James Baldwins Afrika: Vielschichtig verweigerte Vereinnahmungen
Mehr als 30 Jahre nach dem Tod James Baldwins haben die gesellschaftspolitischen Analysen des afro‐amerikanischen Autors nach wie vor Gewicht. Die umsichtige Bestimmtheit seiner Standpunkte aus der Zeit vor, während oder nach der Hochphase der US‐amerikanischen Bürgerrechtsbewegung heute zu lesen, macht aktuelle politische Kämpfe um Ressourcen, Macht oder Deutungshoheit nicht nur verständlicher, sondern auch erträglicher. In seinen Essays setzt Baldwin seine eigenen Erfahrungen stets in Bezug zu strukturellen Fragen, stellt seinen eigenen Blick anderen zur Verfügung, um ihnen zu einem tieferen, differenzierteren Verständnis von Macht, Rassismus und Unterdrückung zu verhelfen. Afrika steht nicht im Zentrum von Baldwins Werk; es ist allerdings durchzogen von Bezügen auf den Kontinent, auf seine Bewohner_innen wie auch auf die Imagination 'Afrika'. Beeinflusst von Begegnungen mit Afrikaner_innen in Paris, dem Einwirken afrikabezogener Diskurse auf afro‐amerikanische Debatten und Selbstverständnisse, seinen Afrikareisen oder der Verbreitung problematischer Afrikabilder in den USA reflektiert Baldwin die Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit seiner Herkunft, die Rolle Afrikas innerhalb seiner Identität und die Verwobenheit von Geschichte und Gegenwart. Auf den folgenden Seiten greife ich einige der Stränge auf, die Baldwin in seinem Werk in Bezug auf Afrika entwirft, um ihn dadurch (nicht nur) einem afrikawissenschaftlich interessierten Publikum vertrauter zu machen.