Die Außenbeziehungen der EU zu den arabischen Mittelmeeranrainern im Rahmen der Euro-Mediterranen Partnerschaft
In: Wirtschaft
Einleitung: Da im Fokus einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie die grundlegende Transformation der Gesellschaften und der politischen Systeme steht, stellt sich die Frage, welche Rolle in einem solchen Prozess, der primär von den Gesellschaften selbst getragen werden muss, externen Akteuren wie der EU zukommen kann und vielleicht sogar zukommen muss. Für Europa begründet sich der eigene Anspruch, durch die Anbindung der arabischen Staaten an das westliche Wirtschaftssystem ein höheres Wohlstandsniveau dieser Staaten zu erreichen und so zu Stabilität beizutragen, sowohl aus der geschichtlichen Verflechtung mit der Region, als auch aus der geographischen Nähe. Während letztere die Möglichkeiten einer intensiven Austauschbeziehung und einer Ausweitung europäisch-arabischer Handelsverflechtungen impliziert, birgt sie gleichsam die Gefahren illegaler Migration und eines Überschwappens der regionalen Konflikte nach Europa. Es ist daher im ureigensten Interesse der EU, die Probleme der Region nicht zu ignorieren. Ein stärkeres europäisches Engagement in der Region wird auch von arabischer Seite gefordert, die die EU zunehmend als alternativen Verhandlungspartner zu den USA wahrnimmt. Dass die EU bereit ist, die Rolle des externen Förderers der Region zu übernehmen, bekräftigte sie in einem 2004 veröffentlichten Papier zur "Strategischen Partnerschaft der EU mit dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten". Darin wird die Ambition zum Ausdruck gebracht, die Erkenntnisse und Erfahrungen, die man in der "Euro-Mediterranen Partnerschaft" seit 1995 gesammelt hat, auf den größeren arabischen Raum östlich von Jordanien auszuweiten. Die Frage, ob durch dieses Partnerschaftsprogramm tatsächlich ein effektiver Handlungsrahmen geschaffen wurde, macht eine eingehende Analyse der Kooperations- und Prozessstrukturen dieser Partnerschaft notwendig. Die "Euro-Mediterrane Partnerschaft" stellt daher nicht nur das Kernkonzept der "Strategischen Partnerschaft" dar. Es dient auch in der vorliegenden Arbeit als Analysemodell, anhand dessen aufgezeigt werden soll, unter welchen Bedingungen ökonomische Zusammenarbeit als integratives Element in einem Prozess inter-regionaler Kooperation fungieren kann. Die zentrale Fragestellung dieser Diplomarbeit lautet daher: Kann die EU über den Weg der wirtschaftlichen Kooperation die Weichen stellen für anhaltendes Wachstum in den arabischen Entwicklungsländern? Eröffnet sich dadurch auch die Möglichkeit, politisch Einfluss zu nehmen auf den Prozess der Demokratisierung, der für eine gesellschaftliche und politische Transformation als Grundlage betrachtet wird? Dazu werden in einer kritischen Auseinandersetzung mit der Entstehung, der Art und der Entwicklung der Euro-Mediterranen Partnerschaft zunächst die Schwachpunkte des Kooperationskonzepts identifiziert. In einem nächsten Schritt werden die Schwierigkeiten, die sich bei der Implementierung des Konzepts ergeben haben, auf ihr Reformpotential untersucht, um in einem abschließenden Kommentar auf Erfolg versprechende Entwicklungsmöglichkeiten des Partnerschaftsprogramms hinzuweisen. Gang der Untersuchung: Bevor in Kapitel 3 mit einem historischen Rückblick auf die euro-mediterranen Beziehungen seit den frühen sechziger Jahren die Grundlagen für ein besseres Verständnis der Entstehung und Entwicklung der Euro-Mediterranen Partnerschaft geschaffen werden, wird im zweiten Kapitel ein theoretischer Analyserahmen aufgestellt. Dieser dient dazu, die deskriptive Darstellung der historischen Prozesse und Muster um eine analytische Perspektive zu erweitern. Zur Unterstützung der Argumentationslinie dieser Arbeit wurden mit der Interdependenztheorie, der Integrationstheorie sowie der Friedensforschung spezifische Erklärungsansätze internationaler Interaktion gewählt, die der idealistischen Denkschule zugeordnet werden können. Die Theorien unterstützen sich in ihrer Aussage gegenseitig und stellen für den Versuch, die Motivation des europäischen Handelns zu beleuchten und die normative Handlungsorientierung der EU aufzuzeigen, ein hilfreiches Instrument dar. Dass durch die Begrenzung auf drei Theorien der idealistischen Strömung bestimmte Verhaltens- und Erklärungsmuster betont werden, andere jedoch unberücksichtigt bleiben, liegt in der Natur der Sache. Die Wahl der theoretischen Ausrichtung hat somit einen stark instrumentellen Charakter, so dass eine alternative Deutungsweise der europäischen Politik im mediterranen Kontext denkbar, angesichts der Fragestellung dieser Arbeit aber nicht Ziel führend wäre. Im dritten Kapitel wird zunächst der inkrementelle Charakter der euro-mediterranen Kooperationsbeziehung herausgestellt und die Dynamik beleuchtet, die der europäische Integrations- und Erweiterungsprozess auf die Entwicklung der euro-mediterranean Beziehungen überträgt. Als erste gesamteuropäische Kooperationsinitiative wird die "Globale Mittelmeerpolitik" vorgestellt, die sich als ein umfassender Ansatz mit handelspolitischen, finanziellen und technischen Kooperationselementen auszeichnet. Die kritische Betrachtung der einzelnen Elemente führt jedoch zu der Feststellung, dass der Nutzen für die arabischen Kooperationspartner aufgrund wesentlicher Einschränkungen im Handelsbereich, und hier vor allem im Agrarsektor, begrenzt bleibt. Die Einordnung dieser ersten Phase der Zusammenarbeit in den größeren historischen Kontext sowie die Auseinandersetzung mit den staatlichen Strukturen der arabischen Mittelmeerpartner, führen in einem nächsten Schritt zu der Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Kooperation nicht nur ökonomische Elemente beinhalten darf, sondern dass zivilgesellschaftliche Reformen ebenso in die europäische Strategie einbezogen werden müssen wie die Aspekte Rechtstaatlichkeit, Transparenz und "Good Governance". Mit der Barcelona-Deklaration wird im November 1995 die "Euro-Mediterrane Partnerschaft" ins Leben gerufen, die die Etablierung einer Region des Friedens und des Wohlstands anstrebt. Kapitel 4 erläutert, wie mit der Gliederung der Zusammenarbeit in einen politischen, einen wirtschaftlichen und einen sozialen Bereich die Defizite der "Globalen Mittelmeerpolitik" behoben und dem gewandelten Sicherheitsverständnis der EU Rechnung getragen werden soll. Das Konzept der Konditionierung finanzieller Unterstützung auf politische Reformen ist dafür wegweisend. Da das europäische Interesse an der Mittelmeerregion jedoch nicht auf dessen "Potential" als Sicherheitsrisiko beschränkt ist, wird in einem nächsten Schritt das ökonomische Potential der Region analysiert. Aufgrund der Klassifizierung der arabischen Partnerländer als Entwicklungsländer wird dafür ein Ansatz der endogenen Wachstumstheorie herangezogen. Die in diesem Kontext angewandte Definition von ökonomischem Potential besteht demnach in der Fähigkeit der Mittelmeerpartnerstaaten, durch die Einführung von "Good Governance"-Strukturen die Bedingungen für Investition und Wachstum zu generieren. Aus einem Vergleich des in diesem Sinne definierten, ökonomischen Potentials mit dem der AKP-Staaten wird zwar das relativ größere Gewicht der Mittelmeerpartner für die EU deutlich. Die Marginalität im Gesamtverhältnis lässt allerdings erkennen, dass die euro-mediterrane Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich primär unter dem Gesichtspunkt der Stabilisierung der Region gesehen werden muss. Kapitel 4 schließt mit dem Projekt der euro-mediterranen Freihandelszone, das als Kernstück der Partnerschaft unter den Aspekten der Vereinbarkeit mit bestehenden WTO-Regelungen und der ökonomischen Folgewirkungen betrachtet wird. Das fünfte Kapitel setzt sich schließlich mit den konkreten Problemen auseinander, die eine effektive Umsetzung des Partnerschaftsprogramms behindern. Die unterschiedlichen Hemmnisse werden zu diesem Zweck vorwiegend auf ihre Wirkungsweise sowie auf ihr Reformpotential untersucht. Die Hauptaufgabe besteht dabei weniger in der Klärung der Schuldfrage, als vielmehr in der Herausarbeitung der Bedingungen, die für eine erfolgreiche und effiziente Arbeit der Partnerschaft in Zukunft geschaffen werden müssen. Die Flexibilisierung des Partnerschaftskonzepts steht dabei im Zentrum eines jeden Reformvorschlags. Das Fazit stellt zunächst die vielfältigen Interdependenzverhältnisse, die die EU zu den arabischen Mittelmeerpartnern in Bezug setzen, dar. Dabei wird vor allem der stets an der Euro-Mediterranen Partnerschaft geübten Kritik, eine asymmetrische Beziehung zu einer partnerschaftlichen Beziehung zu stilisieren, Rechnung getragen. Positive Betonung findet dagegen das Reformpotential, das in der gegenseitigen Ergänzung des euro-mediterranen und des innereuropäischen Integrationsprozesses steckt. Optimistische Erwartungen für die Umsetzung der unterschiedlichen Reformvorschläge werden vor allem mit der "Strategischen Partnerschaft der EU mit dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten" verbunden, da diese die zukünftigen europäisch-arabischen Beziehungen als inhaltlich und geographisch ausgeweitetes Konzept durchaus Erfolg versprechend abbildet. Die zentrale Frage, ob die EU durch ihr ökonomisches Gewicht eine politische Rolle im Nahen Osten übernehmen kann, lässt sich letztlich nur bedingt beantworten: "Ja", wenn die EU im Konzert mit den USA als gemeinsamer und somit in der Sache glaubhafter Akteur auftritt; "Nein", wenn die EU diese Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt, indem sie innereuropäische Interessenkonflikte die außenpolitische Verantwortung der gesamten EU dominieren lässt.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: InhaltsverzeichnisI TabellenverzeichnisIII AbbildungsverzeichnisIV AbkürzungsverzeichnisV 1.Einleitung1 2.Theoretischer Analyserahmen10 2.1Problematik nationalstaatlicher Rhetorik11 2.2Interdependenztheorie13 2.3Integrationstheorie15 2.4Friedensforschung18 2.5Universalismus vs. Regionalismus21 3.Historische Entwicklung der Beziehungen der EU zum Mittelmeerraum24 3.1Bilaterale Abkommen (Phase I: 1957 – 1972)24 3.2Globale Mittelmeerpolitik (Phase II: 1972 – 1990)27 3.2.1Struktur und Umsetzung des Globalansatzes28 3.2.2Problematische Partnerschaft31 3.3Multilaterale Initiativen zur Formulierung einer Mittelmeerpolitik33 3.3.1Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittelmeerraum34 3.3.2"5 plus 5"-Gespräche35 3.4Zusammenfassung36 4.Die Euro-Mediterrane Partnerschaft – der Barcelona Prozess ab 199539 4.1Barcelona Deklaration – Programm, Motivation und Zielsetzungen43 4.2Bedeutung des Wirtschaftsraums für die EU48 4.2.1Grundlagen neoklassischer und endogener Wachstumsmodelle49 4.2.2Stabilität als Wachstumsfaktor51 4.2.3Analyse des ökonomischen (Entwicklungs-) Potentials54 4.2.4Vergleich zu AKP-Staaten67 4.3Freihandelszone als Kernstück der EMP73 4.3.1Europa-Mittelmeer-Abkommen73 4.3.2Freihandel im Rahmen der WTO/GATT 199475 4.3.3Ökonomische Implikationen des Freihandelskonzepts77 4.4Zusammenfassung83 5.Spannung zwischen Konzeption und Implementierung85 5.1Defizite in der europäischen Marktöffnungspolitik88 5.2Institutioneller Dualismus93 5.3Demokratisierung vs. Stabilisierung96 5.4EU als "Global Payer" oder "Global Player"?99 5.5Regionalkonflikte als Kooperations-Determinante102 5.6Nahost-Konflikt und dessen Auswirkungen auf die EMP105 5.7Zusammenfassung107 6.Fazit109 Literaturverzeichnis113 Aufsätze, Monographien und Sammelwerke113 Dokumente123 Institutionen126 Online-Publikationen129 Anhang134Textprobe:Textprobe: Kapitel 5., Spannung zwischen Konzeption und Implementierung: Dass das Fazit, das 2005 anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Euro-Mediterranen Partnerschaft auf beiden Seiten des Mittelmeers gezogen wurde, weder ausschließlich positiv, noch ausschließlich negativ ausfiel, kann angesichts der Langfristigkeit der Konzeption und der Vielzahl der Einfluss nehmenden Interdependenzen nicht überraschen. Bestritten werden kann allerdings auch nicht, dass sich der Barcelona Prozess zum bedeutendsten Rahmenwerk für die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen, für Dialog und regionale Kooperation entwickelt hat. So resümiert die EU 2005 positiv, dass die Verhandlungen der Europa-Mittelmeer-Abkommen mit allen Partnerländern abgeschlossen werden konnten. Mit Ausnahme von Syrien besteht ein vollständiges, bilaterales Vertragsnetzwerk, im Rahmen dessen Assoziationsräte und Ausschüsse auf Experten- und Ministerebene regelmäßig tagen und die praktische Implementierung der Kooperationsziele begleiten. Besonders hervorzuheben sind darüber hinaus die institutionellen Erweiterungen des Partnerschaftskonzepts: Im Rahmen der Europäischen Investitionsbank wurde 2002 die "Investitionsfazilität und Partnerschaft Europa-Mittelmeer" (FEMIP) gegründet, deren Schwerpunkt die Finanzierung und Entwicklung des Privatsektors bildet. Ausdruck einer egalitären Beziehung ist die paritätisch besetzte und im Jahr 2004 ins Leben gerufene "Parlamentarische Versammlung Europa-Mittelmeer" (EMPA), deren Vertreter vom Europäischen Parlament und von den nationalen Parlamenten berufen werden und die ihre erste Plenarsitzung im März 2005 in Kairo abhielt. Als Parlament des Barcelona Prozesses hat die EMPA allerdings nur beratende Funktion. Im sozialen Bereich wurde mit der "Anna Lindh Stiftung für den Dialog zwischen Kulturen Europa-Mittelmeer" 2005 die dritte Institution im Rahmen der Euro-Mediterranen Partnerschaft gegründet. Als "Network of Networks" fungiert sie als verbindendes Element der Kulturen und soll zur intensiveren Teilnahme der Zivilgesellschaften am Partnerschaftsprozess beitragen. Positiv ist ebenso zu vermerken, dass der Mittelmeerraum bewusst in den Bereich europäischer Verantwortung gerückt wurde. Denn mit der EU-Osterweiterung im Jahr 2004 bestand die Gefahr einer Verschiebung auf der europäischen Prioritätenliste. Man fürchtete, dass die umfassende Förderung der politischen und institutionellen, euro-mediterranen Infrastruktur nicht die erhofften Wirkungen entfalten und sich der Graben, die den südlichen Teil des Mittelmeers vom nördlichen vor allem unter Wohlstands- und Wachstumsaspekten noch deutlich trennt, vertiefen könnte. Um die Vorteile der EU-Erweiterung in Bezug auf Stabilität, Sicherheit und Wohlstand auch den Mittelmeerpartnerländern angedeihen zu lassen, wurde die ursprünglich im Hinblick auf die neuen östlichen Nachbarn der erweiterten EU konzipierte "Europäische Nachbarschaftspolitik" auf die Mittelmeerdrittländer ausgedehnt. Somit steht auch die Europäische Nachbarschaftspolitik in der Tradition der europäischen Mittelmeerpolitik, die Dynamik des EU-Erweiterungsprozesses durch Modifizierung der bestehenden Kooperationsvereinbarungen auf die Mittelmeerpartnerschaft zu übertragen. Sie soll die Euro-Mediterrane Partnerschaft allerdings nicht ersetzen, sondern vielmehr den erweiterten Rahmen bilden, innerhalb dessen die Partner vollständigen Nutzen aus den vorhandenen Strukturen ziehen können. Gemäß der Vision eines "Größeren Europas" intendiert die Nachbarschaftspolitik, einen "Ring verantwortungsvoll regierter Staaten" zu bilden, die die grundlegenden Werte und Ziele der EU teilen und daher enger an die EU herangeführt werden sollen. Dazu werden differenzierte, bilaterale Aktionspläne in enger Abstimmung mit den Mittelmeerdrittländern erstellt, die die Zielvorgaben der Europa-Mittelmeer-Abkommen zwar widerspiegeln, diese aber durch eine bewusste Verbindung zu nationalen Politikprogrammen bzw. zu EU-Politiknormen und –standards stärker operationalisierbar gestalten. Als bedeutende Reformpriorität wird die Einbeziehung in den EU-Binnenmarkt durch Annäherung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften anvisiert. Um die dafür nötigen Reformen im Bereich der Regierungsführung zu beschleunigen, wird die Mittelzuweisung durch das MEDA-Programm im Sinne eines Benchmark-Konzepts einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt. Die Einhaltung von Menschenrechten und den Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit soll dadurch verstärkt gewährleistet werden. Angesichts der Langfristigkeit dieser Maßnahmen wird jedoch deutlich, dass man der 1995 gesetzten Zielvorgabe, einen Raum des Friedens, der Stabilität und des Wohlstands zu schaffen, auch nach zehn Jahren der Kooperationsbemühungen kaum näher gekommen ist. Kritiker wie Befürworter der europäischen Mittelmeerpolitik ziehen daher gleichermaßen ein enttäuschtes Fazit : In der politischen und Sicherheitspartnerschaft scheiterte bereits 2002 das Vorhaben einer "Euromediterranen Charta für Frieden und Sicherheit". Trotz des wiederholten Bekenntnisses, Friede und Stabilität durch vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen schaffen zu wollen, enthält das im November 2005 verabschiedete fünfjährige Arbeitsprogramm keine Ambitionen, das Charta-Projekt wiederzubeleben. Lediglich die Absicht, den Dialog über eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu vertiefen und einen Verhaltenskodex für den Kampf gegen den Terrorismus zu implementieren, ist in das Programm aufgenommen worden. Die Sicherheitspartnerschaft entbehrt jedoch weiterhin konkrete Pläne, den Mittelmeerraum zu einer massenvernichtungswaffenfreien Zone zu machen. So wie die verschiedenen regionalen Konflikte nicht eingedämmt werden konnten, wurden nach eigenen Angaben der Kommission auch im Demokratisierungsprozess keine signifikanten Fortschritte verzeichnet. Im wirtschaftlichen Bereich besteht trotz der Erfolge, die im Rahmen der Einrichtung einer euro-mediterranen Freihandelszone in Bezug auf den Abbau der Außenprotektion der Mittelmeerdrittländer erzielt wurden, weiterer Reformbedarf. So vor allem bei der Anpassung der politischen und institutionellen Strukturen, beim Abbau bürokratischer Schwerfälligkeit, bei der Harmonisierung und regionalen Angleichung technischer Standards und Regelwerke sowie bei der Reformierung des öffentlichen Sektors. Trotz der Zusage finanzieller Mittel von annähernd 9 Mrd. EUR im Rahmen der MEDA I und MEDA II-Programme und von EIB-Krediten von knapp 10 Mrd. EUR hat das durchaus beachtliche jährliche Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 4% bis 6% weder zu einer nennenswerten Verbesserung des Lebensstandards weiter Bevölkerungsteile der Mittelmeerdrittländer geführt, noch konnte die Wohlstandskluft zwischen dem südlichen und nördlichen Mittelmeerufer verringert werden. Als "Roadmap" bezeichnet das Arbeitsprogramm die Summe der Zielvorgaben, die bis zur vollständigen Umsetzung der Freihandelszone im Jahr 2010 angestrebt werden. Dazu zählt primär die stufenweise Liberalisierung des Agrar- und des Dienstleistungshandels sowie die Beschleunigung des intra-mediterranen Integrationsprozesses. Sozial und kulturell ist die Partnerschaft weiterhin durch einen Mangel an einem bewussten Partnerschaftsdenken gekennzeichnet. Die Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationsformen führte weder zur erhofften Dynamisierung des interkulturellen Dialogs, noch zu einer Verbesserung der sozioökonomischen Verhältnisse. Auch gelang es nicht, durch die Einbindung zivilgesellschaftlicher Eliten eine Brücke zu schlagen zwischen der Ebene der Regierungen und der breiten Öffentlichkeit. Der Informationsstand bezüglich der Euro-Mediterranen Partnerschaft ist daher völlig unzureichend, um von einer tatsächlichen Wirkung auf die Menschen sprechen zu können. Zwar wurden durch Med-Programme wie "Euromed Heritage", "Euromed Audiovisual" und "Euromed Youth" aktive Dialog- und Kooperationsforen geschaffen. Und auch das "Euromed Civil Forum", das als Plattform nicht-staatlicher Organisationen seit Anbeginn des Partnerschaftsprogramms die jährlichen Außenministerkonferenzen begleitet, leistet in Zusammenarbeit mit der 2005 gegründeten "Euro-Mediterranean non-governmental Platform" durch Reflektion und Kommunikation einen Beitrag zum zivilgesellschaftlichen Charakter der Partnerschaft. Doch bleiben die Resultate dieser Anstrengungen sowohl aufgrund mangelnder ideeller Unterstützung der jeweiligen Regierungen als auch der begrenzten Mittelausstattung durch die EU hinter den Erwartungen zurück. Das einmütige Urteil der unterschiedlichsten – europäischen wie arabischen – Beiträge zum Jubiläum lautet, dass trotz der bisherigen Errungenschaften das Potential der Partnerschaft bei weitem nicht ausgeschöpft ist und daher Ansatzpunkte für die Erweiterung, Verbesserung und Intensivierung der euro-mediterranen Beziehungen bestehen. Im Folgenden soll daher dazu übergegangen werden, einige strukturelle Schwierigkeiten, die eine erfolgreiche Umsetzung der Partnerschaft behindern, zu diskutieren und gleichsam auf ihr Reformpotential hin zu analysieren. Melanie Noetzel. Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg sowie der Außenpolitik an der American University, Washington DC. Abschluss 2007 als Diplom-Kauffrau. Anschließender Aufenthalt zu Sprachstudien an der Universität von Damaskus, Syrien. Momentan tätig als Doktorandin im Bereich europäischer Integrations- und Erweiterungspolitik mit Blick auf die arabischen Nachbarstaaten der EU.