Das Menschenbild und das Problem der "Werte" in der Sicht der Politischen Philosophie
In: Aus Politik und Zeitgeschichte: APuZ, Band 1987, Heft B 28, S. 3-13
ISSN: 0479-611X
"Es wird die These vertreten und begründet, daß in einer Zeit, in der ein altes Ethos nicht mehr zu tragen scheint, die Politische Philosophie sich keine Kompetenz einer Sinn- und Werbegründung für Staat und Gesellschaft anmaßen kann, daß ihr also nur die bescheidenere Rolle bleibt, im Bedarfsfall reflektivanregende Funktionen für die politische Urteilskraft der Repräsentanten des Staates wahrzunehmen. Eine ihrer vorrangigen Aufgaben ist es, in der Analyse der Bedingungen des politischen Zusammenlebens zu einer klaren und logisch einwandfreien Begrifflichkeit beizutragen. Im Rückgriff auf Hobbes', Rousseaus und Pufendorfs Theorien wird gezeigt, daß in der Frage der unterschiedlichen Menschenbilder eine Wahl mit rationalen Gründen möglich ist. Die Frage des Menschenbildes spielt in der Politischen Philosophie eine Rolle in einem Reflexionsgang, in dem die Notwendigkeit des Staates zur Debatte steht. Dies macht es erforderlich, die Möglichkeit der Nicht-Existenz des Staates in einem Denkexperiment vorauszusetzen. In einem hypothetischen Naturzustand ist auf die Moralität der Mitmenschen kein Verlaß. In diesem Fall ist es rational, sich auf die schlimmsten Möglichkeiten einzustellen. Der Staat erweist sich als notwendig zum Schutz vor dem Mitmenschen, als ein Mittel der menschlichen Selbsterhaltung. Auch Kant, der den Staat pflichtenethisch begründet, kann in der Erörterung der Staatspraxis nicht umhin, die Zwangsbefugnisse des Staates klar hervorzuheben. Auf der Basis dieser klassischen Bestimmung des Politischen müssen die modernen Versuche, das politische Zusammenleben nicht in Wertbegriffen zu denken, als problematisch erscheinen. Es zeigt sich, daß die 'Grundwerte', sofern damit die Verfassungsprinzipien unseres Staates gemeint sind, nichts anderes sind als besonders qualifizierte Rechtsnormen. Wenn darüber hinaus aber von im Staat geltenden 'Werten' gesprochen wird, denen ein 'freier Konsens' zugrunde liegt, dann verläßt man nicht nur den Pfad klarer Begrifflichkeit, sondern man kommt einem Begriff des Staates als Gesinnungsgemeinschaft sehr nahe. Hier ist die klassisch-politische Einsicht angebracht, daß der Staat in erster Linie eine Einrichtung zum Schutz gegen seine Mitmenschen ist. Diesen Schutz zu garantieren, ist auch heute noch seine vornehmste Aufgabe. Hier ist der gegenwärtige Staat besonders herausgefordert, wenn individuelle Freiräume durch gesellschaftliche Machtgruppierungen gefährdet werden." (Autorenreferat)