Pogrome
In: Internationales Handbuch der Gewaltforschung, S. 441-460
In das Thema der "kollektiven Gewalt gegen Leib, Leben und Eigentum ethnischer Gruppen" einführend leistet der Autor zunächst eine fundierte Begriffsbestimmung von Pogrom, verweist auf die unterschiedliche Verwendung des Begriffes in der Sowjetunion und im Westen und präsentiert als Ergebnis eines Streifzuges durch die internationale Literatur verschiedene Typenbildungen bzw. eine Typologie. Im Anschluss werden die theoretischen Erklärungsansätze vorgestellt, mit denen die Entstehung und der Verlauf von Pogromen bisher analysiert worden sind: Die Theorie kollektiven Verhaltens liefert eine Analyse von 'feindseligen Ausbrüchen', die mit dem Ausgangspunkt einer strukturellen Spannung ihren Verlauf nehmen. Ein weiterer Erklärungsansatz für kollektive Gewalt versteht Gewaltformen als soziale Kontrolle. Demnach "setzt die gewaltsame Selbsthilfe einer Gruppe ein, wenn sie ein Verhalten als deviant definiert und darauf reagiert". Die Kollektivtheorie wiederum versteht Unruhen als eine extreme Form, ethnische Konflikte auszutragen. Die kollektive 'Selbsthilfe' nimmt dann die Form eines Pogroms an, "wenn der Organisationsgrad der Akteure gering ist und die angegriffene Gruppe als Kollektiv beschuldigt wird". Ein kulturalistischer Ansatz hebt unter Rückgriff auf ethnologische Theorien des symbolischen Handelns die kulturelle und symbolische Logik des kollektiven Handelns in Pogromen hervor. Auf das Gewalthandeln eingehend, folgt eine Erläuterung sowohl der Handlungsziele (Verbesserung und Sicherung der Gruppenposition, Abwehr einer wahrgenommenen Bedrohung) als auch der Wirkung auf die Minderheit (Verunsicherung, Angst, Verschlechterung der sozialen und wirtschaftlichen Lage). Abschließend beleuchtet der Autor kritisch den Forschungsstand zu Pogromen und mahnt an, "dass bisher getrennte Disziplinen wie kollektive politische Gewalt und Ethnizität/ethnische Konflikte enger aufeinander bezogen werden müssen". (ICG)