Vaterlose Gesellschaft als gewaltfreie Welt: feministische Familienkonstruktionen
In: Merkur: deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Band 63, Heft 3, S. 210-221
ISSN: 0026-0096
Das Typische moderner Geschlechterarrangements, nämlich die Dynamisierung des Tradierten, endete in der unersprießlichen Polarität scheinbar eindeutiger Verhältnisse von guten Frauen und bösen Männern, die in einem Freund-Feind-Verhältnis gefangen sind. Doch die Polarisierung des Geschlechterarrangements ist nicht nur als internes Generationengerangel um Macht und moralische Überlegenheit zu verstehen, sondern vielmehr als ein Generationen übergreifender Versuch, ein der Erinnerung würdiges Bild von der guten Frau und Mutter auch im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus zu bewahren. Der Diskurs über das Geschlechterarrangement ist in Deutschland auch als Schaubühne für den ausgebliebenen Diskurs über die Rolle deutscher Frauen während des Nationalsozialismus. Der Preis, der für den "Fetisch weiblicher Reinheit" bezahlt werden muss, ist extrem hoch. Denn es kommt zu einer abermaligen Biologisierung des Geschlechtsunterschieds. Er entsteht letztlich aus der verleugneten Geschichtsmächtigkeit der Frauen wie deren Kehrseite, der Allmachtsphantasie von Männlichkeit, also der binären Idee von dem naturhaft bösen und einem naturhaft guten Geschlecht. (ICB2)