Risikomanagement im Rahmen der Gesamtbanksteuerung eines Kreditinstituts
In: Diplomarbeit
Aus der Einleitung: Problemstellung: In der Vergangenheit war das Risikomanagement der Banken überwiegend auf die isolierte Betrachtung einzelner Risikoarten, Unternehmensbereiche und Regionen ausgerichtet, die aus Sicht der Gesamtbanksteuerung zu Fehlentscheidungen führen könnte. Die Finanzkrisen der letzten Jahre haben gezeigt, dass verschiedene Risikoarten häufig nicht allein, sondern fast gleichzeitig zusammen auftauchen und durch gegenseitige Wechselwirkungen die Situation gemeinsam beeinflussen. Risikomanagement ist daher nicht nur auf der Einzelgeschäftsebene bzw. Geschäftsfelderebene, sondern auch auf der Gesamtbankebene zu integrieren. Mit der Tendenz zur Globalisierung, schwacher Konjunktur, verschärftem Wettbewerb und Kostendruck erfährt der Markt der Kreditinstitute seit einiger Zeit einen strukturellen Wandel. Neue strategische Ausrichtungen und neue Geschäftsmodelle wurden von den Kreditinstituten durchgesetzt, um sich der Dynamik des Finanzmarktes anzupassen. Eng damit verbunden ist, dass die Bankgeschäfte komplizierter und risikoreicher geworden sind. Als Konsequenz entwickeln sich die Banken zunehmend vom "Risk Taker" zum "Risk Manager". Das aktive Risikomanagement führt das Risiko-Rendite-Kalkül vorher durch, so dass die Kapitalressourcen in vorteilhaften Geschäften, die eine höhere risikoadjustierte Performance haben, angelegt werden. Im Rahmen der Gesamtbanksteuerung wird gleichzeitig das Gesamtbankportfolio optimiert und der gesamte Ertrag maximiert. Davon ausgehend ist es sinnvoller, Risikomanagement und Rentabilitätsmanagement enger miteinander zu verknüpfen und ganzheitlich zu steuern. Ein Kreditinstitut ist hinsichtlich der entstehenden Risiko-/Ertragsbeziehungen als Gesamtportfolio aller Einzelgeschäfte zu betrachten und steuern. Das Gesamtbankportfolio besteht aus verschiedenen Komponenten, die gleichzeitig durch verschiedene Risikoarten beeinflusst werden. Das Risikomanagement, das durch integrierte Betrachtung der verschiedenen Risikoarten geprägt und auf Optimierung des Gesamtbankportfolios ausgerichtet ist, ist daher unabdingbar für die Gesamtbanksteuerung. Vor diesem Hintergrund konzentrieren viele Banken sich zunehmend auf die Entwicklung und Umsetzung integrierter Risikomanagementansätze, die die verschiedenen Risikoarten und die Gesamtheit aller organisatorischen Einheiten in den übergreifenden Prozess der Risikoidentifikation, -bewertung und -steuerung einbeziehen. Risikomanagement kann nur zum Erfolg führen, wenn es aus dem Blickwinkel der Gesamtbanksteuerung sämtliche Prozesse ganzheitlich betrachtet. Das integrierte Risikomanagement gewinnt an Bedeutung sowohl für das Überleben und Entwicklung des Kreditinstituts als auch für die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Forderungen an die Risikobegrenzung. Mit den zunehmenden Anforderungen der nationalen und internationalen Bankenaufsicht bezüglich des Risikomanagements stehen die Kreditinstitute in einem Spannungsfeld, in dem sowohl die Anforderungen der modernen Bankbetriebswirtschaft als auch die Anforderungen der Bankenaufsicht erfüllt werden müssen. Im Zusammenhang mit Basel II wird gefordert, dass bei der Eigenkapitalausstattung die insgesamt übernommenen Risiken der Bank berücksichtigt und gemessen werden müssen, die entsprechende Risikovorsorge für den Erhalt des Eigenkapitalniveaus getroffen werden muss und die Risikotragfähigkeit laufend sicherzustellen ist. Um Basel II und die MaRisk umzusetzen, haben die Kreditinstitute in den letzten Jahren eine Vielzahl von internen Verfahren der Risk-/Return-Steuerung eingeführt. Die Konsolidierung dieser Verfahren und die Weiterentwicklung des Risikomanagements zu einer integrierten Gesamtbanksteuerung stellt eine zentrale Herausforderung für die nächsten Jahre dar. Vorstellung des Inhalts der Arbeit: In dieser Arbeit wird es zunächst auf die relevanten Bankenaufsichtsrechtlichen Anforderungen und die Umsetzung von Basel II und der MaRisk hinsichtlich des Risikomanagements im Rahmen der Gesamtbanksteuerung eingegangen. Anschließend werden die Grundsätze des Risikomanagements dargestellt und die drei zentralen Aufgaben bei der integrierten Umsetzung des Risikomanagements im Rahmen der Gesamtbanksteuerung, nämlich Risikoaggregation, Risikokapitalallokation und Risikotragfähigkeit, unter Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen behandelt. Danach wird das bankinterne Risikomanagement von zwei mittelständischen Banken in Deutschland, nämlich der Commerzbank und der Landesbank Baden-Württemberg, dargestellt. Dadurch werden der Stand des Risikomanagements in der Praxis und die Umsetzung neuen aufsichtsrechtlichen Anforderungen in Deutschland beleuchtet. Am Ende der Arbeit wird der Banksektor in China, der in der letzten Zeit durch unfangreiche Reformen und rasantes Wachstum gekennzeichnet wird, vorgestellt.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung1 1.1Problemstellung1 1.2Vorstellung des Inhalts der Arbeit2 2.Bankenaufsicht als Rahmenbedingung von Risikomanagement4 2.1Basel II4 2.1.1Überblick Basel II4 2.1.2Säule I: Mindesteigenkapitalanforderungen5 2.1.3Säule II: Aufsichtsrechtliches Überprüfungsverfahren6 2.1.4Säule III: Stärkung der Marktdisziplin und Offenlegung7 2.2MaRisk7 2.2.1Überblick MaRisk7 2.2.2Zentrale Anforderungen im Rahmen der Gesamtbanksteuerung8 2.2.2.1Risikotragfähigkeit8 2.2.2.2Risikocontrolling9 2.3Auswirkungen und Entwicklungen der aufsichtsrechtlichen Anforderungen10 3.Risikomanagement bei der risiko-/ertragsorientierten Gesamtbanksteuerung14 3.1Anforderungen des Risikomanagements bei der risiko-/ertragsorientierten Gesamtbanksteuerung14 3.2Grundsätze des Risikomanagements16 3.2.1Risikokategorien im Überblick17 3.2.2Risikopolitik19 3.2.3Phasen des Risikomanagements20 3.3Risikoaggregation bei der risiko-/ertragsorientierten Gesamtbanksteuerung24 3.3.1Notwendigkeit der Risikoaggregation24 3.3.2Value-at-Risk-basierte Risikomessung25 3.3.2.1Grundgedanke der VaR-Ansätze25 3.3.2.2Merkmale der VaR-Ansätze26 3.3.2.3VaR und ökonomisches Eigenkapital27 3.3.3Ansätze zur Risikoaggregation30 3.3.3.1Varianz-Kovarianz-Verfahren30 3.3.3.2Copula-Verfahren31 3.4Risikokapitalallokation der risiko-/ertragsorientierten Gesamtbanksteuerung32 3.4.1Zieldarstellung für die risikoadjustierte Performance Messung33 3.4.2RAPM-Kennzahlen34 3.4.3Anwendung der RAPM-Kennzahlen bei der Risikokapitalallokation37 3.5Risikotragfähigkeit im Rahmen der Gesamtbanksteuerung39 3.5.1Bestimmung der Risikodeckungsmasse40 3.5.1.1Risikodeckungspotential40 3.5.1.2Abgrenzung der Risikodeckungsmassen42 3.5.2Ermittlung der Gesamtbankrisiken44 3.5.3Risikotragfähigkeitsanalyse45 3.5.3.1Risikotragfähigkeitskalkül45 3.5.3.2Szenariobetrachtung46 3.5.4Aufteilung der Risikodeckungsmasse auf Risikoarten und Geschäftsbereiche46 4.Risikomanagement am Beispiel der Commerzbank und der Landesbank Baden-Württemberg48 4.1Risikomanagement der Commerzbank48 4.1.1Profil48 4.1.2Konzernrisikostrategie48 4.1.3Risikosteuerungsgröße50 4.1.4Risikotragfähigkeit51 4.1.5Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen52 4.1.6Risikomanagement der ausgewählten Risikoarten53 4.1.6.1Adressenausfallrisiken53 4.1.6.2Markpreisrisiken56 4.1.6.3Operationelle Risiken57 4.1.7Zwischenfazit57 4.2Risikomanagement der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW)58 4.2.1Profil58 4.2.2Risikopolitik58 4.2.3Risikotragfähigkeit59 4.2.4Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen60 4.2.5Zwischenfazit61 4.3Vergleich zwischen Commerzbank und LBBW61 5.Banken in China65 5.1Überblick über Chinas Banksektor65 5.2Schwäche des Risikomanagements in Chinas Banksektor67 5.3Bankregulierung in China70 5.4Zwischenfazit71 6.Fazit73 Anhangverzeichnis74 Literaturverzeichnis83Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.3, Risikoaggregation bei der risiko-/ertragsorientierten Gesamtbanksteuerung: Notwendigkeit der Risikoaggregation: Das Risikomanagement erfolgt häufig isoliert für einzelne Unternehmenseinheiten, denen jeweils geschäftsspezifische Risikomessungsverfahren mit unterschiedlichen Modellannahmen und –parametern zugrunde liegen. Die risiko-/ertragsorientierte Gesamtbanksteuerung verlangt eine integrierte Risikomessung, durch die das Gesamtrisikoprofil aus unterschiedlichen Risikoarten ermittelt werden kann. Ferner ist das Gesamtrisiko der Bank durch eine adäquate Aggregation der einzelnen Risikobeiträge möglichst genau zu quantifizieren, weil das Gesamtrisiko Grundlage für die Gewährleistung der Risikotragfähigkeit ist. Einerseits muss eine Bank immer über ausreichendes Eigenkapital verfügen, um auftretende Verluste, die hauptsächlich durch das Gesamtrisiko dargestellt werden, abzudecken. Andererseits muss die Bank immer überwachen, ob das Gesamtrisiko die Obergrenze des Limits überschreitet. Außerdem ist das Gesamtrisiko Basis für die Berechnung des Rendite-Risiko-Verhältnisses. Daher muss sich ein Risikomaß im Sinne einer integrierten gesamtbankweiten Risikomessung gleichermaßen zur Quantifizierung aller relevanten Risiken eignen. Das verbreitetste Risikomaß ist in der Praxis der Value-at-Risk (VaR). Auf Grund der besseren Vergleichbarkeit der Messergebnisse zwischen Risikoarten und Geschäftsbereichen werden mathematisch-statistische Verfahren, wie z.B. das Value-at-Risk-Verfahren, zunehmend durchgesetzt. Die Szenarioanalyse mit ihren Charakteristika geringen Informations- und Aufwandsbedarfs wird als notwendige Ergänzung der Risikosteuerung gefordert. Value-at-Risk-basierte Risikomessung: Grundgedanke der VaR-Ansätze: Im Rahmen der mathematisch-statistischen Verfahren hat sich bei der Betrachtung von Marktpreis- und Kreditrisiken in den letzten Jahren überwiegend eine Quantifizierung durch Value-at-Risk-Verfahren in der Bankpraxis durchgesetzt. Der VaR wird aus der regulatorischen Sicht, z.B. von Basel Committee, als Benchmark für die Risikomessung angewendet, weil er Grundlage des bankinternen Modells der Risikomessung bildet. Das Risiko resultiert normalerweise aus der Veränderung der Marktverhältnisse, die nicht von vornherein erkannt, aber als Zufallsvariable aufgefasst werden kann. Durch ein geeignetes Verfahren können eine Wahrscheinlichkeitsverteilung und ein Quantil bestimmt werden. Daraus ergibt sich, welchen Wert die Zufallvariable mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit maximal erreicht oder nicht überschreitet. Dieser Wert wird durch den Value-at-Risk dargestellt. Der Value-at-Risk stellt den höchsten möglichen Verlust dar, der mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau) innerhalb einer bestimmten Periode (Haltedauer) nicht überschritten wird. Bezogen auf das Gesamtbankportfolio beschreibt der VaR das maximale Verlustpotential für den Marktwert des Eigenkapitals einer Bank. Das VaR-Modell quantifiziert das Risiko nach zuvor definierten Parametern, im Wesentlichen das gewünschte Sicherheitsniveau (Konfidenzniveau) und die Haltedauer der betrachteten Risikopositionen. Die Wahl dieser beiden Parameter ist maßgeblich abhängig vom Verwendungszweck des zu ermittelnden VaR-Werts. In der Commerzbank und Landesbank Baden-Württemberg z.B. wird der VaR von Marktpreisrisiken unter einem Konfidenzniveau von 99% und einer Haltedauer von zehn Tage ermittelt, während das Gesamtrisiko mittels VaR unter einem Konfidenzniveau von 99,95% und einer Haltedauer von einem Jahr bestimmt wird. Das höhere Konfidenzniveau bei der Ermittlung des Gesamtrisikos kann die Risikotragfähigkeit der Bank mit ausreichender Sicherheit gewährleisten. Die kürzere Haltedauer bei Ermittlung der Marktpreisrisiken sichert die frühzeitige Erkennung von Änderungen der Marktsituation ab. Zur Berechnung des VaR können die historische Simulation, der Varianz-Kovarianz-Ansatz und die Monte-Carlo-Simulation in der Praxis zumeist angewendet werden. Die Analyse der vorhandenen Risikostruktur im Zusammenhang mit der Festlegung der Risikofaktoren bildet dabei die Grundlage der Berechnung. Unabhängig von der Wahl der genannten Methoden muss die Vergleichbarkeit des VaR zwischen den Risikoarten hinsichtlich Konfidenzniveau und Haltedauer sichergestellt werden. Um das Gesamtrisiko zu ermitteln, werden hauptsächlich Markt-, Kredit- und operationelle Risiken, gelegentlich auch Geschäftsrisiken, aggregiert. Diese Risiken unterliegen unterschiedlichen Verteilungen und verschiedenen Risikofaktoren. Bei der Zusammenführung der VaR-Größen für die einzelnen Risikoarten sind die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Risikoarten und die Korrelationen innerhalb der Risikoarten und zwischen ihnen zu berücksichtigen. Außerdem erfordern die Prozesse der Risikoaggregation eine Vereinheitlichung zwischen den verschiedenen Geschäftssegmenten innerhalb einer Bank bzw. eines Konzerns.