Der Gipfel der NATO-Regierungs- und Staatschefs im Mai 2012 brachte keine Neuentwicklung des Verteidigungsbündnisses. Die wesentlichsten Schwerpunkte stellten Afghanistan, "smart defense", Partnerschaften, nichtstrategische Nuklearwaffen und Raketenabwehr dar. Alle diese Themen waren geprägt durch die unterschiedlichen Vorstellungen über die Zukunft des Bündnisses. Diese Debatte wurde auch durch die Sparpolitik der Mitgliedstaaten notwendig. Eine Rückbesinnung auf die traditionellen Aufgaben der Territorialverteidigung würde Kosten sparen, sagen die einen. Globale Missionen haben wegen der weltweiten Herausforderungen Priorität, sagen die anderen. Für globale Aufgaben bracht man aber auch Partner in den jeweiligen Regionen. Österreich kann im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden spezielle Fähigkeiten für internationale Einsätze anbieten.
Armutsbekämpfung, Ressourcenschutz, Änderung der Produktions- und Verbrauchsmuster: Gut sechs Wochen nach dem UN-Gipfel über Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg wird nun diskutiert, wie dessen Beschlüsse effektiv umzusetzen sind. Dabei gehen vielen Beobachtern und Entscheidungsträgern die UNO-typischen Kompromisse auf niedrigem Niveau nicht weit genug. Sie stellen die Frage nach Alternativmodellen zur Implementierung internationaler Abkommen. Der deutsch-europäische Alleingang in Sachen erneuerbarer Energien weist hier eine pragmatische und vielversprechende Richtung, wie ungeachtet der gegenwärtigen Lähmung multilateraler Mechanismen in der internationalen Politik umwelt- und entwicklungspolitische Fortschritte erzielt werden können. (Autorenreferat)
Auf dem internationalen Ölmarkt nehmen (geo-)politisch motivierte Eingriffe zu. Dies zeigt sich gerade auch am Einsatz unilateraler US-Sanktionen, mit denen Washington erdölproduzierende Länder direkt unter Druck setzen kann. Grundlage dieser Politik sind die Dominanz des Dollars in der Weltwirtschaft und die prägende Rolle im Energiemarkt, welche die Vereinigten Staaten mittlerweile erlangt haben. Verdeutlichen lässt sich der US-amerikanische Kurs an drei aktuellen Beispielen. Im Fall des Iran dient der Einsatz unilateraler Sanktionen als vorrangiges Instrument einer sogenannten Strategie des maximalen Drucks. Mit Blick auf Venezuela soll mit diesem Mittel ein Regimewechsel befördert werden. Und in Bezug auf Russland könnten verschärfte US-Sanktionen bald gravierende Auswirkungen auf die europäische Energieversorgung entfalten. Offensichtliche geopolitische Risiken werden auf dem Ölmarkt derzeit kaum oder nur sehr kurzfristig eingepreist. Es überwiegt die Sorge, dass sich die weltweite Konjunktur angesichts der massiven Handelskonflikte abschwächen wird. Die US-Fracking-Industrie hat den Ölmarkt fundamental verändert und eigentlich für mehr Wettbewerb gesorgt. Gleichzeitig aber begünstigen Washingtons Sanktionen die Politisierung des Marktes und unterminieren den Primat des Ökonomischen. Auf der systemischen Ebene wird so die Fragmentierung des Ölmarkts in Großregionen vorangetrieben ("Multipolarisierung"). Durch die Neukartierung des Ölmarkts schwinden Möglichkeiten für multilaterales Handeln. Die Europäische Union droht langfristig an Marktmacht zu verlieren und in eine Zuschauerrolle gedrängt zu werden. Bestehende Instrumente bieten europäischen Unternehmen keinen ausreichenden Schutz vor unilateralen US-Sanktionen. Die deutsche und europäische Autonomie in der Energieversorgung könnte dadurch auf absehbare Zeit empfindlich beeinträchtigt werden. (Autorenreferat)
Überarbeitete Neuausgabe (hier nur 1. Auflage, BA 3/95) des Lehrbuches zur Theorie internationaler Politik sowie zu Geschichte, Entscheidungsprozessen und einzelnen Handlungsfeldern supranationaler Organisationen und Institutionen. Die Entwicklung einzelner Organisationen wurde nachgezeichnet (insbesondere der Prozess der europäischen Integration), aktuelle Beiträge aus der Fachdiskussion aufgenommen. Der Text wird künftig auch als Studienbrief der Fernuniversität Hagen eingesetzt, daher im Umfeld von Hochschulen sinnvoll. Die Einführung eignet sich zudem für die Erwachsenenbildung und Schüler der Sekundarstufe II. (2 S) (rei)
Mit der Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten der USA sind für die internationale Klimapolitik schwierige Zeiten angebrochen. Die USA waren zusammen mit der EU der wichtigste Konstrukteur des Paris-Abkommens von 2015. Sie werden ihr klimadiplomatisches Engagement, insbesondere die Kooperation mit China, Indien und den Entwicklungsländern, nicht fortsetzen. Auch wird der neue Präsident die Umsetzung der nationalen Klimaziele stoppen und Gesetze rückgängig machen. Dies wird das Vertrauen vieler Staaten in die USA untergraben. Die deutschen und europäischen Klimadiplomatinnen und -diplomaten kennen diese Situation aus den Zeiten der Bush-Administration nach 2000, als die USA aus dem Kyoto-Protokoll ausgeschieden sind. Angesichts der jüngsten Erfolge in der internationalen Klimapolitik brauchen Deutschland und die EU nun eine umfassende Strategie. Erstens gilt es, einen Dominoeffekt auf internationaler Ebene zu verhindern und das Paris-Abkommen mit den wichtigen Partnerländern voranzutreiben. Zweitens ist es notwendig, dem Umgang mit den neuen US-Vertreterinnen und -Vertretern auf internationalem Parkett wie auch der Zusammenarbeit mit der neuen Administration verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Drittens sollte der zu erwartende klimadiplomatische Schaden durch die Zusammenarbeit mit den US-Bundesstaaten und nichtstaatlichen Akteuren begrenzt werden. (Autorenreferat)
Dieses Papier bietet einen Überblick über die zentralen Schulen der kritischen Sicherheitsforschung und beleuchtet das Feld an zwei Beispielthemen. Im ersten Abschnitt werden drei der wichtigen Schulen der kritischen Sicherheitsstudien erklärt, Kopenhagen, Paris und Aberystwyth, dabei werden auch die Abgrenzungsmerkmale dieser Schulen sowohl voneinander als auch von der traditionellen Sicherheitsforschung erläutert. Grundsätzlich unterscheiden sich die drei Schulen von der traditionelleren Forschung dadurch, dass sie Sicherheit als sozial konstruierten Prozess betrachten in welchem sich gesellschaftliche Machtverhältnisse wiederspiegeln. Dabei unterscheiden sie sich in der Form, wie sie Sicherheit konzeptualisieren. Die Kopenhagener Schule sieht Sicherheit als diskursiven Prozess in welchem vor allem Sprache und Bilder im Vordergrund stehen. In Abgrenzung dazu verfolgt die Pariser Schule einen soziologischen und praxisbezogenen Ansatz, der vor allem Handlungen und Praktiken zentral in der Konzeption von Sicherheit und auch Unsicherheit sieht. Die Waliser Schule (Aberystwyth) sieht Sicherheit als einen Emanzipationsprozess, in welchem durch die Abwesenheit von Unsicherheit Sicherheit konstruiert wird. Im Papier wird ein umfassender Überblick über theoretische Konzepte und unterschiedliche Zugänge zur Sicherheitsforschung gegeben. Der zweite Abschnitt beschreibt die beiden Beispielthemen in welchen kritische Sicherheitsforschung zur Anwendung kommt, einerseits Sicherheit und Gender, anderseits Sicherheit und Technologie. Die kritische Sicherheitsforschung beschäftigt sich mit Geschlechterverhältnissen, da diese zusätzliche Machtverhältnisse innerhalb der Gesellschaft darstellen. Feministische Sicherheitsforschung beschreibt einerseits Thematiken in denen Frauen zentrale Akteure sind, andererseits auch Konzeptionen von Männlichkeit und Geschlecht als Kategorie. Kritische Sicherheitsforschung bezogen auf Technologie behandelt wiederum die Machtverhältnisse von Sicherheit, welche sich in der Produktion und Anwendung von Technologien wiederspiegeln. Abschließend wirft das Papier einen Blick auf die Lehre kritischer Sicherheitsforschung.
Seit Dekaden ist die Situation in Kuba durch eine externe Wirtschafts- und interne Entscheidungsblockade gekennzeichnet. Viele Erwartungen an ein höheres Tempo bei der wirtschaftlichen Liberalisierung und an größere Freiheiten für die Bevölkerung haben sich nicht erfüllt. Der Antagonismus mit den USA während der Trump-Administration und die Furcht der kommunistischen Parteiführung vor einem Kontrollverlust bremsen den notwendigen Wandel. Gleichzeitig nehmen der Problemdruck und die Versorgungsschwierigkeiten zu. Der Rückzug Raúl Castros aus seinen Parteiämtern und die eingeleitete Währungsreform schaffen eine neue komplexe Lage, die für die USA und Europa mit neuen Anforderungen verbunden ist. Wie schnell und in welcher Form sich der Wandel vollzieht, wird entscheidend von der Kuba-Politik der Regierung Biden abhängen. Doch Voraussetzung für jedweden Reformprozess sind Berechenbarkeit und belastbares Vertrauen auf beiden Seiten. Um dabei Stolpersteine aus dem Weg zu räumen, ist auch Europa gefragt. (Autorenreferat)
The first draft of the EU Strategic Compass for Security and Defence (SC) has been presented to the Member States on 15 November 2021. Based on the analysis of the major geopolitical shifts which are challenging Europe's vision and interests, the SC will provide a shared assessment of the EU's strategic environment; bring greater coherence and a common sense of purpose to actions in the area of security and defence that are already underway; set out new ways and means to improve the EU's collective ability to defend its security; and specify clear targets and milestones to measure progress. The creation of an EU Rapid Deployment Capacity will be one of its most visible elements. A special status Member State with limited military capabilities, Austria has valuably contributed to the process, but must remain vigilant to ensure that its specific interests are taken into account.
Progress with regard to building up Afghanistan's National Security Forces, improving the governance performance of the incumbent regime, pursuing a domestic peace process, cooperating with Afghanistan's neighbors (particularly Pakistan and Iran), and creating prospects for economic development have been defined as preconditions for the successful transition of security responsibilities in Afghanistan. However, one and a half years after the security transition phase was officially launched by the Afghan government, NATO has been experiencing severe difficulties in the outlined fields of activity. US policy and NATO's strategy toward Afghanistan seem at least partly deadlocked. Western policymakers have few remaining options for the second half of the security transition in Afghanistan. These include focusing on the two key players in the Afghan conflict, namely strengthening the government of the Islamic Republic of Afghanistan and weakening the senior leadership of the Afghan Taleban. (author's abstract)
Noch in den 2000er Jahren galt die Türkei auf dem Balkan als ein verlässlicher Partner der EU. Die Abstimmung der Balkan-Politik zwischen der EU und der Türkei nahm allerdings in den letzten Jahren zunehmend ab, verstärkt auch durch den rauen Ton zwischen der EU und der Türkei in den letzten Jahren. Diese Kurzanalyse geht der Frage nach, wie sich die Entfremdung der beiden Parteien auf dem Balkan auswirkt und wie stark tatsächlich der türkische Einfluss - sowohl politisch als auch wirtschaftlich - in der Region ist. Die Türkei präsentiert sich als Schutzmacht der MuslimInnen und ist für viele Menschen am Balkan ein Vorbild. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Kurzanalyse der schwierigen Frage nachgegangen, inwieweit Erdogans kompetitiv autoritäres System (mit islamisch-nationalistischer Färbung) einen Referenzpunkt für lokale PolitikerInnen auf dem Balkan darstellt und inwieweit die Türkei damit in Konkurrenz zur Politik der EU steht.
Die chinesische Außenpolitik befindet sich im Nahen und Mittleren Osten, insbesondere im Iran, an der Schnittstelle zwischen regionalen Interessen und globaler Machtrivalität. Chinas Interessen kollidieren im Nahen und Mittleren Osten immer mehr mit denen der USA, weswegen sich die Ausrichtung der chinesischen Außenpolitik hinsichtlich dieser Region deutlich verändert hat. Peking geht es zunehmend darum, den US-Einfluss in der Region auszugleichen. Die Beziehungen zum Iran bieten China verschiedene Möglichkeiten, den US-Einfluss auszubalancieren. Maßgeblich für die chinesische Iran-Politik sind ordnungspolitische Vorstellungen eines gleich oder ungleich gewichteten Einflusses globaler Großmächte in einer gegebenen Region, hier dem Nahen und Mittleren Osten. Der chinesische Diskurs unterlegt die Verschiebungen in der chinesischen Außenpolitik, in der ein "hartes" oder "weiches Balancing" zunehmend Merkmal einer "geopolitisierten" Regionalpolitik wird. Diese geostrategische Regionalpolitik im Hinblick auf den Iran zeigt, dass China dort auf Kosten der USA an Einfluss gewinnt. Deutsche und europäische Akteure benötigen ein tiefergehendes Verständnis der chinesischen "Gleichgewichtspolitik". Dadurch könnten Deutschland und die EU die Rhetorik der chinesischen Führung richtig einschätzen und auch hinterfragen. Auf dieser Basis sollten Deutschland und die EU ihr Engagement im Iran anpassen, vor allem was die iranische Atomwaffenfrage betrifft. Zudem gilt für die neue deutsche Bundesregierung, dass sie außenpolitisches Handeln in Drittstaaten mit dem Ziel, den Herausforderungen durch China zu begegnen, innerhalb der EU umfassend und koordiniert angehen sollte. Eine solche Koordination muss ebenso im transatlantischen Rahmen stattfinden. (Autorenreferat)
Aus Österreich sind - im europäischen Vergleich und gemessen an der Einwohnerzahl - überdurchschnittlich viele Foreign Fighter in die Konfliktgebiete nach Syrien und in den Irak ausgereist. Der Radikalisierungsprozess dieser Foreign Fighter verläuft auf der sozio-psychologischen Ebene ähnlich wie der Radikalisierungsprozess bei anderen Formen des Extremismus; ein wesentlicher, begünstigender Faktor ist dabei immer das Vorhandensein sozialer Netzwerke. Aufgrund der Vielfalt möglicher Verbindungen auf der Identitäts- und Affektivebene, scheinen Diasporaverbindungen in diesen Netzwerken auch eine Rolle zu spielen. Diese Erkenntnis sollte jedoch nicht in Risikofaktoren übersetzt, oder zu einer Ursache erklärt werden, da dies nicht nur wenig hilfreich bei der Erklärung des Phänomens ist, sondern auch Communities stigmatisiert. In diesem Arbeitspapier untersuchen wir die Diasporaaspekte von Radikalisierungsprozessen in Österreich, mit besonderem Fokus auf Foreign Fighter. Wir formulieren Hypothesen auf Basis von ersten Erkenntnissen aus Interviews mit Foreign Fightern und Praktikern aus den Bereichen Prävention und Deradikalisierung. Wir zeigen, dass sich die salafistisch-jihadistische Szene in Österreich schon vor Ausbruch des Syrien-Konflikts vernetzte, und Kontakte ins Ausland schon früh eine wichtige Rolle spielten. Außerdem wird auf individuelle Motive von Foreign Fighter aus Diaspora-Communities eingegangen und Besonderheiten aufgezeigt. Schließlich wird dargelegt, wie beendete bzw. andauernde Konflikte in den Herkunftsländern einiger Foreign Fighter aus Österreich diesen Entscheidungsprozess beeinflussten.