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Während sich in der Vergangenheit vier Ansätze von "Demokratie lernen" entwickelt haben, die sich in die Konzeptionen "Bürgerleitbilder", "Erfahrene Demokratie", "Demokratielernen als Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsform" sowie "Soziales und gesellschaftliches statt politisches Lernen" zusammenfassen lassen, sind daraus in jüngster Zeit zwei Ansätze geworden, die die Diskussion in der politischen Bildung im Wesentlichen prägen. Dazu gehören nach wie vor das politikdidaktische Konzept der Bürgerleitbilder und das der Erfahrenen Demokratie, welches sich nun als "Demokratiepädagogik" bezeichnet. Im vorliegenden Aufsatz werden diese beiden Ansätze zunächst kurz dargestellt und kritisiert, um anschließend die Frage zu erörtern, welche Gemeinsamkeiten in der Kontroverse zwischen Politik-Lernen und Demokratie-Lernen bestehen. Es werden ferner die Elemente eines komplexen Demokratiebegriffs umrissen, dem es gelingt, darin Demokratiepädagogik und Politikdidaktik zu verorten. (ICI2).

Die historische Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften in der Schweiz wird untersucht. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, wie die Akteure der Wirtschaftswissenschaften in Koalition mit anderen Elitegruppen aus Wirtschaft und Politik akademische Deutungsmacht erringen konnten. Dabei lassen sich deutliche innerdisziplinäre Unterschiede und Verschiebungen hinsichtlich der Rolle der Wirtschaftswissenschaften im Bereich der politischen Beratung und als Ausbildungs- und Rekrutierungsfeld von Eliten aufzeigen. Die historisch-genetische Analyse verweist auf Prozesse der wechselseitigen Verflechtung und Legitimierung gesellschaftlicher Machtfelder. Durch Diskurskoalitionen mit Eliten anderer Gesellschaftsbereiche konnten wirtschaftswissenschaftliche Akteure nicht nur eine Stärkung ihrer Position im akademischen Feld erreichen, sondern auch ihren Status als wissenschaftlich legitimierte Deutungselite innerhalb politischer Entscheidungsprozesse festigen. (GB). Die Untersuchung bezieht sich auf den Zeitraum 1800 bis 2000.

Die politische Öffentlichkeit und die Institutionen, die für die Politik verantwortlich sind, geraten zunehmend in die Kritik. Besonders in Wahlkampfzeiten mehrt sich das Unbehagen an einer Kommunikationskultur, in der die rationale Argumentation von Sachfragen mehr und mehr hinter Politikinszenierungen und Unterhaltungselementen zurücktritt. Im Rahmen dieser Problematik fragt der vorliegende Beitrag nach der Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit für die "politische Kultur" in einer Medien- und Stimmungsdemokratie. Ein Rückblick auf die während der Aufklärung entstandenen klassischen Texte zeigt, dass dort entwickelten Ideen bis heute - implizit oder explizit - die Diskussion um die Freiheit der Medien und ihre möglichen Grenzen bestimmen. Auf der Basis dieser Rekonstruktion führt der Autor dann aus, dass Medienfreiheit und normative Erwartungen an die Leistungen der Medien sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern dass sich Qualitätsstandards aus der Bedeutung der Pressefreiheit begründen lassen. (ICA)

Der Text nimmt das Buch und das Anliegen des deutschen Politikwissenschaftlers und Lateinamerikaspezialisten Volker Wünderich "Sandino. Eine politische Biographie" (1995) zum Anlaß, den Sandino-Mythos zu entmythisieren und zum Ausgangspunkt, um politische Mythen im lateinamerikanischen Kontext, ausgehend vom Sandino-Mythos, genauer zu betrachten. Die Beschäftigung mit dem Mythos Sandino und anderen Mythen in Lateinamerika gibt Anlaß, darüber nachzudenken, wie politische Mythen funktionieren, wie sich Arbeit am Mythos vollzieht und welche Konsequenzen daraus für die Politik erwachsen. Der Verfall von Mythen geht einem Systemverfall meist voraus und beeinflußt diesen ganz entscheidend. Mythen sind ein kollektives Phänomen, das die Gesellschaft über Unterschiede hinweg lange Zeit zusammenbindet. Doch gleichzeitig entziehen sie sich jeglicher politischen Steuerung. (pre)

Der Autor gibt einen Literaturbericht zu neueren Arbeiten über Leben und Werk Hannah Arendts. Die Originalität des Arendtschen Denkansatzes wird aus dem besonderen Standort der Philosophin erklärt, die als Frau und Jüdin aus assimiliertem Elternhaus traditionslos zwischen den Kulturen stand und eine besondere Sensibilität für die "unterirdischen" geistigen Strömungen ihrer Zeit entwickelte. Der Verfasser gibt eine kritische Einschätzung von Werken, die sich mit der Biographie Arendts und ihrer Philosophie befassen, und geht näher auf die internationale Diskussion einzelner Aspekte ihrer politischen Philosophie ein. Ihre Totalitarismustheorie, ihr Politikverständnis, die von ihr vorgenommene Neudefinition des Verhältnisses von Politik und Philosophie, ihr Verhältnis zur Existenzphilosophie sowie ihr Menschenbild stehen dabei im Zentrum der Betrachtungen. Eine Bibliographie faßt die besprochenen Werke zusammen. (KS)

Das politisch-philosophische Werk wird aus Kants Gesamtwerk herauskristallisiert interpretiert. Es wird gezeigt, daß seine Theorie auf einem umfassenden, vernunftorientierten Menschenbild aufbaut. Im Zeitalter der Philosophie, wie sich das 18. Jahrhundert weithin selbst verstand, wird die Kritik als zentrale Aufgabe des Denkens bestimmt. Aus der Auflärung im Sinne Kants folgt logisch, daß die Vernunft selbst einer Neudefinition bedarf. Im Mittelpunkt seines Praxisverständnisses steht die Frage nach dem Wissen, dem Handeln und der Hoffnung. Vernünftige Praxis z. B. wird als freiheitsorientiertes Handeln erläutert. In der historischen Entwicklung zielt Kant auf die Realisierung des Prinzips des Weltbürgers, der die Vernunft über alles setzt. Demokratie, republikanische Verfassung, Moralität und der Kampf gegen die Ungerechtigkeit werden als philosophische Prinzipien hervorgehoben, die Kant der Politik mit auf den Weg in die Praxis gibt. (HA)

In dem Beitrag werden am Beispiel dreier Regionen - Oblast Saratov, Oblast Leningrad und Krasnodarskij Kraj - die Zusammensetzung der regionalen Eliten und ihre wechselseitigen Beziehungen untersucht. Die sich aus dem zweiten Glied der früheren Nomenklatura rekrutierende "alte Elite", die das Geschehen in den Regionen während der Perestrojka und in den Jahren danach bestimmte, wird zunehmend durch Vertreter einer "neuen Elite" ergänzt bzw. abgelöst. Dieser personelle Erneuerungsprozeß wird vom Autor anhand von Fallbeispielen genau nachgezeichnet und analysiert. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, inwieweit diese personellen Veränderungen mit einer positiven bzw. negativen Haltung der regionalen Politiker zum Reformprozeß verknüpft sind. (BIOst-Mrk)

Die Reagan-Doktrin (State of the Union-Rede, 6.2.1985) ist mit dem Ziel, auch durch Unterstützung von Guerillabewegungen in marxistischen Staaten der Dritten Welt demokratische Regierungsformen durchzusetzen, im Vergleich zu anderen außenpolitischen Doktrinen der USA offensiv. In den analysierten Fällen (Afghanistan, Angola, Nicaragua, Kambodscha, Äthiopien) ist die US-Verpflichtung nicht so weit gegangen, die sowjetische Position ernsthaft zu gefährden. Reagans Pragmatismus unterhöhlt den ideologischen Anspruch der Doktrin. Der Moralismus beinhaltet andererseits die Gefahr der Eskalation, wobei unklar ist, was das eigentliche Ziel der US-Politik ist: Sieg im jeweiligen Konfliktfall, Verhandlungslösung oder das Bestreben, Moskau zu bestrafen. (SWP-Hld)

Rußland verfügt gegenwärtig nicht über eine kohärente Strategie gegenüber den Staaten an seiner südlichen Peripherie, weil konkurrierende politische und wirtschaftliche Interessen im Innern einen Konsens nicht zulassen. Dennoch verfügt Rußland nach Ansicht des Verfassers über genügend Einfluß in dieser Region, um seine Interessen geltend machen zu können. Diese These versucht er anhand des Konflikts um die Pipelineführung des im Kaspischen Raum geförderten Öls zu belegen. Die politische und wirtschaftliche Instabilität der südlichen Anrainerstaaten trägt gleichfalls zur Stärkung der russischen Einflusses in dieser Region bei. Abschließend wird die Politik Moskaus im Konflikt um Nagorny-Karabach ausführlich beleuchtet. (BIOst-Mrk)

Der Autor beleuchtet die politischen Hintergründe und Rahmenbedingungen, den bisherigen Verlauf, die Ebenen, Themenschwerpunkte, Auswirkungen und Risiken der im Kontext der Gorbatschowschen Reformpolitik neu eröffneten Debatte über die jüngere sowjetische Geschichte (nationale Historiographie, Parteigeschichtsschreibung der KPdSU). Im Mittelpunkt der Studie stehen die politische, literarische und geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Phase des Stalinismus, die Rehabilitierung von Stalin verfemter Politiker (Neudiskussion der Rolle Bucharins und Trotzkis) und die Neubewertung der Leninschen NÖP. Die Darstellung läßt die in der sowjetischen Geschichtsdebatte vertretenen unterschiedlichen Standpunkte "liberaler" und "konservativer" Gruppierungen deutlich werden. (BIOst-Hml)

Der Aufsatz befasst sich mit der Übertragung eines Verfahrens der Quantitativen Inhaltsanalyse, das für die Untersuchung ideologischer Texte entwickelt wurde und hier auf die Diskussion seitens der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung zum Reformprozess des öffentlichen Dienstes in Deutschland angewendet wird. Es werden theoretische Argumente vorgestellt, die für die Anwendbarkeit des räumlichen Modells der Politik auf die Bestimmung der Positionen der Interessenvertretungen sprechen. Des Weiteren wird eine empirische Untersuchung am Beispiel des Polizeisektors auf Länderebene durchgeführt. Die Analyse der aus der Mitgliederzeitschrift der Gewerkschaft der Polizei und der Publikationen des Innenministeriums des Landes Brandenburg entnommenen Kommentare ermöglicht die Bestimmung von Politikpositionen im Zeitverlauf, die mit den Erkenntnissen anderer Studien übereinstimmen. ; The paper explores the possibilities to transfer a method of quantitative text analysis developed for the study of ideological texts into the context of the debate between employers' and employees' associations on the reform of the public sector in Germany. We present theoretical arguments supporting the usability of the spatial model for the identification of policy positions of interest associations. We then apply the approach to the police sector in Germany. An analysis of editorials in the newsletter of the police trade union and in publications of the ministry of the interior of Brandenburg allows placing the actors in the conceptual space of the debate over time. We find that the positions found via this approach match with findings from other analyses.

Schmid, W.: Thomas Mann '45. Politik als "Kunst des Lebens", S. 29-32; Jander, M.: Ernst Reuter '48. "Völker der Welt, schaut auf diese Stadt!", S. 32-36; Rudolph, H.: Theodor Heuss '52. Das Mahnmal. Rede in Bergen Belsen, S. 36-39; Potthoff, H.: Herbert Wehner '60. Anerkennung der außenpolitischen Realitäten, S. 39-43; Potthoff, H.: Egon Bahr '63. Ostpolitik in Tutzing, S. 43-47; Sternburg, W. v.: Ernst Benda '65. Keine Verjährung von NS-Verbrechen, S. 47-51; Fichter, T.: Rudi Dutschke '67. Duell mit Habermas, S. 51-54; Gauland, A.: Franz Josef Strauss '74. Als Sonthofen Geschichte schrieb, S. 54-57; Thränert, O.: Helmut Schmidt '77. In der nuklearen Grauzone: Londoner Rede tritt Nachrüstung los, S. 57-60; Weizsäcker, R. v.: Gespräch mit Richard von Weizsäcker. Wort und Wirkung der 8. Mai-Rede, S. 60-65; Glotz, P.: Willy Brandt '81. Den eigenen Weg neu finden, S. 65-68; Stadlmayer, T.: Waltraud Schoppe '83. Die Wende im Liebesspiel. Skandalöse Jungfernrede einer Grünen, S. 68-71; Martin, M.: Jens Reich '89. Der freundliche Zivilist auf dem Alexanderplatz, S. 71-75; Riecker, J.: Helmut Kohl '89. Auferstanden an Ruine. Die Dresdener Rede vor der Einheit, S. 75-80; Göttler, F.: Martin Walser '98. "Brandstiftung" gegen die "Banalität des Guten", S. 80-82

Die Coronapandemie hat die zentrale Rolle von Staat und Verwaltung für die Krisenbewältigung deutlich gemacht sowie ins Zentrum wissenschaftlicher und öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt. Das intergouvernementale Pandemiemanagement, das Zusammenwirken verschiedener Politik- und Verwaltungsebenen im föderalen Staat und die Einbringung wissenschaftlicher Expertise haben sich in der Pandemie als entscheidende institutionelle Stellschrauben erwiesen. Zugleich sind erhebliche Schwachstellen und Engpässe zu Tage getreten, die teilweise zu institutioneller Überforderung, Reibungsverlusten, Koordinationsschwächen oder gar Institutionenversagen geführt haben. Beklagt wurden zudem Maßnahmenpakete und Entscheidungsoutputs, die hinsichtlich ihrer Evidenz- und Wissensbasis teils umstritten waren und in ihrem Zustandekommen hinreichende Legitimation, Zurechenbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz vermissen ließen. Der seit März 2020 andauernde Krisenzustand hat einen neuartigen, vom bisherigen Normalzustand stark abweichenden Modus des ...

Ob Demokratie und Kapitalismus - das heißt auf Privateigentum an Produktionsmitteln gegründete, marktgesteuerte Ökonomie - oder Demokratie und Sozialismus - das heißt eine auf gesellschaftliches Eigentum an Produktionsmittel gegründete, plangesteuerte Ökonomie - zusammengehören, war eine der großen Fragen des vergangenen Jahrhunderts. Der Beitrag diskutiert die Frage, ob Demokratie und Marktwirtschaft nicht heute in ein ungleiches Spannungsverhältnis geraten sind. Die Frage artikuliert das Unbehagen vieler Bürger, dass die Politik sich "ökonomischen Sachzwängen" immer mehr unterwirft und die Demokratie dabei auf der Strecke bleiben könnte. Trotz aller Friktionen zwischen Demokratie und Marktwirtschaft plädiert der Autor für das weitere Fortbestehen der "Komplementärordnung" zwischen diesen beiden Strukturtypen, da es für die entwickelten Gesellschaften keine vernünftige Alternative gibt. Allerdings: "Es wäre fatal zu vergessen, dass auch die Legitimität faktisch alternativloser Ordnungen erodieren kann. "(ICA)