Philosophie, Wissenschaft und Weltveränderung: zu den beiden Philosophiekritiken von Marx
In: Kapital & Kritik: nach der "neuen" Marx-Lektüre, S. 36-64
Der Verfasser zeigt, dass es im Marxschen Werk zwei verschiedene Weisen gibt, die Philosophie zu kritisieren. An der Jahreswende 1843/44 fordert Marx eine "Verwirklichung" und gleichzeitige "Aufhebung" der Philosophie; knapp zwei Jahre später, in der 1845/46 gemeinsam mit Engels geschriebenen "Deutschen Ideologie", kritisiert er metaphysisches Philosophieren im Namen der Wissenschaft. Diese beiden Philosophiekritiken sind nicht als antiphilosophische Absagen an die Philosophie zu verstehen, sondern verweisen auf zwei unterschiedliche, selbst wiederum philosophische Problemstellungen. Der junge Marx bewegt sich zwischen 1841 und 1844 innerhalb des junghegelianischen Diskurses, in dem es zentral darum ging, die Hegelsche Philosophie praktisch werden zu lassen, sie zu "verwirklichen". Ab 1846/47 ist im Marxschen Werk dagegen ein Ansatz präsent, der in heutigen Debatten als "wissenschaftlicher Realismus" bezeichnet wird und dem zu Folge materiale Welterkenntnis nicht Aufgabe der Philosophie, sondern der Wissenschaften ist. (ICE2)