"Wahhabiten" im Kaukasus und in Zentralasien: religiöse Konflikte an der Südflanke Russlands
In: Aktuelle Analysen / Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien, 1998,19
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In: Aktuelle Analysen / Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien, 1998,19
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In: Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten: INAMO ; Berichte & Analysen zu Politik und Gesellschaft des Nahen und Mittleren Ostens, Band 19, Heft 73, S. 4-36
ISSN: 0946-0721, 1434-3231
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Rezension von: Thomas Rauschenbach / Walter Bien (Hrsg.), Aufwachsen in Deutschland. AID:A – Der neue DJI-Survey. Weinheim und Basel: Beltz Juventa 2012 (248 S.; ISBN 978-3-7799-2259-9)
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In: Forum qualitative Sozialforschung: FQS = Forum: qualitative social research, Band 11, Heft 2
ISSN: 1438-5627
Demografische und sozioökonomische Entwicklungen, z.B. sinkende Geburtenzahlen, wechselnde Identifikationen durch Intermarriage sowie Migrationsprozesse, bedrohen den Fortbestand kleiner autochthoner Sprachgruppen wie die der Sloweninnen und Slowenen in Südkärnten (Österreich). Individualisierungs- und Globalisierungsprozesse zwingen junge Menschen zusätzlich, ihre (ethnischen) Identifikationen zu überdenken. Im vorliegenden Aufsatz wird anhand von drei biografischen Fallrekonstruktionen gezeigt, welche Rolle das ethnische Selbstverständnis in Lebenswelten und Selbstdarstellungen von jungen Sloweninnen und Slowenen im zweisprachigen Südkärnten einnehmen kann. Die Beispiele zeigen anschaulich, dass sich jene jungen Menschen, die in slowenischen und/oder zweisprachigen Schulen, Familien sowie kulturellen Organisationen verwurzelt sind, nach wie vor stark mit der ethnischen Herkunft identifizieren. Hingegen gibt es bei Intermarriage (Ehen oder Partnerschaften zwischen Personen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit) sowie dem Leben im deutschsprachigen Umfeld deutliche Brüche, die sich in Ambivalenzen, Distanzierungen und Loyalitätskonflikten manifestieren.
In: Forum qualitative Sozialforschung: FQS = Forum: qualitative social research, Band 10, Heft 3
ISSN: 1438-5627
In diesem Beitrag wird der Frage nach der Transformation von Zugehörigkeitskonstruktionen im Laufe des Lebens, eingebettet in die Familien- und Kollektivgeschichte, nachgegangen. Anhand der Falldarstellung dreier Frauen einer Familie, die als ethnische Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland einwanderten, zeigen wir, wie durch den Migrationsprozess und die Fremdzuschreibungen im Ankunftsland Fragen der Zugehörigkeit ausgelöst werden. Es wird deutlich, welche Strategien der biografischen Arbeit die unterschiedlichen Familienangehörigen jeweils leisten. Dies ist auf ihre spezifischen lebensgeschichtlichen Erfahrungen – und damit verbunden ihre Zugehörigkeit zu unterschiedlichen historischen Generationen – zurückzuführen. So werden bei der Großmutter während der Migration nach Deutschland die Erlebnisse der Deportation von der Wolgarepublik nach Sibirien im Zuge des Zweiten Weltkriegs reaktiviert und ihre Zugehörigkeitskonstruktion als Wolgadeutsche wird verfestigt. Ihre Schwiegertochter hingegen nähert sich nach der Migration der Frage nach ihrer eigenen Zugehörigkeit über die Frage nach der Zugehörigkeit zu einer religiösen Wir-Gruppe an. Die Enkelin wiederum beschäftigt sich vor und nach der Migration relativ erfolgreich damit, die Verbindung zwischen der Zugehörigkeit zu ihrer Herkunftsfamilie und ihren Peergroups in der – zunächst durch die russische Dominanzkultur geprägten – Sowjetgesellschaft und später in der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu finden.
In: Osteuropa, Band 57, Heft 11, S. 95-110
ISSN: 0030-6428
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In: Forum qualitative Sozialforschung: FQS = Forum: qualitative social research, Band 7, Heft 4
ISSN: 1438-5627
Qualitative Verfahren werden in der Sozial- und Praxisforschung meist verwandt, weil sie eine intensive Analyse von Kausalfaktoren und die Entwicklung alternativer Handlungsoptionen im Fall sozialer Problemstellungen eher unterstützen als quantitative Verfahren. Ausgehend von den Ergebnisse aus drei Studien im Feld der Politischen und Geschlechterpsychologie beschäftigt sich dieser Artikel mit Teilnehmender Aktionsforschung als einem sinnvollen qualitativen Ansatz zum Umgehen mit sozialen Phänomenen wie Rassismus, Gewalt gegen Frauen oder mit Kindern, die aufgrund bewaffneter Konflikte gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Hierzu werden drei Bereiche angesprochen: 1. Es wird kurz in die Geschichte und in den theoretischen Bezugsrahmen des Paradigmas der Teilnehmenden Aktionsforschung eingeführt. 2. Es werden aktuelle Entwicklungen in den USA, Deutschland und Lateinamerika zusammengeführt, dies insbesondere auch mit Blick auf Frauenforschung. 3. Teilnehmende Aktionsforschung wird als Verfahrensgruppe beschrieben incl. den relevanten Modellen, Zielen und Hauptkonzepten.
In diesem Beitrag trägt der Autor Gedanken zur Schule, insbesondere der Grundschule als eine "demokratische Leistungsschule" skizzenhaft vor. "Demokratische Leistungsschulen" sind in seinen Augen "Schulen, die in erster Linie das Leisten (als dynamischer Vorgang) und die Leistung (als Ergebnis dieses Vorgangs) des Kindes/des jungen Menschen wahrnehmen, fördern, herausfordern und würdigen". Dabei erwartet der Autor von einer pädagogisch gestalteten Ganztagsschule in seiner Vorbemerkung vier Anforderungen, nämlich "1) dass sie wirklich mehr Zeit für alle Kinder hat; 2) dass sie stärker und gezielter fördert und fordert; 3) dass sie Chancengerechtigkeit für alle Kinder praktiziert; 4) dass sie sich neben der Wissens- und Erkenntnisvermittlung vor allem verpflichtet weiß, das "Sich–Bilden" und das "Erziehen" sogenannter Schlüsselqualifikationen zu erweitern und zu vertiefen wie z.B. Problembereiche mehr eigenständig zu lösen, Eigenverantwortung zu übernehmen, im Team zu arbeiten usw." So verlangt er in einem Abschnitt "eine stärkere Betonung der Leistungserziehung". In einem weiteren Abschnitt zeigt er mit Hilfe einiger kritischer Anmerkungen zu den Richtlinien der Grundschule von NRW (1985 und 2003) die "Wirkung" von PISA. Er diskutiert "fünf grundlegende Ziele der Leistungserziehung in Korrespondenz zu den fünf Tätigkeiten des Kindes". Dabei sieht er "Leisten als Prozess und als anforderungsbezogenes Ergebnis" und meint, "Leisten und Leistung werden sichtbar im Würdigen des Prozesses des individuellen/ sozialen Leistens und im anforderungsbezogenen Ergebnis dieses Leistens". Schließlich ist er überzeugt davon, "dass sog. Entwicklungsberichte – in jeder Schulform (vgl. Laborschule Bielefeld) – das Leisten und die Leistung der Kinder und junger Menschen angemessen würdigen können und dies vor allem im Blick auf die Stärkung des Selbstwertgefühls der Kinder". (DIPF/ ssch)
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In: Foreign affairs, Band 82, Heft 1, S. 44-57
ISSN: 0015-7120
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In: ZA-Information / Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung, Heft 53, S. 11-41
'Kontexteffekte - z.B. von Stadtvierteln, Betrieben oder Schulen - auf individuelle soziale Phänomene werden in der empirischen Sozialforschung bislang wegen der damit verbundenen methodischen Schwierigkeiten selten untersucht. Die Mehrebenenanalyse ist ein neueres statistisches Verfahren, das die Integration von Makro- Mikro-Verbindungen in empirische Erklärungsmodelle ermöglicht. In diesem Beitrag werden zwei Aspekte dieses Verfahrens erörtert. Erstens wird ein 'ökometrisches' Verfahren der Qualitätskontrolle von Befragungsdaten zu Kontextmerkmalen vorgestellt, das angewendet werden kann, wenn z.B. das 'soziale Klima' von Stadtvierteln, Betrieben usw. anhand aggregierter Befragtendaten gemessen werden soll. Zweitens wird gezeigt, wie die simultane Berücksichtigung von Prädiktoren auf der individuellen und Kontextebene im Rahmen der Mehrebenenanalyse zur Korrektur von individualistischen Fehlschlüssen führt. Als empirisches Beispiel dient eine neue Bewohnerbefragung zum Sozialkapital von Stadtvierteln.' (Autorenreferat)
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Band 49, Heft 45, S. 3-19
ISSN: 0479-611X
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Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
In einem internen Beschluss verständigen sich BMBF und Kultusminister auf Ansätze für eine neue gemeinsame Zeitplanung, legen die nächsten Schritte fest und stellen nebenher ein paar scheinbare Selbstverständlichkeiten klar.
Foto: Brad Flickinger, CC BY 2.0.
JETZT STEHT FEST, was alle Experten längst befürchtet haben: Die Verhandlungen um den geplanten Digitalpakt 2.0 werden über den Juni hinaus andauern. Das geht aus dem neuen Arbeitsplan
hervor, auf den sich BMBF und Kultusminister geeinigt haben. Damit ist die Forderung der Länder, zumindest bis zum Treffen der Kultusministerkonferenz (KMK) Mitte Juni eine
unterschriftsreife Vereinbarung vorliegen zu haben, endgültig passé. Ursprünglich hatten Bund und Länder sogar bis Mitte Mai, dem offiziellen Ende des Digitalpakts 1.0, fertig sein
wollen, um den Schulen und Schulträgern direkt eine Anschlussperspektive präsentieren zu können. Doch inzwischen steht sogar in den Sternen, ob überhaupt noch vor der Sommerpause
unterschrieben werden kann.
Vergangenen Dienstag hatte sich die Verhandlungsgruppe auf Ebene der Staatssekretäre von Bund und Ländern getroffen und ihre Positionen abgeklopft, nachdem zunächst der Bund Ende April die Länder
mit dem völlig neuen Entwurf
einer "Gesamtvereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Digitalpakt 2.0 (2025-2030)" konfrontiert hatte. Woraufhin die Länder zehn Tage später mit eigenen Forderungen gekontert hatten. Entsprechend kompliziert scheint sich
das Gespräch vergangene Woche gestaltet zu haben, so dass es noch einmal fast eine Woche dauerte, bis man sich per Umlaufverfahren zumindest auf die nächsten Verhandlungsschritte verständigt
hatte, inklusive Ansätzen einer neuen Zeitplanung. Der interne Beschluss liegt mir vor.
Das sind die wesentlichen Punkte des
gemeinsam formulierten "Arbeitsauftrags"
o Die verhandelnde Fachebene von Bund und Ländern soll sich "zeitnah" zu einer mehrtägigen Klausur treffen. Konkret, ist zu hören, sollen es der 18. und 19.
Juni werden. Während der Klausur sollen "gemeinsame Textentwürfe" vor allem für die vom Bund geforderte Rahmenvereinbarung erarbeitet werden. Doch anders als vom Bund verlangt
soll dabei nicht sein Aufschlag von Ende April als Grundlage gelten, sondern "auf Basis der von Bund und Ländern vorgelegten Papiere" soll "ein neuer Entwurf der Rahmenvereinbarung" entstehen.
Allerdings stimmten die Länder zu, dass "insbesondere auch" die im BMBF-Konzept aufgeführten drei
"Handlungsstränge" feste Bestandteile werden. Die Kultusminister sind also auch einverstanden, über die – von ihnen eigentlich abgelehnte – Weiterfinanzierung der digitalen
Kompetenzzentren aus Digitalpakt-Mitteln (Handlungsstrang II) zumindest zu verhandeln.
o "Sehr zeitnah" nach der Klausurtagung sollen sich dann die verhandlungsführenden Staatssekretäre, Torsten Klieme aus Bremen, Wilfried Kühner aus Sachsen und Sabine Döring für das BMBF,
über den Rahmenvereinbarungs-Entwurf der Fachebene beugen und ihn gemeinsam "bewerten". Direkt danach erteilen sie der Fachebene den Auftrag, "zügig neben der Arbeit an der
Rahmenvereinbarung auch die weitere Finalisierung der Verwaltungsvereinbarung voranzutreiben". Diese liegt seit Februar mehr oder weniger auf Halde.
o Es muss wirklich schnell gehen, denn schon in der 26. Kalenderwoche (ab 24. Juni) ist die nächste Verhandlungsgruppe auf Ebene der Staatssekretäre geplant, um über die
Entwürfe von Rahmen- und Verwaltungsvereinbarung als "gleichwertige Gesprächspunkte" zu sprechen. Was die Vorbereitung dafür sein soll, dass im Juli die Minister beiden den letzten Schliff geben?
Ministerieller Schliff
dann im Juli?
Könnte sein, heißt es aus Verhandlungskreisen. Erstens ist das Ziel mit der 26. Kalenderwoche – trotz des Zeitdrucks, den die Länder auf den Bund ausüben – unter einem starken Vorbehalt ("Je nach
Beratungs- und Bearbeitungsstand") formuliert. Zweitens würde ein ministerieller Schliff im Juli voraussetzen, dass der Bund bis dahin sagt, welche Geldsumme er denn nun für den Digitalpakt 2.0
auszugeben bereit ist. An der Stelle klafft in allen bisherigen Vereinbarungsentwürfen eine Leerstelle.
Viele Kultusminister vermuten ja, dass all die zeitlichen Verzögerungen der vergangenen Monate vor allem daher rühren, dass BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) selbst nicht weiß, wieviel
Geld sie von ihrem Parteikollegen und Finanzminister Christian Lindner für den Pakt bekommt. Und das soll wohl bis zur Haushaltsklausur der Bundesregierung im Juli so bleiben. Und dann? Müsste es
mit einem Mal schon sehr harmonisch laufen, damit der Digitalpakt 2.0 noch vor der Sommerpause steht, heißt es aus den Ländern – betont pessimistisch nach dem Hin und Her der nun schon seit
anderthalb Jahren andauernden Digitalpakt-Verhandlungen.
Die Verhandlungs-Verwerfungen
spiegeln sich im Einseiter wider
Die Verwerfungen besonders der vergangenen Wochen spiegeln sich auch in dem sachlich abgefassten, nur vier Ziffern umfassenden Arbeitsauftrags-Einseiter, auf den sich Bund und Länder
geeinigt haben. So werden an mehreren Stellen scheinbare Selbstverständlichkeiten explizit erwähnt. Etwa, dass "die jeweiligen VertreterInnen von Bund und Ländern ausreichend mandatiert (werden),
so dass gemeinsame Textentwürfe erarbeitet werden können". Sollte bei Verhandlungen selbstverständlich sein – doch geht diese Forderung auf Beschwerden der Länder zurück, sie hätten mehrfach mit
der BMBF-Fachebene Sachverhalte und Textpassagen abgesprochen, die dann anschließend von der Hausleitung kassiert worden seien.
Und wenn auf Grundlage der von Bund und Ländern vorgelegten Papiere "ein neuer Entwurf" der Rahmenvereinbarung entstehen soll, ist eigentlich auch das Teil jedweder partnerschaftlichen
Verhandlungen – doch hatten die Länder genau diese beim Bund in den vergangenen Monaten offenbar wiederholt vermisst. Entsprechend legt der verabredete "Arbeitsauftrag" zusätzlich fest,
dass besagter Entwurf "unter Berücksichtigung des durch die föderale Ordnung vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmens erarbeitet" werden soll. Was denn sonst, will man fragen, doch gab es
auch hier auf Seiten der Länder große Erregung, das BMBF habe mit seinen Forderungen Ende April an der Verfassungsmäßigkeit gerüttelt und sich in die inneren Angelegenheiten von Ländern und
Kommunen eingemischt.
Nein, eine neuer Geist geht noch nicht aus von diesem neuen Ansatz einer gemeinsamen Zeitplanung. Aber immerhin haben sich BMBF und Kultusminister nach dem Schlagabtausch von Ende April/Anfang
Mai auf Konkretes einigen können. Eine erste vertrauensbildende Maßnahme. Noch mehr müssen jetzt folgen. Denn auch wenn Bettina Stark-Watzinger und KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot
(SPD) am Dienstagmittag die offizielle Unterzeichnung des Startchancen-Programms feierten: Das Vertrauen der Bildungsszene, dass den föderalen Verhandlungspartnern beim Digitalpakt 2.0 das
Gleiche gelingt, bleibt erschüttert.
BMBF: "Scheindebatten" und "Blockadehaltung" einiger Länder haben wertvolle Zeit gekostet
KMK-Präsidentin Streichert-Clivot kommentierte auf Anfrage: "Wir brauchen den Digitalpakt 2.0 zum 1. Januar 2025." Das sei und bleibe das gemeinsame Ziel von Bund und Ländern – so wie sie "das
Ziel der besten Bildung für unsere Kinder und Jugendliche" eine.
Bund und Länder hätten beim Startchancen-Programm und auch bis jetzt bei den Verhandlungen zum Digitalpakt 2.0 gezeigt, "dass sie in sehr kurzen und sachorientierten Abstimmungsprozessen auf
aktuelle Herausforderungen reagieren und tragfähige Lösungen für den flächendeckenden Aufbau einer zeitgemäßen digitalen Bildungsinfrastruktur erarbeiten". Allerdings, fügte Streichert-Clivot
hinzu, müsse der Bund jetzt unbedingt sagen, mit welcher Finanzierungshöhe gerechnet werden könne. "Dazu wurde auch bereits eine Erwartung an den Bund formuliert: mindestens 6,5 Milliarden
auf fünf Jahre. Diese ist nicht nur für die Länder ausschlaggebend sondern auch für die Schulträger, die ebenfalls von dem Programm betroffen sind."
Aus dem BMBF hieß es, anstatt sich wochenlang mit Prozessfragen und verfassungsrechtlichen Scheindebatten zu beschäftigen, hätte man längst wichtige Fragen beispielsweise zur Lehrkräftebildung
oder Governance des Digitalpakts 2.0 klären können. Die Blockade einiger Länder, lange Zeit überhaupt nicht über ein Gesamtkonzept sprechen zu wollen, habe wertvolle Zeit gekostet. Vielleicht
suche manches Kultusministerium nun auch gezielte Ablenkungsmanöver, weil es mit Blick auf die hälftige Kofinanzierung plötzlich kalte Füße bekomme. Diese "Blockadehaltung" sei durch den
gemeinsamen Arbeitsauftrag nun aber glücklicherweise vorerst überwunden. Jetzt müsse Tempo in die Gespräche kommen. Denn die Zeit dränge und erst wenn ein gemeinsames konzeptionelles Gerüst
erkennbar sei, könne man endlich über konkrete Zahlen sprechen. Klares Ziel sei der Start des Digitalpakts 2.0 "im kommenden Jahr".
Hinweis: Die Statements von KMK-Präsidentin Streichert-Clivot und aus dem BMBF wurden am 05. Juni ergänzt.
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Blog: DPI-Blog
Am Anfang findet man einen großen Stammbaum. Zbigniew Rokita, der Autor von "Kajś. Opowieść o Górnym Śląsku" (Irgendwo. Erzählung von Oberschlesien, Wołowiec 2020) befindet sich dort auf der untersten Ebene, er ist der jüngste Spross einer oberschlesischen Familie. Der Stammbaum geht sechs Generationen auf Anton Kieslich (1815-1871) zurück, einen Tischler aus Schönwald, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts seine im Mittelalter gegründete deutschsprachige Enklave in der Nähe von Pilchowitz verlässt und nach Ostropa zieht, heute ein Vorort von Gleiwitz. Zweierlei fällt dabei gleich auf. Auch wenn der Autor immer wieder von der Knappheit der familiären Quellen spricht, findet er darin einen seiner direkten Vorfahren, dessen Geburtsjahr mehr als 200 Jahre zurückliegt. Das alleine mag schon in Mitteleuropa überraschen, wo die meisten Einwohner aus der Bauernschaft stammen und die Geschichte ihrer Familien allenfalls drei bis vier Generationen zurückverfolgen können. Auf der anderen Seite verwundert (oder auch nicht) die "Mischung" oberschlesischer und ostpolnischer Tradition nach der Heirat der Großmutter mit einem Arbeiter "zza Buga" (aus den früheren polnischen Ostgebieten), die sich in der Familie nach 1945 ausbreitete und Rokitas im Grunde polnische Sozialisation prägte. "Oberschlesisch waren die Dörfer, mich zog es in die Stadt und die Städte waren polnisch", so der Autor (S. 19).Der 1989 geborene Rokita, der in "Kajś" ein breites Panorama des historischen wie gegenwärtigen Oberschlesiens präsentiert, ist im freien und demokratischen Polen nach der Wende groß geworden, seine Stimme zählt zu den jüngsten seines Fachs. Er gehört zu denen, die die "alten" Geschichten aus der Zeit der Volksrepublik nur noch vom Hören-Sagen kennen, so wie seine Großmutter Maria (geb. 1946) die "deutsche" Zeit Oberschlesiens nur vom Hören-Sagen kannte und sie in die Familientradition des jungen Rokita übertrug. Rokita hat Glück, denn er verfügt über Quellen wie Familienfotos, Ausweise, Postkarten, er hat eine Großmutter, der er Fragen in den Bauch bohren kann, und sein geografischer wie existenzieller Bezugspunkt ist Gleiwitz – immerhin eine der ältesten, traditionsreichsten und spannendsten Städte Oberschlesiens, zu der es genug Verschriftlichtes gibt. So ausgerüstet erzählt er einerseits die Geschichte der Region, auf der anderen Seite versucht er die "hiesigen" Menschen zu verstehen, die keine eindeutigen nationalen Präferenzen hatten (und haben) und bis heute als eigenartige Zwitter zwischen den Deutschen und Polen gelten. Es geht also darum, einem polnischen Publikum von heute zu erklären, welche Strategien sich Menschen in Oberschlesien zurechtgelegt haben, um Deutsche, Polen, beide oder keine von ihnen zu werden bzw. zu bleiben. Es geht auch um Rokita selbst, darum, wie er als Vertreter junger polnischer Generation zu einem Oberschlesier wurde und wie er heute zu seinem "Oberschlesiertum" steht, wie er ihn überhaupt entdeckte und ihn leben möchte. Lauter spannende Fragen. Wird das Buch ihnen gerecht?Das Buch – immerhin fast 400 Seiten – ist formell ein Experiment, keiner Gattung direkt zuzuschreiben, denn es finden sich darin Essayfragmente, Interviewsplitter, Zitate aus Medien und Blogs, Reportagen, Fotos, Berichte. Das mag manch einen Leser überfordern, soll hier aber nicht als Kritik angeführt werden, ganz im Gegenteil – es wirkt spannend, es wirkt authentisch und überzeugt durch die Fähigkeit des Autors all die Elemente mit Leichtigkeit erzählerisch zu spinnen. Ein großes Lob für die Form, sie bewirkt, dass der Leser nicht ermüdet, auch wenn er manchmal den Faden verliert, was aber vom Autor wohl genau bedacht ist.Das Buch erzählt zunächst in mehreren Strängen die Geschichte der Familie Kieslich/Hajok in Ostropa, die Wahrnehmung der Stadt Gleiwitz und deren Verwicklung in die Geschichte Oberschlesiens, Deutschlands und Europas. Dies gelingt dem Autor mit Bravour. Natürlich kann man die Geschichte Oberschlesiens aus anderen Büchern "lernen", aber wer tut das schon? In Oberschlesien wird in der Schule keine regionale Geschichte unterrichtet, die wenigen historischen Monografien beinhalten eher Expertenwissen, ebenfalls die Beiträge in Kulturzeitschriften und Wissenschaftsmagazinen. Rokita selbst führte vor Jahren in Krakau eine Umfrage im Auftrag des Schlesischen Museums Kattowitz durch, was "die Polen" aus Krakau über Oberschlesien wissen. Das Ergebnis: So gut wie Nichts (S. 53). Rokita klärt auf, warum Oberschlesien anders ist, warum es z. B. nicht als preußisches "Teilungsgebiet" (zabór pruski) nach dem Zerfall Polens im 18. Jahrhunderts zu werten ist und warum sich Menschen dort – zumeist wasserpolnischsprachige, katholische Bauern und Handwerker – in einem langen Assimilationsprozess an die Moderne angepasst und sich mehrheitlich als gleichwertige Bürger Preußens verstanden haben. Sein Stil überzeugt, die Sprache ist klar und eindeutig und jederzeit bemüht, die oberschlesische Position zwischen Hammer und Amboss zu verdeutlichen, auch wirkt der Ton weder besserwisserisch noch oberlehrerhaft. Immer und immer wieder versucht Rokita allen Seiten des "Oberschlesiertums" gerecht zu werden, alle Positionen ausgewogen zu präsentieren.Dabei ist Vieles selbst für Rokita neu: "Ich spürte, dass das, was sich hier zu deutscher Zeit abspielte, Trugschein war. Ich glaubte nicht an die Geschichte der Stadt Gleiwitz. Nichts deutete darauf hin, dass in meinem Viertel einmal eine Welt existieren konnte, die ganz anders war als die, die ich kannte" (S. 17). Für ihn als heranwachsenden polnischen Jugendlichen war die Zeit vor 1945 einfach nur "durchsichtig", nicht existent, nicht spannend genug. Dann aber, als er den "Oberschlesier" in sich entdeckte, wurde alles spiegelverkehrt verzerrt: Plötzlich erschien nur die "deutsche" Geschichte der Stadt als die einzig wahre, und Dinge von vor 1945, selbst wie unbedeutendsten, standen höher im Kurs, als die wertvollsten danach. Große Konflikte der Oberschlesier wie die Zeit der Aufstände und des Plebiszits (1919-21) bricht er in Geschichten einzelner Familien oder Personen, oft berichtet er dabei von der eigenen Familie. Dabei half nicht nur das, was in Erzählungen der Großmutter steckte, sondern auch was er aus Dokumenten und Gesprächen an Wissen über die eigenen Vorfahren erfahren hat (dazu besucht er Museen, spricht mit Regionalisten und Historikern, die immer wieder mit Fakten aufwarten, die seine Familie betreffen). Und wenn das nicht reicht, stellen Nachbarn und Bekannte ihre Geschichten bereit. So verfolgt er die Stimmung im zweigeteilten Oberschlesien nach 1922, spricht von Enttäuschungen auf polnischer Seite, von der sozialen Frage auf beiden Seiten, von der Germanisierung slawischer Ortsnamen und der Gleichschaltung nach 1933.Beeindruckend bleibt Rokitas Darstellung der innerschlesischen Grenze 1922-1939, die vor Leben nur so bebt: Die Oberschlesier dürfen sie tagtäglich passieren, besuchen Bekannte und Verwandte, schmuggeln täglich oder gelegentlich Alkohol und Zigaretten, betrinken sich bei Familienfesten. Mehr als 25.000 Menschen passieren sie jeden Tag an mehr als 50 Übergängen (allein sieben in Hindenburg), das macht im Jahr mehr als 8 Millionen Grenzübertritte! Teile der technischen Infrastruktur bleiben dabei in der Region trotz Grenze unangetastet: Wer von Kattowitz nach Beuthen telefoniert, braucht keine Vorwahl zu wählen.Einfach und klar erklärt Rokita auch die psychologischen inneroberschlesischen Trennlinien, geht dabei auf Zbigniew Kadłubek ein, der in der Grenzfrage von 1922 die heutige problematische Spannung zwischen dem Oppelner Land und der Woiwodschaft Schlesien sieht. Der Philosoph Kadłubek, heute Direktor der Schlesischen Bibliothek in Kattowitz, sieht darin die Gründe für die oberschlesischen Komplexe, für das lange Schweigen - bis zum Verschweigen, ja Verleugnen des eigenen Dialekts (Sprache?), Frustration, Scham und "Vergiftung des Herzens" (S. 79). Hier gründet auch seiner Meinung nach die im Polnischen bereits vollzogene Bedeutungsänderung des Namens "Schlesien" und der Verfall des Begriffes "Oberschlesien". Obwohl nur ein kleiner Teil des industriellen Oberschlesiens zunächst bei Polen verbleibt, ist nun dort alles nur "schlesisch": der schlesische Sejm, das Schlesische Museum, die Woiwodschaft Schlesien. Und so ist es bis heute: Wenn in Polen von Schlesien die Rede ist, ist dabei die Woiwodschaft Śląskie gemeint, die heute allerdings mehrheitlich aus nicht oberschlesischen Gebieten und Menschen besteht. In der Zwischenkriegszeit entsteht in Polen auch der Begriff "Oppelner Schlesien", ein Kunstbegriff für den deutsch verbliebenen Teil der Region, für den sich heute paradoxerweise am meisten die deutsche Minderheit einsetzt.Rokita hat Zeit, erzählt ausgiebig, sputet nicht, vertieft das Thema, bohrt seinen Gesprächspartnern Löcher in den Bauch, will verstehen warum, vergleicht die Situation Oberschlesiens mit anderen Regionen, immer bedacht in Wortwahl, immer nachvollziehbar, wer was wo gesagt hat. So wirken seine Ausführungen authentisch und überzeugend, wenn er über die größten Brüche der Geschichte spricht: den Zweiten Weltkrieg, die Oberschlesische Tragödie (d.h. die Verschleppung zur Zwangsarbeit in die UdSSR), die Vertreibung der "Deutschen" (darunter vieler zweisprachiger Oberschlesier) und die polnische Inbesitznahme der Region nach 1945. Rokita wirbt das Verständnis für die Situation der Oberschlesier, versucht ihre gemeinschaftliche Amnesie gegenüber der Zeit 1939-45 ("das Afrika-Corps war unsere Heimatarmee") zu erklären, zeigt sie als Opfer von wirtschaftlicher Ausbeutung und kultureller Kolonisierung: "Das Jahr 1922 trennt die Oberschlesier. Das Leid des Jahres 1945 bringt sie wieder zusammen" (S. 113). Jeder dieser Aspekte verdient eine ausführliche Besprechung an anderer Stelle.Spannend sind Rokitas Ausführungen zur eigenen Identität und zur Entstehung der oberschlesischen Autonomiebewegung nach 2010, die in einer solchen Dichte und Ausführlichkeit kaum woanders anzutreffen sind. Über die Beweggründe der "Nationserwecker" wie Jerzy Gorzelik und Pejter Długosz, über den Erfolg der Volkszählung 2011 und die späteren Niederlagen findet man selten einen derart ehrlichen Bericht. Diese Frage verdient allerdings eine eigene Betrachtung, wie auch andere Aspekte, etwa die Umweltsituation, die Landschaft, die Sprache.Einen Aspekt lässt Rokita außer Acht – den Exodus der Oberschlesier nach 1950 in die Bundesrepublik. Das Buch ist ganz allgemein an eher junge Polen von heute gerichtet (es ist im angesagten Czarne-Verlag erschienen, dessen Reportagebücher von einem eher großstädtischen Publikum gelesen werden), er selbst versteht sich als ein oberschlesischer Pole (S. 193), der anderen Polen sein Land Oberschlesien erklärt. Zu Deutschland und den Deutschen von heute hat er keine Meinung: "Ich habe nicht viel mit Deutschland zu tun" (S. 193). Etwas steif wirken auch seine Versuche, das "neue Deutschtum" der Oberschlesier im Oppelner Land zu werten, sein Besuch am Annaberg und im Dorf Cisek wirkt oberflächlich. Die Aussagen Joanna Hassas, einer Aktivistin der deutschen Minderheit in Oppeln, bleiben unkommentiert, unverstanden. Kadłubeks Gedanken zur Trennlinie der oberschlesischen Identitäten finden hier ihre Exemplifizierung, wenn Hassa sagt: "Ein polnischer Oberschlesier, das ist was Neues. Es war immer einfach nur Oberschlesier. Oberschlesien assoziiere ich eher mit Deutschland, nicht mit Polen. Wenn jemand vom "polnischen Oberschlesier" oder vom "oberschlesischen Polen" spricht, wie soll ich das verstehen?" (S. 193). Auch die Ergebnisse der Volkszählung bestätigen das: Im Oppelner Schlesien ist die angestammte Bevölkerung zumeist "deutsch" in ihrer Selbstwahrnehmung, in der Woiwodschaft Śląskie "oberschlesisch" und "oberschlesisch-polnisch".[1]Auch die Oberschlesier, die heute mehrheitlich in der Bundesrepublik leben, lassen Rokita kalt. Etwas stutzig nimmt man seine Worte wahr: "Deutschland war ausschließlich ein Land, aus dem man zum Urlaub kam, nie umgekehrt" (S. 180). Zwar spricht er davon, dass auch seine Verwandten in Deutschland leben, da diese aber nur Deutsch und er nur Polnisch spricht, zerfällt die Familie entlang der heutigen sprachlich-geografischen Grenzen. Es verwundert, dass Rokita sich damit zufriedengibt, denn sonst ist er immer einfallsreich (etwa Englisch als linqua franca?). Im ganzen Buch kommt keine einzige Person vor, die als Aussiedler aus Oberschlesien ausgereist ist und heute etwa versucht, das Verhältnis zur eigenen Heimat oder nur zur Heimat der Eltern neu zu ordnen oder zu würdigen.Für den deutschen Leser mag dies enttäuschend sein, denn Rokita begeht hier einen typischen Fehler polnischer Debatten: "Aus den Augen, aus dem Sinn". In vielen aktuellen polnischen Beiträgen zu Oberschlesien wird Deutschland nur historisch betrachtet. Die Tatsache, dass heute mehr Oberschlesier in Deutschland leben als in Oberschlesien selbst (gemeint ist die angestammte oberschlesische Bevölkerung, sog. Autochthone), wird seit Jahren ignoriert. Das ist schade, denn in Rokitas großartigem Panorama oberschlesischer Gegenwart fehlt der Dialog mit denen, die dem Land den Rücken gekehrt haben. Nicht selten schweren Herzens. Sie schreiben in Deutschland Leserbriefe an die Redaktionen ihrer "Heimatbriefe" und haben wenig Kontakt mit Menschen wie Rokita, kriegen nicht mit, was heute los ist in Oberschlesien.Oberschlesien bleibt so für die Polen eine "problematische" Region. Die Probleme bleiben aber "inner-polnisch", d.h. Polen oder oberschlesische Polen sprechen (auf Polnisch) mit Polen und anderen oberschlesischen Polen über sich selbst. Und diese – die meisten kommen wie Rokita aus gemischten oberschlesisch-polnischen Familien aus dem großstädtischen Industriegebiet – beschäftigen sich mit der Entdeckung eigener oberschlesischer Eigenarten, engagieren sich für die Autonomie Oberschlesiens, die oberschlesische Sprache, die regionale Geschichte und ordnen so ihr gegenwärtiges Verhältnis zu Polen als Staat und als Mehrheitsgesellschaft. Sie tragen verschiedene kulturelle, ethnische und sprachliche Elemente in sich und beanspruchen in Polen deren Anerkennung. Deutschland und die hier lebenden Oberschlesier liegen für sie weit weg und die deutsche Minderheit im ländlichen Oppelner Land betrachten sie misstrauisch als eine "unwahrscheinliche Variante der Geschichte" (S. 195). Und doch sollten alle Oberschlesier daran denken, "Perlen eines Rosenkranzes" (Kazimierz Kutz) zu sein.
[1] Vgl.: https://pl.wikipedia.org/wiki/Narodowo%C5%9B%C4%87_%C5%9Bl%C4%85ska
Blog: DPI-Blog
Polens Filmindustrie gewinnt an Schwung. Nach Jahrzehnten der Unbedeutsamkeit feiern polnische Regisseurinnen und Regisseure heute wieder internationale Erfolge. Und das trotz oder vielleicht wegen der Beschäftigung mit der vermeintlich im Westen unverständlichen eigenen Geschichte. Dabei ist Polens Vergangenheit eng mit der deutschen verbunden, weshalb dies bis heute noch ein wichtiges Thema für den polnischen Film ist. Jede Generation sucht nach eigenen Zugängen. Wie setzen sich polnische Filmemacher heute mit dem deutschen Nachbarn auseinander? Welcher filmischen und sprachlichen Mittel bedienen sie sich, um ihre Ideen umzusetzen? Auch im 21. Jahrhundert bleibt deutsche Geschichte, nicht selten in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg, ein häufiges Sujet des anspruchsvollen wie des populären Films. Führend sind hierzulande deutsche Kino- und TV-Produktionen (Der Untergang; Unsere Mütter, unsere Väter; Der Überläufer), aber auch populäre amerikanische oder europäische Gemeinschaftsproduktionen (Die Vorleserin, Operation Walküre, Monuments Men, Die Verleumdung). Überhaupt nicht vertreten in der deutschen oder europäischen Filmöffentlichkeit sind dagegen polnische Produktionen der letzten Jahre, die sich auf die deutsche Geschichte beziehen, die hier oft im deutsch-polnischen Kontext gezeigt wird. Dies ist insofern bedauerlich, als hier dem deutschen und internationalen Publikum eine Entwicklung verlorengeht, die exemplarisch für Geschichtsdebatten unseres Nachbarlandes ist. Und so kommt es mangels Rezeption zu keinem richtigen Austausch auf diesem Feld.Angesichts der "Lehrstelle der deutschen Erinnerung", von der im Kontext des geplanten Polen-Denkmals in Berlin in den letzten Monaten gesprochen wurde, könnten Filme als Massenmedium einen wünschenswerten Beitrag dazu leisten, um die polnische Sicht auf die jüngste deutsche Geschichte in Deutschland besser kennenzulernen. In diesem Beitrag geht es aber weniger um die Chancen nachbarschaftlicher Sensibilisierung durch das Medium Film, vielmehr möchte ich aufzeigen, wie einige wichtige polnische Produktionen auf der sprachlichen Ebene auf die Authentizität der deutschen wie der polnischen Protagonisten eingehen. Die Kritik könnte auch als ein Plädoyer für das Engagement deutscher Schauspielerinnen und Schauspieler im polnischen Film gedeutet werden, um die angestrebte Wahrhaftigkeit der historischen Ereignisse sprachlich zu unterstreichen, was im deutschen Film (wenn auch nicht immer konsequent) seit einigen Jahren getan wird, zumindest wenn es um polnischsprachige Filmcharaktere geht (Unser letzter Sommer; Lauf, Junge, lauf).Krieg und Sprache im FilmIm polnischen Film spielt das Thema Zweiter Weltkrieg selbstverständlich eine große Rolle. In beinahe allen Filmen bis 1989 wurden deutsche Filmcharaktere von polnischen Schauspielern gespielt, die deutsche Sprache wurde auf einige allgemein bekannte Phrasen reduziert wie "Hände hoch" oder "schnella! schnella!" Das genügte, um Abneigung zur deutschen Sprache zu signalisieren. Ansonsten haben filmische Deutsche, wenn sie mit anderen Deutschen sprachen, der Einfachheit halber Polnisch gesprochen. Schauspieler brauchten also kein Deutsch zu können, auch auf filmische "Bruderhilfe" aus der DDR wurde bis auf wenige Ausnahmen verzichtet. Man hat den Eindruck, dass die sprachliche Ebene die Filmemacher überhaupt nicht interessierte. Dies war auch nichts Ungewöhnliches in Zeiten, in denen in James-Bond-Filmen auch alle sowjetischen Bösewichte gut Englisch sprachen. Und so durfte sich auch Kapitän Hans Kloss, ein polnischer Spion in den Reihen der deutschen Abwehr, in der Fernsehserie Sekunden entscheiden (Original: Stawka większa niż życie, 1967-1968) mit seinen deutschen Offizierskollegen selbstverständlich auf Polnisch verständigen. Keiner – weder die Kritik noch das Publikum – hat ihn das übelgenommen, viele Phrasen des Films sind sogar in die Umgangssprache eingedrungen ("Nie te numery, Brunner!"). Und keiner hat sich damals die Frage gestellt, wie gut Hans Kloss in Wirklichkeit hätte Deutsch sprechen müssen, um nicht in den Verdacht seiner eigenen Geheimdienstkollegen zu kommen. Denn in den deutschen Armeestrukturen war ein falscher Akzent nicht gerade karrierefördernd…Man könnte denken, dass die Zeiten, in denen alle Filmprotagonisten unabhängig vom historischen, ethnischen oder regionalen Kontext im polnischen Film einfach literarisches Polnisch sprechen, heute – dank sprachlicher Sensibilisierung der modernen demokratischen Gesellschaft und dem Streben nach einer umfassenden Wahrhaftigkeit im Kino – gänzlich vorbei sind. Doch ist dies ist immer noch nicht der Fall. Dabei wäre die sprachliche Ebene gerade im deutsch-polnischen Kontext wichtig, da wir es hier mit unterschiedlichen Ausprägungen – regionalen wie sozialen – des Deutschen, des Polnischen, aber auch des oberschlesischen, masurischen oder kaschubischen Dialekts zu tun haben. Filmproduzenten und ihre Casting-Manager müssen Argumente haben, warum sie sich für diese und keine andere Rollenbesetzung entscheiden. Die Frage ist, ob sie die sprachlichen Fähigkeiten der auszuwählenden Schauspielerinnen und Schauspieler überhaupt in Betracht ziehen, denn für einen sprachlich sensiblen und historisch interessierten Zuschauer kann die Sprache enorm wichtig, ja fundamental sein, weitaus wichtiger als Maske, Kostüm und Szenenbild, die die polnischen Filmemacher mittlerweile perfekt beherrschen.Drei Filme und viele SprachenIm Folgenden werden drei Filme aus den letzten Jahren auf ihre sprachliche Wahrhaftigkeit untersucht: Róża von Wojciech Smarzowski (2011), Zgoda von Maciej Sobieszczański (2016) und Kamerdyner von Filip Bajon (2018). Alle drei Filme wurden in Polen breit rezipiert, vom Publikum beachtet, auf Filmfestivals mit Preisen bedacht. Alle drei hatten auch eine kulturpolitische Botschaft, da sie sich auf der narrativen Ebene vordergründig mit den immer noch vorhandenen "weißen Flecken" der deutsch-polnischen Geschichte beschäftigen. Aber wie authentisch wirken solche Filme, wenn sie nur von Polen auf Polnisch gespielt werden?So zeigt der Film Róża die frühe Nachkriegszeit im gerade erst von der Sowjetarmee "befreiten" südlichen Teil Ostpreußens (Masuren) und thematisiert zum ersten Mal die Massenvergewaltigungen deutscher Frauen durch sowjetische Soldaten. Hier müssen masurische Frauen, darunter die Hauptfigur Rosa Kwiatkowski, für die Verbrechen der Nazis büßen… Der Film zeigt das Leid der Zivilisten im deutsch-polnischen Grenzland, das bis zur Vertreibung aus ihrer angestammten Heimat führt. Die Titelprotagonistin Rosa spricht Deutsch und Polnisch. Der Knackpunkt: Rosa (gespielt von Agata Kulesza) spricht ein literarisches Hochpolnisch und manchmal ein polnisches Schuldeutsch. Das ist für den historisch interessierten Zuschauer erstaunlich: Masuren sprachen ja einen polnischen Dialekt, der 1945 schon so gut wie ausgerottet war, Hochpolnisch sicher nicht. Dafür konnten sie alle Deutsch in seiner charakteristischen ostpreußischen Ausprägung, oft sprachen sie auch untereinander nur Deutsch, gerade mit Kindern und Jugendlichen, die nach 1933 nicht auffallen wollten und sollten. Dass die Deutschen den Masuren ihre slawische Sprache "genommen hätten", erklärt im Film auf Deutsch der Pastor der masurischen Gemeinde einem polnischen Ansiedler. Der Schauspieler Edward Linde-Lubaszenko tut sich dabei schwer mit seinem polnischen Akzent. Ein masurischer Pastor hat sicher nie so gekünstelt Deutsch gesprochen. Im Film ist er sowieso der einzige, der einigermaßen Deutsch spricht. Sonst sprechen alle Masuren Polnisch, hin und wieder hört man ein deutsches Wort, verstohlen, abgehackt, mit Akzent. Man hat den Eindruck, hier will man schon auf die kulturelle und sprachliche Eigenart des Masurenlandes eingehen, weiß aber nicht genau wie, wohl hoffend, dass die sprachliche Ebene dem polnischen Publikum nicht auffallen wird. Auf der anderen Seite soll diesem schon suggeriert werden, dass sich die Geschichte in einer deutsch-polnischen Grenzregion abspielt. Durch die ungeschickte Handhabung der Sprachfrage entsteht für den heutigen polnischen Zuschauer jedoch der Eindruck, dass die Masuren 1945 ausnahmslos Polen waren, die Polnisch sprachen und hin und wieder mal ein deutsches Wort benutzten, verständlich, da sie doch brutal germanisiert worden waren.Von Ostpreußen nach Pommerellen: Kamerdyner ist ein opulentes Werk des Altmeisters Filip Bajon, der schon in den 1980er Jahren in Magnat einen großen deutschen Adeligen porträtierte – den oberschlesischen Fürsten von Hochberg-Pless. Der neue Film über den pommerellischen Landjunker Herrmann Kraus sollte zeigen, dass entgegen manch nationalpolnischer Argumentation ein fruchtbares deutsch-polnisches Miteinander (darunter auch ein dramatisches Liebesverhältnis) in den früheren Grenzregionen möglich war, und dass Geschichte niemals nur schwarz-weißen Stereotypen folgt. Das ist das Neue, bei der Sprache bleibt Bajon aber ganz der Alte: Wie vor 40 Jahren, so werden auch heute deutsche Aristokraten ausschließlich von polnischen Schauspielern gespielt (Adam Woronowicz, Borys Szyc, Daniel Olbrychski). In den Landschlössern, auf Bällen und in den Hinterzimmern wird im Film immer nur Polnisch gesprochen, hier und da fällt mal ein deutsches Wort, einmal hört man "Hoch soll er leben" als Geburtstagsständchen. Spannend wird es aber, wenn gebildete Deutsche mit ihren kaschubischen Bediensteten und Kammerdienern sprechen. Spannend für einen Historiker, Regionalisten, aber nicht für die Filmemacher, denn im Film reden alle Polnisch, nur einige wenige reden Kaschubisch, und auch das auch nicht immer. Was erstaunt: Janusz Gajos stellt in der Rolle des polnischen Agitators Bazyli Miotke alle anderen Protagonisten mit seinem authentisch wirkenden Kaschubisch in den Schatten. Was noch mehr erstaunt: Den Brief von der Frankreichfront 1914, den seine Frau im Film laut vorliest, verfasst er in einem perfekten Hochpolnisch! Andere Kaschuben sprechen eher gekünstelt Kaschubisch, vergessen dabei immer wieder ihre Muttersprache und wechseln unbewusst ins Hochpolnische. Wirklich unbewusst? Vergessen Regisseure einfach, wie ihre Schauspieler zu sprechen haben? Es ist kaum zu glauben, dass auch Drehbuch- und Dialogautoren einfach darüber hinwegsehen. Die Bemühung in Hinblick auf die Regionalsprache ist zwar im Film sichtbar, aber auch hier entsteht der Eindruck, dass in dieser Grenzregion eigentlich alle immer Polnisch sprachen und es bleibt unklar, wer eigentlich Pole, wer Deutscher und wer Kaschube ist. Das ist in einer Grenzregion aber wie bereits erwähnt ungeheuer wichtig!Zum Schluss Zgoda, ein Film, der die polnische Schuld an den Oberschlesiern 1945 aufarbeiten sollte, eine filmische Auseinandersetzung mit der "oberschlesischen Tragödie 1945", über die erst in den letzten Jahrzehnten überhaupt gesprochen werden durfte. Schon im Vorspann wird auf die Existenz von Lagern nach 1945 hingewiesen, in denen "Schlesier, Volksdeutsche und Polen, die sich der kommunistischen Macht entgegenstellten", eingesperrt, gedemütigt, vergewaltigt und nicht selten bestialisch ermordet wurden. Schon diese Kategorisierung erstaunt: "Schlesier", wie Oberschlesier in Polen in der Regel genannt werden, waren 1939-1945 ja auch oft gleichzeitig "Volksdeutsche", es sei denn, sie wohnten vor 1939 im deutschen Teil Oberschlesiens ("Reichsdeutsche"), also ist die Opposition nichtig. Und was waren das für Polen im Lager Zgoda, die sich den Kommunisten entgegenstellten? Mitglieder der Untergrundarmee AK oder anderer Gruppierungen? Aber waren es nicht gleichzeitig auch Oberschlesier? Das bleibt vorerst unklar.In dem Lager sucht man unter den Oberschlesiern nach Verrätern, ehemaligen Nazis und SS-Männern. Bis auf einige wenige sprechen alle Insassen Polnisch, ja auch hier wieder fast ausschließlich Hochpolnisch. Die Oberschlesier sprechen aber einen polnischen Dialekt, und selbst wenn sie Hochpolnisch sprechen, werden sie ihren oberschlesischen Tonfall nicht wirklich los. Im Film spricht so nur ein einziger Protagonist – ein Arzt, kein Lagerinsasse. Auch die Hauptprotagonisten nicht: zwei Freunde, die dasselbe Mädchen lieben. Der deutsche Erwin (Jakub Gierszał) ist als Wehrmachtsangehöriger im Lager eingesperrt, seine Ausführungen, er sei Deserteur, finden jedoch kein Gehör. Sein polnischer Freund Franek (Julian Świerzewski) wird nur deswegen im Lager zum Wachmann, um die geliebte Anna (Zofia Wichłacz) zu befreien, aber Anna liebt Erwin. Alle drei kennen sich von früher, was ein Foto von 1939 zeigt. Alle drei müssten vor 1939 wohl polnische Staatsbürger im polnischen Teil Oberschlesiens gewesen sein. War es wirklich so?Erwin spricht im Film Deutsch, manchmal Polnisch, aber so als ob ihm Polnisch Mühe machen würde. Franek spricht Hochpolnisch, wie auch seine Mutter (Danuta Stenka), die in der Nähe des Lagers wohnt. Und Polnisch spricht auch die von beiden Männern geliebte Anna. Dem Zuschauer sollten spätestens hier Zweifel an der Idee des Films aufkommen. Wenn man bedenkt, dass der Film die oberschlesischen Opfer in den Mittelpunkt stellen sollte, so fragt man sich, wo die Oberschlesier in dem Film wohl bleiben? Hier hätte eine andere Besetzung sicherlich helfen können, die Opfer durch ihre sprachliche Eigenart zu würdigen. Denn auch hier entsteht für den Zuschauer der Eindruck, in Oberschlesien hätten alle Polnisch gesprochen. Das mag schon sein, aber kein Hochpolnisch, sondern den oberschlesisch-polnischen Dialekt.In Wirklichkeit hätte es auch noch ganz anders sein können: Der Deutsche Erwin hätte gut den oberschlesisch-polnischen Dialekt sprechen können, wuchs er doch im polnischen Teil Oberschlesiens nach 1922 auf. Franek aber, der im Film auch Franz genannt wird, hätte relativ gut Deutsch sprechen können. Anna schließlich hätte eine Deutsche sein können, die auch Polnisch spricht. In Oberschlesien wäre das nicht ungewöhnlich und hätte die nationalen Optionen nicht beeinflusst. Vielleicht geht der unerfahrene Regisseur deswegen auf Nummer sicher: Alle im Film sprechen immer Polnisch, Hochpolnisch!Dass es anders geht, den polnischen Zuschauer für die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu sensibilisieren, beweist Krzysztof Zanussi in Eter. In der Geschichte, die sich vor und im ersten Weltkrieg im österreichischen Galizien abspielt, kommen viele der Bewohner der Doppelmonarchie zum Zuge: Deutsche sprechen österreichisches Deutsch, Polen Polnisch oder ein polnisches Deutsch, Ukrainer Ukrainisch, Ungarn Ungarisch, Juden Jiddisch. Zanussi hat dafür muttersprachliche Schauspielerinnen und Schauspieler engagiert, das kostete sicher etwas mehr, aber so muss es sein, damit sich die Völker der Doppelmonarchie im Film wiederfinden.