Sesenheim, unweit Straßburg. Einzelstehende Gehöfte, von Gärten umgeben; Fachwerkbau und herabgezogene Dächer (2)Zum Vergleich ein lothringisches Bauerndorf (Autrepierre) typisch romanischer Bauart: Breite Straße mit geschlossenen Häuserfronten; reiner Steinbau. Wohn- und Wirtschaftsräume unter einem einzigen, flach geneigten Dach. Fehlen von Vorgärten, statt dessen häufig vor den Häusern die Dungablagerung. Rundgewölbte Torbögen führen zum Stall und zum Hof. (18) [2 Abb.]: (1)Elsässische Landstadt deutscher Bauart: Marktplatz in Oberehnheim (Unterelsaß. - Ein mittelalterliches Stadtbild mit Erkern und Türmchen, mit spitzgiebeligen steilen Dächern und schönem Brunnen. Die staatlichen Häuser lassen auf den ehemaligen Reichtum Oberehnheims schließen, das, wie viele andere dieser elsässischen Landstädtchen, schon zur Stauferzeit freie Reichsstadt war. (2)Zum Unterschied eine lothringische Landschaft in charakteristisch romanischer Bauart: Blaâmont in den französischen Vogesen. (19) [2 Abb.]: (1)Auf Patrouillenritt. (2)Unten: Infanteriepatrouille im Vormarsch an den Berghängen des Münstertals bei Drei-Ahren, westlich Colmar. (20) [2 Abb.]: (1)Deutsche Infanterie verfolgt den in die Vogesen zurückgeworfenen Feind. (2)Unten: Artillerie im Vormarsch auf einer Vogesenstraße. (21) [2 Abb.]: (1)Längs der deutsch-schweizerischen Grenze führte ein elektrisch geladener Drahtzaun von der Gegend von Nieder- und Obersept zum Rhein nördlich Basel. (2)Unten Eroberte französische Gräben bei Niedersept. (22) [2 Abb.]: (1)Altkirch, südwestlich Mühlhausen. Das altertümliche Städtchen lag nur wenige Kilometer hinter den deutschen Stellungen. (2)Unten: Kirche von Nieder-Aspach. (23) [3 Abb.]: (1)Oben: Der Übergang von der Burgundischen Pforte zu den Südvogesen. Charakteristisch auch hier das unvermittelte Ansteigen des Gebirges aus der Ebene. (2)Unten: Auf den Berghängen hinter Altthann überhöhten die rückwärtigen Stellungen der Franzosen die deutschen Gräben. (3)Unten: Die Stadt Thann, Hauptort des Thurtales, mit gotischem Münster lag bereits hinter den französischen Stellungen. (24 - 25) [Abb.]: Rundbild Hartmannsweilerkopf - Molkenrain. Der Hartmannsweilerkopf steigt aus der Rheinebene fast ohne Übergang zu einer Höhe von 950 m auf. Er wird vom Molkenrain noch um fast 200 m überragt. Die deutschen und französischen Stellungen führten von Süden an den Hängen empor zum Gipfel und zogen sich dann in die Vogesen hinein. Die ersten Kämpfe um den Hartmannsweilerkopf spielten im Januar 1915 ab. Sie brachten die Deutschen in den Besitz zuerst des vorgelagerten Hirzsteins und dann des Berggipfels selbst. - Im März ging der Sattel zwischen Wolkenrain und Hartmannsweilerkopf und dann dieser selbst wieder verloren. Im April wurde der Rehfelsen und Aussichtsfelsen zurückgewonnen. Die Spitze des Berges lag unbesetzt zwischen den beiderseitigen Stellungen. - Noch einmal entbrannten um die Jahreswende 1915/16 um den Besitz des Berges überaus schwere und sehr wechselvolle Kämpfe, bei deren Abschluß die deutschen Truppen im Besitz des Hirzsteins und des Rehfelsens blieben. (26 - 27) [Abb.]: Blick vom Hartmannsweilerkopf auf die von den Franzosen besetzten Höhen des Sudelkopfes und des Großen Belchen. (28) [2 Abb.]: (1)Die Stadt Sennheim, südlich vom Hartmannsweilerkopf am Eingang zum Thurtal, lag unmittelbar hinter der vordersten deutschen Linie. Bei den Kämpfen um den "H. R." hatte sie besonders schwer zu leiden. (2)Unten: Der Hartmannsweilerkopf. (29) [2 Abb.]: (1)Der Hirzstein, ein Felsgipfel am Hang des Hartmannsweilerkopfes, um den in den Jahren 1915 und 1916 heftig gekämpft wurde und der mehrfach den Besitzer wechselte. Erst nach sehr blutigem Ringen kam er endgültig in deutsche Hand. - Die Stellungen verliefen am Hange hart jenseits des Felsgipfels zum Hartmannsweilerkopf hinauf. (2)Fliegeraufnahme der französischen Stellungen im Sattel zwischen Molkenrain und dem Hartmannsweilerkopf. Dieser Sattel befand sich im Frühjahr 1915 nur vorübergehend im deutschen Besitz, konnte aber nicht gehalten werden. - Die feinen schrägen Striche sind Schatten der Baumstümpfe. Die oberen Bergränder (oben rechts und links) sind fast völlig kahl geschossen; die abwärts ins Tal führenden Hänge (Mitte unten) zeigen geringere Spuren der Zerstörung. (30) [2 Abb.]: (1)Oben: Die "Serpentinenstraße", die in vielen Windungen aus der Ebene bis fast zum Gipfel des Hartmannsweilerkopfes hinaufführte, wurde während der schweren Kämpfe des Jahres 1915 gebaut. - (2)Unten: Stollen im Rehfelsen auf dem Hartmannsweilerkopf. Das Bild gibt die Stimmung der Mannschaften sehr eindrucksvoll wieder. (31) [2 Abb.]: (1)Geschützfeuer auf die Kampfgräben des Hartmannsweilerkopfes. Im Hintergrund der Sudelkopf und der Große Belchen. (2)Unten: Am Hange des Hartmannsweilerkopfes. Vom hochstämmigen Walde ragen nur noch nackte Stümpfe empor. (32) [Abb.]: Die "Felsenkaserne" auf dem Hartmannsweilerkopf. Die meterdicke Stein- und Betondecke und die Lage des Unterstandes am stark geneigten Hange gewährten sicheren Schutz selbst gegen schwerstes Steilfeuer. (33) [2 Abb.]: (1)Der "Aussichtsfelsen", eine Felskuppe am oberen Hange des Hartmannsweilerkopfes. Man hatte von diesem beherrschenden Punkt aus einen umfassenden Überblick über das südliche Elsaß von der Schweizer Grenze bis hinauf nach Colmar. (2)Unten: Das berühmte Jägerdenkmal auf dem Hartmannsweilerkopf mit seinen bronzenen Erinnerungstafeln und den Trophäen aus vielen Kämpfen. Es lag so geschützt, daß das feindliche Geschütz- und Minenfeuer ihm nichts anhaben konnte. (34) [2 Abb.]: (1)Auf einer Zwischenstation der am Hange des Hartmannsweilerkopfes in dem Jahre 1915 gebauten Drahtseilbahn. Sie spielte bei der Beförderung der gewaltigen Mengen von Munition und Proviant eine wichtige Rolle. (2)Unten: Am Rehfelsen. Der Besitz der Felsengruppe entschied über die Behauptung des Hartmannsweilerkopfes. Um sie wurde am erbittersten gekämpft. Wiederholt ging sie verloren. Erst seit dem Januar 1916 war sie fest in deutscher Hand. - Von größter Wichtigkeit war die "Serpentinenstraße", die hier endete, da sie einen gedeckten Anmarsch für die Mannschaften und seine sichere Zufürhung des Kampfgeräts ermöglichte. (35) [3 Abb.]: (1)Ballonaufnahme der Stellungen aus dem Kampfraum beiderseits des Hilfenfirst zwischen Sondernach und Linthal. (2)Unten: Blick von den deutschen Stellungen auf den Hilfenfirst in die Vogesen. (3)Unten: Unterstände am Hange des Hilfenfirst. (36 - 37) [Abb.]: Ruhiger Stellungskrieg im Gebirgswald; ein sehr friedlich anmutendes Bild, das für sich selbst spricht. - Ganz schwieg der Kampf freilich auch in den ruhigsten Vogesenstellungen nie. Immer stand der Beobachtungsposten schußbereit am Grabenrand und beobachtete durch das Zielfernrohrgewehr jede Bewegung in den feindlichen Gräben. (38) [2 Abb.]: (1)Im Reservegraben. Die Stellungen in den Vogesen waren meist so vorzüglich ausgebaut, daß sie den Mannschaften in den Zeiten der Ruhe einen ganz behaglichen Aufenthalt boten. (2)Unten: Hinter der Front. Pferdetränken auf dem Marktplatz einer kleinen Vogesenstadt. (39) [2 Abb.]: (1)Eine "chinesische Mauer". - Ein eigenartiges Beispiel dafür, zu welchen Formen des Stellungsbaues man in den Hochvogesen gelangte. Meterdicke Betonwände sicherten gegen feindliches Flankenfeuer, das von irgend einer fernliegenden Höhe her den rückwärtigen Verkehr an dieser einzusehenden Stelle belästigte. - Die geköpften Bäume lassen erkennen, daß hier eine Drahtseilbahn zu Tal geführt hat. (2)Die Minenwerfer spielten im Gebirgskrieg eine besonders wichtige Rolle. - Mit Wurfminen konnte man, infolge der starken Krümmung ihrer Flugbahn, auch hinter steile Deckungen fassen und Ziele erreichen, die für Geschütze im "toten Winkel" lagen. (40) [2 Abb.]: (1)Oben: Essenempfang im winterlichen Hochwalde. (2)Unten: Kompanieschuster und -schneider konnten ihre "Handwerksstube" an schönen Sommertagen dicht hinter der Stellung mitten im Walde aufschlagen. (41) [2 Abb.]: (1)Oben: Stellungen zwischen Mühlbach - Reichsackerkopf - Stoßweier. (2)Unten: Blick auf den Grenzkamm, nördlich Stoßweier, bis zum Weißen See. (42 - 43) [2 Abb.]: (1)Oben: Münster, der Hauptort des Fechttals, das sich von Colmar aus in die Vogesen hinaufzieht. Die Stadt liegt hart östlich des Reichsackerkopfes. - (2)Unten: Deutsche Stellungen im Kampfgebiet des Reichsackerkopfes. (44) [Abb.]: Stoßweier, am Nordfuß des Reichsackerkopfes. Das Dorf lag mitten zwischen den beiden Stellungen. Deutsche wie französische Gräben liefen durch den Ort, ohne daß es einer der beiden Parteien gelang, sich völlig in seinen Besitz zu setzen. - Die Aufnahme stammt noch aus dem Jahre 1915. Das Dorf wurde später ganz zusammengeschossen. (45) [3 Abb.]: (1)Blick von der Bludenberghöhe (Bressoir) gegen den Grenzgebirgskamm zwischen Markirch und Diedolshausen. Die Stellungen liefen hier genau längs der Grenze. Die französischen Gräben sind auf den kahlgeschossenen Hängen jenseits des Tals zu erkennen. (2)Blick vom Hansfelsen über den Weißen See. - Ein einsamer, in großartiger Landschaft zwischen schroffen Felsenwänden eingebetteter Hochgebirgssee zwischen Diedolshausen und Münster. Unweit daneben der Schwarze Seer. (3)Felslandschaft in der Nähe des über 1300 m hohen Hohneck (westlich Münster, südlich des Schluchtpasses). Der alpine Charakter der Südvogesen mit seinen vielfach kahlen, waldlosen Gipfeln und Bergmatten tritt hier bereits in Erscheinung. (46 - 47) [2 Abb.]: (1)Stadttor in Türkheim, einem der berühmtesten Weinorte des Elsaß ("Türkenblut"). Das Tor ist ein gutes Beispiel mittelalterlicher Elsässer Bauart, deren deutscher Charakter klar zu Tage tritt. (2)Unten: Kaysersberg. Das Städtchen liegt, von alten Türmen und Mauern umgeben, malerisch am Eingang zu dem nach Schnierlach und Diedolshausen führenden Weißbachtal. (48) [2 Abb.]: (1)Die Kaysersberger Burg, eine der schönsten Ruinen des Elsaß. (2)Unten: Im Weißbachtal. (49) [3 Abb.]: (1)Colmar, am Eingang zum Münstertal gelegen, gehört zu den schönsten Städten des Rheintales. Blick gegen die Vogesen. (2)Schlettstadt mit dem Münster St. Georg. Die Stadt, einst eine blühende Reichsstadt, war stets eine der Mittelpunkte echt deutscher Kultur im Elsaß. (3)Rufach, elsässische Landstadt zwischen Colmar und Schlettstadt. Die stattlichen Häuser lassen den ehemaligen Reichtum und die Bedeutung dieser kleinen elsässischen Städte erkennen. (50) [Abb.]: Die Hohkönigsburg. Blick in die Rheinebene. (51) [2 Abb.]: (1)Das Schratzmännle, benannt nach einem bösen Berggeist, der nach der Volkssage hier sein Unwesen treibt. Der über 1000 Meter hohe Berg gewährt einen weiten Überblick vom großen Belchen über den Hohneck bis zu dem Reichsackerkopf. (2)Unten: Blick vom Schratzmännle gegen den Barrenkopf. (52) [2 Abb.]: (1)Oben: Fliegeraufnahme vom Buchenkopf. Der Verlauf der in schmalem Keil zum Gipfel führenden Stellung läßt erkennen, wie schwer es für die Deutschen war, sich auf diesem Berge zu behaupten. Die Kämpfe um den Buchenkopf standen denen um den Hartmannsweiler- und Reichsackerkopf an Schwere nicht nach. - (2)Unten: Der Buchenkopf, von Süden her gesehen. (53) [2 Abb.]: (1)Oben: Geschützstand im Hochgebirge. (2)Unten: Stellung im Bergwald. (54) [2 Abb.]: (1)Oben: Hart am Feind. Der Franzose liegt auf Handgranatenwurfweite vom Sappenkopf entfernt. - (2)Unten: Unterstände für Kampfreserven. Starke Betondecken und gedeckte Lage im Walde geben ihnen ein hohes Maß von Sicherheit. (55) [2 Abb.]: (1)Der Schneeschuh gewährt im Winter die einzige Möglichkeit, sich über die Schneemassen fortzubewegen. (2)Unten: Artilleriebeobachtungsstand am Waldrand. (56) [2 Abb.]: (1)Vogesenlandschaft zur Zeit der Schneeschmelze. (2)Unten: Zwischen meterhohen Schneewänden führt der Weg in die Stellung. (57) [2 Abb.]: (1)Schnierlach im Weißbachtal. Der Bezirk Schnierlach - Diedolshausen war eine der wenigen elsässischen Gegenden mit überwiegend französisch sprechender Bevölkerung. (2)Unten: Diedolshausen. (58) [2 Abb.]: (1)Blick von der Grenzhöhe der Bressoir nach Norden in das Markircher Tal. (2)Unten: Markirch, ein industrierreicher Ort im Oberlauf des Lebertals, ringsum eingeengt durch steil ansteigende Höhen. (59) [2 Abb.]: (1)Oben: Die rückwärtigen deutschen Verbindungen auf diesem Frontabschnitt führten durch das Breuschtal auf Straßburg. - Saales, deutscher Grenzort am Beginn des Breuschtals. (2)Unten: Molsheim am Austritt des Breuschtals in die Rheinebene westlich von Straßburg. (60) [2 Abb.]: (1)Oben: Auf französischer Seite: Stellungen östlich St. Dié. - (2)Unten: Provenschères, am Fuße der Montagne d'Ormont. (61) [3 Abb.]: (1)La Montagne d'Ormont, ein das Hügelgelände der mittleren Vogesen beherrschender, weithin sichtbarer Berg in Form einer abgeschnittenen Pyramide. Die Aufnahme gibt eine gute Vorstellung der französischen Vogesenlandschaft zwischen St. Dié und Raon L'Etape: Weite Täler, flache, langgestreckte Hügelketten. Ein von der deutschen Vogesenlandschaft völlig verschiedenes Bild (2)Von Laufgräben durchzogene Gebirgslandschaft zwischen dem deutschen Grenzort Saales und dem auf der französischen Seite der Vogesen liegenden Colroy la Grande. Der Wechsel im Charakter der Landschaft tritt deutlich in die Erscheinung. (3)Unten: Le Beuley östlich St. Dié. Charakteristisch die romanische Bauart der Gehöfte. Im Hintergrund La Montagna d'Ormont. Auch dieses Bild veranschaulicht die Bedeutung der Vogesen als Grenzscheibe zweier wesensverschiedener Kulturlandschaften. (62 - 63) [Abb.]: Deutscher Kriegerfriedhof am Hartmannsweilerkopf. (64) [Karte]: Elsass-Lothringen ( - ) Der Krieg in den Kolonien ( - ) Vorwort ([1]) Deutsch-Ostafrika (3) Deutsch-Südwestafrika (13) Kamerun (23) Togo (32) Die deutschen Südsee-Inseln (33) Tsingtau (34) Deutsch-Ostafrika (1) [Abb.]: Die Bucht von Daressalam. - Die herrliche Hafenstadt, die Hauptstadt der Kolonie und der Sitz des Gouvernements und Kommandos der Schutztruppe, war unter deutscher Herrschaft zu einer der schönsten und saubersten Städte der gesamten afrikanischen Ostküste geworden. (1) [2 Abb.]: (1)Straße in der Europäerstadt von Daressalam. (2)Im Inderviertel. - Die Inder, deren Zahl etwa 9000 betrug, saßen in der Kolonie als Händler und Handwerker. (2) Abb.]: Dorfstraße im Nergerviertel. - Die Eingeborenen wohnten in geschlossenen Siedlungen außerhalb der Europäerstadt. (3) [Abb.]: Der über 6000 m hohe, schneebedeckte Gipfel des Kibo, ein erloschener Vulkan, ist die höchste Erhebung des Kilimandscharo und der höchste Berg Afrikas. Im Vordergrund eine Europäer-Farm. - Auf diesem Hochland, das zu den fruchtbarsten Gebieten der ganzen Kolonie gehört, hatten sich besonders deutsche und burische Farmer angesiedelt. (4) [2 Abb.]: (1)Auf den Höhen des Usambara-Gebirges. In der Tiefe die weite, endlose Steppe, das Kampfgebiet der Patrouillen. (2)Im Bergurwald des Kilimandscharo. Im Vordergrund ein von der Truppe durch das Dickicht geschlagener Etappenweg. (5) [2 Abb.]: (1)Westlich des Kilimandscharo erhebt sich der 4730 m hohe Kegel des Meru, ebenfalls vulkanischen Ursprungs. Am Fuße des Berges liegt Aruscha. Das weiße Gebäude am Ende der Hauptstraße ist die Boma, die Festung des Ortes. (2)Eine Askarikompanie im Standlager. - Die 14 Kompanien der Schutztruppe waren im Frieden über die Kolonie verteilt. (6) [2 Abb.]: (1)Mitte August besetzten die Deutschen die dicht an der Grenze gelegene englische Station Taveta, eine äußerst wertvolle Wasserstelle und ein wichtiger Ausgangspunkt für Patrouillenunternehmungen in die Steppe und zur Ugandabahn. (2)Eine Patrouille von 8-10 Askari unter Führung von 2-3 Europäern auf dem Marsch durch die wasserlose Steppe. (7) [2 Abb.]: (1)Zu Beginn des Krieges hatte die Truppe noch Zelte. Links im Hintergrund ein Europäerzelt. - Abendstimmung. (2)Askari und Träger am Lagerfeuer. Später traten Grashütten an Stelle der Zelte. - In der Mitte ein Soldatenweib. (8) [2 Abb.]: (1)Trägerkolonne auf dem Marsch. Die Träger bildeten das wichtigste Beförderungsmittel in Deutsch-Ostafrika. (2)Auf der Rast. Müde von des Tages Last und Arbeit kauern die braven Träger im Busch. Waffenlos mußten sie die MG.- und Munitionslasten bis in die Schützenlinie und ins feindliche Feuer schleppen. Sie hatten oft schwere Verluste. (9) [2 Abb.]: (1)Das englisch-indische Expeditionskorps läuft im Hafen von Tanga ein, ein Augenblick höchster Gefahr. Rechts, ganz im Hintergrund, der englische Kreuzer "Fox" am Kap Ras Kazone, an dem die Landung der englischen Truppen erfolgte. (2)Der Sturm der deutschen Askaria. - In Front und Flanke angegriffen, geriet die englische Linie in Völlige Auflösung. (10) [2 Abb.]: (1)Das Schlachtfeld von Tanga. Der verwüstete Palmenwald gibt ein deutliches Bild von der Schwere des Kampfes. (2)"Hier ruhen 13 deutsche Helden an der Stelle, wo sie am 4. November 1914 für die Größe des Vaterlandes fielen." (11) [3 Abb.]: (1)Nordwestlich vom Kilimandscharo erhebt sich aus der freien Steppe der langgestreckte Bergrücken des Longido, der von Deutschen besetzt wurde. Der Steinhügel im Vordergrund ist ein Europäergrab. (2)Askari in Schützenlöchern am Longido. Die Schwarzen passen sich dem steinigen Steppengelände ausgezeichnet an. (3)Askari und Träger an einer Wasserstelle. Die Wasserversorgung bereitete in der Steppe oft größte Schwierigkeiten. (12 - 13) [2 Abb.]: (1)Endlos schlängelt sich die Marschkolonne durch die weite, fast baumlose Massaisteppe im Westen des Kilimandscharo. (2)Marschkolonne am Natronsee. Tausende von Trägern befördern Wasser, Proviant und Munition für die Schutztruppe. (14) [2 Abb.]: (1)Verteidigungsstellung mit zwei übereinanderliegenden Schützengräben, die mühsam in die Lava eingebrochen sind. (2)Maschinengewehrstellung am Engare Nairobi am Nordwestabhang des Kilimandscharo. Blick in die Serengetisteppe. Der lange, dünne Strich in der Ebene (Mitte des Bildes) kennzeichnet einen von der Truppe angelegten Dornverhau. (15) [3 Abb.]: (1)Eine Askarikompanie am Ufer des Viktoriasees. - Gleich nach Kriegsbeginn hatt sich an der ganzen Westgrenze der Kolonie kleinere Abteilungen gebildet, die unabhängig von der Hauptmacht der Schutztruppe den dort vordringenden Engländern und Belgiern anderthalb Jahre lang in zahlreichen Einzelgefechten erfolgreich Widerstand leistete. (2)Landschaft im Nordosten der Kolonie. Das Bergland von Ruanda am Ostufer des insel- und buchtenreichen Kiwusees. (3)Blick auf Stadt und Hafen Muansa am Südufer des Victoriasees. (16 - 17) [2 Abb.]: (1)Blick auf Tabora, den Sammelpunkt der nach dem Süden zum Mahenge-Hochland zurückweichenden Westtruppen. (2)Südlich von Morongoro erhebt sich das mächtige Uluguru-Gebirge, das Rückzugsgebiet der Hauptmacht unter Lettow-Vorbeck. Zu beiden Seiten des Gebirges und im Süden bei Kissaki spielten sich im September 1916 furchtbare Kämpfe ab. (18) [2 Abb.]: (1)Oben: Askari-Unteroffizier. - (2)Unten: Am Baumverbau im Kampfgebiet des Mahenge-Hochlandes. (19) [2 Abb.]: (1)Das Wrack der "Königsberg" in der Rufiji-Mündung. Der kleine Kreuzer hatte in den ersten Monaten des Krieges zunächst erfolgreich Handelskrieg im Indischen Ozean geführt. Nach Verbrauch der Kohlenvorräte zog er sich in das unübersichtliche Delta des Rufiji zurück. Dort wurde er nach zehnmonatiger Blockade durch englische Kriegsschiffe und nach heftiger Beschießung im Juli 1915 von der eigenen Besatzung gesprengt. Die Besatzung trat zur Schutztruppe über. (2)Das Wrack des Dampfleichters "Hedwig", der den kleinen Kreuzer "Königsberg" mit Kohlen versorgt hat, in einem der zahlreichen Flußarme der weitverzweigten Rufijimündung. Dieses Wrack wurde erst im Jahre 1921 entdeckt. (20) [2 Abb.]: (1)Aus Marinetruppengebildeter Delta-Schutz an der Rufiji-Mündung, der dem Feind die Einfahrt in den Fluß versperrt. (2)!0,5-cm-Geschütz der "Königsberg", auf eine fahrbare Lafette montiert, auf der Lukigurabrücke. - Hunderte von Eingeborenen zogen die geretteten Geschütze der "Königsberg" ins Innere, zum Teil bis in den Norden der Kolonie. (21) Deutsch-Südwestafrika (22) [2 Abb.]: (1)Windhuk, die Hauptstadt der Kolonie, liegt im Inneren des Hochlandes in einem Talkessel. - Noch heute trägt die fast 5000 Einwohner zählende Europäerstadt rein deutschen Charakter. Auf der Höhe im Hintergrund das Regierungsgebäude. (2)Die letzte Parade vor dem Gouverneur. Dr. Seitz anläßlich der fünfundzwanzigjahrfeier der Kolonie im Juni 1914. (22) [3 Abb.]: (1)Oben: Auf der Fahrt zur Front. (2)Artillerie, mit Maultierbespannung, rollt nach dem Süden. (3)Eine Munitionskolonne verläßt Windhuk, den Sammelpunkt der Truppenteile des Nordbezirks. (23) [2 Abb.]: (1)Sonnenübergossen liegt Ramansdrift im breiten Tal des Oranje, auf beiden Seiten von hohen Bergen eingeschlossen. (2)Maschinengewehrzug in den Oranjebergen. Der Süden gehört zu den regenärmsten Siedlungsgebieten der Kolonie. (24) [2 Abb.]: (1)Lüderitzbucht. Die inmitten der Wüste an zwei Buchten gelegene Stadt hatte einen guten Hafen, war aber wasserlos. (2)Wanderdünen an der Küste bei Lüderitzbucht, das Patrouillengelände der schwachen deutschen Küstenschutzabteilung. (25) [2 Abb.]: (1)Die Namib-Wüste bei Tschaukaib, 70 km östlich von Lüderitzbucht, wo sich lange Zeit ein feindliches Lager befand. (2)Deutscher Flieger bewirft das Zeltlager der Buren bei Tschaukaib mit Bomben. - Auf dem Bild links die Bahnlinie. (26) [2 Abb.]: (1)Um dem Gegner das Vordringen durch wasserlose Wüste nach Möglichkeit zu erschweren, wurde die Eisenbahnlinie von Lüderitzbucht ab von den Deutschen auf ihrem Rückzuge an zahlreichen Stellen gesprengt. (27) [2 Abb.]: (1)Das Bild zeigt eine typische Landschaft aus der Gegend von Keettmanshoop. Im Vordergrund Kandelaber-Euphorbien. (2)Auf Patrouille. - Die Kamelreiter wurden an der Südostgrenze und in der Namib zu Patrouillendiensten verwandt. (28) [2 Abb.]: (1)Mole von Swakopmund. Da die schwere Brandung die Landung auf der offenen Reede sehr erschwerte, baute die Schutztruppe 1905 eine 300 m lange hölzerne Brücke in das Meer hinaus, die es ermöglichte, bei jedem Seegang zu landen. (2)Swakopmund, der Hafenplatz für die Mitte und den Norden und der Ausgangspunkt der Otawi-Bahn. (29) [2 Abb.]: (1)In der Namib bei Swakopmund. - Ähnlich wie im Süden liegt auch hier an der Küste eine Zone von Wanderdünen. (2)An der Otawi-Bahn. - Mit großer Schnelligkeit stellte der Feind bei seinem Vormarsch durch die Namib die von der Schutztruppe zerstörten Bahnen wieder her. Im Hintergrund ein zum Schutz der Bahn errichtetes englisches Blickhaus. (30) [2 Abb.]: (1)Swakoptal bei Goanikontes. Etwa 30 Kilometer oberhalb der Mündung durchbricht der Fluß ein wildzerklüftetes, ödes Bergland. Wasserreichtum und fruchtbares Schwemmland ermöglichen im Tal den Anbau von Obst, Gemüse und Luzerne; eine Oase in der Steinwüste. - Der Platz war bis Ende Februar 1915 ein wertvoller Stützpunkt für die Schutztruppe. (2)Patrouille am Swakop-Rivier. - In Deutsch-Südwest waren Maultier- und Ochsenwagen das Haupttransportmittel. (31) [2 Abb.]: (1)Bahnstation Khan im Khan-Gebirge. - Auch im Norden erheben sich am Ostrande der Namib schroffe Gebirgszüge. (2)Karibib, die erste größere Stadt auf der Hochebene der Kolonie. Sie wurde am 5. Mai 1915 vom Feinde besetzt. (32) [2 Abb.]: (1)Artillerieabteilung auf der Rast. Die Giraffenakazie bietet den Mannschaften nur spärlichen Schutz vor der Sonne. (2)Feldhaubitz-Batterie auf dem Marsch. Für den Transport der Geschütze wurden in den meisten Fällen Ochsen verwandt. (33) [3 Abb.]: (1)Keetmanshoop. Weitläufig gebaut, wie alle südwestafrikanischen Städte und Ortschaften, liegt dieser wichtige Eisenbahnknotenpunkt auf der flachen, fast baumlosen Hochebene. - Hier sammelten sich die deutschen Truppen auf ihrem Marsche nach Norden. Die Stadt wurde am 19. April 1915 geräumt. (2)Rietfontein. Auch von Osten stieß gleichzeitig eine englische Abteilung durch die Kalahari auf Rietfontein vor und bedrohte die Südtruppen im Rücken. - Eine typische Trockenlandschaft. Die Steppe ist fast ohne Vegetation. (3)Die gleiche Landschaft zur Regenzeit. Aus dem trockenen, gelben Sande sprießt plötzlich üppiges Gras, das ganze Land überzieht sich mit einem hellen Grün. - Die gute Regenzeit 1914/15 erleichterte dem Feinde den Vormarsch sehr. (34 - 35) [2 Abb.]: (1)Typische südwestafrikanische Buschsteppe mit Giraffenakazien. - Die freie, offene Steppe war überall passierbar. In diesem Gelände drang der Feind auf Pferden, Kamelen und Kraftwagen mit außerordentlicher Schnelligkeit vor. (2)Auf dem Komas-Hochland südlich des oberen Swakop. - Wilde Felsen, tiefe Schluchten, bewaldete Täler, kahle Berge, in der Ferne wellige, blau verdämmernde Höhenzüge, das ist das charakteristische Bild dieser romantischen Landschaft. (36) [2 Abb.]: (1)Kamelreiterpatrouille an der Ostgrenze der Kolonie am Steilabhang eines Riviers lagernd. (2)Reiterkolonne auf dem Marsch durch Karibib. - In Deutsch-Südwest war die fechtende Truppe durchweg beritten. (37) [2 Abb.]: (1)Der Waterberg, berühmt durch die Kämpfe im Hererokrieg, liegt im landschaftlich schönsten Teil des Nordostgebietes. (2)Truppenstation Otawifontein. Hier leistete die Schutztruppe dem nachdrängenden Gegner den letzten Widerstand. (38) [2 Abb.]: (1)Im Otawibergland. Im Gegensatz zu den lichten Steppen der Mitte und des Südens ist im Nordosten das Land weit und breit mit dichtem Busch bewachsen. - In dieser Gegend vollendete sich das Schicksal von Deutsch-Südwestafrika. (2)Soldatenfriedhof bei Aus. Hier ruhen 60 deutsche und 64 englische Soldaten, an Grippe gestorben im Gefangenenlager. (39) Kamerun (40) [Abb.]: An der Küste von Kamerun. - Im Inneren der malerischen Bucht liegt die Hafen- und Plantagenstadt Viktoria. (40) [2 Abb.]: (1)Der kleine Kamerunberg. In mehreren Terrassen erhebt sich an der Küste das über 4000 m hohe Vulkanmassiv des Kamerunberges, das Wahrzeichen der Kolonie. - Im Vordergrund des Bildes liegt eine Bananenpflanzung. (2)Die Küste bei Bota am Westabhang des Kamerunberges. Jahrzehntelange deutsche Kolonialarbeit hat hier aus dem tropischen Urwald ein fruchtbares Kulturland mit ausgedehnten, modernen Pflanzungsanlagen geschaffen. (41) [2 Abb.]: (1)Längs der Küste von Kamerun erstreckt sich ein dichter Urwaldgürtel, das Kampfgebiet der Küstentruppen. (2)Bei Johann-Albrechtshöhe liegt inmitten immergrünen Urwalds der märchenhafte Elefantensee, ein erloschener Krater. (42) [2 Abb.]: (1)Lianenbrücke. Im Küstengebiet dienten diese an Bäumen befestigten und geflochtenen Brücken als Flußübergang. (2)Küstenfluß in der Urwaldzone. Bis zu den Stromschnellen drang der Feind auf Flußdampfern in den Urwald vor. (43) [2 Abb.]: (1)Typische Kulturlandschaft auf dem Hochplateau Mittelkameruns, wo die Urwaldzone in Gras- und Parklandschaft übergeht. In diesem offenen Gelände war der Feind auf die Dauer den Deutschen mit seiner Artillerie überlegen. (2)Tal des Mao-Deo-Flusses bei Kontscha. - Unendlich dehnen sich die Grasflächen im Norden aus. Das Land ist gesund, fruchtbar und viehreich, es bietet für die europäische Ansiedlung noch unabsehbare Möglichkeiten. (44) [2 Abb.]: (1)Die Besatzung von Garua hatte die Verteidigung auf eine Hügelkette gelegt, die sich nördlich der Stadt aus der Benuë-Ebene erhob. - Blick auf die Schanze III von Süden. In der Mitte der Kanonenstand. (2)Berittene Abteilung in Garua vor dem Kanonenhügel. Im Gegensatz zu den dicht bewachsenen Niederungen der Küste und des Südens konnten auf den offenen Steppen des Hochlandes auch berittene Kompanien verwendet werden. (45) [2 Abb.]: (1)Blick von der Schanze IV auf den Ring der Schanzen III, II, I. In monatelanger, mühsamer Arbeit wurden auf der Hügelkette aus Erde, Sand und Steinen Befestigungsanlagen geschaffen, die für Infanterieangriffe uneinnehmbar waren. (2)Die Besatzung der sogenannten Kuhstallschanze in Alarmstellung. Rechts auf dem Bilde ein Maschinengewehr-Stand. (46) [2 Abb.]: (1)Die durch einen dicken Wall aus Gras und Erde verstärkte Backsteinmauer des Reduits, von Norden her gesehen. (2)Das Innere des Reduits mit dem Residentenhaus. - In diesem unbeschreiblichen Durcheinander hausten eng zusammengepfercht die Soldaten. - Im Süden jenseits des Benuë die Bogle-Berge, wo sich die Stellung der Engländer befand. (47) [2 Abb.]: (1)Kolonialtruppen und Träger in Marschkolonne beim Übergang über den Mao Ntelo auf dem Ngaundere-Hochland. (2)Jaunde, seit Mitte November 1914 der Sitz des Huptquartiers und das Zentrum der deutschen Verteidigung. (48) Togo (49) [2 Abb.]: (1)Lome, die Hauptstadt der Kolonie, war zu einer der schönsten Hafenstädte der afrikanischen Westküste geworden. (2)Marktplatz in Lome mit typischen Europäerhäusern. Eingeborene Händler bieten in Verkaufsständen ihre Waren an. (49) Die deutschen Südsee-Inseln (50) [2 Abb.]: (1)Blick auf Markhamebene in Kaiser-Wilhelm-Land auf Neu-Guinea. Der Markhamfluß mündet in den Huon-Golf. (2)Straße in Rabaul auf Neu-Pommern, Sitz des Gouverneurs von Neu-Guinea. (50) [2 Abb.]: (1)Missionsdorf bei Rabaul. - Auf Neu-Guinea und Neu-Pommern waren nur die Küstengebiete von Europäern besiedelt. (2)Blick auf Apia, die Hauptstadt von Samoa und Sitz des Gouverneurs. (51) Tsingtau (52) [2 Abb.]: (1)Tsingtau. Der Eingang zur Bucht und zum Hafen war nur auf der Stadtseite durch Befestigungsanlagen geschützt. (2)Bismarckstraße in Tsingtau. Im Hintergrund die 3-4 km breite Einfahrt in die Kiautschou-Bucht mit Kap Jäschke. (52) [2 Abb.]: (1)Landung japanischer Truppen in der außerhalb des Schutzgebietes gelegenen Lauschanbucht bei Wangkotschwang. (2)Deutsches Genesungsheim "Mecklenburghaus" im Lauschangebirge, wo die ersten Kämpfe mit den Japanern stattfanden. (53) [2 Abb.]: (1)Batterie reitender Feldartillerie auf dem Marsch im Vorgelände von Tsingtau. (2)Deutsche Infanterie in Schützenlinie in Erwartung des feindlichen Angriffs. (54) [2 Abb.]: (1)Stacheldrahtverhau in versumpfter Niederung im Vorfeld der Festung. (2)Vormarsch der Japaner. Antransport von Belagerungsgerät auf einer von Kulis betriebenen Feldbahn. (55) [Abb.]: Unvergessenes Land. (56) [9 Karten]: (1)Koloniale Kriegsschauplätze (2)Lagekärtchen der deutschen Kolonien (3)Schutzgebiet Kiautschou (4)Samoa-Inseln (5)Togo u. Kamerun (6)Deutsch-Südwestafrika (7)Deutsch-Ostafrika (8)Deutsche Südseekolonien (9)Kaiser Wilhelms-Land und Bismarck-Archipel ( - ) Der Seekrieg ( - ) Vorwort ([1]) Vom Frieden in den Krieg (1) [Abb.]: Der Kaiser ist eingetroffen, englische und deutsche Kriegsschiffe begrüßen ihn mit Salut. Der weiße Pulverdampf zieht über den Hafen. Im Flaggenschmuck liegen die Segel- und Dampfjachten. Eine festliche Menschenmenge säumt das Ufer. (1) [2 Abb.]: (1)Deutsche U-Boote neben ihren Mutterschiffen an der Kieler Hafenbrücke. Ihre Gesamtzahl betrug zu Kriegsbeginn 20. (2)In Langer Reihe liegen die mächtigen Schiffe der Hochseeflotte an den Bojen. In wenigen Stunden sind sie gefechtsbereit. (2) [2 Abb.]: (1)Der Mobilmachungsbefehl trifft ein, Es ergeht der Befehl: "Alle Mann an Board!" Die Angehörigen geben das Geleit. (2)Zur gleichen Zeit liegen große Teile der englischen Hochseeflotte in dem schottischen Hafen Firth of Forth versammelt. (3) [Abb.]: Blick auf die großen Werftanlagen von Wilhelmshaven. Am 17. Juni 1869 eingeweiht, hat der Kriegshafen an der Nordsee eine stürmische Aufwärtsentwicklung erlebt. Riesige Hafenbecken und Schleusenanlagen, Docks und Magazine, Werkstätten und Hellinge die Instandhaltung und Versorgung der gesamten Hochseeflotte. Zahlreiche gelungene Neubauten gingen aus der Bauwerft hervor. Drei Einfahrten führten auf die Jade hinaus, eine vierte war geplant. (4 - 5) [2 Abb.]: (1)Die Insel Helgoland, seit 1890 deutscher Besitz, war ein wichtiger Vorposten der deutschen Marineverteidigung. Ihre schwere Bewaffnung und starke Besatzung machten sie zur uneinnehmbaren Festung. Ansicht vor Beginn des Hafenbaues. (2)Stürmischer Südwest fegt die See über die Brandungsmauer der im Bau begriffenen gewaltigen Hafenanlagen. (6) [2 Abb.]: (1)Eine Salve der Helgoländer schweren Geschütze (Südgruppe, vier 30,5 cm). Leider hatten sie im Kriege keine Gelegenheit einzugreifen. Nur einmal, am 24. November 1914, schossen sie, jedoch war die Entfernung zum Feinde zu weit. (2)Der fertige Hafen bot Liegeplätze für 18 Unterseeboote und 90 Torpedoboote und Versorgung mit Wasser, Brennstoff und Vorräten aller Art. Ein technisches Wunderwerk, bei Freidensschluß auf Befehl der Entente sinnlos zerstört. (7) Das Meer (8) [2 Abb.]: (1)Ein Unterseeboot bei grober See in Überwasserfahrt. Im Hintergrunde Helgoland. (2)Der Wind erreichte Stärke 7. Der Seegang wächst, starke Wellen wandern, Berge und Täler bildend, an dem Schiff entlang. (8) [2 Abb.]: (1)Kleinere Fahrzeuge, wie Minensuchboote, verschwinden hinter den sich türmenden Wogen. (2)Ein Brecher fegt über die Back (Vorschiff) eines Linienschiffes, das in ruhiger Bewegung gegen die See andampft. (9) Die Flotte in See (10) [2 Abb.]: (1)Das II. Geschwader, im Vordergrund Linienschiff "Westfalen" (1908 vom Stapel gelaufen, 18900 Tonnen, 20 Knoten) (2)Linienschiff "Baden" das letzte deutsche Flottenflaggschiff (1915 vom Stapel gelaufen, 28600 Tonnen, 21 Knoten) (10) [2 Abb.]: (1)Die Flotte übt Schwenkungen im Kielwasser. Auf größte Genauigkeit in den Bewegungen wurde besonderer Wert gelegt. (2)Torpedoboote haben angegriffen und kehren, die eigene Linie durchbrechend, zurück. Links im Hintergrund der Gegner. (11) Minen und Minensucher (12) [2 Abb.]: (1)Oben: Eine Minensuch-Halbflottille in See. (2)Unten: Torpedo-Minensuchboot "A 88" dampft auf. (12) [2 Abb.]: (1)Eine Ladung Minen. Man sieht die "Bleikappen" mit den Zündungen. Darunter liegt der Sprengkörper (150 - 200 kg). (2)Eine Seemine explodiert. Die mächtige Rauch- und Wassersäule kennzeichnet die ungeheure Wirkung der Detonation. (13) In fernen Meeren (14) [2 Abb.]: (1)Kreuzer "Emden" kämpfte im Indischen Ozean; seine Beute betrug 17 Dampfer, einen Kreuzer und ein Torpedoboot. (2)Landungskorps der "Emden" hat die Funkstation auf den Kokos-Keeling-Inseln zerstört. - Aber der Feind war nahe. (14) [2 Abb.]: (1)Der starke englische Kreuzer "Sydney" vernichtete die "Emden" am 9. November 1914. Ihr Wrack liegt auf den Felsen. (2)Das Landungskorps der "Emden" unter Kapitänleutnant v. Mücke kaperte den Schoner "Ayesha", ging mit ihm in See und erreichte über Sumatra und Arabien im abenteuerlichen Wechsel von Kampf, Seefahrt und Marsch Konstantinopel. (15) [2 Abb.]: (1)Graf Spee hat den Feind bei Coronel am 17. November 1914 geschlagen. "Die "Scharnhorst" bei Kohlenübernahme. (2)Das Kreuzergeschwader im Hafen von Valparaiso. Es bestand aus den Panzerkreuzern "Scharnhorst" und "Gneisenau" (4 Schornsteine) und den Kreuzern "Nürnberg", "Leipzig", "Dresden". Neben den deutschen ankern chilenische Schiffe. (16) [2 Abb.]: (1)Admiral Graf Spee geht mit dem deutschen Konsul zu Besuchen bei den chilenischen Behörden in Valparaiso an Land. (2)Englisches Geschwader, das die weit unterlegenen deutschen Schiffe am 8. Dez. 1914 bei den Falklandinseln vernichtete. (17) [2 Abb.]: (1)Befestigungsanlagen von Anadoli-Kavak, darüber der Schatten eines Zeppelins. Die türkischen Festungen stammen meist aus älterer, zum Teil mittelalterlicher Zeit. Sie wurden mit deutscher Hilfe zeitgemäß verstärkt und ausgebaut. (2)Unten: Schlachtkreuzer "Goeben" im Bosporus in Ruhestellung. Das mächtige Schiff bildete seit seinem Übergang in türkische Dienste den Kern der osmanischen Seemacht. Es gelang den feindlichen Anstrengungen nicht, es zu vernichten. Noch heute ist es als "Javus Selim" in Dienst. (18) [2 Abb.]: (1)Schlachtkreuzer "Goeben" und der kleine Kreuzer "Breslau" in der Stenia-Bucht am Bosporus. Aus Sicherheitsgründen mußte der Liegeplatz öfters gewechselt werden. (2)Unten: Die beiden Schiffe auf hoher See im Schwarzen Meer. In zahlreichen Gefechten behauptete das stolze Paar die Seeherrschaft gegenüber einer starken russischen Übermacht. (19) [2 Abb.]: (1)Deutsches Unterseeboot "UC 25" mit türkischer Flagge im Bosporus. (2)Der Dardanellenangriff mit 20 Linienschiffen der Alliierten ist abgeschlagen. Englisches Linienschiff "Irresistibele" sinkt am 18. März 1915, dazu zwei andere; drei sind schwer beschädigt, drei weitere werden etwas später versenkt. (20) [2 Abb.]: (1)LZ 81 verläßt die Luftschiffhalle in Temesvar zu einer Aufklärungsfahrt über das Schwarze Meer. (2)LZ 87 landet auf dem Luftschiffhafen in Tondern (Schleswig) nach einer Aufklärungsfahrt über die Nordsee. Die Hülle des Luftschiffes ist durch Wolkenschattenbemalung getarnt. (21) Krieg in der Nordsee (22) [2 Abb.]: (1)Ausfahrt zum Vorstoß: Panzerkreuzer "Blücher" und Kreuzer "Rostock", begleitet von 19 Torpedobooten auf dem Marsch. (2)Die deutschen Schlachtkreuzer im Gefecht. Rechts die mächtigen Wassersäulen eingeschlagener schwerer englischer Granaten. (22) [2 Abb.]: (1)"Blücher" ist überwältigt und sinkt. Er kämpfte bis zum letzten Augenblick. Nur 260 Mann konnten gerettet werden. (2)Eine Torpedobootsflottille in hoher Fahrt. (23) Skagerrakschlacht, 31. Mai 1916 (24) [2 Abb.]: (1)Ausfahrt der Flotte zur Schlacht. (2)Höchste Fahrt, dem Feind entgegen. Die Sicht ist durch Rauch und Dunst verhüllt. (24) [2 Abb.]: (1)Eine schwere Salve. (2)Ein Gefechtsbild vom II. Geschwader, Schiffe der "Deutschland"-Klasse im Vordergrund. (25) [3 Abb.]: (1)Gefechtsbild mit durchbrechenden Torpedobooten. Links im Hintergrund der Gegner. - Manöverbild zur Erläuterung taktischer Lagen. (2)Vernichtung des Schlachtkreuzers "Queen Mary" (27400 t, 28,5 Knoten, acht 34,3-cm-, zwölf 15,2-cm-Geschütze, 5 Torpedorohre) und "Indefatigable". In Sekunden sind die Schiffe verschwunden, eine Rauchwolke bezeichnet ihr Grab. (3)Den englischen Schlachtkreuzer "Invincible" (20300 t, 27 Knoten, acht 30,5-cm-, sechzehn 10,2-cm-Geschütze, 5 Torpedorohre) trifft in der Skagerrakschlacht das gleiche Schicksal. (26 - 27) Nach der Schlacht (28) [2 Abb.]: (1)Schwerer Treffer gegen ein Geschützrohr. (2)Schlachtkreuzer "Seydlitz" blieb trotz vieler schwerer Treffer schwimmfähig und war bald wieder verwendungsbereit. (28) [Abb.]: Auf "Derfflinger" war ein Volltreffer auf ein Geschützrohr aufgeschlagen und hatte es glatt abgerissen. (29) Hilfe für Finnland (30) [2 Abb.]: (1)Treibeis im Hafen von Pernau. Links von den Russen als Hafensperre versenkte Schiffe. (2)In Helfingfors, Nordhafen und Werft. (30) [2 Abb.]: (1)Im Treibeis des finnischen Meerbusens versinkender russischer Frachtdampfer. (2)Deutsche Eisbrecher bei der Arbeit. (31) U-Bootskrieg (32) [2 Abb.]: (1)Das Boot des Kapitänleutnants Weddigen, "U 9", mit dem er am 22. September 1914 in einem mit höchstem Schneid durchgeführten Angriff die englischen Panzerkreuzer "Aboukir", "Cressy" und "Hogue" kurz hintereinander versenkte. (2)Der Panzerkreuzer "Aboukir" (12200 t, 22 Knoten, zwei 23,4-cm-, zwölf 15-cm-Geschütze, 2 Torpedorohre, gebaut 1900). (32) [2 Abb.]: (1)Ein kleines U-Boot auf See bei einem größeren längsseits, um von ihm Vorräte und Mitteilungen zu empfangen. (2)Blick auf zwei Torpedorohre im Bootsinneren. Das linke Rohr ist geöffnet, die Propeller des Torpedos sind sichtbar. (33) [2 Abb.]: (1)"U 66" in See (50 t, 13 Knoten, ein 10,5-cm-Geschütz, 5 Rohre). Der weiße Kreis ist Erkennungszeichen für Flieger. (2)Ein Handelsschiff wird angehalten. (34) [2 Abb.]: (1)Die Besatzung längsseits, wird versorgt und erhält Anweisungen über Schiffsort und Kurs zum nächsten Hafen. (2)Das von der Besatzung verlassene Schiff wird versenkt. (35) [2 Abb.]: (1)Oben: Ein Dampfer ist torpediert und bricht entzwei. - (2)Unten: Ein Dampfer mit Fässern kentert bei der Versenkung. (36) [2 Abb.]: (1)"U 35" kehrt von der Fahrt heim, durch zahlreiche Flaggen zeigt es nach Art siegreicher Jachten die Ziffer seiner Erfolge an: so viele Siegesflaggen, so viele versenkte Schiffe. (2)Unten: Die Schiffsraumnot zwang den Feindbund, alle irgendwie seetüchtigen Schiffe zur Kriegsversorgung heranzuziehen. Für die Unterseeboote waren Segelschiffe leichte Beute. In Eile wurde stets das Schiff verlassen, mit vollen Segeln mußte es zur Tiefe fahren, für Freund und Feind ein bewegender Anblick. (37) [2 Abb.]: (1)Deutsches Seeflugzeug tauscht Mitteilungen mit einem U-Boot aus. (2)Das englische Unterseeboot "C 25" inmitten von Bombentreffern deutscher Flieger. Abwehrgeschütze gab es noch nicht. (38) [2 Abb.]: (1)Ein feindlicher Dampfer seitlich gegen Torpedierung gedeckt. (2)Auf hoher See geschieht die wichtige Ortsbestimmung durch nautische Messungen. Es ist heiß in der Mittagssonne! (39) Im Mittelmeer (40) [2 Abb.]: (1)Ein Sonnenaufgang an der afrikanischen Küste, vom U-Boot gesehen. (2)U-Bootfahrt längs der marokkanischen Küste. Am Ufer erheben sich die mächtigen Höhenzüge des Atlasgebirges. (40) [2 Abb.]: (1)An der Einfahrt zur inneren Bucht von Cattaro. (2)Vor der dalmatinischen Hafenstadt Trau, von deren einstiger Größe herrliche Baudenkmäler noch Zeugnis ablegen. (41) An der Küste von Flandern (42) [2 Abb.]: (1)Bei einem englischen Sperrversuch am 22./23. April 1918 wurden alte Kreuzer in der Einfahrt von Seebrügge versenkt. (2)Die Ausfahrt war nahezu versperrt, wurde aber bald wieder freigemacht. (42) [2 Abb.]: (1)Der Kreuzer "Vindictive" ist bei einem zweiten Sperrversuch am 10. Mai 1918 an der Ostmole von Ostende gestrandet. (2)Deutsche Torpedoboote laufen aus. (43) [2 Abb.]: (1)Eine eingebaute Marine-Batterie nahe der holländischen Grenze. (2)Ein Marine-Unterstand am Strande. (44) [2 Abb.]: (1)Deutsche Torpedoboote im Hafen von Ostende. (2)Ein abgeschossenes Luftschiff wird nach Seebrügge eingeschleppt. (45) Das Ende des Seekrieges (46) [2 Abb.]: (1)Die U-Boote vom Mittelmehr sind nach Kiel heimgekehrt, trotzig und unbezwungen. Auch ihr Krieg ist jetzt zu Ende. (2)Die Hochseeflotte in Scapa Flow, vom Feinde eng bewacht. (46) [2 Abb.]: (1)Das Linienschiff "Bayern" im Sinken. Die Besatzung hat das Schiff unmittelbar vorher in den Booten verlassen. (2)Das Ende der Torpedoboote. (47) [Abb.]: Am Eingang der Kieler Förde, auf dem hohen Ufer bei Laboe, erhebt sich das Ehrenzeichen des Seekriegs und der kaiserlichen Marine. Einem ragenden Schiffssteven gleich blickt es in die Ferne, ein Sinnbild stolzer Trauer über versunkene Größe und zugleich der festen Hoffnung auf eine neue rumvolle Zukunft. (48) [7 Karten]: (1)Europa Gesamtfront (2)Kriegsschauplatz der Nordsee (3)Seeschlacht an der Doggerbank 24. I. 1915 (4) Kampf um die Dardanellen (5)Seeschlacht bei Coronel 1. XI. 1914 (6)Seeschlacht bei den Falkland-Inseln 8. XII. 1914 (7)Kreuzfahrt d. deutschen Kl. Kreuzers "Emden" Sept-Nov 1914 ( - ) Einband ( - ) Einband ( - )