Seit langem wächst der Welthandel deutlich stärker als das Weltsozialprodukt. Ein zunehmender Teil dieses Handels besteht dabei aus dem Austausch von Dienstleistungen. Auch die Direktinvestitionen, durch die ausländische Investoren in den jeweiligen Zielländern Unternehmen gründen, erwerben, modernisieren oder erweitern, nehmen seit Mitte der 80er Jahre erheblich rascher zu als die Weltproduktion. Beleg für den hohen Grad und das zügige Fortschreiten der "Vernetzung" der Weltwirtschaft ist schließlich die geradezu ungestüme Dynamik, mit der sich in den letzten Jahrzehnten die internationalen Geld- und Kapitalmärkte entwickelt haben. -- Für die Träger der nationalen Wirtschaftspolitik ergeben sich aus diesem Prozeß der Globalisierung bedeutsame Konsequenzen. Mit ihnen befaßte sich die Jahrestagung 1998 des Wirtschaftspolitischen Ausschusses des Vereins für Socialpolitik, die vom 31. März bis 2. April 1998 in Hamburg stattfand und deren Referate hiermit vorgelegt werden. Ungeachtet der unterschiedlichen Fragestellungen dieser Beiträge und ungeachtet auch der Unterschiede in Ansatz und Methode stimmen doch alle Autoren in der Auffassung grundsätzlich überein, daß der Prozeß der Globalisierung nicht vornehmlich als Bedrohung gesehen werden sollte, sondern daß er dort sehr attraktive Chancen zur Wohlfahrtssteigerung eröffnet, wo es gelingt, die sich mit diesem Prozeß verbindenden Anpassungserfordernisse überzeugend zu meistern
Mit den fortgesetzten Streiks bei der Deutschen Bahn und der Lufthansa wächst der Unmut über die Spartengewerkschaften. Sollte der Gesetzgeber die Tarifpluralität und das Handeln kleiner Gewerkschaften beschneiden? Norbert Berthold, Universität Würzburg, plädiert für Tarifpluralität statt Tarifeinheit. In einer wirtschaftlich heterogener werdenden Welt müssten sich die Institutionen ändern. Die adäquate Antwort auf heterogenere Unternehmen seien betriebliche Bündnisse für Arbeit: Tarifpluralität nicht Tarifeinheit sei die passende Antwort. Wer Angst vor Spartengewerkschaften habe, sollte dafür sorgen, dass der Wettbewerb auf den Absatzmärkten entfesselt werde und der (Sozial-)Staat die Budgetrestriktion der Unternehmen nicht aufweiche. Auch Claus Schnabel, Universität Erlangen-Nürnberg, sieht kaum überzeugende Gründe, warum die Tarifpluralität durch den Gesetzgeber beschnitten werden sollten. Solange die Funktionsfähigkeit des deutschen Systems der Arbeitsbeziehungen und der Lohnfindung nicht wirklich in Gefahr sei, wofür es derzeit keine Anzeichen gebe, bestehe kein Grund für gesetzgeberischen Aktionismus. Für Hagen Lesch, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, weist dagegen Gewerkschaftskonkurrenz verschiedene Nachteile auf. Es werden u.a. das Solidarprinzip geopfert und die Lohnungleichheit zunehmen. Michael Fuchs, CDU/CSU-Bundestagsfraktion, unterstreicht, dass es bei der Frage nach einer Eindämmung der Macht der Spartengewerkschaften nicht darum geht, einzelne Betriebe vor Streiks zu schützen, sondern um den Schutz der Gesamtwirtschaft und der Bürger im Bereich der Daseinsvorsorge vor Kollateralschäden. Wenn das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht auf dem Spiel stehe, müsse die Koalitionsfreiheit zurücktreten. Deshalb sei es an der Zeit, die Tarifeinheit gesetzlich zu normieren. Klaus Dauderstädt, dbb beamtenbund und tarifunion, plädiert dagegen für die Koalitionsfreiheit und gegen eine gesetzlich auferlegte Tarifeinheit.
Nach den Vorstellungen des Vorsitzenden und Namensgebers der Hartz-Kommission kann die Arbeitslosigkeit in nur drei Jahren halbiert werden. Ist dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen? Welche Rolle spielt dabei die Ausgestaltung der Arbeitslosenversicherung? Was ist von den Vorschlägen der Hartz-Kommission zu halten?
Der Brexit, die Wahl Donald Trumps, die Zugewinne des Front National in Frankreich, der AfD in Deutschland und Geert Wilders in den Niederlanden: Der Populismus erlebt derzeit einen Höhenflug. Was sind die Ursachen und die Effekte dieser Erfolgswellen? Nach Ansicht von Norbert Berthold, Universität Würzburg, spricht einiges dafür, dass die Globalisierung populistische Entwicklungen begünstigt. Wichtiger scheinen allerdings der technische Fortschritt, da er die einfache Arbeit benachteilige, und die Migrationsströme in reiche Länder zu sein. Zudem spielen auch kulturelle Elemente, Informationslücken, Vorurteile und Stereotypen eine wichtige Rolle. Adalbert Winkler, Frankfurt School of Finance & Management, sieht unter anderem die Ursachen für das Erstarken populistischer Strömungen darin, dass die Finanz-, Euro- und Flüchtlingskrise die Zahl der Menschen, die abgehängt sind oder sich abgehängt fühlen, erheblich haben steigen lassen und die etablierten Parteien überfordert sind, diese Krisen zu bekämpfen. Sascha O. Becker, Thiemo Fetzer und Dennis Novy, University of Warwick, kommen nach der Analyse von Daten aus 380 Landkreisen Großbritanniens zu dem Schluss, dass Faktoren, wie Demographie, Bildung und Wirtschaftsstruktur, einen deutlich größeren Einfluss auf die Brexit-Entscheidung der britischen Wähler hatten als Faktoren, die eine direkte Verbindung zur EU beinhalten. Für Marianne Kneuer, Universität Hildesheim, waren die Krisen sicher ein trigger, aber nicht die Ursache für das derzeitige Phänomen von Populismus. Hier seien tieferliegende strukturelle Gründe verantwortlich: zum einen die wirtschaftlichen Unsicherheiten, wie wachsende Ungleichheit, das Gefühl, ein Globalisierungsverlierer zu sein, Angst vor sozialem Abstieg, zum andern politische Gründe, da die repräsentative Demokratie in einer tiefen Vertrauenskrise stecke und Populisten von den funktionalen Defiziten, die in den Parteien und den Parteienlandschaften über die Jahre Eingang gefunden haben, profit
Die Einkommens- und Vermögensverteilung hatte sich in Deutschland vor dem Beginn der Finanzkrise zunehmend ungleich entwickelt, seitdem aber ist die Ungleichheit zurückgegangen. Ob Ökonomen beurteilen können und sollen, was eine "richtige und gerechte" Einkommensverteilung ist, bleibt fraglich. Zusammenhänge können allerdings diskutiert werden: Ist Ungleichheit der Preis des Wachstums? Wie ist die Situation in Deutschland im internationalen Vergleich einzuschätzen? Können Einkommen durch soziale Mobilität egalitärer verteilt werden? ; The distribution of income and wealth in Germany grew increasingly unequal until the beginning of the fi nancial crisis. But inequality has not risen in either Germany or Switzerland since 2005. Nevertheless, Germans overestimate inequality . The German gap between reality and perception of inequality is important to investigate, as the subjective assessment of inequality infl uences redistribution preferences. Rising inequality may damage social stability and democracy, but it is unclear whether economists are able to assess a 'proper and just' distribution. Interdependencies are discussed: Does a more equal distribution create negative effects on economic growth? How does Germany rank internationally with regard to distribution? Social mobility rates differ substantially across countries; what are the implications for economic policy?
"Deutschland steht vor radikalen gesellschaftlichen Veränderungen. Ein schleichender Umbau des Wirtschaftssystems hat langfristige Folgen für das soziale Gefüge. Treibende Kraft dieses Umgestaltungsprozesses ist die Globalisierung. Für viele kommen die notwendigen Veränderungen in einem neoliberalen, unsozialen Gewande daher. Bis heute ist die Bundesrepublik aber mit dem konsensorientierten Tandem von Wirtschafts- und Sozialpolitik gut gefahren. Wirtschaftspolitik, die unter dem Stichwort 'Soziale Marktwirtschaft' firmiert, muss ethisch fundiert sein und bleiben. Das Soziale darf nicht zu einer Residualfunktion degradiert werden. Tritt dies ein, wird aus einer sozialen Marktwirtschaft ein herzloser Kapitalismus." (Autorenreferat, IAB-Doku); Inhaltsverzeichnis: Eilest Herms: Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsethik (3-10); Werner Eichhorst, Klaus F. Zimmermann: Wirtschaftspolitische Bilanz der rot-grünen Bundesregierung (11-17); Friedhelm Hengsbach: Die Arbeitsmärkte - Stellgröße für mehr Beschäftigung? (18-25); Norbert Berthold: Arbeitsmarktpolitik in Deutschland (26-33); Gerhard D. Kleinhenz: Marktwirtschaft und Sozialstaat: Zukunftsmodell Deutschland (33-40); Andre Habisch: Unternehmen in der Aktiven Bürgergesellschaft (40-46).
In: Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge / Universität Würzburg, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insb. Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik, Band 96
Der Beitrag befasst sich mit drei Entwicklungsprozessen, die kennzeichnend sind für die derzeitigen Veränderungsprozesse der Weltwirtschaft, und deren Auswirkungen auf die Zukunft der Arbeit bzw. der Arbeitslosigkeit. Damit ist zum einen die Entwicklung gemeint, dass die ehemaligen Ostblockstaaten und China sich dem Weltmarkt geöffnet haben, und dort Millionen Arbeiter für geringe Löhne arbeiten. Zum zweiten ist damit der Einsatz neuer Technologien gemeint, der die Produktionsprozesse in immer kleinere Zwischenschritte aufspaltet und dazu führt, dass Arbeitnehmer sich mehr und mehr von den Endprodukten abkoppeln. Drittens ist damit die Bildung von Agglomerationsräumen gemeint mit einer möglichen regionalen Einkommensdivergenz. Der Autor argumentiert jedoch, dass Arbeitslosigkeit ein Resultat eines institutionellen Mismatchs ist und postuliert, dass die Zukunft der Arbeit davon abhängen wird, wie die Politik diesen Mismatch in den Griff bekommt. Daher werden die anfangs beschriebenen drei Phänomene und ihre Wirkung auf die Arbeitsmärkte genauer untersucht. Anhand der Ergebnisse werden anschließend an drei Grundprinzipien orientierte Handlungsempfehlungen vorgestellt, nach denen sich die Wirtschaftspolitik richten kann, um in einer globalisierten Welt Wachstum und Beschäftigung zu sichern. Die Schlussbetrachtungen betonen die Wichtigkeit von Strategien der Politik, die Flexibilität und Mobilität der Märkte zu stärken und nur dort einzugreifen, wenn aufgrund von Existenzproblemen der soziale Frieden gefährdet ist. (ICH)