Liberale politische Kultur und beginnende Aufklärung über den Nationalsozialismus in der Bundesrepublik der 60er Jahre: Beiträge der Humanistischen Union
In: Vorgänge: Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, Band 40, Heft 3, S. 35-48
ISSN: 0507-4150
Der Autor beschreibt die Beiträge der Humanistischen Union (HU) zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den Jahren 1961 bis 1967 in der Bundesrepublik. Die Thematik der NS-Diktatur stand zwar nicht im Mittelpunkt der Bürgerrechtsarbeit der HU, jedoch wurde sie in einer auffälligen Perspektivenvielfalt immer wieder von ihr aufgegriffen. Die beginnende Aufklärungsaktivität der HU über den Nationalsozialismus wird exemplarisch anhand der Beiträge in der Zeitschrift "vorgänge" sowie der Vortragsreihen und politischen Aktivitäten von HU-Mitgliedern aufgezeigt. Der Autor listet die Themen der Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen der HU in den 60er Jahren auf, die in Bezug auf den Nationalsozialismus folgende Bereiche erkennen lassen: die Analyse und juristische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, die Frage der Kontinuität nazistischer Ideologien und Akteure sowie das Thema der "Wiederholungsgefahren". In ihren Publikationen machte die HU vor allem auf die Kontinuität von rechtsextremen und rassistischen Einstellungen in der politischen Kultur Deutschlands aufmerksam und plädierte für Bildung und soziales Engagement als demokratische Mittel gegen die Barbarei. Die Vorträge und politischen Initiativen der HU in den Jahren 1961 bis 1967 spiegeln insgesamt das damalige Diskussionsniveau in der Öffentlichkeit wider, die sich mehr mit der NS-Diktatur und weniger mit dem begangenen Völkermord beschäftigte. Die aus heutiger Sicht zentrale Dimension des rassistisch motivierten Genozids wurde auch von der HU der 60er Jahre unterschätzt. (ICI2)