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Der Haushaltsausschuss des Bundestages reagiert auf die monatelange Kritik und stockt in seiner Bereinigungssitzung die Ausbildungsförderung deutlich auf. Welche Änderungen die Haushälter sonst noch beschlossen: ein erster Überblick.
DASS DIE AMPEL-KOALITION beim BAföG für Studierende nachlegen würde, hatte sich angesichts monatelanger Kritik unter anderem von Studierendenwerken, Hochschulen, Studierendenverbänden, Kirchen und Gewerkschaften bereits abgezeichnet, doch dass die Haushälter in der Bereinigungssitzung zusätzlich 150 Millionen Euro auf den Tisch legten, war dann doch eine Überraschung – eine positive.
In der Nacht zum Freitag beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages, den BAföG-Etat für 2024 von 1,37 auf 1,52 Milliarden Euro aufzustocken. Verbunden mit einem unmissverständlichen Auftrag an Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP): Die 150 Millionen sollen die Vorbereitung der weiteren BAföG-Novelle ermöglichen, die die Ampel für diese Legislaturperiode versprochen hatte, deren Finanzierung aber bislang in den Sternen stand. Und erst wenn Stark-Watzinger geliefert hat, gibt es das Geld. Bis dahin haben die Haushälter es gesperrt.
Laut Haushaltsvermerk hat die Novelle zum Wintersemester 2024/25 zu starten, "damit die Förderung den stark gewachsenen Lebenshaltungskosten der Studierenden sowie ihrer veränderten Lebens- und Studienrealität gerecht wird." Gleichzeitig soll mit dem Geld die Anpassung des BAföG-Bedarfssatzes an das Existenzminimum und "der Sätze für Unterhaltszahlung infolge der zu erwartenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" finanziert werden. Nebenbei sorgt der Sperrvermerk auch dafür, dass die 150 Millionen Euro nicht wieder im Rahmen einer sogenannten Globalen Minderausgabe verschwinden können.
"Mittlerer Wurf scheint möglich"
Zuletzt hatte der Geschäftsführer des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl, hier im Blog einen Nachschlag beim BAföG als "Nagelprobe" dafür bezeichnet, "ob die Ampel für die junge Generation außer warmen Worten auch harte Währung übrighat". Nach dem Beschluss zeigte sich Anbuhl angetan: "In Zeiten leerer Kassen und auch vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021" könnten sich die 150 Millionen zusätzlich "durchaus sehen lassen": "Das ist eine Summe, mit der man Bedarfssätze und Freibeträge sowie Wohnkostenpauschale deutlich erhöhen kann. Ein mittlerer Wurf scheint möglich, die BAföG-Nullrunde 2024 kann abgewendet werden."
Die für den BMBF-Etat zuständige SPD-Haushaltspolitikerin Wiebke Esdar sagte: "Für uns als SPD hat insbesondere diese BAFöG-Erhöhung oberste Priorität gehabt. Darum freue ich mich, dass das gelungen ist. Jetzt gilt es, den Prozess weiter intensiv zu begleiten, damit die Bafög-Erhöhung und die Strukturreform zeitnah kommen."
"Wir brauchen diese Strukturreform", sagte auch der grüne Bundestagsabgeordnete Bruno Hönel, "um eine höhere Zahl an armutsbedrohten Studierenden ins BAföG zu holen und die finanziellen Bedingungen für BAföG-Beziehende langfristig zu verbessern". Alle Voraussetzungen seien da, der Bundestag habe bereits vor über einem Jahr einen Entschließungsantrag verabschiedet, in dem zentrale Bestandteile einer Reform beschrieben würden. "Jetzt ist das Ministerium am Zug, hierfür zügig ein Konzept vorzulegen. Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger wird sich am Ende auch daran messen lassen müssen, ob sie sich in Krisenzeiten ernsthaft für die Belange von Studierenden eingesetzt hat."
Die Ministerin begrüßte die Entscheidung am Morgen auf "X": "Aufstieg durch Bildung ist unser zentrales Anliegen", postete Stark-Watzinger. "Mit dem Beschluss des HH-Ausschuss können wir den nächsten Schritt der BAföG-Reform jetzt umsetzen."
Endgültig verabschieden soll der Bundestag den Bundeshaushalt voraussichtlich am 1. Dezember. Wegen des Verfassungsgerichtsurteils vom Mittwoch werden außerdem nächste Woche noch Sachverständige angehört, doch Auswirkungen auf die Ausschussbeschlüsse zum BMBF-Etat erwarten die zuständigen Haushälter nicht.
Mehr Geld für die Zusammenarbeit mit Israel
Die 150 Millionen zusätzlich fürs BAföG waren die mit Abstand höchste Veränderung am BMBF-Etat, den die Haushälter in ihrer Bereinigungssitzung vornahmen. Doch änderten sie den Regierungsentwurf an zahlreichen weiteren Stellen ab.
Ein Augenmerk lag dabei auf der veränderten politischen Situation seit dem Hamas-Terrorangriff. Als "Soforthilfe Israel" wurden für 2024 zwei Millionen und für die Folgejahre eine weitere Million zusätzlich in den Titel "Wissenschaftliche Zusammenarbeit mit ausländischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen" eingestellt, wobei der Großteil der Förderung der Minerva-Stiftung dienen soll. Die Stiftung, deren Anteile von der Max-Planck-Gesellschaft gehalten werden, unterstützt seit 1964 den Wissenschaftsaustausch zwischen Deutschland und Israel. Das Berliner Tikvah-Institut zur Bekämpfung des Antisemitismus erhält ebenfalls mehr Geld.
Insgesamt fünf Millionen Euro zusätzlich für 2024 und in den Folgejahren weitere 21 Millionen mehr als bislang geplant fließen in den Titel für Geistes- und Sozialwissenschaftliche Forschung, der damit eine beträchtliche Aufstockung erfährt. Davon profitieren neben dem Tikvah-Institut weitere zivilgesellschaftliche Einrichtungen, darunter der Verfassungsblog. Der größte Teil aber geht an die Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF), deren bessere finanzielle Ausstattung, auch durch eine Erhöhung ihres Stiftungskapitals, der Wissenschaftsrat im Sommer angemahnt hatte. Zwei Millionen mehr in 2024 und weitere zehn Millionen zusätzlich für die Folgejahre sahen die Haushälter für die DSF vor – wobei zur Wahrheit gehört, dass ein großer Teil davon für die Kompensation gekürzter Zuschüsse aus dem Auswärtigen Amt draufgeht.
Einen eigenen Haushaltstitel, laut Vermerk explizit um dem Thema "eine größere Bedeutung zukommen zu lassen", erhält die Forschung zur Frauengesundheit und die Bearbeitung des sogenannten Gender Data Gaps in der Medizin. Das neue Forschungsprogramm unter anderem zur Edometriose wird 2024 mit 12,5 Millionen gefüllt und in den Folgejahren zudem mit 43 Millionen an sogenannten Verpflichtungsermächtigungen.
Was die Haushälter noch beschlossen
o Drei Millionen für 2024 und sechs Millionen für 2025 werden für den deutschen Anteil zu Planungskosten und insbesondere für eine Machbarkeitsstudie für das in der Europäischen Union geplante Einstein-Teleskop eingestellt.
o Fünf Millionen für 2024 und 35 Millionen für die Folgejahre sind jetzt neu für den Einstieg in den Bau des Röntgenmikroskops PETRA IV am DESY in Hamburg vorgesehen.
o Die Grundfinanzierung der United Nations University (UNU) in Bonn wird 2024 um 1,3 Millionen Euro aufgestockt, in den Folgejahren jeweils um 1,8 Millionen Euro.
o Dass die Haushälter acht Millionen Euro zusätzlich für Forschung zu Long-Covid und ME/CFS bereitstellten, hob der Grünen-Politiker Hönel hervor. So werde die Nationale Klinische Studiengruppe nun für die Jahre 2025 und 2026 abgesichert. "Das bringt Planungssicherheit und hoffentlich bald auch effektive Medikamente." Im Zusammenspiel mit den Haushälterinnen des Gesundheitsetats, die zusätzliche 112 Millionen beschlossen, werde die Förderung des Bundes im Bereich Long-Covid / ME/CFS nun auf insgesamt über 200 Millionen erhöht.
o Verhindern will der Haushaltsausschuss, dass das langjährige Programm "JOBSTARTER plus" zur Ausbildungsförderung wie bislang vorgesehen einfach ausläuft. Die Abgeordneten forderten das BMBF per Maßgabebeschluss auf, ein Nachfolgeprogramm im Rahmen der "Exzellenzintiative Berufliche Bildung" zu prüfen, damit die "positive Wirkung" von "JOBSTARTER plus" erhalten bleibe. Bis Mitte 2024 muss das Ministerium dazu berichten.
o Wie in den vergangenen Jahren beschloss der Haushaltsausschuss, angesichts der hohen Anteile nicht ausgegebener Selbstbewirtschaftungsmittel einen Teil der Helmholtz-Zuschüsse zu sperren, und zwar sowohl für den Betrieb als auch für Investitionen, bis an den jeweiligen Zentren ein ausreichender Ausgabenstand vom Haushaltsausschuss festgestellt wird. Ähnlich verfuhr man nun erstmals mit der Leibniz-Gemeinschaft, allerdings nur bezogen auf ihre Investitionsmittel, von denen zunächst zehn Prozent gesperrt wurden.
o Dass der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) nächstes Jahr drei Millionen Euro zusätzlich aus dem BMBF-Haushalt für seine Fachkräfteprogramme erhält, hatte der Haushaltausschuss bereits im Oktober festgelegt. Im Etat des Auswärtigen Amts nahm der Haushaltsausschuss in seiner Bereinigungssitzung ebenfalls Änderungen vor. 2,8 Millionen Euro zusätzlich gehen an den DAAD für Investitionen (IT, digitale Infrastruktur), während der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) trotz dringender Appelle keine Budget-Aufstockung gewährt wurde. Für das Goethe-Institut, das aus Budgetnot die Schließung mehrerer Dependancen plant, sahen die Haushälter rund fünf Millionen mehr vor, allerdings unter strengen Auflagen und vor allem zur Begleitung der Schließungen, etwa für Abfindungen.
o Die im Etat des Bundesinnenministeriums vorgesehene 20-Millionen-Kürzung für die Bundeszentrale für politische Bildung wurde in der Bereinigungssitzung formal rückgängig gemacht, nachdem Ministerin Nancy Faeser (SPD) die komplette Rücknahme bereits Anfang November angekündigt hatte.
o Insgesamt 68,6 Millionen Euro sollen bis 2028 über den Etat des Bauministeriums für den Aufbau eines Bundesbauforschungszentrums aufgewendet werden, beschloss der Haushaltsausschuss, die ersten 3,6 Millionen davon im Jahr 2024. Das "LAB – Living Art of Building" soll am ressourcenschonenden und klimaneutralen Bauen der Zukunft forschen und seinen Hauptsitz in Bautzen haben. Der Freistaat Sachsen hatte bereits die Übernahme von Investitionskosten zugesagt.
Was den Mitte 2024 auslaufenden Digitalpakt Schule angeht, bleibt es dagegen dabei: Für 2024 wird es im Bundeshaushalt keinen Euro für eine Fortsetzung geben, obwohl zuletzt sogar die Ministerpräsidenten der Länder dies gefordert hatten. Doch die Ampel-Haushälter winkten ab.
Dieser Beitrag wurde im Laufe des Freitags mehrfach ergänzt.
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Lange hat die Bundesagentur für Sprunginnovationen auf ihr versprochenes Freiheitsgesetz gewartet. Jetzt liegt endlich der Entwurf vor – und kann sich sehen lassen.
Bild: Roy Harryman / Pixabay.
DIE BUNDESAGENTUR, die so anders sein soll, hat sich selbst die Abkürzung SPRIND gegeben, doch ihr Freiheitskampf mit der Politik erinnerte bislang eher an einen Hürdenlauf. Jetzt immerhin könnte es soweit sein: 17 Monate nach Amtsantritt der Ampel-Koalition, drei Jahre nach dem offiziellen Start der Bundesagentur für Sprunginnovationen und fast fünf Jahre, nachdem das Kabinett die SPRIND-Gründung beschlossen hat, ist die Bundesregierung kurz davor zu beweisen, dass sie das mit der einst versprochenen Neuerfindung der staatlichen Innovationsförderung wirklich ernst gemeint hat.
Die Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF), für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), für Finanzen (BMF) und der Justiz (BMJ) haben sich nach langem Stillstand auf den Referentenentwurf für ein Gesetz geeinigt, das – so melodramatisch wie treffend –"Gesetz zur Befreiung der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND)" heißen soll, kurz "SPRIND-Freiheitsgesetz".
Um das umzusetzen, was die Bundesregierung eigentlich von Anfang an hätte tun müssen und was der Ampel-Koalitionsvertrag dann endlich angekündigt hatte: die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Agentur so "substanziell" zu verbessern, dass sie freier agieren und investieren könne. Das heißt: unternehmerischer und flexibler als alle bisherigen staatlichen Fördereinrichtungen.
Der Umgang mit einem Paradox
Was deshalb so nötig ist, weil die SPRIND da ansetzen soll, wo Deutschland im internationalen Vergleich auffällig schwach ist: bei der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in völlig neue technologische, soziale und wirtschaftliche Ansätze, die als disruptive Innovationen ganze Branchen und gesellschaftliche Gewohnheiten verändern. Wovon letztendlich der künftige Wohlstand mit abhängt. Solche Durchbrüche vorbereiten zu wollen, hört sich nach einem Paradox an, ist aber keines, denn mit den richtigen Rahmenbedingungen werden sie zwar nicht planbar, aber wahrscheinlicher.
Was dafür nötig ist: vor allem das strategische Eingehen von Risiko bei der Vergabe von Fördermitteln, neue finanzielle Beteiligungsformate und mitunter extrem schnelle Entscheidungswege. Alles Dinge, die kaum kompatibel sind zu Rechtsgrundlage und Arbeitsweise staatlicher Stellen.
Immerhin hatte die SPRIND in den vergangenen zwei Jahren auch ohne neues Gesetz schon ordentlich Fahrt aufgenommen, so dass das BMF im April an den Haushaltsausschuss die nahezu volle Ausschöpfung des Agenturbudgets für dieses Jahr vermelden konnte. Doch das, betonte SPRIND-Chef Rafael Laguna de la Vera damals, sei nur dank jeder Menge Verrenkungen möglich gewesen. Man verbringe viel zu viel Zeit mit Bürokratie "und der Produktion schöner Papiere. Wir müssen schneller werden und mehr von unserer Kraft auf unsere eigentliche Aufgabe konzentrieren können". In den Monaten zuvor hatte Laguna sogar indirekt mit seinem Rücktritt gedroht, wenn nicht bald ein kraftvolles Befreiungsgesetz komme.
Fest steht: Wenn der Gesetzentwurf im Verlauf der restlichen Ressortabstimmung und dann im Parlament nicht zu sehr entkräftet wird, wovon nicht auszugehen ist, hat Lagunas Agentur künftig ordentlich Rückenwind für ihre Arbeit. Womit auch der Erwartungsdruck auf die SPRIND weiter steigt, denn der Hinweis auf die miesen rechtlichen Rahmenbedingungen zieht dann nicht mehr.
Große Freiheit, viel Verantwortung
Was der Gesetzentwurf im Einzelnen vorsieht:
o Statt den drei Ministerien BMBF, BMWK und BMF ist künftig nur noch ein Ministerium, das BMBF, für die Aufsicht über SPRIND zuständig und soll sich möglichst auf die Rechtsaufsicht beschränken, da der Aufsichtsrat bereits große Teile der Fachaufsicht übernommen hat.
o Die SPRIND soll mit Förderaufgaben auf dem Gebiet der Sprunginnovationen "beliehen" werden, was bedeutet, dass die Agentur künftig selbstständig ihre Förderentscheidungen treffen kann und dafür nicht mehr die Zustimmung der Bundesministerien braucht. Was unter Sprunginnovationen zu verstehen ist und wie diese transparent identifiziert und gefördert werden sollen, soll zuvor durch einen Beleihungsvertrag zwischen SPRIND und Bund festgelegt werden.
o Auch über Tochtergesellschaften und Unternehmensbeteiligungen kann SPRIND künftig selbst bestimmen. Allerdings behält der Bund als Alleingesellschafter weitreichende Rechte, so kann er zum Beispiel Beschlüsse des SPRIND-Aufsichtsrats (indem er vertreten, aber in der Minderheit ist) aufheben, die seines Erachtens dem Bundesinteresse zuwiderlaufen.
o Die SPRIND soll öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Förderinstrumente "im Einklang mit den für öffentliche Unternehmen geltenden Rahmenbedingungen" gleichermaßen nutzen können. Wenn sich SPRIND an einem Unternehmen beteiligt, ist das bis zu 25 Prozent ohne weitere Befassung der Bundesministerien möglich (was allerdings Standard ist). Interessant wird es bei Beteiligungen über 25 Prozent: Hier ist geregelt, dass das Finanzministerium binnen drei Monaten nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen entscheiden muss – andernfalls gilt die Zustimmung bis zu einer Grenze von zehn Millionen Euro als erteilt.
o Der Agentur soll eine flexiblere Haushaltsführung ermöglicht werden, um auf Änderungen bei hochrisikoreichen Projekten unmittelbar reagieren und neuen Projekten flexibel begegnen zu können. Dazu gehört die Zuweisung sogenannter Selbstbewirtschaftungsmittel, wie sie die außeruniversitären Forschungsorganisationen seit vielen Jahren ebenfalls haben (und für deren Handhabung regelmäßig vom Bundesrechnungshof kritisiert werden). Künftig soll SPRIND Fördergelder zwischen den Jahren verschieben dürfen, ohne dass nicht ausgegebene Millionen am Jahresende weg sind. So können die Projekte das nötige Geld dann bekommen, wenn sie es brauchen – auch wenn der Mittelabfluss später sein sollte als zunächst geplant. Es gibt aber eine Obergrenze: Maximal 30 Prozent der jeweils veranschlagten SPRIND-Haushaltsmittel dürfen als Selbstbewirtschaftungsmittel ins nächste Jahr mitgenommen werden.
o SPRIND wird zu 50 Prozent an den Einnahmen, die sich aus den erfolgreich geförderten Projekten ergeben sollten, beteiligt und kann so seinen Haushalt weiter aufstocken.
o Die Agentur, ihre Tochtergesellschaften und die von ihr geförderten Unternehmen sollen bessere Gehälter zahlen dürfen als sonst in der Verwaltung üblich – sofern dafür zwingende Gründe vorliegen. Womit das meist für öffentliche Einrichtungen geltende sogenannte Besserstellungsverbot eingeschränkt wird (für außeruniversitären Forschungseinrichtungen gilt das ebenfalls bereits). In den ersten beiden Jahren der SPRIND-Förderung wird es für private Unternehmen sogar komplett aufgehoben, ansonsten entscheidet SPRIND in vielen Fällen selbst über den Gehaltsrahmen bei den geförderten Unternehmen. Bereits jetzt gibt es eine Freistellung für die SPRIND-eigenen Innovationsmanager und für die MINT-Berufe in den Tochtergesellschaften.
Ein doppelter Befreiungsschlag
Am Mittwoch kommt der Gesetzentwurf in den Haushaltsausschuss (HHA) des Bundestages, parallel läuft die Abstimmung mit den übrigen Ressorts. Warum der HHA nicht erst danach drankommt? Weil für SPRIND kurzfristig einiges dranhängt: Der Ausschuss hatte, wie er es häufig bei neuen Haushaltstiteln tut, 20 Prozent der Agenturmittel für 2023 gesperrt. Weshalb die für April geplante Gründung zweier weiterer SPRIND-Tochtergesellschaften verschoben werden musste. Die vom Finanzministerium beantragte Freigabe von 23 der gesperrten 30 Millionen hatte der Ausschuss aber davon abhängig gemacht, dass die federführenden Ministerien sich zuerst in Sachen SPRIND-Freiheitsgesetz einigen.
Mehr Geld ist mit dem neuen Gesetz übrigens nicht verbunden. So bleibt das SPRIND-Budget mit derzeit knapp 150 Millionen Euro überschaubar, ja mickrig im Vergleich zu den gut vier Milliarden Dollar, die dem großen US-Vorbild DARPA im Jahr zur Verfügung stehen. Über den weiteren Zeitplan für das parlamentarische Verfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes schweigen sich die BMBF, BMWK & CO übrigens offiziell aus, intern heißt es: Noch dieses Jahr sei das Ziel.
Kommt das SPRIND-Befreiungsgesetz in der geplanten Form, wäre es in jedem Fall eine doppelte Befreiung: für die Agentur selbst, aber auch für die Bundesregierung – weil sie nach langem Hin und Her doch zeigen würde, was möglich ist mit einem modernen Staatsverständnis. Einst sollte SPRIND die Blaupause werden für andere staatliche Förderagenturen, vor allem für die immer noch nicht gegründete Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI). Zwischendurch war es angesichts der vielen Barrieren, die SPRIND in den Weg gelegt worden waren, auffällig still geworden um die angestrebte Vorbildfunktion. Jetzt könnte es damit doch noch etwas werden. Und vielleicht ginge es dann auch mit der auf Eis gelegten Neuauflage des DATI-Gründungskonzeptes endlich vorwärts. Das BMBF hatte es intern zuletzt für Ende März angekündigt.
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Was Politik und SPRIND zu dem Gesetzentwurf sagen
Es habe sich schnell gezeigt, dass SPRIND eingezwängt ins deutsche Haushaltsrecht, "ihr Potenzial nicht voll entfalten konnte", sagte Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger (FDP) dem Handelsblatt. Daher "befreien wir die SPRIND jetzt von unnötigen bürokratischen Fesseln und geben ihr viele Freiheiten". Das sei ein wichtiges Signal für den Innovationsstandort Deutschland und werde mehr Sprunginnovationen ermöglichen.
Tatsächlich hatten Experten schon vor Gründung der Agentur vor den Folgen einer zu starken Regulierung gewarnt und die beteiligten Bundesministerien zunächst zur Zurückhaltung in der Agentur-Governance aufgerufen. Zunächst vergeblich, in den vergangenen Jahren hatte es dann bereits substanzielle Veränderungen etwa bei der Zusammensetzung und Stellung des SPRIND-Aufsichtsrates gegeben.
"Mit dem SPRIND-Freiheitsgesetz bringen wir die Agentur international auf Augenhöhe", sagt die parlamentarische BMWK-Staatssekretärin Franziska Brantner, "und ermöglichen ihr, bahnbrechende Ideen in Deutschland zu halten und daraus gelingende Geschäftsmodelle zu machen." Zudem steige die Attraktivität der SPRIND als Arbeitgeber für hochspezialisierte Fachkräfte, gerade aus den MINT-Fächern. "Die SPRIND muss die besten Leute gewinnen können, damit diese aus einem Meer von Ideen die vielversprechendsten Innovationen herausfischen und fördern können."
SPRIND-Direktor Laguna lobte, der Gesetzentwurf folge dem Anspruch des Ampel-Koalitionsvertrages. Neben öffentlich-rechtlichen könnten künftig auch privatrechtliche Finanzierungswerkzeuge eingesetzt werden. Erstmals könne sich SPRIND auch an bestehenden Unternehmen finanziell beteiligen und Erträge erwirtschaften. Die Möglichkeit, einen Teil der Mittel auch überjährig zu investieren, gebe SPRIND die dringend erforderliche Flexibilität beim Einsatz der Mittel. "In der Summe zeigt der Gesetzestext neue Wege auf für ein schnelleres, weniger bürokratisches und damit effizienteres staatliches Handeln – das dringend für die anstehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationen benötigt wird."
Am Beispiel Nanotechnologien widmet sich die vorliegende Arbeit der Frage, wie Ver-sicherungsunternehmen neue Technikrisiken (Emerging Risks) bewerten, wie sie sich angesichts vielseitiger Wissenslücken verhalten und wie sich dies auf das gesamtgesellschaftliche Risikomanagement von Technologien auswirkt. Um den Umgang mit Nanotechnologien im Kontext unterschiedlicher Organisationstypen und Erwartungen zu untersuchen, wird eine neo-institutionalistische Theorieperspektive verwendet. Für den empirischen Teil der Arbeit wurden 39 leitfadengestützte Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern von Erst- und Rückversicherern, Industrieunternehmen, Versicherungsbrokern, Investoren und Ratingagenturen, zentralen Einrichtungen der breiten Öffentlichkeit und der staatlichen Regulierung sowie Forschungseinrichtungen geführt. Emerging Risks sind Versicherungsrisiken, die sich durch ein hohes Maß an Nichtwissen und Schadenspotenzial auszeichnen. Beide Merkmale ergeben sich aus dem Zusammenwirken technischer Bedingungen und der sozialen Einbettung von Versicherungsunternehmen. Nanotechnologien als Emerging Risks sind primär durch zahlreiche Wissenslücken hinsichtlich Technologiemerkmalen, künftigen sowie bereits aufgetretener Schäden geprägt. Das Schadenspotenzial wird in den meisten Fällen als weniger problematisch eingeschätzt. Bedenken hinsichtlich möglicher Schäden richten sich verstärkt an künftige, aktive Nanotechnologiegenerationen. Erwartet wird, dass vorrangig die Industrieversicherung betroffen ist. Gleichzeitig wird bei einer zunehmenden Verbreitung der Technologien eine Ausweitung auf die Sparten der Sach- und Lebensversicherung für wahrscheinlich gehalten. Die bisherigen Aktivitäten der Versicherer beschränken sich fast ausschließlich auf Monitoringbemühungen, insbesondere die Erstellung von Risikomatrizen. Abschließende Risikobewertungen liegen momentan auch nach teilweise mehrjähriger Aktivität bei keiner der Organisationen vor. Das Verhalten der Versicherungsunternehmen wird durch vier Institutionen bestimmt: Versicherbarkeit, Konkurrenz am Markt, Risikopartnerschaft und -wahrnehmung. Entscheidungen über Versicherbarkeit sind im Fall von Nanotechnologien durch die Abwesenheit quantitativer, empirischer Daten gekennzeichnet. Diese werden durch subjektive, qualitative Expertenurteile und Informationsmittel ersetzt und sind abhängig von der Ausgestaltung der Versicherungsverträge. Ein Faktor, der einer engeren Vertragsgestaltung entgegenwirkt, ist die Konkurrenzsituation unter Versicherern. Im Kontext unsicherer Handlungssituationen und der Abwesenheit vollständiger vertraglicher Erfassung spielt zudem Vertrauen in die "Risikopartnerschaft" eine wichtige Rolle für die Beteiligten. Die vierte Institution bilden branchenweit geteilte Wahrnehmungsmuster ("frames"), die sich durch frühere Schadensfälle und Debatten herausbilden. Diese bestehen zum einen in Analogien zu früheren Risiken (Asbest und Gentechnologie), zum andern in geteilten Risikobegriffen und Konzepten, die Risikosachverhalte sinnhaft erschließen. Die künftige Entwicklung des Themas Nanotechnologien hängt von Ereignissen ab, die die Aufmerksamkeit für das Thema erhalten oder verstärken. Die wichtigsten Ereignisse im weiteren Versicherungsumfeld, die zu Veränderungen in der aktuellen Situation führen können, sind wissenschaftliche Befunde zu Risikopotenzialen, neue Gesetzgebung und Rechtsprechung und ein Wandel der öffentlichen Meinung zu Nanotechnologierisiken. Treten in der Zukunft keine signifikanten Ereignisse ein, die belegen, dass Nanotechnologien als Risiko ein hohes Schadenspotenzial bergen, wird das Thema aller Voraussicht nach in den kommenden Jahren kontinuierlich an Bedeutung verlieren. Dem gegenüber steht ein diskontinuierliches Szenario bei Schadenseintritten, bei dem die Versicherer aufgrund der veränderten Risikobewertung und bisherigen Framings des Themas zu einer Verengung des Versicherungsschutzes bis hin zu Ausschlüssen angehalten wären. Aktuell scheint eine Verengung der Zeichnungsbedingungen für Nanotechnologien weder notwendig noch durchsetzbar. Stattdessen ergeben sich drei Handlungsmöglichkeiten: Monitoring, Dialog mit dem engeren und Dialog mit dem weiteren Versicherungsumfeld. Monitoring im Hinblick auf Bedingungen der Versicherbarkeit bildet die momentan vorrangige Handlungsstrategie in der Versicherungswirtschaft. Dialoge mit dem engeren Versicherungsumfeld können neben einem Mehr an Informationen zur Versicherbarkeit zu einer Steigerung wechselseitigen Vertrauens sowie einer Mitgestaltung der Risikoframes führen. Eine zweite Dialogform bezieht das weitere Versicherungsumfeld in den Austausch von Informationen und Positionen mit ein. Beide Formen des Dialogs fanden aber in der Vergangenheit nur in begrenztem Umfang statt. Betrachtet man die Rolle der Versicherer im gesamtgesellschaftlichen Risikomanagement, wird deutlich, dass eine Vielzahl von Akteuren das Verhalten der Versicherer beeinflusst und ein zunehmendes Bewusstsein für diese Wechselwirkungen und gegenseitigen Rollenzuweisungen besteht. Versicherer wirken bei Nanotechnologien jedoch nicht gezielt auf die Entwicklung von Technologierisiken ein, sondern verhalten sich vorrangig reaktiv. Gegenwärtig ist alleine die Risikominderung bei Industrieunternehmen durch die Übertragung finanzieller Risiken von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Versicherer haben in der Vergangenheit zum Framing des Risikos beigetragen. Aktuell sind sie diesbezüglich aber nicht mehr aktiv und wirken auch nicht an der Vorbeugung von Risiken im Rahmen des technischen Risikomanagements mit. Als eines der gegenwärtig bedeutsamsten Technologiefelder werden Nanotechnologien in den kommenden Jahren in der Industrie wie für den Verbraucher weiter an Bedeutung zunehmen. Bei Versicherern ist inzwischen ein Problembewusstsein etabliert, und erste Risikomanagementmaßnahmen wurden ergriffen. Wie sich das Thema in der Versicherungsindustrie weiterentwickeln wird, ist aber von der noch offenen Risikobewertung und dem Verhalten der Versicherer abhängig. Hinsichtlich der Informationsgewinnung, aber auch hinsichtlich stabilisierender Faktoren, wie der Risikopartnerschaft mit den Kunden und einer erhöhten Risikowahrnehmung, ist ein aktiver Austausch im Sinne eines offenen Dialogs mit dem primären Versicherungsumfeld der effektivste, wenn auch nicht einfachste Weg. Ein Dialog mit dem weiteren sozialen Umfeld wäre im Hinblick auf das gesellschaftliche Risikomanagement zu wünschen, ist aber in der aktuellen Situation von den Versicherungsunternehmen nicht zu erwarten. ; Using the example of nanotechnologies, the dissertation attends to the question how insurance companies assess the risks of emerging technologies, how they react in view of numerous knowledge gaps and how this has an effect on the technological risk management of society as a whole. In order to analyse the handling of nanotechnologies in the context of different types of organisations, a neo-institutional perspective is applied. The empirical part of the dissertation consists of 39 guided interviews with representatives of direct insurance companies and reinsurers, industrial enterprises, insurance brokers, investors and rating agencies, public institutions, governmental regulation authorities and research institutions. Emerging risks are insurance risks, which are characterised by a high level of ignorance and damage potential. Both arise from the combination of technical conditions and the social embeddedness of insurance companies. Nanotechnologies as emerging risks are primarily marked by a high degree of knowledge gaps with regards to characteristics of the technologies, present and future damages. The second feature of emerging risks, the damage potential, usually is estimated as less problematic. Concerns about possible damages are to an increasing extend directed at future nanotechnology generations. It is expected that industrial insurance is primarily affected. At the same time, with an increasing dispersal of nanotechnologies, an expansion towards other classes of insurance such as property and life is considered probable. The previous activities of insurance companies limit themselves to risk monitoring, particularly risk matrixes. However, even after several years of risk management activities, final risk assessments do not exist. The behaviour of insurance companies is determined by four institutions: insurability, competition in the market, risk partnership, and risk perception. In the case of nanotechnologies, decisions about insurability are characterized by the absence of empirical, quantitative data. These data are replaced by subjective, qualitative judgements of experts and information tools that depend on the form of the insurance contracts. One factor which opposes stricter underwriting rules is provided by the competition in the insurance markets. In the context of uncertain decision making and the absence of complete contractual coverage, trust in the so-called risk partnership is of central importance for those involved. The fourth institution is constituted by collective perception frames, which are developed because of earlier insurance damages and risk debates. These frames are provided on the one hand by analogies with prior risk cases (such as asbestos and genetically modified organisms), on the other hand by collectively shared notions and concepts of risk. The future development of the topic nanotechnology in the insurance industry depends on events that preserve or increase the awareness for risk issues. The most important events in the wider social setting of insurances that can lead to changes are scientific evidence about risk potentials, new legislation and jurisdiction and a change in the public opinion towards the risks of nanotechnologies. The most significant event in the closer social environment would be an industrial accident. Factors internal to the insurance industry are the framing of nanotechnologies as emerging risk similar to asbestos and genetic engineering, the behaviour of competitors, and the imitation of risk-monitoring activities. If there are no significant events in the future proving, that nanotechnologies as a risk hold a high damage potential, it is most likely that the issue will continuously become less significant in the years to come. This scenario can be contrasted with a development caused by extensive insurance damages. Because of a change in the risk assessment and because of existing framing patterns, stricter underwriting rules to the extend of excluding the coverage of nanotechnologies from the insurance contracts are possible. Currently, a narrowing of underwriting rules for nanotechnologies seems to be neither necessary nor enforceable. Instead, three different management options exist: Risk monitoring, a dialogue with the closer, and a dialogue with the wider social environment of insurance companies. Risk monitoring with regard to conditions of insurability represents the primary strategy applied by the insurance industry at the moment. Because of the extensive knowledge gaps in the case of nanotechnologies, these efforts, however, come up against their limits. Dialogues with the close insurance setting can help to broaden the information base, increase mutual trust and impact the collective risk frames. The second form of dialogue can include the wider social environment of insurance companies for the exchange of information and opinions. However in the past both forms of dialogue were limited in time and extend. Focusing on the role of insurance companies in the societal governance of risks, it becomes clear that a multitude of actors involved impact on their behaviour, and that there is a growing consciousness for the interdependencies and mutual expectations. However, insurance companies do not try to influence the development of technology risk directly but mostly portray a reactive behaviour. At the moment, the only contribution to the societal management of nanotechnology risks is constituted by the transfer of financial risks for industrial enterprises. Insurance companies contributed to the framing endeavours, primarily on the socio-economic dimension, in a period from 2002 to 2006. Currently though, insurance companies are not active in this field and do not contribute to the prevention of risk with regard to the technological risk management. Constituting one of the most important fields of technological development, nanotechnologies will become of major importance in the industrial sector as well as for consumers in the years to come. Insurance companies have established a consciousness for the risks and initiated first risk management activities. These however have declined in recent years. How the topic will develop for the industrial insurance depends on the behaviour of the insurance companies and the risk assessment that is still very much uncertain. With regard to the gathering of information and stabilising factors, such as the trust in partnership and heightened levels of risk perception, an open dialogue in the closer social environment seems to be the most promising strategy for insurance companies. A dialogue with the wider social surroundings would be desirable for the societal risk governance process but is unlikely to be carried out in the near future.
Die aus der deutschen Wiedervereinigung resultierenden ökonomischen und demografischen Veränderungsprozesse stellen große Herausforderungen für die Regionalentwicklung dar: Nachdem die ostdeutschen Arbeitsmärkte lange Zeit von einem Überangebot an Arbeitskräften geprägt waren und zahlreiche (vor allem junge, gut ausgebildete) Menschen in die alten Bundesländer abwanderten, zeichnet sich mittlerweile eine Trendwende ab. Infolge des demografischen Wandels (Bevölkerungsalterung und -schrumpfung) geht die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Dies wirkt sich vor allem auf das Rückgrat der ostdeutschen Wirtschaft, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, aus. Schon heute machen sich Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Arbeitsstellen bemerkbar und vielerorts wird bereits von einem "Fachkräftemangel" gesprochen. Um die Zukunftsfähigkeit der ansässigen Unternehmen zu sichern, entwickeln regionale Organisationen Strategien, die eine ausreichende Versorgung der Unternehmen mit Fachkräften gewährleisten und damit zur regionalen Resilienz beitragen sollen. Während diese vor allem auf eine erhöhte Arbeitsbeteiligung bestimmter Gruppen (z.B. ältere Arbeitnehmer, Frauen, Arbeitslose) abzielen, lässt sich vermehrt auch eine gezielte Anwerbung von Fachkräften aus anderen Regionen beobachten. Angesichts der Tatsache, dass mittlerweile ein beachtlicher Teil der abgewanderten Ostdeutschen in seine "alte Heimat" zurückkehren möchte, kommt dieser Personengruppe dabei ein besonderes Interesse zu. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend setzt sich die Forschungsarbeit mit folgenden Fragestellungen auseinander: (1) Wie beschäftigen sich die relevanten Organisationen in Ostdeutschland mit der regionalen Fachkräftesicherung? (2) Welche Rolle spielt dabei die gezielte Anwerbung von Rück- und Zuwanderern? und (3) Wie können Rück- und Zuwanderungsinitiativen zur Resilienz ostdeutscher Regionen gegenüber dem rückläufigen Erwerbspersonenpotenzials beitragen? Auf Basis einer Literatur- und Internetrecherche werden die wichtigsten Rück- und Zuwanderungsinitiativen in ostdeutschen Regionen erfasst und charakterisiert. Darauf aufbauend werden anhand der Informationen der Trägerorganisationen weitere, mit dem Thema "Fachkräftesicherung" betraute Organisationen identifiziert. Diese Grundgesamtheit stellt den Ausgangspunkt für eine schriftliche Befragung dar. Auf Grundlage der Befragungsergebnisse werden Trends sowie Besonderheiten bei der regionalen Fachkräftesicherung ermittelt. Im Rahmen einer anschließenden Fallstudienuntersuchung wird ein detaillierter Einblick in die Arbeitsweisen und Kooperationsbeziehungen ausgewählter Rück- und Zuwanderungsinitiativen gewonnen. Anhand von Experteninterviews werden weitere Erkenntnisse über den Beitrag dieser Initiativen zur Resilienz regionaler Arbeitsmärkte gewonnen. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass sich aktuell eine Vielzahl verschiedener Organisationen mit dem Thema der regionalen Fachkräftesicherung beschäftigt: Neben den Agenturen für Arbeit, den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern sind dies verschiedene Wirtschafts- bzw. Branchenverbände und Gewerkschaften. Darüber hinaus spielen auch Ministerien, Förderbanken, kommunale Einrichtungen, Career Services von Hochschulen und ehrenamtliche Vereine eine Rolle. Obwohl Rück- und Zuwanderer nicht die Hauptzielgruppe ihrer Maßnahmen darstellen, finden sie dennoch Berücksichtigung. Außerdem stehen die meisten Organisationen mit dreizehn Initiativen, welche sich auf eine gezielte Anwerbung von (Re-) Migranten spezialisiert haben, in Kontakt. Bei Letzteren gehören die Vermittlung von Arbeitsplätzen, die Information und Beratung bei der Arbeitssuche sowie Dual Career Services (Informationen und Beratung bei der Arbeitsplatzsuche der Partnerin/ des Partners) zu den wichtigsten Leistungsangeboten. Zwar ist eine direkte Messung ihres Erfolges nicht möglich und eine dauerhafte Finanzierung, aufgrund ihres Projektcharakters, nur selten garantiert, dennoch tragen sie aber zur regionalen Fachkräftesicherung bei: Durch den Aufbau von Netzwerken, der Sensibilisierung ansässiger Unternehmen sowie der aktiven Vermarktung des Standorts werden vorhandene Ressourcen mobilisiert und bestehende Vulnerabilitäten abgebaut. Durch das Einwirken weiterer, externer Prozesse stellt sich schließlich eine erhöhte Resilienz ostdeutscher Regionen gegenüber dem rückläufigen Erwerbspersonenpotenzial ein. Daraus leiten sich Handlungsempfehlungen ab, die eine weitere Intensivierung der regionalen Kooperation vorschlagen.:Abbildungsverzeichnis XI Tabellenverzeichnis XIII Abkürzungsverzeichnis XIV 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung 1 1.2 Zielsetzung der Arbeit 3 1.3 Aufbau der Arbeit 5 2 Theoretischer Bezugsrahmen und forschungsleitende Fragen 7 2.1 Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials und Fachkräftemangel 8 2.1.1 Komponenten des Arbeitsmarktes in Deutschland 8 2.1.2 Begriffsbestimmung: Erwerbspersonenpotenzial, Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel, Fachkräftesicherung 10 2.2 Entstehung regionaler Arbeitsmärkte 12 2.2.1 Neoklassisches Grundmodell des Arbeitsmarktes 12 2.2.2 Segmentationstheorie 13 2.2.3 Regulationstheoretisch orientierte Regionalforschung 15 2.2.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 15 2.3 Erklärung von (interregionalen) Migrationsbewegungen 16 2.3.1 Ökonomische Ansätze zur Erklärung von Migration 17 2.3.2 Nichtökonomische Migrationstheorien 18 2.3.3 Mehrebenenkonzept zur (Rück-) Wanderungsforschung 19 2.3.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 20 2.4 Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in der Regionalentwicklung 21 2.4.1 Cluster 21 2.4.2 Regionale Innovationssysteme 23 2.4.3 Zusammenfassung 23 2.5 Integration der Theoriestränge durch den Ansatz der regionalen Resilienz 24 2.5.1 Der Resilienz-Begriff im Kontext verschiedener Wissenschaftsdisziplinen 25 2.5.2 Unterschiedliche Interpretationen des Resilienz-Begriffs 27 2.5.3 Resilienz regionaler Arbeitsmärkte 30 2.5.4 Operationalisierung des Resilienz-Ansatzes 32 2.6 Forschungsleitende Fragen 34 3 Forschungsstrategie und methodische Vorgehensweise 37 3.1 Forschungsstrategie 37 3.2 Querschnittdesign 39 3.2.1 Abgrenzung des Untersuchungsgebiets 39 3.2.2 Sekundärstatistische Analyse 40 3.2.3 Dokumentenanalyse und Sampling 41 3.2.4 Schriftliche Befragung 42 3.2.4.1 Konstruktion des Erhebungsinstruments 43 3.2.4.2 Durchführung und Rücklauf der Befragung 45 3.2.4.3 Analyse und Darstellung der erhobenen Daten 47 3.3 Multiples Fallstudiendesign 48 3.3.1 Fallauswahl 48 3.3.2 Experteninterviews 49 3.3.2.1 Auswahl der Gesprächspartner 50 3.3.2.2 Durchführung der Untersuchung 51 3.3.2.3 Analyse der erhobenen Daten 52 3.3.3 Dokumentenanalyse 53 3.4 Kritische Reflexion der verwendeten Forschungsmethoden 53 4 Fachkräftesicherung und Migration als Herausforderungen für die Regionalentwicklung in Ostdeutschland 57 4.1 Fachkräftesicherung unter den Bedingungen einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft 57 4.1.1 Auswirkungen des demografischen Wandels auf die regionalen Arbeitsmärkte in Ostdeutschland 58 4.1.2 Analyse des aktuellen und zukünftigen Fachkräftebedarfs in Ostdeutschland 61 4.1.3 Zielgruppen der regionalen Fachkräftesicherungsstrategien 68 4.2 Rück- und Zuwanderung nach Ostdeutschland 70 4.2.1 Zuwanderung nach Ostdeutschland 71 4.2.2 Rückwanderung nach Ostdeutschland 73 4.2.2.1 Datenverfügbarkeit und Definition der wichtigsten Begriffe 74 4.2.2.2 Zahlen zur Rückwanderung nach Ostdeutschland 76 4.2.2.3 Motive für die Rückwanderung nach Ostdeutschland 77 4.2.2.4 Räumliche und zeitliche Muster der Rückwanderung nach Ostdeutschland 78 4.2.2.5 Demografische und sozio-ökonomische Situation der Rückwanderer 79 4.2.2.6 Potenzial von Rückwanderern für die Regionalentwicklung in Ostdeutschland 80 4.3 Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 83 4.3.1 Gesetzlicher Rahmen zur Anwerbung hochqualifizierter Arbeitskräfte 83 4.3.1.1 Green Card 84 4.3.1.2 Vom Ausländerrecht zur gesteuerten Arbeitsmigration 84 4.3.1.3 Freizügigkeitsgesetz 86 4.3.1.4 Anerkennung ausländischer Abschlüsse 86 4.3.1.5 Blaue Karte EU 87 4.3.2 Bundesweite Maßnahmen zur Fachkräftesicherung durch Rück- und Zuwanderung 88 4.3.2.1 Virtuelle Informationsportale 88 4.3.2.2 Fachkräfte-Offensive 89 4.3.2.3 Jobmonitor 89 4.3.2.4 Innovationsbüro "Fachkräfte für die Region" 90 4.3.2.5 Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung 90 4.3.2.6 Die "Zukunftsinitiative Fachkräftesicherung" 90 4.3.2.7 Sonderprogramm zur Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen Fachkräfte aus Europa (MobiPro-EU) 91 4.3.3 Regionale Ansätze zur Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 92 4.3.3.1 Leistungen zur Anwerbung von Rück- und Zuwanderern 92 4.3.3.2 Kriterien für eine Gesamtschau der im Untersuchungsraum existierenden Initiativen 99 5 Aktuelle Strategien der Fachkräftesicherung in Ostdeutschland 103 5.1 Politikumfeld und institutioneller Kontext 103 5.2 Beschäftigung mit dem Thema regionale Fachkräftesicherung 106 5.3 Berücksichtigung von Rück- und Zuwanderern117 5.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 127 6 Rück- und Zuwanderungsinitiativen als Beitrag zur Resilienz regionaler Arbeitsmärkte in Ostdeutschland 131 6.1 Agentur mv4you 131 6.1.1 Aktivitäten der Initiative 131 6.1.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 134 6.1.3 Aktuelle Entwicklungen 137 6.2 Initiative "Fachkräfte für Sachsen. Sachse komm' zurück!" 137 6.2.1 Aktivitäten der Initiative 137 6.2.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 139 6.2.3 Aktuelle Entwicklungen 143 6.3 Willkommens-Agentur Uckermark 143 6.3.1 Aktivitäten der Initiative 143 6.3.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 147 6.3.3 Aktuelle Entwicklungen 150 6.4 Der Beitrag von Rück- und Zuwanderungsinitiativen zum Aufbau einer regionalen Anpassungskapazität 151 6.4.1 Entwicklung der gezielten Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 151 6.4.2 Finanzierung der Rück- und Zuwanderungsinitiativen 152 6.4.3 Beitrag zur regionalen Fachkräftesicherung 152 6.4.4 Verstärkte Berücksichtigung von (internationalen) Zuwanderern 153 6.4.5 Regionsübergreifende Kooperation 154 6.4.6 Schwierigkeiten bei der direkten Messung des Erfolgs 155 6.4.7 Beitrag zur regionalen Resilienz 156 7 Schlussfolgerungen 161 7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 161 7.2 Schlussfolgerungen für die Praxis 168 7.3 Schlussfolgerungen für die wissenschaftliche Diskussion und weiterer Forschungsbedarf 170 8 Literaturverzeichnis 173 9 Anhang 191 ; Germany's reunification caused economic and demographic changes that represent major challenges for regional development: After the East German labour markets experienced a long period of labour oversupply and the emigration of many (particularly young and well educated) people to former West Germany, they are now facing a reversal. Due to demographic changes (the aging and shrinking of the population) the number of people in working age has been steadily declining. This especially affects small and medium sized businesses, the backbone of the East German economy. Already, it has become noticeably difficult to fill vacant positions, and a "shortage of skilled labour" is widely discussed. In order to future-proof local businesses, regional organisations have developed strategies that ensure a sufficient supply of skilled labour and an increased regional resilience. Although these strategies mainly aim towards increasing labour market participation among certain groups (e.g. older workers, women, the unemployed), the recruitment of skilled labour from other regions has also noticeably increased. Since a significant proportion among emigrated East Germans would like to return 'home' now, this group is of particular interest. Based on these findings, this research paper deals with the following questions: (1) What do relevant organisations in East Germany do about securing regional skilled labour? (2) What role does the targeted recruitment of immigrants and return migrants play in this context? (3) How can immigration and return migration initiatives contribute to making East German regions resilient against the diminishing work force potential? Based on a combined literature and Internet research, this paper identifies and characterises the most important immigration and return migration initiatives in East Germany. Further, it uses information provided by these initiatives' support organisations to identify other organisations whose remit is to safeguard skilled labour. The resulting statistical population then forms the basis for a written survey. Based on the survey results, the paper investigates trends and anomalies in securing regional skilled labour. A subsequent multiple case study analysis provides detailed insights into the working methods and cooperation among selected immigration and return migration initiatives. Expert interviews provide additional information on how these initiatives contribute towards regional labour market resilience. As the empirical results show, there currently exist a number of organisations dealing with the shortage of skilled labour. These include regional employment agencies, chambers of industry and commerce, and chambers of crafts, as well as various trade associations and unions. In addition, government departments, business development banks, local authorities, university career services, and voluntary associations also play an important role. Even though immigrants and return migrants are not considered to be their main targets, these organisations do include them in their measures. Furthermore, most of the surveyed organisations are in contact with the thirteen initiatives that focus on targeted recruitment of immigrants and return migrants. The most important services provided by immigration and return migration initiatives include job placements, information and advice during the job search, as well as dual career services. Even though it isn't possible to directly measure their impact, and although they are rarely guaranteed permanent financing due to their project-based nature, these initiatives do contribute towards securing regional skilled labour: By developing networks, sensitizing local companies, and actively advertising the region, they mobilise existing resources and reduce regional vulnerabilities. The influence of additional external processes eventually creates an increase in regional resilience towards the declining labour force potential. Derived from these findings, this paper recommends several action points that propose a further intensification of regional cooperation.:Abbildungsverzeichnis XI Tabellenverzeichnis XIII Abkürzungsverzeichnis XIV 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung 1 1.2 Zielsetzung der Arbeit 3 1.3 Aufbau der Arbeit 5 2 Theoretischer Bezugsrahmen und forschungsleitende Fragen 7 2.1 Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials und Fachkräftemangel 8 2.1.1 Komponenten des Arbeitsmarktes in Deutschland 8 2.1.2 Begriffsbestimmung: Erwerbspersonenpotenzial, Arbeitskräftemangel, Fachkräftemangel, Fachkräftesicherung 10 2.2 Entstehung regionaler Arbeitsmärkte 12 2.2.1 Neoklassisches Grundmodell des Arbeitsmarktes 12 2.2.2 Segmentationstheorie 13 2.2.3 Regulationstheoretisch orientierte Regionalforschung 15 2.2.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 15 2.3 Erklärung von (interregionalen) Migrationsbewegungen 16 2.3.1 Ökonomische Ansätze zur Erklärung von Migration 17 2.3.2 Nichtökonomische Migrationstheorien 18 2.3.3 Mehrebenenkonzept zur (Rück-) Wanderungsforschung 19 2.3.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 20 2.4 Steigerung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in der Regionalentwicklung 21 2.4.1 Cluster 21 2.4.2 Regionale Innovationssysteme 23 2.4.3 Zusammenfassung 23 2.5 Integration der Theoriestränge durch den Ansatz der regionalen Resilienz 24 2.5.1 Der Resilienz-Begriff im Kontext verschiedener Wissenschaftsdisziplinen 25 2.5.2 Unterschiedliche Interpretationen des Resilienz-Begriffs 27 2.5.3 Resilienz regionaler Arbeitsmärkte 30 2.5.4 Operationalisierung des Resilienz-Ansatzes 32 2.6 Forschungsleitende Fragen 34 3 Forschungsstrategie und methodische Vorgehensweise 37 3.1 Forschungsstrategie 37 3.2 Querschnittdesign 39 3.2.1 Abgrenzung des Untersuchungsgebiets 39 3.2.2 Sekundärstatistische Analyse 40 3.2.3 Dokumentenanalyse und Sampling 41 3.2.4 Schriftliche Befragung 42 3.2.4.1 Konstruktion des Erhebungsinstruments 43 3.2.4.2 Durchführung und Rücklauf der Befragung 45 3.2.4.3 Analyse und Darstellung der erhobenen Daten 47 3.3 Multiples Fallstudiendesign 48 3.3.1 Fallauswahl 48 3.3.2 Experteninterviews 49 3.3.2.1 Auswahl der Gesprächspartner 50 3.3.2.2 Durchführung der Untersuchung 51 3.3.2.3 Analyse der erhobenen Daten 52 3.3.3 Dokumentenanalyse 53 3.4 Kritische Reflexion der verwendeten Forschungsmethoden 53 4 Fachkräftesicherung und Migration als Herausforderungen für die Regionalentwicklung in Ostdeutschland 57 4.1 Fachkräftesicherung unter den Bedingungen einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft 57 4.1.1 Auswirkungen des demografischen Wandels auf die regionalen Arbeitsmärkte in Ostdeutschland 58 4.1.2 Analyse des aktuellen und zukünftigen Fachkräftebedarfs in Ostdeutschland 61 4.1.3 Zielgruppen der regionalen Fachkräftesicherungsstrategien 68 4.2 Rück- und Zuwanderung nach Ostdeutschland 70 4.2.1 Zuwanderung nach Ostdeutschland 71 4.2.2 Rückwanderung nach Ostdeutschland 73 4.2.2.1 Datenverfügbarkeit und Definition der wichtigsten Begriffe 74 4.2.2.2 Zahlen zur Rückwanderung nach Ostdeutschland 76 4.2.2.3 Motive für die Rückwanderung nach Ostdeutschland 77 4.2.2.4 Räumliche und zeitliche Muster der Rückwanderung nach Ostdeutschland 78 4.2.2.5 Demografische und sozio-ökonomische Situation der Rückwanderer 79 4.2.2.6 Potenzial von Rückwanderern für die Regionalentwicklung in Ostdeutschland 80 4.3 Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 83 4.3.1 Gesetzlicher Rahmen zur Anwerbung hochqualifizierter Arbeitskräfte 83 4.3.1.1 Green Card 84 4.3.1.2 Vom Ausländerrecht zur gesteuerten Arbeitsmigration 84 4.3.1.3 Freizügigkeitsgesetz 86 4.3.1.4 Anerkennung ausländischer Abschlüsse 86 4.3.1.5 Blaue Karte EU 87 4.3.2 Bundesweite Maßnahmen zur Fachkräftesicherung durch Rück- und Zuwanderung 88 4.3.2.1 Virtuelle Informationsportale 88 4.3.2.2 Fachkräfte-Offensive 89 4.3.2.3 Jobmonitor 89 4.3.2.4 Innovationsbüro "Fachkräfte für die Region" 90 4.3.2.5 Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung 90 4.3.2.6 Die "Zukunftsinitiative Fachkräftesicherung" 90 4.3.2.7 Sonderprogramm zur Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen und arbeitslosen Fachkräfte aus Europa (MobiPro-EU) 91 4.3.3 Regionale Ansätze zur Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 92 4.3.3.1 Leistungen zur Anwerbung von Rück- und Zuwanderern 92 4.3.3.2 Kriterien für eine Gesamtschau der im Untersuchungsraum existierenden Initiativen 99 5 Aktuelle Strategien der Fachkräftesicherung in Ostdeutschland 103 5.1 Politikumfeld und institutioneller Kontext 103 5.2 Beschäftigung mit dem Thema regionale Fachkräftesicherung 106 5.3 Berücksichtigung von Rück- und Zuwanderern117 5.4 Zusammenfassung der wesentlichen Punkte 127 6 Rück- und Zuwanderungsinitiativen als Beitrag zur Resilienz regionaler Arbeitsmärkte in Ostdeutschland 131 6.1 Agentur mv4you 131 6.1.1 Aktivitäten der Initiative 131 6.1.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 134 6.1.3 Aktuelle Entwicklungen 137 6.2 Initiative "Fachkräfte für Sachsen. Sachse komm' zurück!" 137 6.2.1 Aktivitäten der Initiative 137 6.2.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 139 6.2.3 Aktuelle Entwicklungen 143 6.3 Willkommens-Agentur Uckermark 143 6.3.1 Aktivitäten der Initiative 143 6.3.2 Kooperation mit anderen regionalen Initiativen 147 6.3.3 Aktuelle Entwicklungen 150 6.4 Der Beitrag von Rück- und Zuwanderungsinitiativen zum Aufbau einer regionalen Anpassungskapazität 151 6.4.1 Entwicklung der gezielten Anwerbung von Rück- und Zuwanderern in Ostdeutschland 151 6.4.2 Finanzierung der Rück- und Zuwanderungsinitiativen 152 6.4.3 Beitrag zur regionalen Fachkräftesicherung 152 6.4.4 Verstärkte Berücksichtigung von (internationalen) Zuwanderern 153 6.4.5 Regionsübergreifende Kooperation 154 6.4.6 Schwierigkeiten bei der direkten Messung des Erfolgs 155 6.4.7 Beitrag zur regionalen Resilienz 156 7 Schlussfolgerungen 161 7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 161 7.2 Schlussfolgerungen für die Praxis 168 7.3 Schlussfolgerungen für die wissenschaftliche Diskussion und weiterer Forschungsbedarf 170 8 Literaturverzeichnis 173 9 Anhang 191
DER NATURARZT 1863 Der Naturarzt (-) Der Naturarzt 1863 (1863) ( - ) Titelseite ( - ) No. 1. den 15. Januar. 1863. (No. 1. / 1863) ([1]) [Abb.]: ([1]) Unser Programm. ([1]) Der Segen der Naturheilkunde. (2) Drei naturärztliche geheilte Fälle von Chorea St. Viti, (Veitstanz) (4) Aus dem hydro-dätetischen Verein zu Dresden. (7) Briefkasten. (8) No. 2. den 22. Januar. 1863. (No. 2. / 1863) ([9]) [Abb.]: ([9]) Der Segen der Naturheilunde. ([9]) Hydriatische Briefe. (Ueber Klystiere und Einspritzungen überhaupt.) (11) Kranken-Korrespondenz. (13) Antwort der Redaction. (14) No. 3. den 29. Januar. 1863. (No. 3. / 1863) ([17]) [Abb.]: ([17]) Der Segen der Naturheilunde. ([17]) Ueber Gesundheitspflege mit Rücksicht auf die Resultate, die bei Behandlung der verschiedensten Kinderkrankheiten mit Wasser erzielt worden sind. (20) Aus dem Tagebuche eines Hypochonders. (22) Allopathisch-hydriatischer Wettlauf. (23) Kranken-Korrespondenz und Briefkasten. (23) No. 4. den 5. Februar. 1863. (No. 4. / 1863) ([25]) Extracte aus den früheren Protocollen des hydro-dätetischen Vereins zu Dresden. Briefkasten. (-) Druckfehlerverbesserung. (-) [Abb.]: ([25]) Drei naturärztliche geheilte Fälle von Chorea St. Viti, (Veitstanz) ([25]) Eine Cholerageschichte. (28) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (29) Aus dem hydro-dätetischen Verein zu Dresden. (31) No. 5. den 12. Februar. 1863. (No. 5. / 1863) ([33]) [Abb.]: ([33]) Mineralbad oder Naturheilanstalt? ([33]) Krankencorrespondenz. (36) Antwort der Redaction. (37) No. 6. den 19. Februar. 1863. (No. 6. / 1863) ([41]) [Abb.]: ([41]) Hydriatische Briefe ([41]) Aus dem Tagebuche eines Hypochonders. (43) Mittheilungen einiger Krankheitsfälle. (43) Aus dem hydro-diätetischen Verein zu Dresden. (44) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (46) Krankencorrespondenz. (47) Briefkasten. (48) [Abb.]: Wasserheilanstalt zur Schweitzermühle im Bilagrunde in der sächs. Schweitz. ( - ) No. 7. den 26. Februar. 1863. (No. 7. / 1863) ([49]) [Abb.]: ([49]) Der hydro-dätetische Verein zu Stettin und die Eröffnungs-Rede bei seiner Begründung, gehalten von Hrn. Milit.-Int.-Secr. A. Frölich über die Zustände des Lebens in Bezug auf Gesundheit, Krankheit und deren Heilung. ([49]) Einleitung. ([49]) Was ist Leben und Tod? (50) Was ist Gesundheit und Krankheit? (50) Die sächsischen Wasserheilanstalten "Schweizer-Mühle" und "Königsbrunn", nächst Köngistein in der sächsischen Schweiz. (51) 1. Lagenverhältnisse. (51) 2. Oertlichkeit der Wasserheilanstalt Schweizermühle. (52) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (54) Krankencorrespondenz. (55) No. 8. den 5. März. 1863. (No. 8. / 1863) ([57]) [Abb.]: ([57]) Der hydro-dätetische Verein zu Stettin und die Eröffnungs-Rede bei seiner Begründung, gehalten von Hrn. Milit.-Int.-Secr. A. Frölich über die Zustände des Lebens in Bezug auf Gesundheit, Krankheit und deren Heilung. ([57]) Krankencorrespondenz. (61) Eine hydriatische Linderung von Zahnschmerz. Briefkasten. (64) No. 9. den 12. März. 1863. (No. 9. / 1863) ([65]) [Abb.]: ([65]) Drei naturärzlich geheilte Fälle von Chorea St. Viti, (Veitstanz) ([65]) Die sächsischen Wasserheilanstalten "Schweizer-Mühle" und "Königsbrunn", nächst Köngistein in der sächsischen Schweiz. (68) [Abb.]: (69) Krankencorrespondenz. (69) No. 10. den 19. März. 1863. (No. 10. / 1863) ([73]) [Abb.]: ([73]) An die geehrten Leser dieses Blattes! ([73]) Drei naturärzlich geheilte Fälle von Chorea St. Viti, (Veitstanz) ([73]) Zur Frage: Mineralbad oder Naturheilanstalt? (76) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (77) Beilage zu Nr. 10 des Naturarztes. ([81]) Krankencorrespondenz. ([81]) Ankündigung, die Naturheilanstalt Centnerbrunn betreffend. (84) No. 11. den 22. April. 1863. (No. 11. / 1863) ([85]) Ueber Gesundheitspflege mit Rücksicht auf die Resultate, die bei Behandlung der verschiedensten Krankheiten mit Wasser erzielt worden sind. ([85]) Ueber nasse Einhüllungen und Einpackungen. (87) Ueber Naturheilverfahren. (89) Aus dem hydro-dätetischen Verein zu Dresden. (91) Briefkasten. (92) No. 12. den 29. April. 1863. (No. 12. / 1863) ([93]) Die Impf-Frage. ([93]) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (94) Krankencorrespondenz. (96) Aus dem hydro-dätetischen Verein zu Dresden. (99) No. 13. den 7. Mai. 1863. (No. 13. / 1863) ([101]) Ueber partielle Dampfbäder. ([101]) a) Einleitung. ([101]) Beschreibung der auf der Abbildung vorgeführten partiellen Dampfbad-Formen. ([101]) [19 Abb.]: (1)-(19)Fig 1-19 ([103]) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (104) Kranken-Korrespondenz und Briefkasten. (105) No. 14. den 14. Mai. 1863. (No. 14. / 1863) ([109]) Zur Gesundheitspflege. ([109]) Diät im engeren Sinne. - Nahrungsmittel und Ernährung. ([109]) Nahrhaftigkeit. Verdaulichkeit. (110) Nahrungsstoffe. (110) Krankencorrespondenz. (111) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (114) Briefkasten. (116) No. 15. den 21. Mai. 1863. (No. 15. / 1863) ([117]) Zur Gesundheitspflege. ([117]) Bereitung der Speisen. ([117]) Nährwerth. (118) [Tabelle]: Folgende Zusammenstellung wird den Nährwerth det einzelnen Haupt-Lebensmittel in runden Zahlen am deutlichsten darlegen. (118) Einige Krankheitsfälle, mittels der Naturheilkunde, theils nach Schroth'schem, theils nach Prießnitz'schem System, behandelt. (119) Aus dem hydro-dätetischen Verein zu Dresden. (121) Die Mineralwasser-, Bade- und Trinkkuren. (121) Extracte aus den früheren Protocollen des hydro-dätetischen Vereins zu Dresden. (122) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (123) Briefkasten. (124) No. 16. den 3. Juni. 1863. (No. 16. / 1863) ([125]) Zur Gesundheitspflege. ([125]) Nahrungsbedürfniß. Nahrungsmenge. ([125]) Zusammensetzung der Nahrung. ([125]) Nahrungszeit. (126) Verdorbene Speisen. (126) Kochgeschirre. (127) Ueber Klystiere, zum Theil als Replik auf die diesen Gegenstand betreffenden Artikel in Nr. 2 und 6 des "Naturarztes" von Seiten des Herrn Dr. K. in N. (127) [Abb.]: (128) Der Spargel. (130) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (130) Kranken-Korrespondenz und Briefkasten. Einladung. (132) No. 17. den 10. Juni. 1863. (No. 17. / 1863) ([133]) Zur Gesundheitspflege. ([133]) Getränke. ([133]) Künstliche Getränke. (134) Beitrag zur Heilung der Syphilis. (135) Entstehung der Syphilis. (135) Heilung der Syphilis. (136) Schlußbemerkungen. (139) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (140) No. 18. den 17. Juni. 1863. (No. 18. / 1863) ([141]) Zur physiatrischen Behandlung von Fiebern und Entzündungen. Krankencorrespondenz. ([141]) No. 19. den 24. Juni. 1863. (No. 19. / 1863) ([149]) Zur physiatrischen Behandlung von Fiebern und Entzündungen. Krankencorrespondenz. ([149]) No. 20. den 30. Juni. 1863. (No. 20. / 1863) ([157]) Abonnements-Einladung. ([157]) Zur Gesundheitspflege. ([157]) Regeln für das Fußbad. (158) Heilung einer Bauchwassersucht, in Folge vorangegangenen, unbeachtet gebliebenen Leberleidens. (159) Aus dem hydro-dätetischen Verein zu Dresden. (160) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (162) Ankündigungen. (164) No. 21. den 8. Juli. 1863. (No. 21. / 1863) ([165]) Einige Rechtfertigungssätze der Redaction, gegenüber verschiedenen, ihr zugekommenen Anfragen, Wünschen, Beschwerden und Vorwürfen. ([165]) Milch-Kur (168) Zum Fortschritt. (170) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (171) Briefkasten. (172) No. 22. den 15. Juli. 1863. (No. 22. / 1863) ([173]) Bad Wartenberg (Wasserheilanstalt in Böhmen). ([173]) No. 23. den 22. Juli. 1863. (No. 23. / 1863) ([181]) Einige Rechtfertigungssätze der Redaction, gegenüber verschiedenen, ihr zugekommenen Anfragen, Wünschen, Beschwerden und Vorwürfen. ([181]) Aus dem hydro-dätetischen Verein zu Dresden. (183) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (187) Briefkasten. Ankündigungen. (188) No. 24. den 29. Juli. 1863. (No. 24. / 1863) ([189]) Einige Rechtfertigungssätze der Redaction, gegenüber verschiedenen, ihr zugekommenen Anfragen, Wünschen, Beschwerden und Vorwürfen. ([189]) Ueber Neubildungs- und Ansatz-Fieber, zugleich eine Familien-Episode. (191) Nachtrag zu Rikli's partiellen Bettdampfbädern. (193) Die Bade-Einrichtungen in den öffentlichen Krankenhäusern und den Militärspitälern. (193) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (194) Nekrolog. (195) [Gedicht]: Aquarelle (195) Briefkasten. Ankündigungen. (196) No. 25. den 5. August. 1863. (No. 25. / 1863) ([197]) Einige Rechtfertigungssätze der Redaction, gegenüber verschiedenen, ihr zugekommenen Anfragen, Wünschen, Beschwerden und Vorwürfen. ([197]) An die Redaction. (199) Verschiedenes. (200) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (201) Briefkasten. Ankündigungen. (204) No. 26. den 12. August. 1863. (No. 26. / 1863) ([205]) Einige Rechtfertigungssätze der Redaction, gegenüber verschiedenen, ihr zugekommenen Anfragen, Wünschen, Beschwerden und Vorwürfen. ([205]) Das Land-Bad zu Steinerhof bei Bruck (207) Ueber die Behandlung des Typhus mittelst Naturheilverfahrens ohne Arznei und ohne Blut-Entziehung. (208) Zum Fortschritt. (209) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (211) Briefkasten. (211) Ankündigungen. (200 [212]) No. 27. den 19. August. 1863. (No. 27. / 1863) ([213]) Einige Rechtfertigungssätze der Redaction, gegenüber verschiedenen, ihr zugekommenen Anfragen, Wünschen, Beschwerden und Vorwürfen. ([213]) Ueber die Behandlung des Typhus mittelst Naturheilverfahrens ohne Arznei und ohne Blut-Entziehung. (216) Zur Gesundheitspflege. (217) Ueber Ableitungskur und Sonnenbäder. (218) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (219) Ankündigungen. (220) No. 28. den 26. August. 1863. (No. 28. / 1863) ([221]) Einige Rechtfertigungssätze der Redaction, gegenüber verschiedenen, ihr zugekommenen Anfragen, Wünschen, Beschwerden und Vorwürfen. ([221]) Zur Gesundheitspflege. (223) Einiges über kurmäßige Wasseranwendung. (225) Zur Geschichte von der schwierigen Einbürgerung des Naturheilverfahrens in den Familien. (226) Eppes zum Impf-Unsinn. (226) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (227) Briefkasten. (228) No. 29. den 2. September. 1863. (No. 29. / 1863) ([229]) Zur Gesundheitspflege. ([229]) Wohnung. ([229]) Heizung. (230) Beleuchtung. (231) Lüftung. (231) Baunscheidt und der Baunscheidtismus. (232) Die magnetische Kuranstalt und das Laub-Bad Steinerhof (233) In dem Capitel der Schwierigkeit, die Naturheilkunde und ihren Segen in den Familien begreiflich zu machen, nebst Verschiedenen über die Behandlung hitziger Krankheiten mit Wasser. (234) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (235) Vegetarianerin als Gattin gesucht. (236) [Abb.]: Wasserheilanstalt Königsbrunn bei Königstein in der sächs. Schweitz. ( - ) No. 30. den 9. September. 1863. (No. 30. / 1863) ([237]) Die sächsischen Wasserheilanstalten Schweizer-Mühle und Königsbrunn. ([237]) Ueber den Einfluß des Kaltwaschens und Badens auf schwächliche und gegen die äußeren Eindrücke der Luft sehr empfindliche Personen. (241) Nachbemerkung der Redaction. (243) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (243) No. 31. den 15. October. 1863. (No. 31. / 1863) ([245]) Zur gefälligen Beachtung für Alle, welche mit dem "Naturarzt" wegen eines Krankheitszustandes correspondiren wollen. ([245]) Professor Dr. Bock und der Naturheils-Prozeß. (249) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (251) Aphorismen. Briefkasten. (252) No. 32. den 22. October. 1863. (No. 32. / 1863) ([253]) Wie heilt man Scropheln und Tuberculose am richtigsten? ([253]) Aus dem hydro-dätetischen Verein zu Dresden. (255) Baunscheidt und der Baunscheidtismus. (258) Nachbemerkung der Redaction. (260) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. Briefkasten. (260) No. 33. den 29. October. 1863. (No. 33. / 1863) ([261]) Wie heilt man Scropheln und Tuberculose am richtigsten? ([261]) Aus dem hydro-dätetischen Verein zu Dresden. (263) Nachbemerkung der Redaction. (265) Zur Volks-Diätetik. Ein neuer Cornaro. (265) Versprochener Nachtrag, Verstopfungen betreffend. (266) Nachbemerkung der Redaction. (267) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. Briefkasten. (267) No. 34. den 5. November. 1863. (No. 34. / 1863) ([269]) Wie heilt man Scropheln und Tuberculose am richtigsten? ([269]) Versprochener Nachtrag, Verstopfungen betreffend. (272) Die Bock'sche Kur mit Warmwasser, Flanelljäckchen, wollenen Strümpfen und dergleichen Leibbinden ec. (274) Nachbemerkung der Redaction. (276) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (276) No. 35. den 12. November. 1863. (No. 35. / 1863) ([277]) Wie heilt man Scropheln und Tuberculose am richtigsten? ([277]) Die Naturheilkunde im Kampf mit Vorurtheil, Irrthum, Aberglauben und Trägheit. (280) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (282) Aphorismen. Briefkasten. (284) No. 36. den 19. November. 1863. (No. 36. / 1863) ([285]) Wie heilt man Scropheln und Tuberculose am richtigsten? ([285]) Etwas über Thermoelectricität und ihre Wirkung bei der Wasserverwendung in Krankheitsfällen. (288) Erklärung. Nachbemerkung der Redaction. (291) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (291) Briefkasten. (292) No. 37. den 26. November. 1863. (No. 37. / 1863) ([293]) Augenentzündungen. ([293]) Nachbemerkung der Redaction. (295) Wie heilt man Scropheln und Tuberculose am richtigsten? (296) Zu meiner Rechtfertigung gegen Herrn Dr. Schauenburg, den wissenschaftlichen Vertreter des Herrn Baunscheidt und des Baunscheidtismus. (298) Aphoristische Mittheilungen. (299) No. 38. den 3. December. 1863. (No. 38. / 1863) ([301]) Ueber den Aderlaß und dessen Werth in der Lungenentzündung. ([301]) Ueber Gesundheitspflege mit Rücksicht auf die Resultate, die bei Behandlung der verschiedensten Kinder-Krankheiten erzielt worden sind. (303) Croup oder häutige Bräune. (305) Aphoristische Mittheilungen. (307) No. 39. den 22. December. 1863. (No. 39. / 1863) ([309]) Wie heilt man Scropheln und Tuberculose am richtigsten? ([309]) Physiatrische Heilung von englischer Krankheit (Rhachitis). (312) Ueber Milchgenuß und Milcherzeugung. (314) Nachbemerkung der Redaction. (314) Die erregenden nassen Einpackungen. (314) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (315) Aphoristische Mittheilungen. Briefkasten. (316) No. 40. den 30. December. 1863. (No. 40. / 1863) ([317]) Wie heilt man Scropheln und Tuberculose am richtigsten? ([317]) Nachbemerkung der Redaction. (320) Nochmals zur Heilung der Syphilis. (320) Adresse des hydro-diätetischen Vereins zu Dresden (322) Zum Baunscheidtismus. (323) Nachbemerkung der Redaction. (323) Des Naturarztes D. Helfer Leiden und Freuden. (324) Inhalts-Verzeichniß des "Naturarztes". - Zweiter Jahrgang 1863. ( - ) Sach- und Wort-Register zum "Naturarzt". - Zweiter Jahrgang 1863. ( - ) Einband ( - ) Einband ( - )
In: Integration: Vierteljahreszeitschrift des Instituts für Europäische Politik in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Europäische Integration, Band 33, Heft 4, S. 297-311
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2019 hat Thomas Hofmann den scheinbar ewigen Präsidenten Wolfgang Herrmann an der Spitze der TU München abgelöst. Was macht er jetzt anders? Ein Gespräch über das bayerische Genderverbot, die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, die Beziehungen zu China – und Hofmanns Verständnis der unternehmerischen Universität.
Thomas Frank Hofmann, Jahrgang 1968, ist Lebensmittelchemiker und war von 2009 bis 2019 geschäftsführender Vizepräsident der Technischen Universität München (TUM) für Forschung und Innovation. Seit 2019 ist er Präsident der TUM. Foto: Astrid Eckert / TUM.
Herr Hofmann, auf Betreiben von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist Anfang April in Bayern das Genderverbot in Kraft getreten. Schulen, Hochschulen und Behörden ist die Verwendung geschlechtersensibler Sprache von nun an ausdrücklich untersagt. Was bedeutet das für die Technische Universität München (TUM)?
Wir glauben, dass Diversität, ihre Förderung und Wertschätzung die Schlüssel sind für den Erfolg unserer Universität. Durch die Nutzung gendersensitiver Sprache versuchen wir seit Jahren eine möglichst große Vielfalt an Talenten anzusprechen. Und das gelingt zunehmend gut, auch wenn wir wie auch andere technische Universitäten gerade bei weiblichen Studierenden und Wissenschaftlerinnen weiterhin Aufholbedarf haben. Wir interpretieren das Verbot so, dass es für die Universität im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben gilt, also beispielsweise bei der Erstellung von Satzungen oder Promotionsordnungen etwa. In anderen Bereichen, wie beispielsweise in der Kommunikation innerhalb unserer Universitätsgemeinschaft verfahren wir im Bestreben einer weiteren Steigerung unserer Vielfalt wie bisher.
Also sämtliche Lehrveranstaltungen, Lehrunterlagen und Forschungsarbeiten fallen nach Ihrem Verständnis nicht unter das Verbot?
Soweit ist unser Verständnis, und ich bin sicher, dass die noch ausstehenden Ausführungsempfehlungen des Freistaats in dieser Form die Autonomie der Hochschulen nicht unnötig einschränken.
"Dieser vermeintliche 'Genderzwang' existiert doch gar nicht."
Ärgert es Sie, dass Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) als Beispiel für den vermeintlichen "Genderzwang" an bayerischen Hochschulen einen inzwischen gelösten Fall angeführt hat, der sich, wie später herauskam, ausgerechnet an der TUM zugetragen hat?
Nein, zumal dieser vermeintliche "Genderzwang" doch gar nicht existiert. Dass die besagte Promotionsordnung gendersensitive Sprache nutzt, ist lediglich Zeichen unseres Inklusionsverständnisses. Im Übrigen entspricht sie auch andernorts dem heutigen Standard. Wenn Sie die Promotionsordnung der TU Berlin oder auch der ETH Zürich anschauen, dann lesen die sich genauso. Die ganze Aufregung, auch in den Medien, halte ich für unangemessen und vor allem für wenig zeitgemäß, zumal in diesen bewegten Zeiten Deutschland doch vor ganz anderen Herausforderungen steht. Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Medien sollten ihre vereinten Kräfte besser auf innovative Lösungsansätze fokussieren, denn der laufende Wettbewerb um die Zukunftsstandorte der Welt wartet nicht auf Deutschland!
Der Vorwurf lautete, dass einer Promovendin die Verleihung des Doktorgrades verwehrt worden sei, solange sie sich geweigert habe, auf dem Titelblatt das Gendersternchen zu verwenden – was, wie Blume sagte, "sogar in der Promotionsordnung so vorgeschrieben ist". Laut dem Minister "ein klarer Fall von sprachlicher Übergriffigkeit".
Es gab den Fall, dass sich die Veröffentlichung einer Dissertation wegen Diskussionen um Formulierungen auf dem Titelblatt der Dissertation verzögerte. Die Promovendin hatte ihre Prüfungen zuvor bereits erfolgreich bestanden. Daran gab es keinen Zweifel. Die Promovendin hatte sich zudem gewünscht, den Titel "Doktor" als Bezeichnung des generischen Maskulinums zu erhalten statt "Doktorin". Dies war lediglich der erste derartige Fall an der TUM seit Inkrafttreten der Neufassung der Promotionsordnung 2021. Deshalb hat sich der Ablauf etwas verzögert, was auch nicht mehr vorkommen sollte. Da wir an der TUM möglichst große individuelle Freiheiten bezüglich geschlechterspezifischer Bezeichnungen gewähren, haben weibliche Promovierende natürlich die Möglichkeit, den akademischen Grad "Doktor" oder "Doktorin" zu wählen, so auch in diesem konkreten Fall. Also erneut: kein Grund zur Aufregung.
Ebenfalls von der Staatsregierung beschlossen wurde ein Entwurf für ein "Gesetz zur Förderung der Bundeswehr in Bayern", das nicht nur Zivilklauseln an bayerischen Hochschulen untersagt, obwohl es gar keine gibt, sondern ein allgemeines Kooperationsgebot für die Hochschulen mit der Bundeswehr festschreibt. Stellt das Wissenschaftsministerium auf Antrag der Bundeswehr fest, dass eine Kooperation für die nationale Sicherheit erforderlich sei, sollen die Hochschulen künftig sogar ministeriell zur Zusammenarbeit gezwungen werden. Eine Grenzüberschreitung?
Die grundgesetzlich verankerte Freiheit von Lehre und Forschung wird an der TUM mit höchster Wertigkeit gelebt und schließt aus meiner Sicht ein Verbot von Forschung zu Dual-Use-Technologien und eine entsprechende Zivilklausel aus. Darum gab es an der TUM auch nie eine Zivilklausel. Außerdem bin ich der Überzeugung, dass wir uns keiner Technologie verschließen sollten, nur weil sie gegebenfalls Dual-Use-Potential mit sich bringt, also neben zivilen auch für defensiv-militärische Zwecke genutzt werden könnte. Oft genug war es in der Vergangenheit doch sogar umgekehrt: Zahlreiche Technologien wurden beispielsweise in den USA primär für militärische Zwecke entwickelt und führten dann, etwa in der Luftfahrt, zu innovativen Fortschritten in der zivilen Nutzung. Unnötige Einschränkungen bei der Erforschung von Dual-Use-Technologien an der TUM wären somit zum Nachteil des Innovationsfortschritts im zivilen Bereich.
"Wenn der Staat seine Universitäten verstärkt für den Schutz der Bevölkerung in die Verantwortung nehmen will, hat dies aus meiner Sicht nichts mit einem Verlust der Freiheit in der Wissenschaft zu tun."
Außerdem dürfen wir nicht leugnen, dass sich in den vergangenen zwei Jahren die Sicherheitslage in der Welt dramatisch verändert hat. Im Sinne einer friedlich ausgerichteten Verteidigungspolitik sehe ich auch die Hochschulen gefordert, ihre technischen Entwicklungen und Innovationen auch zum Schutz unserer Bevölkerung, der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der nationalen Sicherheit zu nutzen. Wenn der Staat seine Universitäten nun verstärkt in die Verantwortung nehmen will, hat dies aus meiner Sicht nichts mit einem Verlust der Freiheit in der Wissenschaft zu tun. Denn nicht für einzelne Forscher oder einzelne Forscherinnen soll das Gebot zur Kooperation gelten, sondern für die Hochschule als Institution. In die individuelle Entscheidungsfreiheit wird aus meiner Sicht mit dem aktuellen Gesetzesentwurf an keiner Stelle eingegriffen.
Im Oktober 2019 haben Sie Wolfgang Herrmann nach 24 Jahren als TUM-Präsident abgelöst. Herrmann war eine Institution, er hat die Universität zu der gemacht hat, die sie heute ist. Und was machen Sie jetzt anders als er, Herr Hofmann?
Wir sind seit 2019 noch besser geworden, in den Hochschulrankings weiter aufgestiegen und rapide gewachsen bei den Studierendenzahlen, während zahlreiche andere deutschen Hochschulen stagnieren oder schrumpfen. Im aktuellen THE-Universitätsranking besetzen wir Platz 1 in Deutschland und der Europäischen Union. Diese Entwicklung der TUM ist auch Ergebnis mutiger Reformen seit 2019. Also kein einfaches "Weiter so", sondern ständige Veränderung ist unser Gebot der Stunde im international galoppierenden Wettbewerb. In dieser Grundhaltung bin ich geistig sehr nahe bei Wolfgang Herrmann. Wie er bin ich fest davon überzeugt, dass zur erfolgreichen Führung einer Universität Weitsicht, Veränderungsmut und Furchtlosigkeit gehören, immer wieder neu zu denken, innovative Maßnahmen zu entwickeln und Überkommenes einfach zu lassen. Diese operative Agilität und Adaptierungsdynamik sind für zukünftigen Erfolg genauso wichtig wie eine möglichst große Diversität der Talente. Und genau das macht die TUM als "unternehmerische Universität" aus. Aber natürlich gibt es Unterschiede zwischen Wolfgang Herrmann und mir. Viele sagen, dass der größte Unterschied in unseren Führungsstilen liegt. Das mag sein und das ist gut so. Denn der Führungsstil muss zeitgemäß sein, um erfolgreich zu sein, und heute die kreative Kraft der gesamten Universitätsgemeinschaft einbinden.
"Der ewige Patriarch" lautete die Überschrift eines Porträts, das ich einmal über Ihren Vorgänger geschrieben habe.
Mein Führungsstil ist inklusiv und kooperativ. Ich gebe die grobe Richtung vor, höre zu, stimme mich ab und lasse mich hin und wieder mit guten Argumenten auch gerne überzeugen. Und natürlich braucht es manchmal am Ende mutige Entscheidungen, denn wir dürfen unsere Ziele nicht aus dem Blick verlieren.
Mutig ist zum Beispiel, dass die TUM als einzige Universität in Bayern die gesetzlichen Möglichkeiten nutzt und Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einführt, und zwar in beträchtlicher Höhe: zwischen 2000 und 6000 Euro pro Semester. Beunruhigt es Sie nicht, dass keine andere Hochschule mitzieht?
Ich kann nichts zu den Gründen sagen, warum andere die Studiengebühren nicht einführen wollen. Entscheidend ist doch, warum wir uns dazu entschieden haben, Gebühren für Studierende außerhalb der Europäischen Union einzuführen. Als Universität mit internationalem Exzellenzanspruch wollen wir uns nicht nur in der Forschung, sondern gerade auch in der Lehre mit den Besten der Welt messen. Beim Blick auf unsere internationalen Wettbewerber fällt sofort auf, welche enormen Summen die Spitzenuniversitäten in die Erneuerung des gesamten Lehrumfelds investieren, in neue Infrastrukturen, in innovative Lehrtechnologien und -formate oder auch in die weitere Verbesserung der Betreuungsrelationen, die vielerorts völlig anders aussehen als bei uns. Das bedeutet für uns: Um mithalten zu können, um Studiengänge auf höchstem internationalen Qualitätsniveau anbieten zu können und unsere Studierenden wirklich zukunftsfähig auszubilden, braucht es viel mehr Geld als uns staatliche Mittel dazu zur Verfügung stehen. In ganz Deutschland ist die staatliche Grundfinanzierung der Hochschulen dazu nicht ausreichend. Daher wollen wir unsere Finanzierungsbasis verbreitern und eingenommene Studiengebühren gezielt für die Verbesserung der Lehre einsetzen. Davon profitieren alle Studierenden, die nationalen wie die internationalen, und von den bestausgebildeten Talenten ihre späteren Arbeitgeber.
Und Sie haben keine Sorgen, Sie könnten mit der Einführung internationale Studierende abschrecken? Baden-Württemberg schafft die Gebühren gerade wieder ab mit dem erklärten Ziel, dann wieder mehr Talente aus dem Ausland anziehen zu können.
Es gibt da doch große Unterschiede zu uns. Erstens: Die Universitäten in Baden-Württemberg waren beim Anteil internationaler Studierender nicht ansatzweise auf unserem Niveau. Bei den Master-Studiengängen liegen wir inzwischen bei 57 Prozent internationale Studierende. Zweitens war es ein politischer Fehler der Landesregierung in Baden-Württemberg, dass ein Großteil der Gebühren gleich wieder eingezogen wurde, so dass eine spürbare Verbesserung der Lehrqualität eben nicht erreicht werden konnte. Doch nur spürbare Verbesserungen hin zu einem wirklich exzellenten, modernen Lehr- und Lernumfeld werden internationale Studierenden trotz der (international ohnehin üblichen) Gebühren nach München bringen. Sicher wird es in den ersten zwei, drei Jahren Schwundeffekte geben. Das zeigen die Erfahrungen aus den Niederlanden und anderen europäischen Ländern. Es hat sich aber gezeigt, dass an diesen Hochschulen anschließend die internationalen Studierendenzahlen wieder hochgingen – und dann schnell über den Stand vor der Einführung der Studiengebühren hinausgeschossen sind.
"In international ausgerichteten Berufsfeldern macht es heute keinen Sinn mehr, einen Studiengang auf Deutsch anzubieten."
Aber rechtfertigen die Erträge überhaupt den Aufwand?
Das System fährt stufenweise hoch über mehrere Jahre, weil wir nur von neuen Nicht-EU-Studierenden Gebühren verlangen und nicht von denen, die schon bei uns sind. Außerdem wird es für bis zu 20 Prozent der Studierenden Erlass-Stipendien geben: für die absolut herausragenden Talente genauso wie für finanzschwächere Bewerber, weil wir andernfalls an Diversität verlören, wenn die soziale Herkunft über den Universitätszugang entscheiden würde. Insofern tue ich mich schwer, einen konkreten Eurobetrag zu nennen. Aber wir rechnen mittelfristig schon mit einem signifikanten zweistelligen Millionenbeitrag.
2014 hatte Wolfgang Herrmann angekündigt, bis 2020 alle Masterstudiengänge auf Englisch umstellen zu wollen. Was ist eigentlich daraus geworden?
Das wurde als Ziel diskutiert damals, aber in dieser Absolutheit nie beschlossen. Wir haben den Anteil englischsprachiger Studiengänge seitdem organisch wachsen lassen, heute liegt er im Master bei über 70 Prozent. Darunter sind etliche Studiengänge, die Sie zu großen Teilen auch auf Deutsch studieren können, die also im Prinzip zweisprachig sind. Wir erleben aber, dass der Nachfragetrend immer stärker Richtung Englisch geht. Vor kurzem haben wir sogar den ersten Bachelor-Studiengang auf Englisch, für Luft- und Raumfahrt, gestartet, und seitdem ist die Bewerberlage mehrfach überzeichnet mit Bewerberinnen und Bewerbern aus der ganzen Welt. Wir sehen: In international ausgerichteten Berufsfeldern macht es heute einfach keinen Sinn mehr, einen Studiengang auf Deutsch anzubieten, sondern nur auf Englisch.
Wie aber soll das funktionieren, wenn ein Großteil der Lehrenden deutsche Muttersprachler sind? Führt das nicht zwangsläufig zu einer intellektuellen Verflachung, weil sich die Lehrenden und Lernenden in einer Fremdsprache nicht so präzise ausdrücken können wie in ihrer eigenen?
Wir lassen bei der Beantwortung von Fragen in Klausuren in der Regel beide Sprachen zu. Sie können also, wenn die Frage auf Englisch gestellt ist, auch auf Deutsch antworten. Wir sehen aber, dass für die meisten jungen Leute – unabhängig von deren Herkunft – die Kommunikation auf Englisch überhaupt kein Problem mehr ist. Sie sind damit aufgewachsen und dank Social Media und Internet ganz anders darauf getrimmt als frühere Generationen.
Für die Studierenden mag das stimmen. Aber was ist mit ihren Profs?
Ich kann wieder nur für uns an der TUM sprechen, aber unsere Professorinnen und Professoren sind weltweit unterwegs und auf ihren Dienstreisen, bei Vorträgen und auch der Lehre gewohnt, Englisch zu sprechen. Viele kommunizieren mit ihrem gesamten Mitarbeiterkreis nur auf Englisch. Trotzdem bieten wir über unser Sprachenzentrum Kurse an für Dozenten, die ihr Englisch verbessern wollen. Und diejenigen, die aus dem Ausland zu uns kommen, unterstützen wir beim Deutschlernen. Und das tun wir vor allem, damit sie in Deutschland auch außerhalb der Hochschule sprechfähig sind und sich integriert fühlen. Ohne Sprachkompetenzen ist es einfach schwieriger, ausländische Talente und deren Familien in Deutschland zu halten.
Die TUM ist unter anderem mit einem Verbindungsbüro in der Volksrepublik China vertreten. Im Oktober 2020 haben Sie persönlich eine sogenannte Flaggschiffpartnerschaft mit der Tsinghua-Universität in China besiegelt. Bereuen Sie den Schritt inzwischen?
Keineswegs! Auch wenn der politische Druck auf die deutsch-chinesischen Beziehungen massiv zugenommen hat, stehen wir zu einer Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen mit ausgewählten chinesischen Partneruniversitäten. Erst vergangene Woche bin ich nach China geflogen zum Besuch des Präsidenten der Tsinghua University, nachdem vergangenes Jahr eine chinesische Delegation der Universität bei uns war. Auch die Besuche an der Tongji University und der Shanghai Jiao Tong University waren äußerst spannend und inspirierend. Denn wer glaubt, dass diese Universitäten etwas von deutschen Universitäten lernen können, irrt sich grundlegend. Ich glaube, dass viele deutsche Universitäten von diesen Spitzenuniversitäten aus China lernen können!
"Generalverdacht hilft niemanden weiter und entzieht jeder Zukunft die Grundlage."
Also alles wie immer in den Beziehungen zu Ihren chinesischen Partner?
Unsere Ziele sind beständig, aber der Blick und die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Wir gehen heute mit großem Bedacht in unsere internationalen Partnerschaften. Wir schauen uns schon sehr genau an, mit welchem Partner wir zu welchen Themen zusammenarbeiten, unter welchen Konditionen und mit welchen Standards wir kooperieren und wann wir es eben nicht tun. Und wir bereiten unsere Mitarbeitenden vor; wir unterstützen sie mit Coachings, Reisehandys und Reisecomputern, bevor sie auf Dienstreise gehen. Ich halte es für einen kapitalen Fehler zu glauben, Deutschland könnte sich aus einer Zusammenarbeit mit China zurückziehen. Nur durch internationale Spitzenallianzen werden wir unsere heutigen Herausforderungen wie beispielsweise zu Gesundheit oder Klimaschutz lösen können und auch den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern können.
Was antworten Sie einer Bundesforschungsministerin, die sagt: "Hinter jedem chinesischen Forscher kann sich die kommunistische Partei verbergen"?
Generalverdacht hilft niemanden weiter und entzieht jeder Zukunft die Grundlage! Aus der Geschichte können wir lernen: Unwissenheit und Ignoranz trennen die Welt, nur der Austausch verbindet Menschen und Kulturen – und dies ist die Grundlage für Partnerschaften. Natürlich müssen wir dazu unsere Sicherheitsprotokolle anpassen und achtsamer sein als früher, aber wir müssen auch die über viele Jahre aufgebauten Brücken bewahren, mit denen wir deutsche und chinesische Partner in Austausch bringen. Denn sind diese Brücken einmal abgebrannt, wird es Jahrzehnte dauern, wieder Vertrauen aufzubauen.
Bayerns Staatsregierung brüstet sich damit, wie kein anderes Bundesland in die Wissenschaft und die Hochschulen zu investieren, Überschrift: "Hightech Agenda Bayern" (HTA). Laut Wissenschaftsminister Blume sind darüber über 1000 neue Professuren entstanden und verstetigt worden, außerdem sind die Rahmendaten für die Hochschulfinanzierung schon bis 2027 vereinbart. Glückliches Bayern?
Mit der HTA hat Ministerpräsident Söder einen echten und weit sichtbaren Impuls gesetzt für Innovationen aus Bayern; dieser sucht bundes- und europaweit seinesgleichen. Andererseits wird es überall im Land enger, auch bei uns. Ein insuffizienter Bauunterhalt oder die gestiegenen Energiekosten setzen uns wie alle anderen Hochschulen zunehmend unter Druck. In Verbindung mit der unzureichenden Grundfinanzierung presst die Inflation die Hochschulen in ein Korsett, welches jeglichen Atem für die im heutigen internationalen Wettbewerb so dringend erforderlichen Neuausrichtungen in Forschung und Lehre nimmt. Auf der anderen Seite müssen wir einsehen, dass die Staatshaushalte sowohl im Bund als auch in den Ländern momentan sehr belastet sind. Anstatt nur mehr Geld zu fordern, müssen wir daher als Hochschulen selbst agiler werden und alte Zöpfe abschneiden, um dem Neuen eine Chance zu geben, beispielsweise den Ausbau der Unterstützung von Ausgründungen und Start-ups. Denn nur mit neuer Wirtschaftskraft in Deutschland werden auch die Staatskassen wieder besser gefüllt werden, und das Land kann wieder in seine Hochschulen investieren. Also, nicht Jammern bringt uns weiter, sondern Machen!
Das mit der Agilität ist Ihnen, wie man merkt, sehr wichtig. Können Sie Ihren Anspruch mit ein paar Zahlen unterlegen?
Genau zu der Frage haben wir eine Studie durchführen lassen mit dem Ergebnis, dass jede Personalstelle, die der Freistaat bei uns an der TUM finanziert, im Schnitt 14 neue Arbeitsplätze in unseren Start-ups generiert. Das kann sich doch sehen lassen und ist, neben tausenden Absolventen jedes Jahr und unseren Forschungsallianzen mit der Wirtschaft, ein ganz konkreter Return on Investment.
Mit Verlaub: Solche Studien präsentieren viele Hochschulen und Forschungseinrichtungen, und jedes Mal kommen fast unglaubliche Zahlen dabei heraus.
Unsere Zahlen sind belastbar. In der Wissenschaft streben wir vor allem nach neuem Wissen und Erkenntnissen, aber in einem nächsten Schritt übernehmen wir die Verantwortung dafür, dass aus dem Wissen auch marktfähige Innovationen und neue Arbeitsplätze entstehen. Deshalb ermutigen wir alle Universitätsmitglieder, von den Studierenden bis zu den Professorinnen und Professoren, wenn sie eine tolle Geschäftsidee haben, diese auch zu verfolgen. Und wir unterstützen sie dabei. Mit dem Ergebnis, dass heute fast 500 Gründungsteams durch die TUM gefördert werden und weitere 180 studentische Initiativen, über alle Fächer und Disziplinen hinweg. Gerade war eine Gruppe von Studierenden bei mir, die an einer Methan-Sauerstoff-Rakete arbeitet, um sie Ende des Jahres über die 100-Kilometer-Grenze hinaus in den Orbit zu schießen.
"Die Reduzierung der Höchstbefristung in der Post-Doc-Phase ist ungerecht, denn sie ist zum Schaden der jungen Menschen selbst."
Wenn Sie so viel Wert auf das Schaffen neuer Arbeitsplätze in der Wirtschaft legen, was tun Sie für gute Arbeit an der eigenen Universität? Schließlich sehen sich die Hochschulen selbst mit dem stärker werdenden Fachkräftemangel konfrontiert.
Ich danke Ihnen ausdrücklich für diese Frage, denn damit sind wir an einem Schlüsselpunkt angelangt. Wir Hochschulen müssen als Arbeitgeber attraktiver werden, uns dafür am eigenen Schlafittchen packen und viel mehr tun für verlässliche Karrierewege auch unterhalb der Professur. So sind auch zahlreiche Stückelverträge hintereinander unfair gegenüber den jungen Menschen, die sich uns anvertrauen. Die Ampel will zu diesem Zweck das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) novellieren, doch das wird ins Auge gehen, wenn sie das falsche Modell wählt. Laut aktuellem Entwurf sollen künftig nach der Promotion vier Jahre Befristung erlaubt sein und dann nochmal zwei Jahre – aber nur, wenn klar ist, dass die Person danach einen Dauervertrag erhalten kann. Dies kann aber nur in wenigen Fällen erfolgen, so dass de facto für die meisten nach maximal viel Jahren als Postdoc Schluss wäre. Vier Jahre sind aber oft zu kurz, um sich über exzellente Forschung und hochkarätige Veröffentlichungen tatsächlich für eine Professur zu qualifizieren. So täuscht der Reformvorschlag für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine falsche Gerechtigkeit vor. Tatsächlich ist die Reduzierung der Höchstbefristung in der Post-Doc-Phase ungerecht, denn sie ist zum Schaden der jungen Menschen selbst. Und sie wird einen enormen Brain Drain auslösen, entweder heraus aus der Wissenschaft insgesamt oder hinein in ausländische Universitäten, die sich kein solch wissenschaftsfeindliches Korsett anziehen.
Ihr Alternativvorschlag lautet also: Einfach die Regelung lassen, wie sie ist?
Nein, ich unterstütze prinzipiell ein Tenure-Track-System für den wissenschaftlichen Mittelbau mit Nachdruck. Der aktuelle Gesetzesvorschlag ist allerdings verlogen! Statt den Befristungszeitraum von maximal sechs auf vier Jahre zu kürzen, wäre es im Sinne einer Karriereplanbarkeit sicher sinnvoller, die realen Vertragslaufzeiten für Postdocs generell an die Förder- oder Zuwendungsbescheide für Projekte anzupassen, anstatt sie mit Stückelverträgen zu gängeln. Wie auch immer macht die Umsetzung des aktuellen Gesetzentwurfs nur dann Sinn, wenn im dimensionalen Ausmaß neue entfristbare Stellen an die Universitäten kommen. Und dies halte ich vor dem Hintergrund der heute knappen Staatskassen für schieres Wunschdenken. Die Politik muss sich der Konsequenzen ihres Handelns schon bewusst sein!
Sie sagen, die Hochschulen seien gefragt, sich intelligente Konzepte für Karrierewege auch unterhalb der Professur zu überlegen. Welche fallen Ihnen da konkret für die TUM ein?
Das Wissenschaftsmanagement wird immer wichtiger und ist ein hoch attraktives Aufgabenfeld. Diese Kolleginnen und Kollegen tragen maßgeblich dazu bei, dass an der TUM Spitzenleistungen in Forschung und Lehre erzielt werden. Deswegen haben wir zum Beispiel das berufsbegleitende Qualifizierungsprogramm TUM Science Manager aufgelegt. Es dauert zwischen 12 und 24 Monate und die Teilnahme am Kursprogramm erfolgt während der Arbeitszeit – wird also bezahlt.
"Als Franke müsste ich angesichts der Gründung der TU Nürnberg jubeln, aber eine Spitzenuni lässt sich nicht mit der Brechstange schaffen."
Sie haben es vorhin gesagt: Die Hochschulfinanzierung wird auch in Bayern enger. Gleichzeitig hat der Freistaat vor wenigen Jahren die Technische Universität Nürnberg (UTN) neu gegründet, übrigens mit tatkräftiger Unterstützung Ihres Vorgängers, und massive Investitionen versprochen.
Da sehen Sie, dass wir uns doch in einigen Dingen unterscheiden.
Inwiefern?
Als Franke müsste ich jubeln! Aber wenn wir in die Welt hinausschauen sehen wir, dass sich international führende Forschungsstandorte evolutionär und über lange Zeiträume hinweg entwickelt haben. Eine Spitzenuni lässt sich nicht mit der Brechstange schaffen, sondern braucht Geld und vor allem Zeit – viel Zeit! Ein Professor in Stanford hat zu mir mal gesagt, eine wissenschaftliche Top-Einrichtung zu schaffen, koste 100 Milliarden und dauere 100 Jahre.
Erst neulich hat Ministerpräsident Söder einen Strategiewechsel verkündet: die Fokussierung der UTN auf das Thema Künstliche Intelligenz. Sogar einen schnittigen neuen Titel hatte er im Angebot: "Franconian University of Artificial Intelligence".
Ich habe das nicht zu entscheiden. Ich persönlich würde eine Universität nicht thematisch einschränken, selbst wenn es sich wie bei der KI um eine disruptive Querschnittstechnologie handelt. Aber ich glaube, das ist so auch nicht gemeint.
Vielleicht sagen Sie das nur, weil Sie fürchten, dass die UTN ihnen demnächst Ihre KI-Talente abjagt.
Das erwarte ich nicht, und es wäre auch kein sinnvoller bayerischer Ansatz, dass wir jetzt das Wildern beieinander anfangen.
Wie aber wollen Sie überhaupt all die neuen KI-Lehrstühle besetzt bekommen, die in den vergangenen Jahren im Freistaat ausgelobt wurden?
Da sehe ich kein Problem. Wir haben praktisch alle Professuren der HTA besetzt – mit wirklich exzellenten Leuten. Es ist nicht so, dass alle 150 sogenannten KI-Professuren in Bayern jetzt mit Mathematikern und Informatikern besetzt werden, die KI-Grundlagenforschung machen. Davon gibt es in ganz Europa vielleicht 50 ernstzunehmende Leute. Aber die KI hat viele Facetten und Anwendungsdomainen, in denen dann auch die Wertschöpfung von KI entsteht. In solchen Feldern haben wir zahlreiche Berufungen gemacht, wie beispielsweise in der Robotik, der Medizin, in den Sozialwissenschaften und vieles mehr.
Wie passt es eigentlich zusammen, dass Sie an der TUM Spitzentechnologien und KI derart in den Mittelpunkt stellen, gleichzeitig aber gerichtlich bestätigt einen Bewerber abgelehnt haben mit der Begründung, dessen Motivationsschreiben sei mithilfe Künstlicher Intelligenz erstellt worden? Warum sind Sie da nicht offener?
Weil das Motivationsschreiben die individuelle Prägung des Kandidaten zeigen soll. Welchen Sinn hätte es sonst? Etwas völlig Anderes ist es, wenn unsere Studierenden und Lehrenden ChatGPT oder andere sogenannte Large Language Models im Studium einsetzen, das stimulieren wir mit Nachdruck. So wie sich der Taschenrechner zum bewährten Hilfsinstrument entwickelt hat, wird das auch mit KI-Anwendungen sein. Darum bauen wir sie proaktiv in unsere Lehre ein, damit unsere Studierenden vorbereitet sind. Aber erklären, warum sie zu uns an die TUM kommen wollen, sollen unsere Bewerber schon noch selbst.
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Die Kultusministerkonferenz beschließt eine weitreichende Reform ihrer selbst. Was sie sich vorgenommen hat – und an welche Stellen sie sich noch einen Ruck geben sollte.
Bild: Arek Socha / Pixabay.
MAN SOLLTE vorsichtig sein mit Superlativen, aber in jedem Fall ist es eine der größten Strukturreformen im Bildungsföderalismus seit Jahrzehnten. Die Kultusministerkonferenz (KMK) stellt sich neu auf. Wie vorab bereits berichtet gibt es sie künftig im Dreierpack: jeweils eigenständige Konferenzen für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die nur noch an den Stellen ihre Unabhängigkeit beschränken, an denen ihre Zuständigkeiten sich überschneiden. Die Kultusministerkonferenz selbst ist insofern künftig vor allem ein Dach: ein organisatorisches, verkörpert durch die gemeinsame Verwaltung, das Sekretariat, und einmal im Jahr bei der Jahrestagung, bei der die drei Konferenzen zusammenkommen (und darüber hinaus nur anlassbezogen).
Selten seien die Kontroversen in einer Sitzung der KMK so offen ausgetragen worden wie am Donnerstag im Vorfeld dieser Grundsatzentscheidung, berichten Sitzungsteilnehmer. Am Ende aber stand ein Reformbeschluss, mit dem die Minister die ambitionierten Vorschläge ihrer eigens eingerichteten Strukturkommission II umsetzen. Größtenteils zumindest.
Ein hoffentlich nur kleines Aber: An einer neuralgischen Stelle spielen die Minister noch ein wenig auf Zeit. Die Strukturkommission will in der Logik der drei Konferenzen die bisherige KMK-Präsidentschaft abschaffen, entsprechend hat die KMK beschlossen, dass die drei gleichberechtigten Konferenzvorsitzenden eine neue "Spitzenstruktur" bilden sollen. Von einem "Vorstand" anstelle des bisherigen Präsidiums war im Vorfeld der KMK-Sitzung im Hintergrund die Rede.
Wer ist künftig das öffentliche Gesicht des Bildungsföderalismus?
Was bedeutet, dass die Bildungsseite ihren bisherigen Anspruch auf das Spitzenamt aufgeben muss. Für die meisten Wissenschaftsminister das Ende des gefühlten Untergebuttertseins – und wohl auch von den Bildungsministern als unvermeidlich akzeptiert, weil sonst ein Auseinanderbrechen der KMK drohte. Aber was genau heißt das praktisch? Zumal sich die – berechtigte – Frage stellt, wie drei gleichberechtigte Vorsitzende der KMK in der Öffentlichkeit ein Gesicht geben sollen, wenn doch zur Kernkritik am Bildungsföderalismus stets dessen Vielstimmigkeit zählt. >>>
Weiter unten:
Digitalpakt, Internationalisierung, Lehrerbildung, Israel: Was sonst noch bei der KMK wichtig war
>>> "Die Vorsitzenden der drei eigenständigen Ministerkonferenzen sind in enger Abstimmung mit den jeweiligen Koordinatoren für die übergreifende politisch-strategische Koordination zuständig", heißt es jetzt im Beschluss. Und: Die Strukturkommission II werde gebeten, zur Außenvertretung KMK-"Vorschläge für eine agile Aufgabenwahrnehmung innerhalb der Geschäftsordnung vorzulegen."
Unterdessen beschloss die KMK einen weiteren von der Strukturkommission vorgeschlagenen Reformschritt, der am Ende nicht weniger weitreichend sein dürfte: die Einrichtung eines neuen Verwaltungsgremiums auf Amtschefebene. Seine Mitglieder sollen im Gegensatz zu den jedes Jahr wechselnden Konferenz-Vorsitzenden auf mehrere Jahre bestimmt werden und das KMK-Sekretariat operativ und administrativ koordinieren und steuern. Abhängig von den konkreten Personen könnte dieses Gremium zum wirkliche Kern einer langfristiger denkenden, strategischen KMK werden.
Ob es tatsächlich so passiert? Viel hängt von den nächsten Monaten ab. Bis Dezember, haben die Minister der Strukturkommission aufgetragen, soll sie jetzt Vorschläge "für die weitere Ausgestaltung der gemeinsamen Spitzenstruktur, des Verwaltungsgremiums sowie der Gesamtstruktur insbesondere der deutlichen Reduzierung der Gremien" entwickeln, über die dann in einer gemeinsamen Sondersitzung der drei Konferenzen im Dezember 2024 befunden werden soll. Spätestens dann kommt es also zum Schwur, ob die Minister wirklich bereit sind, die Konsequenzen der von ihnen angestoßenen Reform bis in die letzten womöglich nochmal konfliktreichen Details auszubuchstabieren.
Die KMK schützt ihr Sekretariat vor dem befürchteten Zerstörungswillen von Rechts außen
Wer übrigens in der Aufteilung der KMK in drei eigenständige Konferenzen ein Lösungsparadox – mehr Gremien – zu erkennen glaubt angesichts ihres vielleicht größten Strukturproblems, einer Gremienflut, der irrt hoffentlich. Denn gerade durch die klare Aufgabenteilung dürfte es weniger und vor allem weniger komplexe Abstimmungsrunden geben. Hinzu kommt die von der Strukturkommission vorgelegte und von den Ministern ebenfalls abgesegnete "Prüflogik" zur Bewertung bestehender und neuer Gremien. So soll die, siehe oben, "deutliche Reduzierung" der Gremien erreicht werden. Auch hier steht die Lieferung der realen Umsetzung allerdings noch aus.
Mit dem dringend nötigen Tempo Nägel mit Köpfen gemacht haben die Kultusminister dagegen mit einer Entscheidung, die in der Öffentlichkeit – Stichwort politischer Rechtsruck – am meisten Beachtung finden könnte. Damit künftig nicht mehr die Kündigung eines einzelnen Landes zur Auflösung des KMK-Sekretariats führen kann, soll das entsprechende Abkommen geändert werden. Und zwar so, dass nach Kündigung eines Landes die in der Kultusministerkonferenz verbleibenden Länder über die Fortführung und Aufgaben des Sekretariats sowie dessen Finanzierung entscheiden – also weitermachen können. Wie das allerdings so ist mit KMK-Entscheidungen, haben die Ministerpräsidenten (und deren Staatskanzleichefs) sowie die Finanzministerkonferenz das letzte Wort. Letztere treffen sich am 2. Oktober – während in den Ost-Ländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Regierungsbildung laufen dürfte.
Bleibt noch ein großes Aber nach der Reformsitzung der Kultusminister. Durchwachsen sieht es nämlich bei der von vielen Experten geforderten Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip in der KMK bei allen wichtigen Fragen aus. Derzeit gilt dies vor allem bei Beschlüssen, die Auswirkungen auf die Länderhaushalte haben, sowie zur Einheitlichkeit und Mobilität im Bildungswesen und zur KMK selbst.
Die beiden Koordinatorinnen der Bildungsminister:innen Karin Prien (CDU) und Stefanie Hubig (SPD) wollen die Regelung erklärtermaßen ändern, um die KMK flexibler und schlagkräftiger zu machen, offenbar wollte das in der KMK-Sitzung auch die SPD-Seite als Ganzes. Doch gibt es auf der Unions-Seite Widerstand, aus Ostdeutschland und aus Bayern. Das spiegelt sich in dem Beschluss der Ministerrunde wider.
Beim der Debatte ums Einstimmigkeitsprinzip läuft die Zeit davon
Man wolle "grundsätzlich am Einstimmigkeitsprinzip festhalten" – "aufgrund der Bedeutung eines geschlossenen, ländergemeinsamen Handelns". Darüber hinaus soll "unter Würdigung der in der Sitzung erfolgten Aussprache" geprüft werden, "ob und wie zur Erhöhung der Agilität und Handlungsfähigkeit der Kultusministerkonferenz eine Änderung der Abstimmungsmodalitäten im Hinblick auf die neue Gesamtstruktur vorgenommen werden soll".
Ein weiterer Prüfauftrag also. Als wäre nicht das vom Kieler Verwaltungsrechtler Christoph Brüning im Auftrag der KMK verfasste Gutachten, Titel "Institutionelle Resilienz der KMK – Verfassungsrechtliche Implikationen der Verfahrensregeln der KMK" genau diese Prüfung gewesen. Immerhin: Die Strukturkommission soll bis Mitte August Vorschläge "zur Ausgestaltung etwaiger Mehrheits-entscheidungen oder anderer Verfahrenswege" vorlegen.
Wer diesen Beschluss ein wenig widersprüchlich findet, hat die Stimmung in der KMK zu dieser Frage gut erfasst. Nur läuft die Zeit für eine Änderung davon. Nach Mitte August muss es also schnell gehen. Abhängig vom Ausgang der Ost-Landtagswahlen im Herbst könnten schon Ende des Jahres Mitglieder von AfD oder BSW in der Ministerrunde hocken – und aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips wäre man dann bei jeder Reform auf ihre Stimmen angewiesen.
"StarS" für die Grundschule
Die Kultusminister wollen künftig einheitlich testen, was Schulanfänger können. Das ist gut. Noch besser wäre es, bundesweite Qualitätsstandards und deren Monitoring endlich auf die Kitas auszuweiten. (14. Juni 2024) >>>
Zufrieden mit der eigenen Leistung: Wie die Landesminister die KMK-Reform kommentieren
Dass das mit der künftigen – gleichberechtigten – Außenvertretung der KMK noch eine diffizile Sache werden könnte, zeigt das Defilier und die Reihenfolge der Zitatgeber, die in der offiziellen Pressemitteilung zur Reform selbige kommentieren. Durch sie könne die KMK "zukünftig nicht nur besser auf aktuelle Herausforderungen reagieren, sondern kann noch aktiver mitgestalten", sagt die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD), in diesem Jahr und – womöglich letzte – KMK-Präsidentin.
Der saarländische Wissenschaftsminister Jakob von Weizsäcker (SPD), der bei der konstituierenden Sitzung der WissenschaftsMK Ende November in Köln den Vorsitz führen wird, sprach von einem "historischen Tag": "Mit unseren Beschlüssen passen wir die Arbeitsweise der Kultusministerkonferenz viele Jahrzehnte nach ihrer Gründung an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts an." Dieser Tag markiere den Aufbruch zu einer eigenständigen und schlagkräftigen Wissenschafts-MK, die bei themenübergreifenden Fragen weiterhin unter dem Dach der KMK eng mit der Bildungs- und Kulturseite zusammenarbeiten werde. "Im Ergebnis stärkt das die föderale Wissenschaftspolitik in Deutschland und damit perspektivisch unsere Wissenschafts- und Hochschullandschaft."
"Wir müssen schneller und effizienter werden", sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig, die die SPD-geführten Kultusministerien koordiniert. "Entscheidungsprozesse dauern im Schnitt neun Monate – das ist einfach zu lang." Deshalb sei es richtig, sich mit den Abstimmungsmodalitäten in der KMK zu beschäftigen. "Unser Ziel bleibt weiterhin, wegweisende Entscheidungen einstimmig zu treffen. Gleichzeitig müssen wir uns aber fragen und prüfen, wie wir Abstimmungsmodalitäten anpassen können oder andere Verfahrenswege finden, um die KMK auch in Zukunft schlagkräftig zu machen."
Hubigs CDU-Pendant, Schleswig-Holsteins Karin Prien, betonte, die KMK sei "mehr noch als andere Ministerkonferenzen ein föderaler Zusammenschluss, der ein wesentliches und konstitutives Element unserer Verfassung repräsentiert". Die Strukturreform und die Reduzierung der Gremienzahl werde die Arbeit der KMK "nachhaltig effizienter und agiler "machen. "Wir müssen uns um die Resilienz dieser Institution kümmern. Dies darf aber nicht von Angst vor möglichen Wahlergebnissen getrieben sein, sondern muss unserem Gestaltungswillen entspringen, die KMK schlagkräftiger zu machen." Das bedeutet eben auch, dass in Zukunft mehr als bisher einzelne Länder bei bestimmten Themen gemeinsam "als Innovationstreiber zur Erreichung gemeinsamer Ziele und Strategien vorangehen, auch wenn sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle 16 Länder auf diese Wege geeinigt haben".
Armin Willingmann, Wissenschaftsminister von Sachsen Anhalt und Koordinator der SPD-Wissenschaftsseite, sagte, die neue WissenschaftsMK solle "eine starke wissenschaftspolitische Stimme der Länder im Austausch mit dem Bund, der deutschen Hochschul- und Forschungslandschaft sowie anderen gesellschaftlichen Akteuren sein". Durch die neue Struktur werde "mehr Klarheit und Raum fürs Wesentliche" geschaffen.
Bayerns CSU-Wissenschaftsminister Markus Blume, Koordinator der Unions-Wissenschaftsminister, intonierte bezogen auf die Gründung der WissenschaftsMK den Dreiklang "mehr Sichtbarkeit, mehr Schlagkraft, mehr Selbstbewusstsein: Wir führen die Wissenschaftspolitik in Deutschland in eine neue Zeit. Mit der eigenständigen Wissenschafts-MK geben wir der Wissenschaft den Stellenwert, den sie als Schlüsselbereich unserer Gesellschaft politisch braucht." Und: Mit der neuen Architektur entschlacken wir die KMK als Ganzes. Die einzelnen Bereiche werden agiler, effektiver und auch politischer."
Was beim KMK-Treffen im Saarland sonst noch wichtig war
Digitalpakt 2.0: Kultusminister machen weiter Druck aufs BMBF
Während ihrer Konferenz forderten die Kultusminister Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger per Beschluss erneut auf, die Verhandlungen zum Digitalpakt 2.0. schnellstmöglich abzuschließen. "Die Verhandlungsgruppe steckt nun schon sehr lange unglaublich viel Energie in die Verhandlungen und die Länder zeigen sich in höchstem Maße konstruktiv", sagte KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot. "Unsere Kinder und Jugendlichen, Schulen und Schulträger können nicht auf die dringend benötigten digitalen Investitionen warten." Der digitale Wandel sei eine kontinuierliche Aufgabe. Deshalb braucht es "eine verlässliche und dauerhafte Unterstützung der Länder durch den Bund in Form eines DigitalPakts 2.0".
Mindestens 1,3 Milliarden Euro pro Jahr fordern die Länder vom Bund. Die Kultusminister erinnerten nach ihrer Sitzung daran, "dass die Verhandlungen ursprünglich darauf abzielten, den DigitalPakt 2.0 zum 1. Januar 2025 starten zu lassen". Was fast so klingt, als glaubten sie selbst schon nicht mehr an dieses Startdatum.
SPD-Koordinatorin Stefanie Hubig, im Hauptjob Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz, sagte: "Wir erkennen an, dass die Finanzierung für den Bund eine Herausforderung darstellt. Deshalb haben die Länder einem neuen Zeitplan für die Verhandlungen zugestimmt. Jetzt müssen wir diesen einhalten und die Gespräche schnell, konstruktiv und zielgerichtet zum Abschluss bringen." Unions-Koordinatorin Karin Prien, Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, betonte, der neue Digitalpakt 2.0 dürfe nicht nur Infrastrukturlücken schließen, "er hat eine zentrale Gestaltungsaufgabe. Wir müssen junge Menschen auf eine Welt vorbereiten, die von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz geprägt sein wird. Bund, Länder und Kommunen tragen dafür gemeinsam die Verantwortung."
Scharfe Reaktion aus dem BMBF
Die Replik aus dem Bundesbildungsminsterium folgte prompt. "Der heutige KMK-Beschluss zum Digitalpakt ist ein Offenbarungseid", kommentierte der parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Jens Brandenburg, auf "X". "Wer endlich Bewegung von den Ländern erwartet hat, wird bitter enttäuscht. Viel Gejammer und Getöse. Aber kein Wort zur Lehrkräftebildung, nichts zur Entlastung der Kommunen, keine Bereitschaft zur hälftigen Kofinanzierung, keine Überwindung des Königsteiner Schlüssels. Mit dem kürzlich vereinbarten Arbeitsauftrag schien die Blockadephase einiger Länder erstmals überwunden. Nun doch wieder so ein Rückschlag. Das ist ärgerlich." Sobald endlich ein gemeinsames konzeptionelles Gerüst erkennbar sei, könne man auch über Zahlen sprechen, sagte Brandenburg – und zeigte mit seinen weiteren Äußerungen, wie persönlich der Bund-Länder-Streit um den Digitalpakt 2.0. mittlerweile ausgetragen wird. "Der größte Bremsklotz im deutschen Bildungsföderalismus sind einzelne Personen, die ihre parteipolitische Profilierung immer wieder über den Erfolg des Bildungssystems stellen." Schon das Startchancen-Programm sei "aus Wiesbaden ausgebremst" worden, "auch beim Digitalpakt geht der hessische Kultusminister Schwarz mit schlechtem Beispiel voran."
Der CDU-Politiker Armin Schwarz hatte bei Bildung.Table dem BMBF vorgeworfen, es gebe "Null-Komma-Null Planungssicherheit für die Länder". Es sei die Krönung gewesen, dass der Bund in seinem jüngsten Entwurf von einem letztmaligen Engagement gesprochen habe, das sei "unsäglich". Es gebe keinerlei Transparenz über die Haushaltsberatungen im Bund, "wenn wir beim Digitalpakt kofinanzieren müssen, wäre es wichtig, wenn die Länder etwas von der Höhe der benötigten Gelder wüssten." Das Startchancen-Programm wiederum sei "kein Programm, das ist ein Progrämmchen". Es erreiche 16 Prozent der hessischen Schulen und mache im Jahr nur wenig mehr als ein Prozent des hessischen Bildungsetats aus.
Ebenfalls laut Bildung.Table sollen die Länder am Donnerstag nicht bereit gewesen sein, über eine Tischvorlage des BMBF zum Digitalpakt zu sprechen. Vor Ort war BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring, Bundesvertreterin in der Staatssekretärs-Verhandlungsgruppe zum Digitalpakt.
Wissenschaftsminister verabschieden neue Strategie zur Internationalisierung der Hochschulen
Die KMK beschloss bei ihrem Treffen im Saarland auch eine neue, gemeinsam von Bund und Ländern getragene Internationalisierungsstrategie der Hochschulen in Deutschland für den Zeitraum 2024 bis 2034. Sie umfasst vier Handlungsfelder von "Hochschulen als Motoren der internationalen Mobilität" (etwa eine verbesserte Willkommenskultur, die Steigerung des Studienerfolgs, mehr fremdsprachige Studienangebote) über die Verbesserung der rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen (zum Beispiel beschleunigte Visa- und Aufenthaltsverfahren, flexible Zugangswege und eine optimierte Anerkennungspraxis) und die Stärkung der internationalen Zusammenarbeit bis hin zur Nutzung der digitalen Transformation (die strategische Verzahnung von Digitalisierung und Internationalisierung, datenschutzsichere Infrastrukturen, virtuelle Formate zur Ergänzung der physischen Mobilität).
Die Strategie soll von einer Indikatoren-basierten Berichterstattung über die Fortschritte begleitet werden, teilten KMK und BMBF mit.
Deutschland gehöre zu den beliebtesten Studienstandorten weltweit, sagte der saarländische Wissenschaftsminister Jakob von Weizsäcker (SPD). "Im Rahmen der Internationalisierungsstrategie wollen wir die Studienbedingungen für internationale Studierende weiter verbessern und stärken uns damit im Wettbewerb um Fachkräfte und wissenschaftliche Exzellenz." Im OECD-Vergleich habe Deutschland heute neben Kanada die höchste Bleibequote bei den Absolventen. "Das ist uns Ermutigung für den weiteren Ausbau der Willkommenskultur für unsere ausländischen Studierenden und Absolventen."
Internationale Wissenschaftskooperationen seien "der Schlüssel, um globale Herausforderungen wie die Klimakrise, den Gesundheitsschutz oder den demographischen Wandel anzugehen", sagte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). "Deshalb setzen wir neue Impulse für die Internationalisierung unserer Hochschulen in vier zentralen Handlungsfeldern und schaffen gemeinsam mit den Ländern optimale Rahmenbedingungen. So bauen wir die Attraktivität und globale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Hochschul- und Wissenschaftsstandorts weiter aus."
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) begrüßte die Entscheidung. "Die Strategie zeigt, dass erfolgreiche Internationalisierung gesellschaftlich, politisch und ökonomisch positive Ergebnisse bringen kann", sagte DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee. Richtigerweise werde der Blick auf die Chancen der Internationalisierung bei Themen wie wissenschaftlicher Exzellenz und Fachkräftegewinnung gelenkt. Zugleich berücksichtige die Strategie die Herausforderungen, insbesondere zu Themen wie Kooperation in Krisen oder der Gestaltung einer Willkommenskultur. "Diese realistische und wissenschaftsorientierte Strategie sendet das richtige Signal an die Hochschulen und die Wissenschaftsgemeinschaft in Deutschland in herausfordernden Zeiten." Der DAAD-Präsident betonte, dass die Umsetzung der Strategie eine angemessene Finanzierung erfordere.
Nach ihren ersten Beschlüssen zur Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung im März legte die KMK im Saarland nach und sprach von "weitere(n) Schritte zur Gewinnung und Qualifizierung von Lehrkräften". Konkret sicherte sie die bereits im Frühjahr verkündete Etablierung von Ein-Fach-Lehrkräften, dualen Lehramtsstudiengängen und Quereinstiegs-Masterstudiengängen jetzt ab, indem die Minister sich auf einen "ländergemeinsamen Rahmen" einigten "für die Entwicklung verbindlicher landesrechtlicher Vorgaben zur Einführung dieser zusätzlichen Wege zur Qualifizierung von Lehrkräften durch die Länder und Hochschulen".
Weniger behördig formuliert: Da jeweils die einzelnen Länder über die rechtliche Ausgestaltung des Lehramts entscheiden und damit auch über die neuen Ausbildungswege, dient der beschlossene Rahmen dazu, die länderübergreifende Vergleichbarkeit und gegenseitige Anerkennung der Lehramtsabschlüsse und des darauf aufbauenden Referendariats sichern. Sonst wäre zum Beispiel keine berufliche Mobilität der nach den neuen Modellen ausgebildeten Lehrkräften über Landesgrenzen hinweg möglich. Dass die KMK in ihrer Pressemitteilung erneut versicherten, "die bestehenden Beschlüsse zur inhaltlichen und strukturellen Rahmensetzung in der Lehrkräftebildung bleiben unverändert", zeigt eine gewisse Paradoxie des Reformvorhabens auf: Alle wissen, dass es die Lehrkräftebildung grundsätzlich und nachhaltig verändert, doch tut man so, als handle es sich nur um Sondermaßnahmen zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels.
Deshalb hat die gegenseitige Anerkennung der neuen Modelle Grenzen: Nur Länder, die selbst auch Lehrkräfte dual oder in nur einem Fach ausbilden, müssen sie auch von anderswoher anerkennen. Für Absolventen eines dualen Lehramtsstudiums kommt eine weitere Einschränkung dazu. Mit den neuen Regelungen für die Qualifizierung und Mobilität von Lehrkräften, die über alternative Wege in den Beruf kommen, stärken wir nicht nur die Lehrkräfteversorgung, sondern fördern auch die Anerkennung verschiedener Bildungs- und Professionalisierungswege", sagte KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot. Gleichzeitig sollten den Ländern weitere Möglichkeiten gegeben werden, "auf länderspezifische Bedarfssituationen zu reagieren. Die Mobilität wollen wir dadurch sicherstellen, in dem die Länder das anerkennen an Abschlüssen, was sie auch selbst an Abschlüssen ausbilden."
Unterdessen warnte der Deutsche Philologenverband (DPhV), bei der Neuaufstellung der KMK in die drei Konferenzen Bildung, Wissenschaft und Kultur müsse besser sichergestellt werden, dass die universitäre Phase der Lehrkräftebildung "nicht so gut wie allein in der Verantwortung der Wissenschaftsministerkonferenz liegt". Mit nur einem gemeinsamen Treffen im Jahr mit der WissenschaftsMK würden die Kultusminister ihrer Verantwortung nicht mehr gerecht werden können.
KMK: Kein Boykott der israelischen Wissenschaft
Nachdem die Allianz der Wissenschaftsorganisation sich bereits am Dienstag klar gegen einen Boykott israelischer Forscher und Wissenschaftseinrichtungen positioniert hatte, taten es die Kultusminister es ihr vor dem Wochenende nach. "Wir positionieren uns entschieden gegen Boykottaktionen gegen Wissenschaft und Forschung in Israel", sagte der saarländische Wissenschaftsminister Jakob von Weizsäcker (SPD). "Die israelischen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen sind für uns hoch geschätzte Partner und gleichzeitig wichtige Stützen einer offenen Gesellschaft in Israel."
Die Kultusministerkonferenz setze sich nachdrücklich für eine offene und integrative Wissenschaftsgemeinschaft ein, "in der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Religion konstruktiv zusammenarbeiten können", hieß es in dem Beschluss.
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NRW-Wissenschaftsministerin Ina Brandes über ihre Pläne gegen den Fachkräftemangel und Sanierungsstau, ihre Erwartungen an die Hochschulen – und die Verstimmungen mit dem BMBF.
Ina Brandes, 45, war über viele Jahre Geschäftsführerin eines Bauplanungskonzerns. 2021 wurde die CDU-Politikerin Verkehrsministerin, nach der Landtagswahl 2022 übernahm sie das
Ministerium für Kultur und Wissenschaft. Foto: MKW.
Frau Brandes, Ihre Vorgängerin hat einst die Bezeichnung Ihres Ministeriums geändert. Seitdem steht die Kultur vor die Wissenschaft. Sie haben die Reihenfolge so gelassen. Verbirgt sich bei Ihnen auch eine politische Aussage dahinter?
Ich gehe die Dinge gern pragmatisch an und frage mich bei Problemlösungen grundsätzlich, wem sie nützen. Mir sind beide Arbeitsbereiche meines Ministeriums gleichermaßen wichtig, in beide investiere ich ungefähr gleich viel Zeit. Deshalb sehe ich keine Notwendigkeit und keinen praktischen Nutzen für eine Namensänderung.
Sie waren zehn Jahre lang Sprecherin der Geschäftsführung in einem Bauplanungsunternehmen, dann ein Dreivierteljahr Verkehrsministerin in Nordrhein-Westfalen. Was davon hat Sie auf Ihren jetzigen Job vorbereitet?
Als Verkehrsministerin habe ich das Politikerhandwerk gelernt. Politik ist ein Beruf, für den es Handwerkszeug braucht, und zwar unabhängig von den inhaltlichen Themen. Fachlich hat mir die Zeit als Geschäftsführerin eines Planungsunternehmens sicher weitergeholfen, wenn ich an die Bauten unserer Hochschulen, Uniklinika und Kultureinrichtungen denke – und all die Herausforderungen, die damit zusammenhängen.
Wenn ich die Reihe Ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger durchgehe, hatten die alle ein Leitthema. Bei Andreas Pinkwart von der FDP waren es das Hochschulfreiheitsgesetz und Innovation, bei Svenja Schulze von der SPD die Partizipation an den Hochschulen, bei der parteilosen Isabel Pfeiffer-Poensgen die Förderung der Kultur. Und bei der CDU-Politikerin Ina Brandes?
Ich möchte im Bereich Wissenschaft vor allem drei Schwerpunkte setzen. Erstens: den Fachkräftemangel und was das Wissenschaftsministerium zu seiner Linderung beitragen kann. Zweitens: der Hochschulbau, wie wir ihn beschleunigen und kosteneffizienter machen können. Und drittens: die Unterstützung der Forschung in ihrer gesamten Bandbreite. Als sechstgrößte Volkswirtschaft Europas muss Nordrhein-Westfalen den Anspruch haben, wissenschaftlich an der Spitze dabei zu sein.
Mindestens die ersten beiden Themen haben Bezugspunkte zu Ihrem Werdegang. Als Sie Referentin im Niedersächsischen Landtag waren, haben Sie eine Enquete-Kommission zum Demografischen Wandel betreut. Das war 2006, als sich kaum einer vorstellen konnte, dass wir statt Rekordarbeitslosigkeit bald einen Mangel an Arbeitskräften haben würden.
Schon damals war absehbar, in welche Situation wir hineinlaufen. Der Mangel betrifft gerade auch die akademischen Berufe. Das gilt besonders für die MINT-Disziplinen, den Gesundheitsbereich, die Pflege und das Lehramt. Inzwischen steht fest, dass der Fachkräftemangel zu den größten Risiken für unseren volkswirtschaftlichen Wohlstand gehört.
"Ich weihe gerade Bauprojekte ein, die schon unter meinem Vorvorvorgänger beschlossen wurden."
War Ihnen auch bei dem Bauthema vor Ihrem Amtsantritt klar, wie dramatisch die Lage an vielen Hochschulen ist?
Klar war mir, dass wir in Sachen Infrastruktur viel werden tun müssen. Denn wir haben großen Bedarf bei Sanierungen und Neubauten. Wahrscheinlich gibt es nirgendwo sonst eine solche Dichte von Campus-Universitäten aus den 70er Jahren. Da gibt es viel zu tun. Sehr viel. Ich weihe gerade Projekte ein, die schon unter meinem Vorvorvorgänger beschlossen wurden.
Die Amtszeit von Andreas Pinkwart endete 2010.
Natürlich sind viele dieser Bauprojekte sehr komplex. Und das Tempo spielt bei allen Bauten der öffentlichen Hand leider eine eher untergeordnete Rolle. Deshalb erleben wir gerade regelmäßig, dass es bis zu 15 Jahre dauert, bis ein Wissenschaftsbau fertig ist. Ich bin sicher: Das können wir besser und vor allem schneller.
Das ist doch in der nordrhein-westfälischen Verkehrspolitik nicht anders, oder?
Auch da sind die Herausforderungen groß – wenn auch aus anderen Gründen. Vorankommen werden wir nur, wenn wir auch hier das Thema Fachkräftemangel entschlossen angehen.
Der neue Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, nannte den Hochschul-Sanierungsstau bei Research.Table neulich eine "Ewigkeitsaufgabe" und will den Bund zurück in der Mitverantwortung. Weil die Länder es nicht allein hinbekommen?
Wir können – und müssen – es als Land allein hinbekommen. Der Bund ist als Folge der Föderalismusreform von 2006 zwar völlig raus bei der Frage der Hochschul-Infrastruktur. Mit der Föderalismusreform 2014 ist aber eine Bund-Länder-Zusammenarbeit bei Einrichtungen im Hochschulbereich, also auch im allgemeinen Hochschulbau, wieder ermöglicht worden. Für eine lange verfassungsrechtliche Diskussion fehlt uns aber die Zeit. Deswegen warten wir nicht auf den Bund, sondern helfen uns selbst.
"Im Moment macht es in Nordrhein-Westfalen keinen Unterschied, ob Sie eine Polizeidienststelle, ein Finanzamt oder eine Hochschule bauen."
Sie haben Ministerkolleginnen und -kollegen in den Ländern, die sehen das komplett anders, bezeichnen die Reform von 2006 als einen historischen Fehler und würden sie am liebsten wieder rückgängig machen. Auch der Wissenschaftsrat riet vergangenes Jahr dazu, zumindest in Bezug auf die Nachhaltigkeitsziele neue Kooperationsmöglichkeiten von Bund und Ländern zu prüfen.
Als Verfechterin des Subsidiaritätsprinzips stelle ich fest, dass noch nie ein Bauprojekt dadurch schneller fertig geworden ist, dass eine weitere Entscheidungsebene einbezogen wurde. Ich möchte meine Zeit als Ministerin lieber nutzen, konkrete Verbesserungen zu erreichen, statt mich in Struktur-Debatten zu verkämpfen, die am Ende nur sehr mittelbar und in keinem Fall kurzfristig zur Problemlösung beitragen können. Zumal der Bund meint, er sei verfassungsrechtlich daran gehindert, sich beim Hochschulbau finanziell zu engagieren. Was aber nach unserer Rechtauffassung nicht stimmt.
Sie werden aber auch in Nordrhein-Westfalen keine wundersame Geldvermehrung zur Finanzierung des Hochschulbaus erwarten können.
Wir können eine Menge Geld einsparen, wenn wir Bauprojekte künftig statt in zwölf oder 15 in fünf oder sechs Jahren realisieren. Dann bauen wir nicht nur halb so lange, sondern auch deutlich günstiger. Dafür müssen wir Prozesse ändern. Im Moment macht es in Nordrhein-Westfalen keinen Unterschied, ob Sie eine Polizeidienststelle, ein Finanzamt oder eine Hochschule bauen. Auf die Bedürfnisse und Besonderheiten des jeweiligen Umfeldes nehmen die geltenden Regularien kaum Rücksicht. Und die Abläufe verkomplizieren alles unnötig.
Was meinen Sie damit?
Am Bau der meisten öffentlichen Gebäude sind das Finanzministerium, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft und die Hochschulen beteiligt. Alle vier arbeiten mit unterschiedlichen Anforderungen und unterschiedlichen Prozessen. Ein Beispiel: Die Hochschulen sind mit zusammengenommen fünf Millionen Quadratmetern der größte Mieter des Liegenschaftsbetriebs und wenden im Vergleich zur Privatwirtschaft sehr viel Geld für die Nutzung ihrer Gebäude auf. Gleichzeitig widmen sich die Hochschulen neben ihren wissenschaftlichen Aufgaben auch dem alltäglichen Gebäudebetrieb. Das ist historisch alles so gewachsen, macht das Bauen und den Betrieb aber extrem komplex. Als Seiteneinsteigerin interessiert mich der Blick nach vorn. Deshalb entwickele ich mit allen Beteiligten Ideen, wie wir schneller und in gleicher Qualität bauen können. Mir hilft dabei, dass ich im Baubereich Sinn und Unsinn ganz gut auseinanderhalten kann.
Sie mögen es ja konkret. Geben Sie uns bitte ein Beispiel.
Wir drehen zu viele Freigabeschleifen. Wir tun bei jedem Projekt so, als sei es das erste seiner Art, das jemals gebaut wird, als stünde es auf einer leeren grünen Wiese und wäre nicht Teil eines bestehenden Ökosystems, das jede Hochschule für sich darstellt. Um besser auf die ja sehr unterschiedlichen Bedarfe der Hochschulen eingehen zu können, möchte ich individuelle Bauprogramme mit ihnen vereinbaren. Vor zehn, 15 Jahren hatten wir kein Homeoffice, kaum digitale Lehr- und Lernformate und eher steigende Studierendenzahlen. Weil unsere Projekte so lange dauern, arbeiten wir vielfach mit veralteten Parametern. Mein Ziel: Wir vereinbaren einen Rahmen, in dem sich die Hochschulen freier bewegen können. Wir rühmen uns in Nordrhein-Westfalen für unsere stark ausgeprägte Hochschulautonomie. Auch beim Bau können die Hochschulen von mehr Autonomie profitieren.
"Wenn ich mit den anderen Landesministerinnen und Landesministern rede, sehe ich mich immer als ein Sechzehntel."
Als drittes Leitthema haben Sie vorhin die Forschung genannt. Das ist das Thema, mit dem Sie bislang am wenigsten Berührungspunkte hatten, oder?
Wir haben in Nordrhein-Westfalen einen sehr schlagkräftigen Mittelstand und eine starke Industrie. Für die Transformation, die sie durchlaufen, sind sie auf anwendungsnahe Forschung angewiesen, wie sie zu einem Großteil an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und auch an den Universitäten passiert. Zugleich müssen wir unsere ausgezeichnete Position in verschiedenen Bereichen der Grundlagenforschung sichern und ausbauen. Ich denke da etwa an die Künstliche Intelligenz, vor allem in Hinblick auf ihre ethisch verantwortbare Weiterentwicklung, an Krebs- und Demenzforschung, an Quantencomputing, an Cybersicherheit und an Wasserstoff-Forschung.
Inwieweit ist Wissenschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen eigentlich immer auch Bundespolitik? Oder anders gefragt: Sind Sie sich Ihrer Verantwortung als mit Abstand größtes Bundesland bewusst?
Natürlich nimmt Nordrhein-Westfalen unter den Bundesländern in der Wissenschaftspolitik eine der führenden Rollen ein. Das hat auch schlicht etwas mit der Größe unseres Hauses im Vergleich zu anderen Wissenschaftsministerien zu tun. Wir haben hier exzellente Fachleute, die in den verschiedenen Arbeitsgruppen der Länder inhaltlich zuarbeiten und unterstützen. Gleichwohl sehe ich mich, wenn ich mit den anderen Landesministerinnen und Landesministern rede, immer als ein Sechzehntel. Was die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung angeht, würde ich mir mehr Offenheit und Transparenz wünschen.
Sie klingen verärgert.
Eher verwundert und ein bisschen besorgt. Die Wissenschaftspolitik von Bund und Ländern zeichnet aus, dass sie normalerweise nicht sonderlich parteipolitisch ist, sondern an der Sache orientiert – und daran, gemeinsam unsere Wissenschaftslandschaft in Deutschland voranzubringen. Nur so haben wir auch eine hörbare Stimme in Europa. Von einer Zusammenarbeit von Bund und Ländern sehe ich allerdings zu wenig ...
"Dass beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz jetzt ein Referentenentwurf vorliegt, bringt uns ja noch keinen Schritt näher an ein neues Gesetz, wenn sogleich zwei Koalitionspartner die Zustimmung verweigern."
Was sehen Sie denn?
Ich sehe, dass wir beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz gerade – schon wieder – eine Extrarunde drehen, die das ganze System aufhält. Dass jetzt ein Referentenentwurf vorliegt, bringt uns ja noch keinen Schritt näher an ein neues Gesetz, wenn sogleich zwei Koalitionspartner die Zustimmung verweigern. Und wir Länder warten noch immer darauf, was da aus Berlin auf uns zukommt, nachdem der erste Entwurf nach nur wenigen Stunden wieder einkassiert worden war. In Nordrhein-Westfalen haben wir gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Hochschulen als Arbeitgeber und den Landespersonalräten als Arbeitnehmer einen Vertrag über gute Beschäftigungsbedingungen für das Hochschulpersonal erarbeitet, der über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz hinausgeht. Wir würden den Rahmenvertrag für gute Beschäftigung gerne weiterentwickeln. Dazu brauchen wir aber Klarheit, was in Berlin entschieden wird. Zu meiner Begeisterung für Subsidiarität gehört, dass Bund und Länder innerhalb ihrer Zuständigkeiten so agieren sollten, dass ihr Handeln ineinandergreift. Auch in der Forschungsförderung unternehmen wir in Nordrhein-Westfalen daher große Anstrengungen, um möglichst anschlussfähig zu sein an die Bundesprogramme. Wenn dann die andere Seite an allen Stellen Unsicherheiten schafft, wie es weitergeht, ist das für uns Länder nicht erfreulich. Beispiel HAW-Forschungsförderung: Die stellt der Bund gerade grundlegend in Frage.
Der Bund will, dass die Länder künftig einen Eigenanteil leisten. Und bei den Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung will er eine 50-50-Aufteilung der Kosten. Dagegen können doch gerade Sie, die die Eigenverantwortung der Länder so betont, eigentlich nichts haben, oder?
Es gibt in der Politik auch so etwas wie die normative Kraft des Faktischen. Das HAW-Programm zahlt der Bund im Augenblick allein. So ist es vertraglich geregelt. Stellen Sie sich vor, zwei Leute haben einen Vertrag, und bei der Neuverhandlung fällt einem von beiden plötzlich ein: Ich will das alles ganz anders haben, und zwar zu meinen Gunsten. Im echten Leben wäre die Diskussion an der Stelle sehr schnell vorbei. Im BMBF dagegen ist plötzlich von einer angeblichen moralischen Mitverantwortung der Länder die Rede, weil die Hochschulen ja Sache der Länder sind. Ich bin bereit, über eine Kofinanzierung der Länder zu reden und etwas draufzulegen. Ich bin allerdings nicht bereit einzuspringen, damit der Bund seine eigenen Forschungsmittel kürzen kann.
Die Länder wollen auch, dass die vom Bund finanzierte Qualitätsoffensive Lehrerbildung weitergeht, während das BMBF auf das lange vereinbarte Ende des Programms pocht. Verhalten sich die Länder da nicht genauso, wie sie es dem Bund gerade noch vorgehalten haben?
Die Ampel-Koalition hat sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, die Qualitätsoffensive Lehrerbildung weiterzuentwickeln. In der aktuellen gesellschaftlichen Lage sollte es völlig klar sein, dass wir mehr Ausgaben für Wissenschaft und Bildung brauchen. Ob Lehrerbildung, Digitalisierung oder Unterrichtsqualität: Wir haben doch gerade erst wieder durch die IGLU-Grundschulstudie gesehen, dass wir alle mehr tun müssen. Darum habe ich die Hoffnung, dass der Bund noch umschwenkt.
"Das hat wenig mit der Verhandlungstaktik der Länder zu tun und viel damit, dass wir alle am Vertrauensverhältnis zwischen Bund und Ländern arbeiten müssen."
Unterdessen sehen wir viel Klein-Klein. In fast schon kafkaesker Weise streiten Bund und Länder darüber, ob es nun bis zu vier oder doch mindestens vier neue Exzellenzuniversitäten geben soll.
Diesen Eindruck kann man gewinnen. Und ich bin noch nicht lange genug Politikerin, um in so etwas eine sinnvolle Gestaltung meiner Zeit zu erkennen.
Das verstehe ich auch als Selbstkritik an der Verhandlungstaktik der Länder?
Das hat wenig mit der Verhandlungstaktik der Länder zu tun und viel damit, dass wir alle am Vertrauensverhältnis zwischen Bund und Ländern arbeiten müssen. Es gibt eigentlich keinerlei Dissens darüber, dass die Exzellenzstrategie ein wissenschaftspolitisch sehr erfolgreiches Instrument ist. Doch statt gemeinsam danach zu suchen, was das für die Auswahl von Exzellenzclustern und Exzellenzuniversitäten bedeutet, hängen wir im Kleingedruckten fest – und verlieren die große Linie.
Auch zwischen den Bundesländern geht es nicht immer nur um ein nettes Miteinander. Sie befinden sich im Wettbewerb. Wenn ein Land wie Berlin jetzt beabsichtigt, die Grundfinanzierung seiner Hochschulen um jährlich fünf Prozent anzuheben als Reaktion auf die Inflation, was folgt daraus für Sie?
Wir haben in Nordrhein-Westfalen die praktische Regelung, dass die Hochschulen einen Großteil der Tarifsteigerungen automatisch erstattet bekommen. Hinzu kommt, dass sich die Finanzausstattung unserer Hochschulen in den vergangenen zehn Jahren extrem verbessert hat und weiter nach oben geht. Wir haben erreicht, dass unsere Hochschulen anständig finanziert sind. Abgesehen vom Sanierungsstau, um den wir uns wie gesagt mit Nachdruck kümmern. Ich meine, wir sollten schnell eine andere Debatte führen: Über Jahre haben wir bei steigenden Studierendenzahlen über Betreuungsrelationen diskutiert. Jetzt spüren wir den demografischen Wandel, und hinzu kommt ein sehr eingeschränkter Abiturjahrgang durch die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Wenn die Hochschulen nun wie vereinbart über lange Zeit automatisch mehr Geld erhalten, müssen wir darauf achten, dass sie umso stärker an der Qualität ihres Angebots arbeiten.
Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass wir wieder beim Thema Fachkräftemangel angekommen sind und bei der Frage, wie die Hochschulen besonders in den MINT-Fächern, im Lehramt und in den Gesundheitsberufen die Studierendenzahlen hochhalten können. Wie können wir die Studierfähigkeit der Erstsemester verbessern – etwa über nullte Semester und über Orientierungs-Studiengänge? Wie können wir die Abbrecherquoten senken und insgesamt die Absolventenzahlen erhöhen? Aus meiner Sicht ist es unsere gemeinsame Verpflichtung, für das Geld, das der Steuerzahler überweist, neben exzellenter Forschung auch die Fachkräfte für die nächsten 30, 40 Jahre auszubilden.
Weil Sie erneut das Thema Fachkräftemangel ansprechen: Sehen Sie den eigentlich auch beim Personal für Forschung und Lehre? Und was hat das mit den Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu tun?
Die Debatte um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz wird zurzeit sehr emotional geführt und noch dazu mit zum Teil ambitionierten Forderungen. Ich sehe tatsächlich einen Zwiespalt: Einerseits ist da die Notwendigkeit, veränderten Anforderungen und Erwartungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerecht zu werden, um als Hochschule ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Andererseits dürfen wir darüber ein Wissenschaftssystem, das in vielen Bereichen sehr erfolgreich läuft, nicht komplett aus den Angeln heben. Deshalb sind auskömmliche Mindestvertragslaufzeiten wichtig —wir haben sie sogar in unseren Koalitionsvertrag geschrieben —obwohl für ihre Festlegung ja der Bund zuständig ist. Die Vertragslaufzeiten müssen so ausgestaltet sein, dass das Qualifizierungsziel, vor allem das der Promotion, gut und vor allem realistisch erreichbar ist. Minilaufzeiten und Kettenverträge werden uns nicht helfen, junge Menschen für eine Karriere im Wissenschaftsbetrieb zu begeistern. Bei den Postdocs plädiere ich für Arbeitsverträge zwischen minimal drei und maximal sechs Jahren.
Sie plädieren bei der besonders umstrittenen Postdoc-Höchstbefristungsdauer also für den Status Quo.
Der Zeitraum ist angepasst an die Vertragslaufzeiten von Juniorprofessuren. Das halte ich systemisch für richtig. Eine andere Frage, die diskutiert wird, ist, ob man die Anzahl der Verträge reduzieren darf – sowohl prä- als auch postdoc. Da sollten wir sehr vorsichtig sein. Wenn man aus guter Absicht heraus Kettenbefristungen unterbinden will, stellt sich die Frage, was denn passiert, wenn die Anzahl überschritten ist? Was machen wir dann, wenn der- oder diejenige nach drei Verträgen nicht promoviert ist? Das ist aus meiner Sicht nicht zu Ende gedacht. Man muss Stabilität geben, damit die Qualifikationsziele erreicht werden können. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz nicht das richtige Instrument ist, um Personalentwicklung an der Hochschule zu betreiben.
"Sagt uns die Dinge, die ihr schon immer geändert
haben wolltet, dann reden wir gemeinsam darüber,
was davon sinnvoll und umsetzbar ist."
Gilt die gleiche Vorsicht bei der von Ihnen geplanten Novelle des Landeshochschulgesetzes? Man könnte aktuell zu dem Ergebnis kommen, die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen hätten ein Governance-Problem. Es gibt Berichte von Machtmissbrauch, an der Universität Paderborn hat die Hochschulratsvorsitzende ihren Rücktritt erklärt, aus Protest gegen die Entscheidung, den Vorsitz der Findungskommission für die anstehende Präsidentenwahl nicht extern zu besetzen. In Südwestfalen wiederum soll die gewählte Rektorin noch vor ihrem Amtsantritt abgesetzt werden – gegen den Widerstand des Hochschulratsvorsitzenden. Ihre Schlussfolgerung?
Mir sind die Rolle und die Position der Hochschulräte in unserem System extrem wichtig. Sie sind die Brücke zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Hochschule. Ich lege großen Wert auf den Dialog mit den Gremien und den Vorsitzen. Die Hochschulräte haben einen großen Anteil an der Verankerung der Universitäten in der Gesellschaft. Wir geben den Hochschulräten viel Gestaltungsspielraum. Das ist auch gut so. Wir haben ein im Kern sehr gut funktionierendes System und eine gut funktionierende Rechtsgrundlage dafür. Problematische Fälle, die es immer wieder geben wird, schauen wir uns genau an und werden jeweils die richtigen Schlüsse daraus ziehen, aber wir sollten deshalb nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Wo wollen Sie denn überhaupt das Hochschulgesetz ändern?
Die große Überschrift über der Hochschulgesetz-Novelle muss lauten: Fachkräftesicherung. Dazu haben wir bereits eine Reihe konkreter Punkte erarbeitet. Ich denke da zum Beispiel an eine gute gesetzliche Regelung, die den dringend notwendigen Ausbau dualer Studiengänge ermöglicht. Was wir darüber hinaus machen, hängt vor allem von den Rückmeldungen aus den Hochschulen ab. Unsere Botschaft lautet: Sagt uns die Dinge, die ihr schon immer geändert haben wolltet, dann reden wir gemeinsam darüber, was davon sinnvoll und umsetzbar ist. Gesetzt durch den Koalitionsvertrag ist, dass wir die Viertelparität im Senat verpflichtend einführen. Eine Reihe von Hochschulen haben sie ohnehin längst. Wichtig ist, dass die Einführung verfassungskonform unter Beachtung der Professorenmehrheit bei den entscheidenden Fragen von Forschung und Lehre geschieht.
Was halten Sie vom Vorstoß der NRW-SPD, die Semesterferien den Sommerferien anzupassen? Wäre das nicht auch bundesweit ein Signal hin zu mehr Familien- und damit Arbeitnehmerfreundlichkeit?
Die Semesterferien sind abgestimmt auf die Prüfungszeiten, die bundesweit teilweise einheitlich sind. In Nordrhein-Westfalen sind alle Hochschulen, die Landesrektorenkonferenzen, die Landes-Asten, die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen und Universitätsklinika, die Landespersonalrätekonferenz und die Landesarbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretungen in die Ferienplanung eingebunden. In dem Verfahren wurde bislang die Anregung, die Semesterferien den Sommerferien anzupassen, in keiner Stellungnahme geäußert. Als Verfechterin der Hochschulautonomie bin ich gern bereit, das politisch aufzugreifen, wenn die Hochschulen wirklich einen Änderungsbedarf sehen.
DER NATURARZT 1897 Der Naturarzt (-) Der Naturarzt 1897 (1897) ([I]) Titelblatt ([I]) Inhalt. ([II]) 25. Jahrgang. (Nr. 1. Januar / 1897) (Nr. 1. Januar 1897.) ([1]) An unsere Leser! [Neujahrsgruss und Aufruf des Bundesvorstandes] ([1]) Aus Wissenschaft und Leben. Unter medizinischer Diktatur. ([1]) Einige Heilmittel aus der Küche. (4) Heilung von Knochenfrass bei einer 53jährigen Frau. (6) Ein Fall hochgradiger Bauchfellentzündung und seine Heilung. (7) Heilung von Blinddarmentzündung. (8) Chronische Metritis (Gebärmutter-Entzündung). (9) Husten und Morphin. (9) Gewerbe und Wohnungshygiene. Die Hygiene der Tabakarbeiter. Unter den ländlichen und Fabrikarbeitern die mit Thomasphosphat zu thun haben [hohe Sterblichkeit an Lungenentzündung]. Pferdebahn-Nervenleiden. Sitzerlaubnis für Dienstmänner. Gasflammen in Schlaf- und Wohnräumen. (11) Für die Frauen. Verlagerungen, Verwachsungen. (12) Kinderpflege. Wie gewöhnen wir unsere Kinder an natürliche Heilfaktoren? (15) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Die Alkoholfrage und die Naturheilvereine. (17) Impf-Frage. (19) Sprechsaal. (19) Bundesnachrichten. Gemeinschaftliche Sitzung des Vorstandes mit dem Beirat. Zur gefl. Beachtung! Verzeichnis. Steuern. Vereine, bezw. Orte, für welche Aerzte gesucht werden. Aus den Vereinen. Jetzt kommt Oesterreich dran. Bericht über die österreichisch-ungarische Naturheilbewegung von Jos. Schmall, Wien. [In jüngster Zeit gegründeter Allgem. österr. Naturheil-Verein, Wien. Naturarzt Otto Wagner, Direktor der Naturheilanstalt in Dresden-Radebeul, hält Vorträge in österr. Städten, großer Zudrang zu den Vorträgen, in ganz Oesterreich-Ungarn eine Bewegung geschaffen, Hoffnung auf eine Million und mehr Anhänger der Naturheilkunde] (20) Aus der Zeit. Obligatorische Leichenschau. Zum Begriff einer Krankenanstalt. Der Kreistag von Altona. Reinh. Gerling. Das Messer thut's freilich. Wieder ein Naturheilkundiger auf der Anklagebank. Die Nachforschungen nach Leprakranken. Eine ausserordentlich rege Agitation für unsere gute Sache. Der deutsche Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke. Die Ortskrankenkasse in Oschatz. Das Königliche bayerische Kriegsministerium [zwei Stabsärzte studieren in Wien das Wasserheilverfahren]. Ein Kongress zur Bekämpfung der Syphilis. Schopenhauer ein überzeugter Vertreter der Naturheilmthode. Der erste Mässigkeitsverein [1509, bei keiner Mahlzeit mehr als neun Humpen Wein] (26) Bücherschau. (28) Feuilleton. (29) Gedenkblatt zum 10. Januar 1897 [Hundertster Geburtstag von Annette v. Droste-Hülshoff] (29) Goethe und Schiller in ihrer Stellung zum Heilverfahren. (31) [Briefe Schillers an seinen Freund Goethe] "Mit meiner Frau steht es leider noch ganz auf demselben Punkt wie vor drei Tagen ." [Zitate aus Goethes "Faust"] "Statt der lebendigen Natur, da Gott die Menschen schuf hinein, umgiebt in Rauch und Moder nur dich Tiergeripp und Totenbein." "Sei es mein einziges Glück, dich zu berühren, Natur!" (31) 25. Jahrgang. (Nr. 2. Februar / 1897) (Nr. 2. Februar 1897.) ([33]) Aus Wissenschaft und Leben. Es tagt! [Wunsch auf Errichtung von Lehrstühlen für Wasser-(Natur-)Heilkunde an den Universitäten] ([33]) Ein Wort über Diagnosen. (37) Was ist Stottern? (38) Pestgefahr. (41) Herzfehler und Herzschwäche (43) Krankheitsbericht einer eiterigen Venenentzündung. (44) Erfrorene Hände geheilt. (44) Angeborne Retroflexio (Knickung) und Oophoritis (Eierstockentzündung). (45) Gewerbe- und Wohnungshygiene. Bleivergiftung [Dr. Wegener fordert Schutzmaßnahmen für die Arbeiter in Bleihütten]. Petroleumrausch [nennt der Franzose Mabille eine Krankheitserscheinung, zu beobachten bei Arbeitern auf Petroleumtanckschiffen]. Trommlerlähungen. In Düsseldorf [Wohnungsgesetz vom 21. November 1895, Polizei weitgehende Vollmachten, ungesundes Haus darf nicht bezogen werden, Mindest- Schlafkubikraum]. In Leipzig [in kleine Wohnungen dürfen keine Aftermieter aufgenommen werden]. (46) Für die Frauen. Der "Weisse Fluss", seine Ursachen und seine Behandlung. (47) Kinderpflege. Schulmappen gewogen worden [4 kg ist zu viel, nur das Notwendigste mitnehmen]. Die Kinderspeisung in deutschen Städten lässt noch viel zu wünschen übrig. (48) Wie erziehen wir unsere Kinder zur Selbständigkeit. (48) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. "Die Alkoholfrage und die Naturheilvereine." Ueber den Alkohol-Gehalt. In der Deutschen Kolonial-Zeitung (No. 43, 24. Okt. 1896 S. 345) [.] Wäre es nicht eines zivilisierten und christlichen Kolonialstaates würdiger, überwundene Feinde in einer anderen Weise auf ihren Tod [Hinrichtung] vorzubereiten, als durch Schnaps? Pittakus, einer der sieben griechischen Weisen. Vergiftung duch den Genuss Vanille enthaltender Speisen. In Berlin hat sich unter starker Beteiligung ein Frauen-Verein gebildet zur Verbesserung der Frauenkleidung. (52) Impf-Frage. Schutz-Impfung gegen asiatische Cholera. Rotzkrankheit. Kuhpockenseuche. Dr. Landmann'sche Feststellungen. Aus dem Lande der Nichtgeimpften [Gefahr von Blattern- und Pocken-Einschleppung aus dem "ungeimpften" Oesterreich] (54) Bundesnachrichten. Steuern. Verzeichnis. Vereine, bezw. Orte, für welche Aerzte gesucht werden. Aus den Vereinen. (55) Sprechsaal. (58) Aus der Zeit. Professor Du Bois-Raymond verstorben. Der Tod des Generalmajors von Lippe. Der Obermedizinal-Ausschuss in Bayern. Die Zulassung von Frauen zum Studium der Medizin, Pharmacie und Philosophie an der Budapester Universität ist vom König von Ungarn gestattet worden. Häufige Unglücksfälle durch Karbolsäure. [Ambulante] hygienische Station [in Heidelberg]. Man sollte es nicht für möglich halten! (59) Bücherschau. (60) Feuilleton. Stillgesessen! Novellette von Anna Volchert. (61) 25. Jahrgang. (Nr. 3. März / 1897) (Nr. 3. März 1897.) ([65]) Aus Wissenschaft und Leben. Staatshilfe und Selbsthilfe. ([65]) Kurierfreiheit? (68) Wie muss das Stottern bekämpft werden? Ein Beitrag zur Stottertherapie aus 20jähriger Praxis. (70) Bemerkungen eines alten Puritaners der Naturheilkunde zu einigen im Dezemberhefte 1896 und Januarheft 1897 des "Naturarzt" enthaltenen Aufsätze. (73) Chronische Metritis und chronische Oophoritis (Eierstockentzündung). Krankheitsberichte der Gossmannschen Naturheilanstalt Wilhelmshöhe. (76) Leichte Geburten. (77) Der Brustkrampf. [Mein Heilmittel: ein Glas frischen Wassers] (77) Gewerbe- und Wohnungshygiene. In England [Kinderarbeit, Nachtarbeit, bei Hochöfen, Druckereien, Glashütten, Eisenwerken und Papiermühlen dreizehnjährige Knaben beschäftigt, Novelle zum Fabriksgesetz: Altersgrenze auf 14 Jahre festgesetzt]. Die Zahl der alljährlichen Unfälle in gewerblichen Betrieben ist geradezu erschreckend gross. Das Reichspostamt liess die Luft in Räumen untersuchen [Kupfer- und Zinkelemente in Wohnräumen gesundheitlich unbedenklich]. Eine Stube warm machen [Lüften, reine Luft ist sechs mal so schnell zu erwärmen]. (78) Für die Frauen. Das Abnabeln. (79) Wie erziehen wir unsere Kinder zur Selbständigkeit. (Fortsetzung.) (81) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Himbeer- und Erdbeer-Sirup [gefälscht]. Himbeersaft [im Handel meist mit Salicylsäure versetzt]. Blutvergiftung durch gefärbte Pomade [Anilin enthalten]. Kampf gegen den Alkohol [Petition an Minister, um Einführung von alkoholfreien Getränken in Kantinen und Militär-Restaurationen und Bahnhofsrestaurationen wird ersucht]. (82) Impf-Frage. Gerlings Freisprechung bestätigt. An den Fall Langerhans erinnert [ein Fall in Berlin]. Pest-Serum. Verliehene Impfkälber. (83) Bundesnachrichten. Steuern. Vereine, bezw. Orte, für welche Aerzte gesucht werden. Aus den Vereinen. (84) [3 Tabellen]: (1) Kassen-Bericht 1896. (2) Gewinn- und Verlust-Conto 1896. (3) Bilanz am 31. Dezember 1896. (86) Sprechsaal. (89) Aus der Zeit. Tod in der Narkose. Unglaublich [Keine Badeeinrichtungen für die Bergleute]. [Dr. Schulze, Artikel aus "Deutsche med. Wochenschrift", ganze naturärztliche Bewegung zur Zielscheibe des Sarkasmus] Ich kann unmöglich unsern Lesern einen Artikel vorenthalten. Carl Griebel. Die neue Medizinalreform. Die Heilung erkrankter Invaliditätsversicherter. Schulluft. Warnung vor Schwindel [England, berüchtigtes Sanjana-Institut]. Die Zahl der Selbstmorde [in Sachsen, Frankreich, Preussen, Oesterreich, Bayern, England, Russland] (89) Bücherschau. (92) Feuilleton. Stillgesessen! Novellette von Anna Volchert. (Schluss.) (93) Briefkasten. (95) Geschäftliches. (96) 25. Jahrgang. (Nr. 4. April / 1897) (Nr. 4. April 1897.) ([97]) Aus Wissenschaft und Leben. "Anerkennung." ([97]) Die Reservat-Domände der Schul-Medizin. Ein Beitrag zur Irrenfrage von Fr. Kretzschmar. (98) Gegen die wissenschaftliche Tierfolter. Nach einem Vortrage von Hermann Stenz. (102) Verbände. (104) [3 Abb.]: (1) Fig. 1. Das dreieckige Verbandtuch. (2) Fig. 2. Die Achterbinde für die Hand. (3) Fig. 3. Die Achterbinde für den Fuss. (105) [4 Abb.]: (1) Fig. 4. Einhüllung der ganzen Hand. (2) Fig. 5. Einhüllung des ganzen Fusses. (3) Fig. 6. Der Handschuhfingerverband. (4) Fig. 7. Der Fingerspitzenverband. (106) [2 Abb.]: (1) Fig. 8. Die Knotenbinde. (Stirnbund.) (2) Fig. 9. Die Knotenbinde (Augenbund). (107) [Abb.]: Fig. 10. Die Kinnschleuder. (108) Bemerkungen eines alten Puritaners der Naturheilkunde zu einigen im Dezemberhefte 1896 und Januarheft 1897 des "Naturarzt" enthaltenen Aufsätze. (Schluss.) [Schluss folgt.] (108) Gelenkrheumatismus. (111) Gewerbe- und Wohnungshygiene. [Gesundheitsschädliche Wohnungen] (112) Für die Frauen. Muskelrheumatismus des Uterus [Fruchthalters] (Myorheuma Uteri). (112) Kinderpflege. Wie erziehen wir unsere Kinder zur Selbständigkeit. (Schluss.) (115) Ernährung. Die Käsekost. Ananas-Saft. (117) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Branntweinkrieg in Norwegen. Alkohol und Verbrechen. Wahrscheinlich um einem dringend Bedürfnis abzuhelfen [.] sollen 5 grosse Genossenschafts-Schnapsbrennereien erbaut werden. Unerwünschte, aber sehr gewöhnliche Nebenwirkungen der Bromsalze. (117) Impf-Frage. Die "bessere" Lymphe. (119) Bundesnachrichten. Vereine, bezw. Orte, für welche Aerzte gesucht werden. Steuern. Aus den Vereinen. (120) Sprechsaal. (124) Das schwarze Brett. (125) Aus der Zeit. Ausstellung des "Vereins für Gesundheitspflege Leipzig-Plagwitz" (Jur. Pers.). "Mein teueres Leben" [Ausgaben für Rezepte]. Gemeindeärzte. Die Zahl der Pulsschläge und Atemzüge des Menschen. (125) Bücherschau. (126) Feuilleton. "Sei anständig!" Ein Lebensbild als Warnung von Bertha Mutschlechner. (127) Briefkasten. (128) 25. Jahrgang. (Nr. 5. Mai / 1897) (Nr. 5. Mai 1897.) ([129]) Aus Wissenschaft und Leben. Ein Programmentwurf für die deutsche Naturheilbewegung. A. Forderungen auf dem Gebiet der naturgemässen Lebensweise. I. Die Ernährungsfrage. ([129]) Bandwürmer und Bandwurmkuren. (133) Verbände. (Fortsetzung.) (137) [2 Abb.]: (1) Fig. 11. Das kleine dreieckige Kopftuch. (2) Fig. 12. Das grosse dreieckige Kopftuch. (138) [4 Abb.]: (1) Fig. 13. Das grosse viereckige Kopftuch. (Offener Verband.) (2) Fig. 14. Das grosse viereckige Kopftuch. (Geschlossener Verband.) (3) Fig.15. Das dreieckige Brusttuch. (4) Fig. 16. Das Aufhängetuch für die weibliche Brust. (139) Gegen die wissenschaftliche Tierfolter. Nach einem Vortrage von Hermann Stenz. (Fortsetzung.) (140) Bemerkungen eines alten Puritaners der Naturheilkunde zu einigen im Dezemberhefte 1896 und Januarheft 1897 des "Naturarzt" enthaltenen Aufsätze. (Fortsetzung.) (142) Ein Fall von Darmsenkung. (144) Gewerbe- und Wohnungshygiene. New York [übermässig hohe Häuser sollen gesetzlich verboten werden]. Juckender Hautausschlag. Stärke der Bürgerschulklassen in Hannover. (145) Für die Frauen. Wechseljahre. (145) Kinderpflege. Der Missbrauch pädagogischer Zuchtmittel in seiner anatomisch-physiologischen Wirkung. (147) Ernährung. Verfälschter Honig. Nussbrot. Ueber Salatkuren. Gefälschte Messina-Apfelsinen. (149) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Das Schleiertragen. Der Kampf gegen den Alkohol in den Schulen. Schilddrüsenfütterung. (150) Impf-Frage. Wie schützen wir unsere Kinder vor den schädigenden Folgen der Pocken-Impfung. (151) Bundesnachrichten. Zur gefälligen Beachtung! [Nachlieferung von Naturarzt-Ausgaben]. Bekanntmachung. [Abschlussprüfung für den Unterrichtskursus für Naturheilkundige] Neue Flugschriften: VIII. Das Abnabeln. IX. Ueber gesundheitliches Kochen. Vereine, bezw. Orte, für welche Aerzte gesucht werden. Aus den Vereinen. (152) Sprechsaal. Das schwarze Brett. (155) Natur-Tierheilkunde. Ratgeber. (155) Aus der Zeit. Ausstellung für Naturheilkunde in Leipzig. Die Naturheilanstalt Bad Sommerstein in Thüringen. Richard Wagner als Naturarzt und Vegetarier. Vor 60 Jahren. [Vinzenz Priessnitz war damals der Gegenstand vieler Anfeindungen.]. Tischberger [Der bekannte Naturheilkundige beabsichtigt mit dem praktischen Arzte Dr. Pecnik in Kairo eine grosse Naturheilanstalt ins Leben zu rufen.] Die Naturheilvereine Oesterreichs schliessen sich nunmehr auch zu einem Bunde zusammen. Carl Hansen [Hypnotiseur, starb in Hamburg]. Kochs Tuberkulin. (157) Bücherschau. (159) Feuilleton. "Sei anständig!" Ein Lebensbild als Warnung von Bertha Mutschlechner. (Fortsetzung.) (159) Die Pflanzenfaser als Hautpflegemittel. (161) Diätetische Reform-Nährmittel. (162) 25. Jahrgang. (Nr. 6. Juni / 1897) (Nr. 6. Juni 1897.) ([163]) Aus Wissenschaft und Leben. Friedrich Nietzsche und das Naturheilverfahren oder Philosophie und Lebensbejahung. ([163]) Ein Programmentwurf für die deutsche Naturheilbewegung. (Fortsetzung.) IV. Bekleidungsfrage. V. Sittlichkeitsfrage. VI. Bäderfrage. (167) Ist die Magenerweichung (Gastromalacie) eine selbständige Krankheit? (169) Verbände. (Schluss.) (171) [4 Abb.]: (1) Fig. 17. Die einfache Achterbinde für eine Schulter. (2) Fig. 18. Die einfache Achterbinde für beide Schultern. (3) Fig. 19. Die einfache Achterbinde für die Leistengegend. (4) Fig. 20. Die durchschlungene Achterbinde für die Leistengegend. (172) [Abb.]: Fig. 21. Die T-Binde aus zwei Verbandtüchern. (173) Verhütung der operativen Entfernung der Gebärmutter und Eierstöcke durch das Naturheilverfahren. (173) Skrophulöser Bindehautkatarrh. (175) Gewerbe- und Wohnungshygiene. Die zugfreie, dauernde Lufterneuerung. (175) [Abb.: Skizze. Die Technik hat nun schon seit langer Zeit die Grundlagen der zugfreien dauernden Lufterneuerung in vielen tausenden von Ausführungen geschaffen.] (176) Frau Professor Albrechts "Deutsche Reform-Unterkleidung". (179) [3 Abb.]: (1) Rockträger. (Vorderansicht.) (2) Rockträger. (Rückansicht.) (3) Brustgürtel. (-) [3 Abb.]: (1) Hemdhose. (2) Geschlossenes Beinkleid mit Rockträger. (Vorderansicht.) (3) Geschlossenes Beinkleid mit Rockträger. (Hinteransicht.) (180) Kinderpflege. Kinder und Alkohol. (182) Ernährung. Schädliches Kalbfleisch. Obstzucht. Pilze und Beeren. (182) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Bienen und Alkohol. Nach Antipyrinpulver [-Einnahme gegen Kopfschmerzen schwer erkrankt]. Verfälschte Gewürze. Zur künstlichen Färbung von Rohkaffee. Ueber eine gefährliche Fälschung von Anis. Unfälle im Rausch. (183) Impf-Frage. Das Kaiserliche Gesundheitsamt ist die einzige massgebende Instanz in Bezug auf die Impfung. Wann hat es nun geirrt? Impfschäden. Der Imfpgegner-Verein zu Dresden [.] versendet ein wichtiges Aufklärungsblatt für Eltern impfpflichtiger Kinder. (184) Bundesnachrichten. Ein Jubiläum. Meerane. Vereine, bezw. Orte, für welche Aerzte gesucht werden. Aus den Vereinen. (184) Sprechsaal. Das schwarze Brett. (187) Natur-Tierheilkunde. Die Kälberkrankheiten. Ratgeber. (187) Aus der Zeit. Ein Sieg der Naturheilkunde! Das Kurpfuscherei-Verbot. Richard Ritzmann. Der Bankerott Robert Kochs. (190) Bücherschau. (191) Feuilleton. "Sei anständig!" Ein Lebensbild als Warnung von Bertha Mutschlechner. (Schluss.) (192) 25. Jahrgang. (Nr. 7. Juli / 1897) (Nr. 7. Juli 1897.) ([195]) [Todesnachricht] Prälat Kneipp † . Sebastian Kneipp, geb. am 17. Mai 1821, gest. am 17. Juni 1897. ([195]) Kurpfuschereiverbot. (196) Friedrich Nietzsche und das Naturheilverfahren oder Philosophie und Lebensbejahung. II. (199) Ein Programmentwurf für die deutsche Naturheilbewegung. (Fortsetzung.) VII. Heimstättenfrage. VIII. Erziehungsfrage. a. bis zur Schulzeit. b. Während der Schulzeit. (202) Der halbseitige Kopfschmerz - die Migräne - sein Wesen und seine Behandlung. (204) Aufgegebene Fälle. (207) Gewerbe- und Wohnungshygiene. Der Staub in Fabriken und Schulen. (209) Für die Frauen. Die Prophylaxe (Verhütung) der Frauenleiden. Ich beginne mit I. Den Entzündungen und Katarrhen der weiblichen Geschlechtsorgane. (211) Kinderpflege. Schwimmfexe. Eine Badeplauderei von M. G. Zschommler - Leipzig. (213) Ernährung. Cacao. (215) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Noch einmal Heilserum. (216) Impf-Frage. Impfschädigung. (217) [Abb.]: Das Bild stellt die am 16. März 1895 geb. Gertud Grünewald aus Crotenleida bei Meerane kurz nach der Impfung [am 2. Mai 1896] dar. [Der Ausschlag verbreitete sich über den ganzen Körper.] (217) Bundesnachrichten. Bekanntmachung. [Unterrichtskursus für Naturheilkundige]. Vereine, bezw. Orte, für welche Aerzte gesucht werden. Aus den Vereinen. (218) Natur-Tierheilkunde. Das seuchenhafte Verwerfen der Kühe. (221) Aus der Zeit. Jezeksche Lehre von der Blutbewegung. Eien süddeutscher Bund der Kneippvereine ist in Bildung begriffen. Zur Orangensaft-Therapie. Aufhebung des Volksschulgeldes. Die Ausstellung für Naturheilkunde in Leipzig. Gruppenversammlungen. Der Naturärzte-Verein wird seine Jahresversammlung am 19. und 20. September in Leipzig abhalten. (224) Bücherschau. (225) Feuilleton. Hygienische Merkwürdigkeiten aus Griechenland. (226) 25. Jahrgang. (Nr. 8. August / 1897) (Nr. 8. August 1897.) ([227]) Aus Wissenschaft und Leben. Die Sprache der Milliarden. Zweck der sozialen Diagramme. Soziales Diagramm [Muster]. Der Gesamthaushalt des deutschen Volkes bietet kein erfreuliches Bild. Jahresverbrauch [von Nahrungs- und Genussmittel in Deutschland].[ Unfallverhütung. Krankheitsverhütung. Versicherungen.] ([227]) Die "deutsche Wissenschaft" und der deutsche Arzt. Unter solcher Ueberschrift schreibt Dr. med Kreidemann - Altona in der "Aerztlichen Rundschau" (München) drei längere Aufsätze. (232) Der halbseitige Kopfschmerz - die Migräne - sein Wesen und seine Behandlung. (Schluss.) (235) Ein Programmentwurf für die deutsche Naturheilbewegung. (Schluss.) IX. Arbeitsfrage. X. Erholungsfrage. (238) Zum Programm-Entwurf (240) Friedrich Nietzsche und das Naturheilverfahren oder Philosophie und Lebensbejahung. (240) [2 Abb.]: (1) Gesamt-Ansicht von Gräfenberg. (Zu unserem Artikel: "Gräfenberg.") (2) Geburtshaus des Begründers der Wasserkur, Vincenz Priessnitz. (Zu unserem Artikel: "Gräfenberg.") (241) Doppelseitiger Lungenspitzenkatarrh. - Rechtsseitige Rippenfellentzündung. - Dreiundeinhalbmonatliche Behandlung. - Heilung. (243) Gewerbe- und Wohnungshygiene. Brausebad-Anlagen [in sieben Berliner Gemeinde-Schulen]. Ueber den Betrieb und die Einrichtung der Buchdruckereien und Schriftgiessereien (245) Für die Frauen. Die Prophylaxe (Verhütung) der Frauenleiden. II. Die Lageveränderungen [der weiblichen Geschlechtsteile]. III. die Geschwülste und Neubildungen in den weiblichen Geschlechtsorganen. (245) [Brief]: Hochverehrte Frau! [Klara Muche] Mit grossem Interesse verfolgte ich Ihren Artikel in dem Naturarzt": "Wie erziehen wir unsere Kinder zur Selbständigkeit". (247) Ernährung. Die Milch als Heilmittel. In der Kinderernährung. Bei Nierenleiden. Bei Herzleiden. Magengeschwüre und Magenschleimhautwunden. Bei chronischer Ruhr. Bei Bleichsucht. (249) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Wie das Kantonale chemische Laboratorium der Stadt Basel mitteilt, wird Stärkezucker und Kunsthonig mit schwefliger Säure versetzt. Paprika [Verfälschung mit Mennige, wodurch Bleivergiftungh hervorgerufen wird]. Impf-Frage. Freigesprochen wurde der prakt. Art Dr. G. H. Layer in Pforzheim. Vom deutschen Bunde der Naturheilvereine [Kommission zur Prüfung des Impfgesetzes] (250) Bundesnachrichten. Aus den Vereinen. Ferienkurse. Bericht über die Ausstellung für Naturheilkunde in Leipzig. (251) Sprechsaal. Erklärung [Austritt aus der "Deutsch-sozialen Reform-Partei"] (253) Natur-Tierheilkunde. Schutzimpfung. (254) Aus der Zeit. Zur Bekämpfung der Kurpfuscherei. Es tagt! Verband süddeutscher Vereine für Homöopathie und Naturheilkunde. (256) Bücherschau. (257) Feuilleton. Gräfenberg. (257) [Abb.]: Vincenz Priessnitz'sche Gruft mit Kapelle. (Zu unserem Artikel "Gräfenberg.") (258) 25. Jahrgang. (Nr. 9. September / 1897) (Nr. 9. September 1897.) ([259]) Aus Wissenschaft und Leben. Die Gesundheitslehre in Bezug auf Witterung und Erkrankungen. ([259]) Natur, Heilkraft und Mechanik. I. Die Natur. (263) [Zitat von Galileo Galilei]: Wenn wir die Wirkungen der Natur genau prüfen [wunderbarste Erscheinungen durch einfachste Mittel] (263) Das Lange-Schumannsche Sonnenlichtluftbad. (264) Lichtbadapparat (265) Die Naturheilkunde in Oesterreich. (265) Ein Beitrag zur Würdigung des Lichts als des wichtigsten Faktors in der Naturheilkunde. (266) [Gedicht]: Kühne Seglerin, Phantasie [aus Friedrich Schillers Gedicht "Die Größe der Welt"] (268) Friedrich Nietzsche und das Naturheilverfahren oder Philosophie und Lebensbejahung. (Fortsetzung.) (268) Hygienische Erfahrungen und Heilberichte. (271) Für die Frauen. Die Prophylaxe (Verhütung) der Frauenleiden. (Fortsetzung.) IV. Störungen des Monatsflusses. (272) Kinderpflege. Schule und Arzt. Rückkehr zur Natur! Kompetenz. Eintritt in die Schule. Gesundheitliche Gefahren des Schulbesuchs. A. Schulbeginn. B. Gesundheitliche Gefahren durch den Schulbesuch in körperlicher Beziehung. C. Seelenleben. (274) Ernährung. Das Fleisch tuberkulöser Rinder [an arme Leute verkauft, gesundheitsschädlich] Menschliche Ernährung [in der neuesten Zeit zur eigenen Wissenschaft erhoben, äusserst lebhafter Meinungsaustausch] (277) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Zur Alkohol-Abstinenz. (278) Impf-Frage. Professor Dr. Thiersch [über den Impfzwang] (282) Bundesnachrichten.Prüfung der Kursus-Teilnehmer. Bundes-Bibliothek [ist nunmehr ins Leben gerufen worden]. Vereine, welche Aerzte und Praktiker suchen. Aus den Vereinen. (283) Natur-Tierheilkunde. Die Tuberkulose. (284) Aus der Zeit. Die Mitglieder des Bundesvorstandes [denunziert, weil angeblich vergessen, den Namen des Verlegers anzugeben. Freisprechung.] Hauptversammlung des Vereins der ausübenden Vertreter der Naturheilkunde [19. und 20. September in Leipzig]. (287) Bücherschau. (287) Feuilleton. Das schwarze Loch unserer Schlafzimmer. [Die Luft, die wir einatmen, soll gute, frische, sauerstoffhaltige Luft sein.] (288) Redaktions-Briefkasten. (290) 25. Jahrgang. (Nr. 10. Oktober / 1897) (Nr. 10. Oktober 1897.) ([291]) Aus Wissenschaft und Leben. Die Universitäten und die Wasserheilkunde. ([291]) Erste Hülfe bei Vergiftungen. (294) Verhalten während der Schwangerschaft. (296) Auge und Ohr. (299) [2 Abb.]: (1) Fig. 1. Das linke Auge, von vorn gesehen. (2) Fig. 2. Der Augapfel, senkrecht durchschnitten und 4 x vergrössert. (299) [5 Abb.]: Das Gehörorgan. (1) Fig. 1 zeigt die einzelnen Teile des Gehörapparates in ihrem Zusammenhange. (2) Fig. 2 stellt das Gehörorgan im Längsdurchschnitt dar. (3) Fig. 3. 4. u. 5. die Gehörknöchelchen. (300) Friedrich Nietzsche und das Naturheilverfahren oder Philosophie und Lebensbejahung. [Fortsetzung.] (301) Hautreaktiones-Schulung, eine neue Abhärtungs-Methode der Körperhaut. (303) Zum Programm-Entwurf. Eine interessante Krankengeschichte. (304) Blutvergiftung geheilt durch das Naturheilverfahren. (305) Für die Frauen. Die Prophylaxe (Verhütung) der Frauenleiden. [Fortsetzung.] (305) Kinderpflege. Schule und Arzt. Ueberbürdung. Zwangsmässige oder natur- und kulturgemässe Erziehung? Weitere Vorschläge zur Umgestaltung des Unterrichts. Klassen-, Ferienwanderungen, Schüler-Wanderfahrten, Ferienkolonien. (307) Hygienische Ernährung unserer Kleinen. (310) Ernährung. Obstbau. Zur Speisung armer Schulkinder (312) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Trunksucht und Vererbung. Die Bewegung gegen den Alkoholgenuss. Der Verein abstinenter Lehrer. (312) Impf-Frage. Der Imfpgegner [Zeitschrift]. Dem Deutschen Bunde der Imfpgegner beigetreten [Prior Bonifac Reile, Nachfolger Kneipps]. Imfpungen in Bayern. Todesfälle. (313) Bundesnachrichten. Der Bericht über die Gruppenversammlungen. Bundes-Bibliothek. Gesuche um Aerzte und Praktiker. Aus den Vereinen. (314) Natur-Tierheilkunde. Noch einmal die Tuberkulose. (315) [Brief]: Geehrte Redaktion! (316) Aus der Zeit. Ein Begrüssungstelegramm. Ein Kneipp-bund. Eine Vergiftung mit chlorsaurem Kali. Konkurrenzneid. Für Aufhebung der Kurierfreiheit. Stoffwechselkrankheit. "Zurück zur Natur!" Wachstum unserer Bewegung in Schlesien. Die wasserscheuen Aerzte. Unsere Stellung zu den Wahlen! (317) Bücherschau. (320) Bekanntmachung. [Abschlussprüfung des Ausbildungskursus, Teilnehmer, Censur] (321) Feuilleton. Zur Reform des Grusses. [Vorschlag: Gruss einführen, "Heil Heil", H H, Heil unserem Heilverfahren] (321) Briefkasten. Geschäftliche Mitteilungen. (322) 25. Jahrgang. (Nr. 11. November / 1897) (Nr. 11. November 1897.) ([323]) Aus Wissenschaft und Leben. Arzneilose Behandlung und Krankenkassen. ([323]) [Zitat von Goethe]: Man sagt oft: Zahlen regieren die Welt ([323]) Die Heilung der Bleichsucht. (326) Die Hygiene der Zähne. (329) [Tabelle]: Tabelle für den Durchbruch der Milchzähne und deren Ersatzzähne. (330) Ueber das Wachstum der Haare. (331) Friedrich Nietzsche und das Naturheilverfahren oder Philosophie und Lebensbejahung. (Schluss.) (334) Basedowsche Krankheit. (338) Ischias oder Hüftweh. (338) Gewerbe- und Wohnungshygiene. Bleistaubverhältnisse in den Setzereien. (339) Für die Frauen. Die Prophylaxe (Verhütung) der Frauenleiden. (Fortsetzung.) (340) Kinderpflege. Die Augenentzündung der Neugeborenen. (342) Impf-Frage. Das Flugblatt über die Pocken-Impfung. Das Kaiserliche Gesundheitsamt zu Berlin behauptet (345) Bundesnachrichten. Bundes-Kalender, erschienen unter dem Titel "Hygienischer Volkskalender". Gruppenversammlungen 1897. Aus den Vereinen. Bericht über die Verbandstage des Deutschen Vereins der Naturärzte und Naturheilkundigen. (345) Aus der Zeit. Neue Vereine. Hohes Alter. Völlig erblindet. Bücherschau. (354) 25. Jahrgang. (Nr. 12. Dezember / 1897) (Nr. 12. Dezember 1897.) ([355]) Bundesnachrichten. Aerzte-Gesuche. Aus den Vereinen. (-) Aus Wissenschaft und Leben. Naturheilkunde und Krankenkassen. ([355]) Die Krankheiten des Ohres. (356) Wider die Eis- und Kältebehandlung frischer Verletzungen und Entzündungen. Zugleich ein Beitrag zur naturgemässen Behandlung von Verletzungen an den Gliedmassen. (359) "Rhans Hydropath." (363) [Abb.]: Dampfapparat (363) Kindbettfieber. (365) Gewerbe- und Wohnungshygiene. Schlechte Luft in unseren Wohnungen! (365) [2 Abb.]: [Skizze] (1) Figur 1 und (2) Figur 2 Der Apparat wird in Fussbodenhöhe eingebaut. [Spülung und Durchlüftung des ganzen Hausrohrnetzes, beste Vorbeugungsmassregel gegen Kanalgeruch, vollständiger Geruchsverschluss] (366) [Abb.]: [Plan] Figur 3 zeigt ein Beispiel, wie in einem zwischengebauten Hause die Entwässerungs-Anlage mit Durchlüftung und Spülung des Hausrohrnetzes kann angelegt werden. (367) Für die Frauen. Die Prophylaxe (Verhütung) der Frauenleiden. (Schluss.) (368) Kinderpflege. Zur Ueberbürdungsfrage. (371) Zum Kampfe gegen Modegifte und Modethorheiten. Krankengeschichte [Alkohol] (373) Impf-Frage. Ausführung des Impfgesetzes [Impfung auf nur einem Arm]. "Der Impfgegner", Organ der Impfgegner-Vereine (374) Sprechsaal. Aufruf an Vereine, Mitglieder und Freunde des Naturheilverfahrens [Sanatorium Stolzenberg ersucht um Darlehen für Zubau]. An die Leser des Naturarzt. [Albert Jahn, Hauptvorsitzender der "Freien Kranken- und Sterbekasse für Anhänger des Naturheilverfahrens" wirbt um mehr Mitglieder.] (375) Natur-Tierheilkunde. Prämiierung des Stallpersonals. (377) Aus der Zeit. Der Kultusminister Dr. Bosse [will über Kurpfuscherei informiert werden, eventuelle Gesetzesänderung]. Gegen die Kurpfuscherei. Zusammenschluss [der Anhänger der Homöopathie und Naturheilkunde, um für Kurierfreiheit einzutreten]. Vereinsgesetz. "Balneologische Centrale" (379) Bücherschau. (380) [Abb.]: Hand- und Fingerstärker (Cheiropäd) [Apparat, Uebungsgerät für Finger- und Handfertigkeit] (381) Feuilleton. Der Narrennickel. Eine alte Geschichte, neu erzählt von Dr. Wilhelm Bode - Hildesheim. (382) Redaktionelle Mitteilung. (385) Geschäftliche Mitteilungen. (386) Einband ( - ) Einband ( - )
Eine nachhaltige Entwicklung bedeutet eine dauerhaft mögliche Entwicklung innerhalb des ökologischen Erdsystems. Durch das weltweite Bevölkerungswachstum, den ansteigenden Wohlstand und nicht-nachhaltige Lebensweisen drohen die ökologischen Belastungsgrenzen unsere Erde jedoch überschritten zu werden bzw. wurden teilweise bereits überschritten. Dies hat zur Folge, dass nachfolgende wie auch parallel existierende Generationen nicht die gleichen Möglichkeiten zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse haben, wie die heute in den Industriestaaten lebenden. Die landwirtschaftliche Erzeugung trägt dabei einen bedeutenden Teil zu dieser Bedrohung und Überschreitung der planetaren Grenzen bei, denn insbesondere der hohe und weiter ansteigende Konsum von tierischen Produkten weltweit hat zahlreiche ökologisch, jedoch auch sozial und gesundheitlich nachteilige Folgen. Einer der grundlegenden problematischen Aspekte tierischer Produkte ist der hohe Energieverlust im Laufe des Veredlungsprozesses von pflanzlichen Futtermitteln zu Fleisch- und Milchprodukten. Die Folge sind große intensiv genutzte Landwirtschaftsflächen, die notwendig sind, um jene Futtermittel zu produzieren. Dies führt zu Biodiversitätsverlusten, Treibhausgasemissionen, Landraub und gesundheitlichen Problemen aufgrund des Pestizidgebrauchs. Weitere Konsequenzen eines hohen Konsums tierischer Produkte umfassen einen hohen Wasserbedarf, Flächenkonkurrenzen zwischen dem direkten Lebensmittel- und dem Futtermittelanbau, aber auch den ethisch bedenklichen Umgang mit Tieren sowie Gefahren für die menschliche Gesundheit, z. B. koronare Herzerkrankungen und Antibiotikaresistenzen. Begründet liegt dieser hohe und weiter wachsende Konsum tierischer Produkte in persönlichen, sozialen, ökonomischen und politischen sowie strukturellen Faktoren, wobei in vorliegender Arbeit auf den durch die westeuropäische Kultur geprägten Menschen fokussiert wird. Persönliche und soziale Hindernisse für einen reduzierten Konsum tierischer Lebensmittel liegen insbesondere in einem fehlenden Wissen, dem psychologischen Phänomen der kognitiven Dissonanz, mangelnder Achtsamkeit sowie dem Druck sozialer Normen. Wirtschaftspolitische und strukturelle Hindernisse umfassen eine wachstumsorientierte Ökonomie, fehlende Preisanreize für einen nachhaltigen Konsum sowie eine Infrastruktur, die den Konsum tierischer Produkte begünstigt. Nichtregierungsorganisationen (NRO) als Teil des sog. Dritten Sektors, neben der Wirtschaft und der Politik, und als Vertreterinnen der Gesellschaft sind essentielle Akteurinnen in nationalen und internationalen Gestaltungsprozessen. Sie werden zumeist von der Gesellschaft oder zumindest Teilen der Gesellschaft unterstützt und können durch Öffentlichkeitsarbeit und andere Maßnahmen auf politische und ökonomische Protagonisten Druck ausüben. Somit sind NRO als potentielle Schnittstelle zwischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft vielversprechende Einrichtungen um den Konsum tierischer Produkte zu senken. Aufgrund der o. g. multidimensionalen Auswirkungen des hohen Konsums tierischer Produkte, haben insbesondere NRO, die die Ziele Umweltschutz, Ernährungssicherung, Tierschutz und Gesundheitsförderung verfolgen, potentiell Interesse an einer Reduktion des Fleisch-, Milch- und Eikonsums. Studien über NRO in Schweden, Kanada und den USA weisen jedoch darauf hin, dass Umweltorganisationen sich in ihrer Arbeit für eine Begrenzung des Klimawandels nur in begrenztem Umfang für eine pflanzenbetonte Ernährungsweise einsetzen. Aufgrund der o. g. mehrdimensionalen Folgen eines hohen Konsums tierischer Lebensmittel weitet vorliegende Arbeit den Erhebungsumfang aus und umfasst die Untersuchung von deutschen Umwelt-, Welternährungs-, Gesundheits- und Tierschutzorganisationen in Hinblick auf deren Einsatz für eine Reduktion des Fleisch-, Milch- und Eikonsums. Die Erhebung umfasst die Untersuchung von 34 der wichtigsten deutschen NRO mittels Material- und Internetseitenanalyse, vertiefende leitfadengestützte Expert*inneninterviews mit 24 NRO sowie eine Fokusgruppendiskussion zur Ergebniskontrolle, wobei das zentrale Element dabei die Expert*inneninterviews darstellen. Insgesamt entspricht der Forschungsprozess der Grounded Theory Methodologie (GTM), einem ergebnisoffenen, induktiven Vorgehen. Die Forschungsfragen umfassen neben der Analyse des aktuellen Umfangs des Einsatzes für eine pflanzenbetonte Ernährungsweise insbesondere die Einflussfaktoren auf diesen Umfang sowie die umgesetzten Handlungsstrategien für eine Reduktion des Konsums tierischer Lebensmittel. Entsprechend der GTM steht am Ende des Forschungsprozesses vorliegender Arbeit ein Modell, das die Erkenntnisse in einer verdichteten Kernkategorie zusammenfasst. Als zentrales Ergebnis der Erhebung kann das 'Modell der abwägenden Bestandssicherung' gesehen werden. Es weist, in Übereinstimmung mit der Literatur, darauf hin, dass NRO als Teil der Gesellschaft von der Außenwelt abhängig sind, d. h. von ihren Mitgliedern und staatlichen wie privaten Geldgeber*innen, aber auch von parallel agierenden NRO, Medien und gesellschaftlichen Entwicklungen. Dies kann unter der Überschrift der 'Einstellung relevanter Interessensgruppen' zur Thematik der tierischen Lebensmittel gefasst werden. Auf der anderen Seite steht die 'Einstellung der Mitarbeitenden' einer NRO, da die Themenaufnahme der Problematik eines hohen Fleisch-, Milch- und Eikonsums auch davon abhängt, welche Bedeutung die Mitarbeitenden dieser Thematik zusprechen und inwiefern sie bereit sind sie in das Maßnahmenportfolio aufzunehmen. Wenn sowohl die Interessensgruppen als auch die Mitarbeitenden einer NRO der Themenaufnahme befürwortend gegenüber gestellt sind, so ist ein umfassender Einsatz für eine Reduktion des Konsums tierischer Lebensmittel von dieser NRO zu erwarten. Dies trifft in vorliegender Erhebung vorwiegend auf Tierschutzorganisationen und einige Umweltorganisationen zu. Der gegenteilige Fall einer fehlenden Thematisierung tierischer Produkte tritt ein, wenn weder relevante Interessensgruppen, noch die Mitarbeitenden einer NRO die Themenaufnahme befürworten oder als dringlich erachten. Dies kann insbesondere bei Welternährungs- und Gesundheitsorganisationen beobachtet werden. Wenn die Mitarbeitenden einer NRO die Thematisierung der Problematik tierischer Lebensmittel befürworten, die relevanten Interessensgruppen jedoch ablehnend gegenüber derartigen Maßnahmen stehen, ist eine zurückhaltende Thematisierung zu erwarten, die sich auf Informationstexte bspw. auf den Internetseitenauftritten der NRO beschränkt. Dies ist v. a. bei Umwelt- und Welternährungsorganisationen erkennbar. Der vierte Fall, dass die Interessensgruppen einer NRO für eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte eintreten würden, nicht jedoch die Mitarbeitenden der NRO, konnte in vorliegender Erhebung nur in Ansätzen bei Umweltorganisationen beobachtet werden. Der Hauptgrund, warum NRO, insbesondere Welternährungs- und Gesundheitsorganisationen, die Problematik des hohen Konsums tierischer Produkte nicht oder nur in geringem Umfang aufnehmen, liegt in der o. g. Abhängigkeit der NRO von öffentlichen Geldgeber*innen, wie auch von privaten Spender*innen und Mitgliedern ('Einstellung relevanter Interessensgruppen'). Weitere Faktoren umfassen bspw. die Arbeitsteilung wie auch den Wettbewerb zwischen NRO, insofern dass auf andere NRO verwiesen wird und Nischen für eigene Themen gesucht werden. Neben den Gründen für den Umfang der Thematisierung des hohen Konsums tierischer Lebensmittel wurden auch Strategien erfragt, die die NRO anwenden um denselben zu senken. Hierbei wurde insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit in verschiedenen Ausrichtungen genannt und als sehr wirksam eingeschätzt. Vor allem emotional ausgerichtete, positiv formulierte, zielgruppenspezifische und anschaulich dargestellte Kampagnen können als effektiv eingeschätzt werden. Auch politische oder juristische Maßnahmen, wie Lobbyismus oder Verbandsklagen werden von den NRO durchgeführt, wobei die befragten NRO auf der bundespolitischen Ebene derzeit kaum Potential sehen Änderungen herbeizuführen; auf Regionen- oder Länderebene jedoch realistischere Einflussmöglichkeiten sehen. Als nächste Schritte für NRO im Sinne einer (verstärkten) Thematisierung der Problematik tierischer Lebensmittel können folgende Maßnahmen geraten werden: • Eine Erhebung der Meinung von Mitgliedern und Spender*innen zu der o. g. Themenaufnahme in das Maßnahmenportfolio der jeweiligen NRO. Dies ist insbesondere bei NRO sinnvoll, die unsicher über die Reaktion ihrer Mitglieder und Spender*innen auf einen Einsatz für eine Reduktion des Konsums tierischer Produkte sind. • Eine Prüfung von alternativen Finanzierungsmöglichkeiten, die eine Abhängigkeit von staatlichen Geldern verringern. Hierdurch würde der Bedeutung von NRO als Teil des Dritten Sektors neben Politik und Wirtschaft gerecht und die Einflussmöglichkeiten auf dieselben erhöht. • Eine vermehrte Kooperation zwischen NRO innerhalb einer Disziplin und zwischen Disziplinen, sodass bspw. im Rahmen eines Netzwerkes aufeinander verwiesen werden kann. Dies ermöglicht die Einhaltung der jeweiligen Organisationsphilosophien und Kernkompetenzen trotz Zusammenarbeit mit NRO, die andere Herangehensweisen an die Förderung einer pflanzenbetonten Ernährungsweise verfolgen. Zudem ermöglicht diese Netzwerkbildung eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit mit dem ökonomischen und politischen Sektor. • Die Anerkennung der Handlungsfähigkeit von NRO als Pionierinnen des Wandels. Als Dritter Sektor neben der Politik und Wirtschaft kommt NRO eine große Bedeutung in der Beeinflussung gesellschaftlicher Prozesse, insbesondere auf zwischenstaatlicher Ebene zu. Auch komplexe Themen und, angesichts der Überschreitung der planetaren Grenzen, dringliche weltumfassende Themen können von kleinen, regionalen NRO aufgegriffen werden. • Die Fortführung von bewährten Maßnahmen zur Reduktion des Konsums tierischer Produkte, wie verschiedene Formen der Öffentlichkeitsarbeit, kann als sinnvoll erachtet werden. Hinzu können neue Inhalte genommen werden, wie bspw. die Förderung eines achtsamen Konsumstils durch naturnahe Lernorte. Für eine Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Verhaltensänderungen hinsichtlich nachhaltiger Konsumstile ist eine verstärkte Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen sinnvoll. Diese Erkenntnisse hinsichtlich der Gründe für eine Thematisierung der Problematik tierischer Produkte durch NRO lassen sich evtl. auch auf andere Themen übertragen, die von NRO aufgegriffen werden können, wie bspw. die Kritik an Flugreisen. Zudem ist es denkbar, dass die auf Deutschland beschränkte Analyse auch auf weitere, insbesondere westlich geprägte Länder übertragen werden kann. ; Sustainable development facilitates a permanently pursuable development which is within the ecological earth system. Through the worldwide population growth, the increasing wealth and unsustainable lifestyles the ecological limits are about to be or are already exceeded, so that future generations as well as parallel living generations haven't got the same possibilities to meet their needs as those living in current developed nations. Agricultural production contributes a high share to this threat to and exceedance of planetary boundaries, as in particular the high and further increasing consumption of animal source products has numerous ecological but also social and health consequences. One of the basic problematic aspects of animal source products is the high energy loss during the processing from plant animal feed to meat and dairy products. As a result large intensively used agricultural areas are necessary to feed animals leading to biodiversity loss, greenhouse gas emissions, land grabbing and health problems due to pesticide usage. Furthermore, high water usage, competition between food and fodder, as well as inhumane treatment of animals, and threats to human health by e.g. coronary heart diseases and antibiotic resistance are consequences of a meat-rich diet. Reasons for this high and increasing animal product consumption include personal, social, economic and political as well as structural factors, whereby in the thesis at hand the focus lies on people which are shaped by a Western European culture. Personal and social barriers to a reduced consumption of animal source food mainly include a lack of knowledge, the psychological phenomenon of cognitive dissonance, a lack of consciousness as well as the pressure of social norms. Political and economic barriers comprise the growth-oriented economy, a lack of price incentives for a sustainable consumption as well as an infrastructure which facilitates the consumption of animal source products. Non-governmental organizations (NGOs) as part of the so called Third Sector, besides politics and economy, and representatives of the society are a vital player in national and international governance. They are mostly supported by the society or at least by parts of it and can put pressure on political and economical protagonists through public relations activities and other means. Thus, NGOs as potential interface between society, politics and economy are one promising player for reducing animal product consumption. Due to the above named multidimensional consequences of a high consumption of animal source products especially NGOs targeting to protect the environment, improve the world nutrition situation, care for animal ethics and enhance the health status are potentially interested to reduce the consumption of meat, dairy and eggs. However, according to previous studies in Sweden, Canada and the U.S., there is a limited degree of engagement in encouraging reduced meat consumption of environmental NGOs in light of climate change. Due to the multidimensional consequences of animal source products in the thesis at hand the coverage of analysis is extended and includes the investigation of German environmental, food security, health and animal welfare organizations regarding their commitment to a reduced consumption of animal products. Research consists of a material analysis of 34 NGOs, 24 expert interviews with NGO staff and a focus group discussion testing the preliminary results of the interviews, whereby the central element is the expert interviews. Overall the research process complies with the Grounded Theory Methodology (GTM), which is an inductive procedure without fixed expectations regarding the results. In particular, the research questions include, besides the analysis of the current scope of the commitment to a plant-based nutrition, the influencing factors on this scope as well as the kind of strategies of action for a reduced consumption of animal source products. In accordance to the GTM a new model has been developed as final result of the research process which summarizes the findings in a compact core category. As central result of the research the 'model of the weighing of existence-securing' can be presented. In compliance with previous literature it indicates that NGOs as part of the society are dependent on their environment, i. e. on their members as well as public and private funders, but also on parallel existing NGOs, the media and societal developments. This can be summarized under the headline 'attitude of relevant stakeholders' to the theme of animal source products. On the other side, the 'attitude of the staff' of a NGO can be named as influencing factor, as the thematisation of the problematic of the high animal product consumption is also dependent on the importance which is awarded to this topic by the staff members and in how far they are ready to include the topic in their portfolio of action. In case of the support of the topic by both the stakeholders and the staff members of a NGO, a comprehensive thematisation of the problematic of animal source products can be expected from the respective NGO. In the investigation at hand, this is mainly true for animal welfare and environmental organisations. The contradictory case of no thematisation occurs if neither relevant stakeholders nor the staff members of a NGO support the urgency and thematisation of the reduced animal product consumption. This case can be observed mainly for food security and health organisations. If staff members of a NGO are in favour of the thematisation of the problematic of animal source products, but the stakeholders reject such measures, a restrained thematisation can be expected, which is limited to information texts e. g. on the website of the respective NGO. This is mainly for some environmental and food security organization observable. The fourth case, in which stakeholders are in favour of the thematisation, but staff members aren't, is merely true for some environmental organisation in the analysis at hand. The main reason for a restrained plaid for a reduced consumption of animal source products, mainly by food security and environmental organisations, can be detected in the dependence on financial means from the government, donors and members ('attitude of relevant stakeholders'). But there are also factors like the division of responsibility and the competition between NGOs which impede an engagement in reducing animal product consumption, as NGOs refer to other NGOs or are search for own thematic niches. Besides the reasons for the scope of animal product thematisation by NGOs, strategies of the NGOs advocating a reduced animal product consumption has been analysed. These strategies include mainly public relations work in different variants, which is estimated by the NGOs to be highly effective. In particular emotionally created, positively formulated, target group specific and vividly presented campaigns can be rated as effective. In addition political and legal measures like lobbying or representative actions are named by the interviewed NGOs, whereby they don't see any potential for change on the federal level but on regional or provincial level. As next steps for NGOs according to the reduction of the consumption of animal source products, the following measures can be advised: • A survey about the opinions of the members and donators about the inclusion of the above named topic into to portfolio of measures. Particularly this is relevant for NGOs which are not sure about the reaction of their members and donators to their commitment to a reduced consumption of animal product consumption. An analysis of alternative possibilities of the origin of financial means, which minimize the dependence on public funds. Through this change of the origin of financial means NGOs would satisfy their meaning as part of the Third Sector besides politics and the economy and would increase their possibilities of influencing them. • An increased cooperation between NGOs of the same discipline as well as between different disciplines, so that they can e.g. refer to each other within a network. This enables NGOs to follow their respective organisational philosophy and core competences while at the same time allows cooperating with NGOs following a different approach to foster a plant-based way of nutrition. In addition, this creation of networks facilitates an increased competitiveness with the economic and political sector. • The acknowledgement of NGOs possibilities for action as agents of change. As part of the Third Sector besides politics and the economy, NGOs have a high importance in the influencing of social developments, especially on the interstate level. Complex topics as well as – due to the exceedance of planetary boundaries – urgent global topics can be thematised both by small, regional and large, international NGOs. • The continuation of proven measures aiming to reduce the consumption of animal source products, like different kinds of public relations work, is reasonable. In addition, new contents can be included, like e. g. the fostering of a conscious style of consumption through learning facilities close to nature. For an implementation of scientific findings about behaviour change regarding sustainable styles of consumption an improved cooperation of NGOs and research institutions is recommendable. These findings regarding the reasons for the thematisation of the problematic of animal source products through NGOs might be able to be transferred to other topics, which are thematised by NGOs, like e. g. the criticism on air travels. Furthermore, it is conceivable to transfer the findings about German NGOs to other countries, especially Western characterised countries.
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Holger Hanselka soll die Fraunhofer-Gesellschaft aus der Krise holen. Wie will er das machen? In seinem ersten Interview als neuer Fraunhofer-Präsident spricht der Wissenschaftsmanager über saubere Governance, die Verteilung von Macht und eine deutsche Krise.
Angekommen: Am heutigen Dienstag übernimmt Holger Hanselka das Amt als Fraunhofer-Präsident. Foto: Markus Jürgens/Fraunhofer.
Herr Hanselka, herzlichen Glückwunsch zum Amtsantritt als neuer Fraunhofer-Präsident. Welches Dienstfahrzeug werden Sie fahren?
Funktional muss es sein. Als ich beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) anfing, habe ich den Sechszylinder meines Vorgängers gegen einen Vierzylinder eintauschen lassen. Damit fühlten sich die Fahrer nicht so gut, aber ich habe mich gut gefühlt. Heute denkt man nicht mehr in Zylindern, sondern in anderen Antriebsformen. Klar ist also: Fahren muss das Fahrzeug, ich muss drin arbeiten können, aber Luxus oder Statussymbol brauche ich nicht.
Wie sieht es mit der Kategorie der Hotels aus, in denen Sie übernachten werden?
Ich schlafe sehr häufig für 80 Euro die Nacht. Es gibt aber Jahreszeiten und Situationen, in denen mit 80 Euro nichts zu machen ist – denken Sie zum Beispiel an die Hannover-Messe –, und wenn man die nötigen Mehrausgaben plausibel begründet, geht das auch mit dem Reisekostengesetz in Ordnung. Ist eine ordentliche Begründung nicht möglich, dann sollte man es nicht machen. So einfach ist das. Ich sehe da kein Problem. In Zeiten gleich mehrerer Polykrisen auf dem gesamten Planeten steht Fraunhofer aber vor ganz anderen Herausforderungen.
Die massiven Vorwürfe gegen den Fraunhofer-Vorstand um Ihren Vorgänger Reimund Neugebauer sind aber ein Problem. Sie betreffen unter anderem den Umgang mit Spesen und Steuergeldern, ein mutmaßlich problematisches Führungsverhalten und die angebliche Erzeugung eines Klimas der Angst. Als neuer Präsident erben Sie die alten Skandale, die Vertrauenskrise nach außen und innen und die gerade erst begonnene Aufarbeitung.
Als neuer Präsident bin ich verantwortlich für die Fraunhofer-Gesellschaft, und dieser Verantwortung stelle ich mich. Es ist eine Selbstverständlichkeit für mich, dass all die Vorwürfe, die im Raum stehen, transparent und lückenlos aufgeklärt werden. Die Federführung dafür liegt beim Senat, und da gehört sie auch hin. Meine Rolle als Präsident wird darin bestehen, dass der Vorstand und ich den Senat bei seiner Aufklärungsarbeit weiterhin vollumfänglich unterstützen. Und wenn es soweit ist, wird es meine Aufgabe sein, aus bestätigten Fehlern und Fehlverhalten die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, so dass sie sich nicht wiederholen können. Ein Klima der Angst kann ich bei Fraunhofer nicht wahrnehmen.
HOLGER HANSELKA, 61, ist Maschinenbauingenieur und wurde am 25. Mai vom Fraunhofer-Senat einstimmig zum neuen Präsidenten der Forschungsgesellschaft gewählt. Die vergangenen zehn Jahre war er Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und fungierte als für den Forschungsbereich Energie zuständige Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft, zu der das KIT gehört. Bevor Hanselka nach Karlsruhe kam, leitete er das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit in Darmstadt. Das KIT hatte von 2006 bis 2012 den Status einer Exzellenzuniversität, verlor ihn dann vorübergehend – und gewann ihn 2019 zurück. Bei Fraunhofer gilt Hanselka nach angesichts der Spesenaffäre als Hoffnungsträger, der gleichermaßen Aufklärung und Neustart gewährleisten soll. Foto: Markus Breig, KIT.
Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf den Senat? Immerhin war er es, der noch im August 2021, als längst massive Whistleblower-Vorwürfe gegen Reimund Neugebauer laut wurden, Ihren Vorgänger nicht nur im Amt bestätigt, sondern seine Amtszeit sogar noch verlängert hat. Einfach so im Umlaufverfahren.
Wie der Senat in der Vergangenheit gewirkt hat, kann ich schwer beurteilen. Anfang dieses Jahres stand die Stellenausschreibung für das Präsidentenamt in der Zeitung, erst seitdem habe ich mich intensiv mit Fraunhofer und auch mit dem Fraunhofer-Senat auseinandergesetzt. Seitdem, das kann ich sagen, war ich besonders von der ebenfalls neuen Senatsvorsitzenden Hildegard Müller sehr beeindruckt und ihren Bemühungen um eine transparente und lückenlose Aufklärung. Daher lautet meine Antwort: In einen Senat unter Frau Müllers Leitung habe ich großes Vertrauen. Und wie gesagt: Ich als Präsident werde dafür sorgen, dass auch wir als Vorstand gemeinsam jeden erdenklichen Beitrag leisten, die Dinge zu klären.
Obwohl dem Senat zum Teil noch dieselben Leute angehören, die sich wie eine Mauer vor Reimund Neugebauer gestellt, im Herbst 2021 die Vorwürfe gegen ihn per Senatsbeschluss als "durchweg
haltlos" und die Aufklärung faktisch als abgeschlossen eingestuft haben. Übrigens sitzen auch im Vorstand, den Sie jetzt leiten, noch Leute, die über viele Jahre Weggefährten Neugebauers waren. Darunter Alexander Kurz, der seit 2011 verschiedene Vorstandsämter bekleidet hat, als enger Vertrauter Neugebauers gilt und genau wie dieser von der Fraunhofer-Mitgliederversammlung für das Rechnungsjahr 2022 nicht entlastet wurde. Wir erinnern uns: Die Rücktrittsforderungen nach den im Februar 2023 öffentlich gewordenen Vorwürfen im Bericht des Bundesrechnungshofs, erhoben unter anderem von Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger, richteten sich gegen den Vorstand als Ganzes.
Der Senat hat zur Aufklärung der sehr eindeutigen Vorwürfe im Rechnungshofbericht einen eigenen Ausschuss eingerichtet, der sich sehr intensiv seiner Arbeit widmet, und zwar in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Kanzleien und der Staatsanwaltschaft. Als bislang Außenstehender ist mein Eindruck, dass mit Unterstützung des gesamten Vorstands alles getan wird, was man tun kann, um Transparenz zu schaffen und aufzuklären. Die Frage nach den Konsequenzen, die ich gerade schon angesprochen habe, kann erst seriös beantwortet werden, wenn zu der begonnenen Untersuchung Ergebnisse vorliegen. Alles andere wäre unlauter. Worüber ich mir ehrlich gesagt die größeren Gedanken mache: Wie können und müssen wir die Governance bei Fraunhofer so verändern, dass künftig jeder seine Rolle hat, das Zusammenspiel funktioniert und vor allem auch die Aufsichtsfunktion des Senates greift? Da sehe ich Nachholbedarf.
"Ich sehe eine Parallelität zwischen dem Zustand, in dem sich das Karlsruher Institut für Technologie bei meinem Amtsantritt befand, und der Situation bei Fraunhofer heute."
Was meinen Sie konkret?
Die jetzt zu Recht von allen geforderte Compliance funktioniert nur, wenn die Governance einer Institution sauber aufgestellt ist. Und genau an der Stelle kann ich mit der Erfahrung, die ich anderswo gesammelt habe, meinen vielleicht wichtigsten Beitrag leisten. Ich werde mein Wissen und meine Erfahrung aus den vergangenen Jahren auf die Fraunhofer-Gesellschaft übertragen und hinterfragen: Was haben wir schon? Was fehlt? Das ist eine Aufgabe, auf die ich mich freue, weil sie klar und pragmatisch ist und ehrlich gesagt gar nicht so kompliziert. Man muss sie halt gründlich erledigen. Und dann können wir uns wieder um unser Kerngeschäft kümmern.
Wenn Sie von der anderswo gesammelten Erfahrung sprechen, meinen Sie das KIT, an dem Sie 2013 Präsident wurden?
In der Tat sehe ich eine Parallelität zwischen dem Zustand, in dem sich das KIT damals befand, und der Situation bei Fraunhofer heute.
2013 hatte das KIT gerade seinen Status als Exzellenzuniversität verloren, die Fusion der Universität mit einem Helmholtz-Zentrum steckte in der Krise, die Stimmung war schlecht und das Vertrauen der Mitarbeiter in die Institution gestört. Was fehlte, war ein vergleichbarer Compliance-Skandal.
Aber die institutionelle Governance war auch damals ein Problem. Und aus dieser Parallelität schöpfe ich Mut für meine aktuelle Aufgabe. Es ist mir einmal gelungen, das Ruder herumzureißen. Warum sollte es mir nicht ein zweites Mal gelingen? Der Schlüssel zum Erfolg war und ist aus meiner Sicht der Dialog. Mit den Menschen reden ist das, was ich kann. Und ich glaube, dass man mir zutraut, nach außen und innen aufrichtig zu kommunizieren und ehrlich miteinander umzugehen. Gerade am Anfang werde ich ein hohes Maß an Energie aufs Zuhören verwenden, um zu verstehen, wo die Probleme und Nöte liegen und wie wir gemeinsam zu Lösungen kommen.
"Dialog" und "Transparenz" sind in der Krisenkommunikation viel genutzte und oft missbrauchte Begriffe.
Nicht, wenn die Leute merken, dass sie ehrlich gemeint sind. Ich werde alles ansprechen, alles hinterfragen, mir zu allem erst eine Meinung bilden, wenn ich die der anderen gehört habe. Dialog funktioniert nur auf Augenhöhe – nur wenn ich selbst alles auf den Tisch lege, kann ich die anderen dazu ermutigen, das Gleiche zu tun. Das heißt nicht, dass alles geändert wird oder geändert werden kann. Aber, wo wir alle gemeinsam – und damit meine ich wirklich Fraunhofer als Ganzes – Fraunhofer besser machen können, werden wir nicht zögern, es zu tun. Diese herausragende Institution, deren Präsident ich nun sein darf, hat so viele Stärken, für sie arbeiten so viele engagierte und hochprofessionelle Menschen, es wäre doch gelacht, wenn wir es nicht schafften, uns wieder auf unsere weltweit anerkannte Arbeit zu konzentrieren.
"Wir müssen zur Normalität zurück, wie sie das Gesetz vorgibt: nicht wie die Fürsten speisen, aber es kann auch nicht sein, dass es nur noch Wasser und Salzstangen gibt."
Aus den Fraunhofer-Instituten ist großer Frust zu vernehmen, dass sie jetzt gerade stehen sollen für die mutmaßliche Steuerverschwendung in den Chefetagen. Nach dem Motto: Wir dürfen unseren Gästen nicht einmal mehr Kekse zum Kaffee servieren, weil es in der Zentrale Ärger um vermeintlich überflüssige Dienstfahrten oder angeblich horrende Bewirtungs- und Hotelrechnungen gibt.
Es trifft zu, dass die Fraunhofer-Gesellschaft verschärfte Auflagen im Zuwendungsbescheid durch das Bundesforschungsministerium bekommen hat, wie mit Geschenken, Bewirtungen oder Reisekosten umzugehen ist, deren Rigorosität man zum Teil schon hinterfragen kann. Ich finde, wir müssen auch da zur Normalität zurück, wie sie das Gesetz vorgibt: nicht wie die Fürsten speisen, aber es kann auch nicht sein, dass es nur noch Wasser und Salzstangen gibt. Angesichts der Vorwürfe ist das Pendel zu stark in die entgegengesetzte Richtung ausgeschlagen.
Wenn für Sie eine funktionierende Governance in einer sauberen Rollenverteilung zwischen den Gremien und einer funktionierenden Aufsicht besteht, was bedeutet das für das künftige Verhältnis zwischen Senat, Vorstand und Mitgliederversammlung?
Der Senat kann nicht alles beaufsichtigen, deshalb ist der erste Schritt, seine Kontrollaufgaben genau zu definieren, zu denen sicher zentral die Überprüfung des Wirtschaftsplans gehört. Die Kontrollaufgaben, die der Senat hat, muss er dann professionell erledigen. Dafür muss er aus Menschen bestehen, die die Fähigkeiten und das Wissen haben, die notwendigen Bewertungen vornehmen zu können. Die bereit sind, möglicherweise ein Veto gegen eine Entscheidung des Vorstands einzulegen, wenn es die Aufsicht erzwingt. Genauso muss die Leitungsaufgabe des Vorstandes beschrieben sein, und ich als Präsident muss die Aufgabenverteilung des Vorstands vertreten, und gemeinsam müssen wir die nötigen Kompetenzen aufweisen, um diese zu erledigen. Drittens die Mitgliederversammlung: Ein eingetragener Verein, wie die Fraunhofer-Gesellschaft einer ist, hat weniger gesetzliche Anforderungen in Sachen Transparenz zu erfüllen als zum Beispiel eine Aktiengesellschaft. Darum muss die Mitgliederversammlung es zu ihrer zentralen Aufgabe machen, die Fraunhofer-Satzung so zu überarbeiten, dass sie die im Gesetz fehlenden Regeln, die Rollen- und Mandatsbeschreibungen für eine moderne Governance und Compliance, erfüllt. Das mag alles ein bisschen theoretisch klingen, ist aber grundlegend und muss einmal durchdekliniert werden. Das ist Fleißarbeit und hier und da auch eine Machtfrage.
"Wenn man mehr Macht in das eine Körbchen und weniger ins andere legt, schafft das die nötige institutionelle Balance, mag aber den einen oder anderen aus dem Gleichgewicht bringen."
Nur hier und da?
Macht ist an sich nichts Böses. Man muss nur definieren, wo sie liegt und wo nicht, und dass mit Macht auch immer Verantwortung verbunden ist. Das gilt es möglichst rational zu beschreiben, ohne Rollenbeschreibungen und Menschen zu vermischen. Aber klar: Wenn man mehr Macht in das eine Körbchen und weniger ins andere legt, schafft das hoffentlich die nötige institutionelle Balance, mag aber den einen oder anderen Betroffenen aus dem Gleichgewicht bringen. Macht muss sich aber von der zu erfüllenden Funktion ableiten und nicht von Personen.
Die von Ihnen beschworene Rationalität in Ehren. Aber seien wir ehrlich: Sie als Präsident sind neu, Sie kommen aber in ein System hinein mit vielen Leuten, die sich an dieses System gewöhnt haben – und damit an eine Machtverteilung, die womöglich weniger transparent, aber sehr real ist. Wie wollen Sie die überzeugen, die im Moment die Macht haben – zumal Sie die impliziten Machtstrukturen gar nicht genau kennen?
Wenn man eine Governance neu und transparent festzurrt, heißt das noch lange nicht, dass sich alle Personen dem unterwerfen werden. Darum braucht man Aufsichtsorgane. Vor allem aber braucht es die Hartnäckigkeit, jedem Menschen die immer gleichen Fragen zu stellen. Was tust du? Warum tust du die Dinge so, wie Du sie tust? Wem gegenüber trägst Du für Dein Handeln die Verantwortung? Wer hat dir etwas zu sagen? Wem hast du etwas zu sagen? Und: Ist es so richtig organisiert? All das habe ich am KIT schon einmal durchexerziert. Und aus dieser Erfahrung sage ich: Die meisten Dysfunktionalitäten entstehen nicht durch Vorsatz, nicht aus bösem Willen, sondern sie wachsen historisch und werden dann nicht mehr hinterfragt. Ich bin mir sicher: Ich werde viele Stellen finden, wo die Zuständigkeiten nicht richtig definiert sind und es nur funktioniert, weil die Menschen im Sinne der Sache die organisatorischen Schwächen kompensieren. Bis es dann halt irgendwann nicht mehr funktioniert. Diese ganze Fragerei wird mir sicherlich gerade am Anfang nicht nur Sympathien einbringen, aber für Sympathie werde ich nicht bezahlt. Sondern für Sinnstiftung. Und wenn dieser Sinn zu erkennen ist, folgen dem am Ende die Menschen.
Auch die Menschen, die in einem transparenten System zu den Verlierern zählen?
Ich bestreite, dass irgendwer in einem solchen System verliert. Vielleicht muss man sich neu orientieren, sich neu aufstellen. Aber was ist so schlimm daran? Wenn alles sich verändert, verliert nur der, der stehenbleibt. Und so ist Fraunhofer nicht. Das ist eine agile Gesellschaft, die aus veränderungsbereiten Menschen besteht, die sich an Märkten und ihren Bedürfnissen orientieren. Im Vergleich zu einer klassischen Universität wird es das für mich einfacher machen.
"Ich möchte eine Kultur, in der intern alles zu sagen erlaubt ist, auch das, was sich nicht gut anhört."
Werden Sie auch den Kontakt suchen zu den Whisteblowern innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft, die bislang aus Angst vor den Konsequenzen meist aus der Anonymität heraus agieren mussten?
Ich wünsche mir, dass wir bei Fraunhofer wieder lernen, miteinander zu reden und nicht übereinander. Das heißt: Ob Sie gute Nachrichten haben oder schlechte, bitte kommen Sie zu mir. Ich möchte eine Kultur, in der intern alles zu sagen erlaubt ist, auch das, was sich nicht gut anhört. Nur wenn alles gesagt wird, können wir gemeinsam darüber nachdenken, was zu tun ist. Wenn ich als Präsident Dinge nur um die Ecke erfahre, über irgendwelche Bande, macht das die Sache mit dem Dialog nicht unmöglich, aber schwieriger.
Der Bundesrechnungshof hat kürzlich seinen zweiten Fraunhofer-Bericht in diesem Jahr fertiggestellt. Darin kritisiert er den Umgang mit Rücklagen und die Abwicklung des internen Wettbewerbs zwischen den Fraunhofer-Instituten. Noch mehr Altlasten, mit denen Sie umgehen müssen?
Ich hatte bislang keinen Zugang zu diesem zweiten Bericht. Ich kenne auch nur die von Ihnen erwähnten Buzzwords. Sobald ich den Bericht habe, werde ich die Schlussfolgerungen des Rechnungshofs sehr genau studieren. Was ich schon jetzt und ein bisschen ins Blaue hinein sagen kann: Das Modell von Fraunhofer unterscheidet sich grundlegend von dem, was die Max-Planck-Gesellschaft oder die Helmholtz-Gemeinschaft ausmacht. Bei Fraunhofer ist weniger als ein Drittel des Haushalts durch staatliche Grundmittel finanziert; der Anteil, den die Institute selbst erwirtschaften müssen, ist viel größer. Wir müssen also wie Unternehmer denken und agieren. Dazu gehört, die eigene Liquidität zu sichern für Phasen, in denen die Geschäfte mal nicht so gut laufen. Dass eine solche Logik nur schlecht zur Kameralistik staatlicher Haushalte passt, dass es da immer wieder Spannungen gibt und geben muss, ist offensichtlich. Rücklagen gehören in dieses Spannungsfeld. Ich bin gespannt, was der Rechnungshof an Vorschlägen hat, um hier eine vernünftige Balance herzustellen.
Bevor Sie 2013 ans KIT wechselten, haben Sie selbst ein Fraunhofer-Institut geleitet. Der vom Rechnungshof kritisierte interne Wettbewerb zwischen den Instituten ist Ihnen also nicht fremd.
Einen internen Wettbewerb gibt es nicht nur bei Fraunhofer, er ist der Wissenschaft inhärent. Bei Helmholtz wird er über die Programmorientierte Förderung ausgetragen, mal in Kooperation, mal in Konkurrenz zwischen den Zentren. An den Hochschulen bewerben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam um DFG-Projektgelder und wetteifern zugleich um dieselben Töpfe. Die eine Woche sind sie Begutachtete, die nächste Woche Gutachtende. Diese Formen des Wettbewerbs halte ich für zwingend erforderlich, damit unser Wissenschaftssystem agil bleibt. Das Besondere bei Fraunhofer ist, dass die Institute rechtlich unselbstständig sind. Wenn sie im Wettbewerb besonders erfolgreich sind und Überschüsse erwirtschaften, gehen diese Überschüsse auf die Gemeinschaftsebene. Das muss zwangsläufig begleitet werden von einer anderen internen Verrechnung zugunsten der gut wirtschaftenden Institute, um den Anreiz und die Dynamik zu erhalten. Auch das ist eine Frage der vernünftigen Balance. Hier werde ich mich als Fraunhofer-Präsident dafür einsetzen, bei den Haushältern im Bundestag das nötige Verständnis zu schaffen und gleichzeitig im Dialog mit der Politik Wege zu finden, wie man das jetzige System zugleich bedarfsgerecht und anforderungsorientiert gestalten kann.
"Anstatt immer mehr Leute einzusetzen, die sich
angucken, was alles nicht funktioniert, sollten
wir den Spieß umdrehen und dafür sorgen, dass die Dinge erstmal wieder funktionieren."
Ist Fraunhofer inmitten seiner Modernisierungskrise Sinnbild für ein ganzes Land, dessen Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert? Spätestens in der Corona-Zeit zeigte sich, dass die Bundesrepublik ein dramatisches Innovationsproblem hat: eine veraltete Infrastruktur, eine lückenhafte Digitalisierung, eine in Teilen dysfunktionale Verwaltung – und eine Wirtschaft, die sich zu lange auf angestammte Produktlinien verlassen hat.
Ich glaube, es handelt sich eher um eine Krise der Haltung als der Modernisierung.
Was meinen Sie damit?
Ich fange mit dem Positiven an. Ich war am vorvergangenen Wochenende in München und habe aus naheliegenden Gründen eine neue Wohnung gesucht. Da kam ich an einem Schild vorbei, auf dem war ein Hirsch abgebildet, und ich habe erwartet, dass "Nicht füttern" drunter steht. Von wegen. Drauf stand: Wenn Sie die Tiere füttern möchten, denken Sie daran, dass es Pflanzenfresser sind, also bitte pflücken Sie Pflanzen oder nehmen Sie Mohrrüben. Die Bayern haben es irgendwie drauf, habe ich da als Norddeutscher gedacht. Die wissen, wie die Menschen sind, und anstelle von Verboten, die doch keiner einhält, gibt es pragmatische Tipps. Damit bin ich wieder bei der Krise der Modernisierung oder besser der Haltung. Wir müssen wegkommen von diesem Wahnsinn der Überregulierung und immer noch mehr Bürokratie, in den wir hineingeraten sind. Wir müssen als Gesellschaft wieder mehr Zuversicht und Vertrauen in die Menschen haben und ihnen mehr Freiraum geben.
Sagen Sie ausgerechnet nach dem, was gerade bei Fraunhofer passiert ist?
Ich kann da keinen Widerspruch erkennen. Für eine Ermöglichungskultur, die ich meine, brauchen Sie zuerst ein klares Regelwerk, eine in sich stimmige Governance. Wenn ich beides habe, ist zugleich die Zahl der unsinnigen Vorschriften reduziert, dann brauche ich keine Bürokratiemonster, um die Einhaltung der Regeln zu überprüfen. Anstatt immer mehr Leute einzusetzen, die sich angucken, was alles nicht funktioniert, sollten wir den Spieß umdrehen und dafür sorgen, dass die Dinge erstmal wieder funktionieren. Und je besser sie funktionieren, desto transparenter geht es zu, und desto weniger Leute müssen es kontrollieren.
Und die Innovationskrise erledigt sich dann quasi wie von selbst mit? Ist das nicht etwas zu einfach? Bei vielen Technologien hat Deutschland längst den Anschluss verloren, und das gründlich. Da hat auch Fraunhofer wenig dran geändert – das immer noch einen Großteil seiner Lizenzeinnahmen aus einer Innovation der 80er und 90er Jahre bestreitet: des MP3-Standards.
Da bin ich doch deutlich optimistischer als Sie und habe auch einen weiteren Innovationsbegriff. MP3 war vor allem ein Patenterfolg. Aber die Innovation, für die Fraunhofer steht, ist mehr als die wirtschaftliche Verwertung einzelner Technologien. Unser Kerngeschäft ist es, Forschungsaufträge mittelständischer Unternehmen auszuführen, aus denen dann in Form von Gemeinschaftsprojekten neue Erkenntnisse, Anwendungsmöglichkeiten und Produkte entstehen. Wenn Sie sich auf dem Weltmarkt umschauen, könnten Sie auf die Produkte unzähliger Unternehmen "Fraunhofer inside" draufschreiben, das ist unser Kerngeschäft, der Gradmesser unseres Erfolgs. Nur wird der in der politischen Debatte allzu oft auf die Zahl unserer Startups, Spinoffs und Patente verkürzt.
"Unser Ziel muss sein, dass zum Beispiel Batterien nicht irgendwo auf der Welt produziert werden, sondern bei uns in Deutschland, und dass dies dann auch in unserer Gesellschaft wertgeschätzt wird."
Soweit der Werbeblock für Fraunhofer. Eigentlich ging es mir aber um Deutschlands technologischen Rückstand.
Und an der Stelle bin ich ganz bei Ihnen. Wir gehen in Deutschland zu wenig ins Risiko. Wenn ich mir die Zukunftstechnologien anschaue, zum Beispiel die Künstliche Intelligenz, die Robotik oder die Energiespeicherung, dann befinden sich sämtliche Schlüsselspieler außerhalb von Deutschland und, in den meisten Fällen, Europas. Die Batterietechnik ist ein gutes Beispiel. Ob in Ulm oder Münster, bei der Forschung sind wir gut dabei, da gehören wir auch unter Fraunhofer-Beteiligung zur Weltspitze. Aber wir schaffen es nicht, die Forschungsergebnisse in die nächste oder übernächste Generation von Batterien auf den Weltmarkt zu bringen. Unser Ziel muss sein, dass uns genau dieses wieder gelingt: dass diese Batterien nicht irgendwo auf der Welt produziert werden, sondern bei uns in Deutschland, und dass dies dann auch in unserer Gesellschaft wertgeschätzt wird. Genau da kommt es auf uns bei Fraunhofer an.
Was können Sie von der internationalen Konkurrenz lernen?
Nehmen wir das Feld der Künstlichen Intelligenz. Da könnten Sie jetzt auch mit einigem Recht sagen, da sei für uns in Deutschland der Zug abgefahren. Aber ich glaube das nicht. Wir müssen genau hinschauen, was Amazon oder Microsoft erfolgreich macht. Das meiste werden wir nicht nachmachen können, weil die finanziell in ganz anderen Dimensionen unterwegs sind. Aber wir können schauen, wie auch wir die Künstliche Intelligenz nutzen, um zum Beispiel unsere Produktionsprozesse der Analyseverfahren zu verändern. Entscheidend ist, dass wir nicht zur verlängerten Werkbank anderer werden, sondern dass wir uns schleunigst die richtigen Partner in der deutschen und europäischen Industrie suchen. Dass wir uns mit ihnen zusammentun, um neue Technologien entwickeln, die zu unserer Wirtschaft passen und zu neuen Produkten und Wertschöpfungen führen. Keine Sorge, ich bin nicht naiv, ich weiß schon, dass wir aufpassen und hungrig bleiben müssen. Aber wann immer ich ein Fraunhofer-Institut besucht habe in der letzten Zeit, habe ich diesen Hunger in den Augen unserer jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gesehen.
Der neue Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Patrick Cramer, hat im Interview hier im Blog die Verbesserung der Karrierewege als zentrales Ziel seiner Amtszeit benannt. Nachdem auch Sie gerade die Bedeutung junger Forschender so betont haben, welchen Änderungsbedarf sehen Sie an der Stelle bei Fraunhofer?
Zur Abwechslung mal überhaupt keinen. Wer zu Fraunhofer geht, tut das nicht vorrangig um einer wissenschaftlichen Karriere willen. Wer die anstrebt, ist an den Universitäten oder bei Max Planck besser aufgehoben. Wer zu Fraunhofer geht, den interessiert das Projektgeschäft. Der möchte nah dran sein an den Belangen der Wirtschaft und der Märkte – und dabei möglicherweise eine Promotion mitnehmen. Und über diese Promotion springe ich dann entweder in die Industrie oder übernehme Verantwortung anderswo in der Gesellschaft. Dass ich nach einer Promotion aus der Fraunhofer-Welt hinaus auf eine Postdoc-Stelle wechsle, eine Habilitation anstrebe oder Richtung Juniorprofessur, ist ungewöhnlich und sollte es bleiben.
Zu den Aufgaben eines Fraunhofer-Präsidenten gehört vor allem auch die Lobbyarbeit gegenüber der Politik. Wofür werden Sie sich einsetzen in einer Zeit, in der mit viel zusätzlichem Geld nicht zu rechnen ist und einige sogar die regelmäßigen Aufwüchse für die Forschungsorganisationen in Frage stellen?
Ich fordere nicht mehr Geld. Ich fordere, dass die Politik alles dafür tut, dass wir wieder eine starke und gesunde Wirtschaft bekommen. Politik muss dafür die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Politik kann aber auch, und das ist besonders wichtig, Haltung zeigen, sich öffentlich positionieren. Politik braucht das Selbstbekenntnis zu unserer Wirtschaftskraft und ihrer Bedeutung, sie muss sie fördern und priorisieren. Wenn die Politik das tut, findet auch Fraunhofer seine Rolle als technologieorientierter Ermöglicher unserer wissensbasierten Art zu wirtschaften. Wir haben nichts Anderes als Nation, wir haben keine Rohstoffe, wir können nicht vom Ackerbau leben, wir haben nur unsere Art zu forschen und zu wirtschaften, aber in der waren wir immer richtig gut. Dahin müssen wir wieder zurückkommen.
"Auf meiner Agenda stehen acht Jahre, die traue ich mir zu."
Irgendwelche speziellen Wünsche für Fraunhofer?
Ich halte es für wichtig, dass die Politik sich noch einmal das Zuwendungsrecht ansieht. Wir entsprechen in der Art, wie wir wirtschaften, weniger den anderen Forschungsorganisationen und stärker der Bundesagentur für Sprunginnovationen, die gerade neue Freiheiten in der operativen Verwendung von Steuergeldern erhalten hat. Warum sollten Elemente davon nicht auch für Fraunhofer anwendbar sein?
Nach zehn Jahren verlassen Sie jetzt das KIT, das Sie zurück zum Exzellenzstatus geführt haben. Angesichts der gerade angelaufenen nächsten Runde der Exzellenzstrategie: Wie ungünstig ist der Zeitpunkt Ihres Weggangs für die Karlsruher Erfolgschancen?
Wir Menschen neigen dazu, uns die Welt schönzureden, aber ich glaube tatsächlich, dass der Zeitpunkt für meinen Weggang nicht besser sein könnte. Regulär wäre meine Amtszeit im September 2025 zu Ende gewesen, mitten in der entscheidenden Phase der Exzellenzstrategie. Ein Präsident, dessen Abschied fest- oder dessen Wiederwahl aussteht, hätte dann die Strategie für die nächsten sechs Jahre präsentieren müssen. Sowas kommt bei Gutachtern gar nicht gut an. Insofern ist es nahezu ideal, dass sich das KIT jetzt, zwei Jahre vor Beginn der Begutachtungen, eine neue Präsidentin oder einen neuen Präsidenten suchen kann.
Wie stark schmerzt Sie der Abschied?
Ich habe mehr gelernt, als ich je geglaubt habe, lernen zu können. Ich hatte das Privileg, alle Professorinnen und Professoren zu berufen, ich konnte in alle Wissenschaftsdisziplinen hineinschauen von den Natur- über die Ingenieur- bis hin zu den Geistes- und Sozialwissenschaften. Ich habe so viele neue Facetten für mich erkannt, wie Wissenschaft funktioniert und wie Menschen funktionieren in diesen Wissenschaften. Diese zehn Jahre des Lernens kann mir keiner nehmen, die begleiten mich in die nächste Welt hinein. Ich hatte 2013 das Bild einer Einrichtung vor Augen, das ich umsetzen wollte, und das habe ich meines Erachtens auch getan. Ich bin angetreten mit einem Zehn-Punkte-Plan für zehn Jahre, und diese zehn Punkte sind jetzt abgearbeitet.
Beim KIT war es ein Zehn-Punkte-Plan für zehn Jahre, wie viele Punkte für wie viele Jahre werden es bei Fraunhofer?
Auf meiner Agenda stehen acht Jahre, die traue ich mir zu. Und das kommuniziere ich bewusst schon jetzt so, damit keiner auf die Idee kommt, mich aussitzen zu können. Ich stehe für Veränderung, und diese Veränderung will ich erreichen. Einen neuen Punkteplan braucht es dafür nicht, denn es wäre langweilig, immer genau das Gleiche zu machen. Aber dass ich einen Plan habe, haben Sie hoffentlich gemerkt.
La presente tesi affronta il tema della modulazione degli effetti delle sentenze di accoglimento della Corte costituzionale intrecciandolo con l'analisi dell'esperienza tedesca delle Unvereinbarkeitserklärungen, le quali costituiscono lo strumento privilegiato con cui il Bundesverfassungsgericht modula nel tempo gli effetti della declaratoria di incostituzionalità. L'analisi congiunta del modello italiano e tedesco consente di valutare sotto un diverso angolo prospettico la questione relativa ai limiti dell'efficacia retroattiva delle sentenze di accoglimento, la quale ha interessato l'attività della Consulta sin dai primissimi anni della sua attività. Nel primo capitolo della tesi verrà analizzata la disciplina relativa agli effetti delle sentenze di accoglimento, ragionando in particolar modo sul principio di retroattività che presidia la declaratoria di incostituzionalità; nel secondo capitolo, verrà dedicato ampio spazio alla prassi temporalmente manipolativa della Corte costituzionale, evidenziandone le esigenze sottese e i relativi nodi problematici. Il terzo capitolo ospiterà una ricognizione delle decisioni di incompatibilità tedesche: l'analisi, che prenderà le mosse da una riflessione sul dogma della nullità e dell'annullabilità della norma incostituzionale, interesserà non solo le ragioni che conducono il Bundesverfassungsgericht a scindere il momento dell'accertamento da quello della declaratoria dell'incostituzionalità, ma anche gli effetti che si ricollegano alle diverse varianti decisionali delle Unvereinbarkeitserklärungen. Infine, l'ultimo capitolo sarà dedicato ad un raffronto tra l'esperienza temporalmente italiana e quella tedesca: esso si strutturerà principalmente intorno al profilo relativo al rapporto tra Giudice costituzionale e legislatore, ovverosia il perno intorno al quale si muove (o, meglio, dovrebbe muoversi) la giurisprudenza temporalmente manipolativa. ; The present thesis deals with the issue of modulating the effects of the sentences of the Constitutional Court by intertwining it with the analysis of the German experience of the Unvereinbarkeitserklärungen, which constitute the privileged temporally manipulative instrument with which the Bundesverfassungsgericht modulates over time the effects of the declaration of unconstitutionality. The analysis of German and Italian constitutional justice makes it possible to assess under a different perspective angle the question concerning the limits of the retroactive effectiveness of the declaration of unconstitutionality, which has affected the activity of the Corte Costituzionale since the very first years of its activity. If in the first chapter of the thesis the discipline relative to the effects of the sentences of unconstitutionality will be analyzed, reasoning in particular on the principle of retroactivity which oversees the declaration of unconstitutionality itself, in the second chapter ample space will be dedicated to the temporally modulative practice of the Constitutional Court, highlighting the underlying needs as well as the related problem areas. The third chapter is devoted to the study of the German incompatibility decisions. The analysis, which starts from a reflection on the dogma of nullity and the annulment of the unconstitutional rule, concerns not only the reasons that lead the Bundesverfassungsgericht to split the moment of assessment from that of the declaration of unconstitutionality, but also the effects that relate to the different decision-making variants of the Unvereinbarkeitserklärungen. Finally, the last chapter is devoted to a comparison between the temporally modulative Italian and German experience: it will be structured mainly around the profile relative to the relationship between the constitutional judge and the legislator, which constitutes the pivot around which the temporally modulative case-law moves (or, better, should move). ; In dieser Doktorarbeit wird das Thema der Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit der vom Verfassungsgerichts getroffenen Annahmeurteile (die "sentenze di accoglimento") mit besonderer Beachtung der Steuerung der zeitlichen Rechtswirkungen durch das Bundesverfassungsgericht untersucht. Vor der Erläuterung des Inhalts dieser Doktorarbeit erscheint es mehr als notwendig, einleitend kurz die Gründe für diese Überlegung zur deutschen Praxis hervorzuheben. In diesem Sinn ist die Behauptung des Verfassungsrichters Lattanzi zur Rechtsprechung im aktuellen Fall "Cappato" von großer Bedeutung: Es geht hier im Wesentlichen um die Ähnlichkeit des Typs der vom Verfassungsgericht getroffenen Entscheidung mit dem der deutschen Unvereinbarkeitsentscheidungen, die Hauptthema dieser Untersuchung sind, und zwar nicht nur, da diese einen zeitlichen Aufschub der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung (wenn auch auf eine ganz eigne Art) verfügen, sondern auch weil sie, wie in der deutschen Rechtslehre bestätigt, ein wichtiges Mittel zur Untersuchung der Beziehungen zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber darstellen. Auf der Ebene der Rechtslehre stellen die deutschen Unvereinbarkeitserklärungen den Gegenstand eines erneuten Interesses heute und sorgfältiger Untersuchungen in der Vergangenheit dar: In diesem Sinn ist das Studienseminar über die Modulation der Rechtswirkungen der von demselben Verfassungsgericht gefassten Annahmesprüche, bei denen die maßgebliche Rechtslehre die typischen Merkmale der Unvereinbarkeitsentscheidungen untersuchte, um eine mögliche Übertragung in die Sammlung der Entscheidungshilfen des Verfassungsgerichts zu erwägen, von Bedeutung. Bei jener Gelegenheit wurden viele Probleme eines solchen Entscheidungstyps vorgebracht: Insbesondere betrafen diese erstens die Schwierigkeit, ihre konkreten Rechtswirkungen zu erkennen, zweitens die Schwierigkeit, ihr in dem untätigen italienischen Parlament Folge zu leisten und drittens die abweichende Rolle, die das Bundesverfassungsgericht innerhalb der deutschen Regierungsform innehat. Es handelt sich um drei im letzten Teil dieser Doktorarbeit untersuchte Punkte, die in der Tat nicht wenige Probleme aufwerfen, vor allem angesichts der Aufnahme durch das Verfassungsgericht einiger Urteile, die unter verschiedenen Aspekten den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen ähneln. Dabei handelt es sich insbesondere um die Urteile Nr. 243 von 1993, Nr. 170 von 2014, Nr. 10 von 2015 und Nr. 207 von 2018. Ein enger Vergleich mit der Ratio und den Problempunkten der deutschen Unvereinbarkeitserklärungen ist somit nützlich, nicht nur, um deren möglichen Chancen in der italienischen Verfassungsrechtsprechung zu erwägen, sondern auch, um eine noch offene Frage zu erörtern, die das Verfassungsgericht seit Anbeginn ihrer Tätigkeit als Hüter des Grundgesetzes betrifft. Nach dieser Einleitung wird im ersten Kapitel der Doktorarbeit die gesetzliche Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile untersucht; das zweite Kapitel ist der Analyse der zeitlich handhabenden Praxis des Verfassungsgerichts gewidmet. Das dritte Kapitel ist der deutschen Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen gewidmet, während im vierten Kapitel die wichtigsten Punkte der Vergleichsstudie zwischen der zeitlich steuernden italienischen und der deutschen Praxis behandelt werden. Die Wahl eines solchen Aufbaus erklärt sich angesichts der Möglichkeit einer Analyse ex ante der mit der Handhabung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile verbundenen Problempunkte, um dann das Verständnis ex post der Gründe, die diese Doktorarbeit zu einer Untersuchung der "flexiblen" Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geführt haben, zu erleichtern. Im letzten Kapitel schließlich wird versucht, einige Aspekte, die mit den heutigen Schwierigkeiten der zeitlich steuernden Rechtsprechung der Verfassungsgerichte zu tun haben, nach der Logik von Ähnlichkeit und Gegensatz hervorzuheben, darunter insbesondere die Beziehung zwischen Verfassungsorgan und Legislativorgan. Das erste Kapitel ist vollkommen der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile gewidmet, die, wie bereits angedeutet durch Art. 136 des ital. GG, Art. 1 des ital. Verfassungsgesetzes Nr. 1 von 1948 und Art. 30, 3. Abs. des ital. Gesetzes L. Nr. 87 von 1953 vorgegeben sind. Das Kapitel ist in acht Abschnitte unterteilt, die teilweise auf den Entscheidungstyp der Unvereinbarkeitserklärungen Bezug nehmen. Der 1. Abschnitt (Rückkehr zu Kelsen zur Neuentdeckung möglicher, vom Verfassungsgericht umsetzbarer Perspektiven: Die Handhabung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile im Verlauf der Zeit und die Beziehung zum Gesetzgeber) ist einführend der These Kelsens hinsichtlich der Beziehung zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber gewidmet, in Anbetracht der Tatsache, dass, wie im letzten Kapitel erläutert, gerade die Rückkehr zum Ursprung und somit zur Lehre Kelsens bezüglich der Wirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung in dieser Doktorarbeit (mit der erforderlichen Vorsicht) als wünschenswert angesehen wird. Während im 2. Abschnitt (Der heutige Stand: ein "flexibles" Verfassungsgericht, fern vom ursprünglichen Gerüst der Rechtswirkungen der Annahmeurteile) eine zum Teil die Erläuterungen des zweiten Kapitels vorwegnehmende Überlegung zu einem Verfassungsgericht, das "fern" vom ursprünglichen Gerüst der Rechtswirkungen der Annahmeurteile ist, wird im 3. Abschnitt (Die Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile: Grundgedanken des Art. 136 ital. GG der verfassungsgebenden Versammlung. Einige Anregungen zur zeitlich handhabenden deutschen Praxis) versucht, zum Kern des Art. 136 der ital. GG vorzudringen, wo im ersten Absatz Folgendes vorgesehen ist: "Wenn das Gericht die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift oder einer gesetzeskräftigen Maßnahme erklärt, endet deren Wirksamkeit ab dem Folgetag der Veröffentlichung der Entscheidung". Im Verlauf des Abschnitts wird versucht, einen Überblick der wichtigsten Entwürfe bezüglich des ursprünglichen Art. 136 ital. GG zu liefern, wobei der Entwurf der Abg. Mortati, Ruini, Cappi, Ambrosini und Leone kurz untersucht wird. Besonders interessant ist, auch zum Zweck einer Vergleichsstudie mit den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen, der Entwurf des Abg. Calamandrei, der vorschlug, die Legislativorgane sollten im Anschluss an die Aufnahme eines Annahmeurteils sofort das Verfahren zur Gesetzesänderung einleiten, sodass sich, wenn auch mit der erforderlichen Vorsicht eine charakteristische Form der dem Legislativorgan zukommnenden "Nachbesserungspflicht" abzeichnet. Abschnitt 3.1. (Der Vorschlag Perassis: eine Modulation der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung ante litteram?) konzentriert sich in Übereinstimmung mit der deutschen Praxis auf den Vorschlag des Abg. Perassi, der vorsah, die Wirksamkeit des als verfassungswidrig erklärten Gesetzes sollte ab der Veröffentlichung erlöschen, außer bei Bedürfnis des Gerichts eine andere Wirkungsfrist (in jedem Fall nicht über sechs Monate) zu bestimmen; in diesem Sinn ist der Vorschlag des Abg. Perassi der österreichischen (und zum Teil der deutschen) Praxis ähnlich, und zwar einer Fristsetzung mit dem Ziel einer nützlichen Zusammenarbeit zwischen Verfassungsgericht und Legislativorgan. Perassi behauptete, dass "beim Erlöschen der Wirksamkeit einer gesetzlichen Vorschrift in bestimmten Fällen heikle Situationen auftreten können, da das Erlöschen dieser Vorschrift möglicherweise Probleme mit sich bringt, wenn man nicht vorsorgt". Die Annäherung an eines der wichtigsten Anwendungsgebiete der Unvereinbarkeitsentscheidungen, d.h. dem auf dem Argument der rechtlichen Folgen begründeten, ist in diesem Sinne eine unvermeidliche Pflicht. Gleichfalls interessant erscheint die Entgegnung auf die Voraussicht einer solchen Lösung durch den Abg. Ruini, der erklärte, eine derartige Regelung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung würde praktisch eine Situation voller übermäßig belastender Folgen hervorrufen, in der insbesondere die Gerichte fortfahren würden, "eine verfassungswidrige Norm anzuwenden". Daher die Bedeutung, die der durch die mit Fortgeltungsanordnung ergänzten Unvereinbarkeitsentscheidungen dargestellte Problempunkt hat. In Abschnitt 3.2 (Zeitlicher Rahmen des Art. 136 ital. GG) wird versucht, Art. 136 ital. GG innerhalb seines zeitlichen Rahmens zu untersuchen. In Kürze: Während der wortwörtliche Gehalt der besagten Verfügung sich anscheinend (nach einem Teil der Rechtslehre) auf eine lediglich zielgerichtete Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung bezieht, stellt dieser doch, nachdem er sich durch Art. 1 des ital. Verfassungsgesetzes Nr. 1 von 1948 und Art. 30 des ital. Gesetzes L. Nr. 87 von 1953 gefestigt hatte, die verfassungsrechtliche Verfügung dar, auf die sich die ex tunc-Wirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung gründet. Andererseits wäre es, wie ein anderer Teil der Rechtslehre behauptet, an und für sich nicht folgerichtig, ein System der Rechtswirkungen zu erfinden, das nur ex nunc-Wirkung hat, um dann anschließend den Richtern die Nichtanwendung des verfassungswidrigen Gesetzes "mit Wirkung lediglich nach eigenem Urteil" anzuvertrauen. In Abschnitt 3.3 (Räumlicher Rahmen des Art. 136 ital. GG) wird ein weiterer, an die Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung gebundener Punkt untersucht, nämlich die "räumliche" Ausdehnung der Wirksamkeit von Art. 136 ital GG. Außer der allgemein verbindlichen Wirksamkeit der Annahmeurteile, an welche die Untersuchung der von den Verfassungsgebenden gewählten Art der Normenkontrolle anknüpft, wird der mit der gerichtlichen oder gesetzgebenden Art der Verfassungswidrigkeitserklärung verbundene Rechtslehredisput, an den die "allgemeine" Wirksamkeit derselben unvermeidlich anknüpft, kurz untersucht. Während in den letzten vier Abschnitten der Art. 136 der ital. GG allein im Mittelpunkt steht, ist der 4. Abschnitt (Die "Revolution" des ital. Verfassungsgesetzes Nr. 1 von 1948) vollständig der "Revolution" gewidmet, welche das ital. Verfassungsgesetz Nr. 1 von 1948 darstellt. Für diese "Revolution" (oder besser die Spezifikation) ist der erste Artikel des besagten Gesetzes bezeichnend, wo es heißt: "Die amtlich erfasste oder von einer Partei im Verlauf eines Rechtsverfahrens erhobene und vom Richter nicht als offensichtlich unbegründet angenommene Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder einer gesetzeskräftigen Maßnahme der Republik wird dem Verfassungsgericht zur Entscheidung übertragen". Im Wesentlichen hat der besagte Artikel als tragendes Element der Inzidentalität des Verfassungssystems Art. 136 ital. GG Bedeutung verliehen, nicht nur, indem die Bedeutung tatsächlich im Einzelnen erläutert wird, sondern vor allem dadurch, dass der Klage vor dem Verfassungsgericht dort, wo es angerufen wird, für alle zu entscheiden (mit wenn auch innerhalb bestimmter Grenzen allgemein verbindlichen Rechtswirkungen) eine "logische" Bedeutung auf Grundlage einer "genetisch zwiespältigen" Erneuerung verliehen wird, und zwar anhand eines konkreten Einzelfalls". Es erscheint notwendig, anzumerken, dass die besagte Verfügung in Bezug auf die Ratio Art. 100, 1. Abs. des deutschen GG ähnelt, auf dessen Grundlage die sogenannte konkrete Normenkontrolle beruht. Und tatsächlich übernimmt das zwischenrangige Verfahren eine grundlegende Rolle in Bezug auf die Handhabung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung im Verlauf der Zeit, da es konkreter der in der Notwendigkeit, die diachronischen Rechtswirkungen der Verkündigung zu steuern, enthaltenen Ratio vollkommen antithetisch gegenübersteht. Wie können die Jura angesichts einer Handhabung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung für die Zukunft geschützt werden? Während Art. 1 des ital. Gesetzes L. Nr. 1 von 1948 das zwischenrangige Verfahren kennzeichnet und definiert, so hat Art. 30, 3. Abs. des ital. Gesetzes Nr. 87 von 1953, der Hautuntersuchungsgegenstand des 5. Abschnitts (Die Rückwirkung der Annahmeurteile: Art. 30, 3. Abs. ital. Gesetz L. Nr. 87 von 1953) ein weiteres Element zur Erläuterung der Ratio der zeitlichen Orientierung, welche die Rechtsauswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung im Verlauf der Zeit annehmen, hinzugefügt. Im Anschluss an das Inkrafttreten desselben, wo es heißt, "die als verfassungswidrig erklärten Normen können nicht ab dem Folgetag der Veröffentlichung der Entscheidung Anwendung haben", hat die Rückwirkung des Annahmeurteils begonnen, die Form der ius receptum anzunehmen, wie durch die maßgebliche Rechtslehre bestätigt. Nun war diese, mit Art. 1 des ital. Gesetzes L. Nr. 1 von 1948 in die Verfassung eingeführte "Errungenschaft" das Ergebnis einer umfassenden theoretischen Analyse und Überlegung: Es ist kein Zufall, dass einer der zentralen Mechanismen der Normenkontrolle eher das "Ergebnis der beharrlichsten Arbeit der Rechtslehre war, statt ein präziser Gesetzesentwurf" und hauptsächlich auf der Notwendigkeit beruhte, nicht nur den Grundsatz der Gleichheit, sondern auch den der Verteidigung zu bewahren, und dies unter Ausschluss der s.g. abgeschlossenen Rechtsbeziehungen, die bei Eintritt der Rechtskraft, Verjährung, Verwirkung und Vergleich bestehen. Hinzu kommt, dass das Prinzip der Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung laut Art. 30, 3. Abs. ital. Gesetz L. Nr. 87 von 1953 – vielleicht auch angesichts der Möglichkeit die Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung in verschiedenen Abstufungen und somit nicht absolut zu klassifizieren – auch Gegenstand einer erheblichen Kontroverse zwischen Verfassungsgericht und Strafkammer des Kassationshofs eben zum Thema der Nichtanwendung der als verfassungswidrig erklärten Norm war. In diesem Sinne treten die Urteile Nr. 127 von 1966 und Nr. 49 von 1970 hervor: beim ersten hatte das Verfassungsgericht über die notwendige Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung von Prozessvorschriften befunden; mit der zweiten Verkündigung dagegen bestätigte das Gericht vollkommen überraschend, den Richtern "das letzte Wort" zu lassen. Dieses Prinzip kann nicht übergangen werden: So hatte beispielsweise im Anschluss an das in keiner Weise rückwirkende Urteil Nr. 10 von 2015 das Verfassungsgericht einer bedeutenden Form der Rebellion durch das vorlegende Gericht beigewohnt, das nicht befunden hatte, sich in Bezug auf die zeitliche Rechtswirkung der Verfassungswidrigkeitsaussprüche vom Gesetzesrahmen zu distanzieren. Gleichzeitig erhält auch in der zeitlich handhabenden deutschen Praxis die Rolle der Richter Bedeutung: Sollte beispielsweise der Gesetzgeber seiner Reformpflicht im Anschluss an die Aufnahme eines Unvereinbarkeitsspruchs nicht nachkommen und dadurch die Ratio der Unvereinbarkeitsentscheidung vollkommen zunichte gemacht werden, können die Richter angerufen werden, um "letztendlich" und in Übereinstimmung mit der Verfassung einzugreifen. Im 6. Abschnitt (Der zeitliche Rahmen der verfassungswidrigen Norm: Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit? Eine Überlegung ausgehend vom amerikanischen und vom österreichischen Modell. Hinweise auf die Art der Annahmeurteile) lässt die Studie der gesetzlichen Regelung der zeitlichen Auswirkungen des Verfassungswidrigkeitsspruchs Raum für eine Untersuchung bezüglich der Vernichtbarkeit oder Nichtigkeit der als verfassungswidrig erklärten Norm und dies angesichts einer anfänglichen Überlegung zum amerikanischen und zum österreichischen Modell des Verfassungsrechts, die bekanntlich gegensätzlich zueinander eingestellt sind. Und tatsächlich ist die zeitliche Orientierung des Annahmeurteils nicht nur direkt an die Art derselben Verfassungswidrigkeitserklärung gebunden, sondern ist in ihrem Wesen indirekt an die Wahl des Modells zur Normenkontrolle geknüpft: Irgendwie scheint die ursprüngliche Zweideutigkeit des Art 136 ital. GG tatsächlich an die "gemischte" Natur des italienischen Verfassungsrechts anknüpfen zu können, das sich aus einigen typischen Elementen des amerikanischen Systems (Diffusivität der jedem Richter zukommenden Kontrolle) und dem österreichischen System (ausschließliche Zuständigkeit des Verfassungsgerichts in Bezug auf die Verfassungswidrigkeitserklärung einer nicht mit der Verfassung übereinstimmenden Norm mit allgemeiner Rechtswirkung) zusammensetzt. Nun wirkt die Wahl des Systems zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit auf die von der Ungültigkeit der verfassungswidrigen Norm angenommene Form ein, welche ihrerseits nach der typischen Logik des Teufelskreises die Art der Verfassungswidrigkeitserklärung beeinflusst: Im amerikanischen Verfassungsrechtssystems ist die verfassungswidrige Norm null and void, da sie dem Willen einer superior Norm widerspricht und somit unwirksam ist; im österreichischen System dagegen ist die verfassungswidrige Norm lediglich vernichtbar, und zwar deshalb, weil Grundlage des Systems die Idee ist, dass, da die gesamte politische Macht auf dem Gesetz gründet, "das Konzept eines von Beginn an nichtigen Gesetzes" vollkommen inakzeptabel ist. Übrigens darf nicht verwundern, dass im Bereich des amerikanischen Verfassungsrechts die Verfassungswidrigkeitserklärung eine Norm erklärender Art ist, während sie im Bereich des österreichischen Verfassungsrechts eine verfassungsgebende Natur annimmt. Nun teilt im Bereich des italienischen Verfassungsrechts nur eine Minderheit die Idee der Nichtigkeit der verfassungswidrigen Norm und somit des Annahmeurteils erklärender Natur, die Mehrheit teilt die These der Vernichtbarkeit der verfassungswidrigen Norm, die also der verfassungsgebenden Natur des Gerichtsspruchs entspricht. Dass die obigen Ausführungen wahr sind, ist daran zu erkennen, dass in der maßgebenden Rechtslehre bestätigt wurde, dass die Verfassungsgebenden dachten, ein im Wesentlichen von dem im österreichischen Grundgesetz vorgesehenen System der Verfassungsgerichtsbarkeit abgeleitetes System eingeführt zu haben. Auch erklärt sich die verfassungsgebende Bedeutung der Verfassungswidrigkeitserklärung angesichts der Betrachtung, dass das allgemeine Verbot, die verfassungswidrige Norm anzuwenden, tatsächlich nur im Zeitraum vor der Aufnahme der Verfassungswidrigkeitserklärung durch das Verfassungsgericht besteht. Wenn man zur nicht statischen sondern "dynamischen" Ebene der Verfassungswidrigkeitserklärung wechselt, ist Zagrebelskys Theorie zu betrachten, nach der im Anschluss an die Aufnahme des Annahmeurteils das Verfassungsproblem entsteht, dem bezüglich anderen institutionellen Stellen wie Richtern und dem Gesetzgeber umfangreicher Spielraum gelassen wird. In diesem Sinn ist das Verfahren der Unvereinbarkeitserklärungen interessant, welche eben hinsichtlich des "Verfassungsproblems" eingreifen, um dies dank der Mitarbeit anderer Verfassungsorgane, unter denen zumindest anfangs der Gesetzgeber zu nennen ist, zu lösen. Im 7. Abschnitt (Erste Zeichen für die Zulässigkeit eines Verfassungsgerichts als "Verwalter" der Rechtswirkungen seiner eigenen Entscheidungen) wird die mögliche Legitimation (auf theoretischer Ebene) des Verfassungsgerichts als Verwalter der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitsurteile angedeutet, wobei insbesondere die Tatsache diskutiert wird, dass der zeitgenössische Konstitutionalismus wegen seiner substantialistischen Eigenschaft die Suche der für den spezifischen Fall am besten geeigneten Lösung und somit die "Negativ-Neuqualifizierung der Automatismen" erfordert, um zu starre Lösungen zu vermeiden. In diesem Sinn ist die Praxis des Bundesverfassungegsricht und dessen Erfindung der Unvereinbarkeitsentscheidungen von großer Bedeutung. In der Tat ist ein "flexibler" Ansatz an den zeitlichen Faktor der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung in verschiedenen europäischen Erfahrungen erkennbar; andererseits ist das was als "Naivität der Verfassungsgebenden" bezeichnet wurde, und zwar die "allzu simple Formulierung des Art. 136 ital. GG" hauptsächlich auf zwei Ursachen zurückzuführen, erstens die Notwendigkeit des Schutzes des Prinzips der Gewaltenteilung, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg und zweitens der Schutz der Rechtssicherheit. Im 8. Abschnitt (Verwaltet das Verwaltungsgericht die Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit?) tritt das Verfassungsrecht in den Hintergrund, um zumindest in Kürze über die Steuerung der Rechtswirkungen der Annullierungsurteile durch das Verwaltungsgericht nachzudenken, wobei von einer Betrachtung ausgegangen wird, welche in der Rechtslehre – recht eindrucksvoll – klar ausgedrückt werden sollte, und zwar, dass die Verwaltungsprozessregeln wegen ihres entscheidenden kreativen Beitrags zur Rechtsprechung einen Ausgangspunkt und sicher keinen Endpunkt darstellen: In diesem Sinn erhielt das von der 4. Kammer des Staatsrats getroffene Urteil Nr. 2755 von Mai 2011 Bedeutung, wie auch das vom selben Verwaltungsrechtsorgan getroffene Urteil Nr. 13 von 2017. In beiden Fällen scheint der Staatsrat bestimmt zu haben, die Rechtswirkungen der eigenen Verkündigung angesichts der Notwendigkeit, einen übermäßigen Bruch innerhalb der Rechtsordnung zu verhindern, zeitlich zu steuern. Insbesondere hätte der Staatsrat ("Consiglio di Stato") beim ersten Spruch eine neue Art der Verkündigung gebildet, indem er bei der Untersuchung – nach einer vollkommen neuen Logik – den Bereich der zeitlichen Rechtswirkung des eigenen Spruchs so definierte, dass eine lediglich für die Zukunft geltende Rechtswirkung der eignen Entscheidung vorhergesehen wurde, sodass das Prinzip der Effektivität des Schutzes über das des Antrags der Partei siegt. Es ist unbedingt anzumerken, dass, wenn die Aufrechterhaltung der Rechtswirkungen der rechtswidrigen Maßnahme spiegelbildlich der Beibehaltung des Allgemeininteresses entspricht, die urteilende Tätigkeit des Verwaltungsgerichts dem des "Verwaltungsorgans" zu ähneln scheint. Auch bei seiner zweiten Verkündigung steuerte der Staatsrat die Rechtswirkungen mit Wirksamkeit pro futuro; die ganze Versammlung befand nämlich, das Urteil Nr. 10 von 2015 anzuführen, fast als Rechtfertigung des Argumentationskonstrukts zur Wahl einer derartigen Wirksamkeit, wobei im Übrigen bestätigt wurde, dass "die Ausnahme von der Rückwirkung […] auf dem Grundsatz der Rechtssicherheit beruht: […] die Möglichkeit für die Betroffenen, die Rechtsnorm wie ausgelegt anzuwenden, wird eingeschränkt, wenn die Gefahr schwerer wirtschaftlicher oder sozialer Auswirkungen besteht, die zum Teil auf die hohe Anzahl von in gutem Glauben begründeten Rechtsbeziehungen zurückzuführen ist […]". Darüber hinaus befand der Staatsrat, als spezifische Bedingungen, die es ermöglichen, die Rückwirkung einzuschränken oder richtiger "die Anwendung des Rechtsgrundsatzes auf die Zukunft zu beschränken" folgende: die objektive und erhebliche Unsicherheit bezüglich der Tragweite der auszulegenden Verfügungen; das Bestehen einer mehrheitlichen Orientierung entgegen der eingeführten Auslegung und die Notwendigkeit zum Schutz eines oder mehrere Verfassungsgrundsätze oder in jedem Fall, um schwere sozialwirtschaftliche Rückwirkungen zu verhindern. Das zweite Kapitel dieser Doktorarbeit ist gemeinsam mit dem ersten Kapitel darauf ausgerichtet, zu zeigen, dass die Frage bezüglich der Grenzen der Rückwirkung der Annahmeurteile seit den allerersten Jahren der Verfassungsrechtsprechung eine nicht nebensächliche Rolle gespielt hat, wie man sehen konnte. Daher die Bedeutung der Behauptung der neuesten deutschen Rechtslehre, die bestätigt, dass die Entscheidungshilfsmittel eines Verfassungsgerichts nicht vollkommen von der fortlaufenden "Konstitutionalisierung" der "neuen Rechte" entbunden sind. Somit scheint es eben diese dynamische Sicht zu sein, die Grundlage der Aufnahme der deutschen Unvereinbarkeitsentscheidungen war (und vor allem heute noch ist) und auch Grundlage einiger neuerer Verkündigungen des Verfassungsgerichts ist, darunter vor allem die Verordnung Nr. 207 von 2018. Wie im Übrigen im dritten Kapitel dieser Doktorarbeit ausgeführt wird, gab es bei der Regelung bezüglich der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung zwei Änderungsversuche innerhalb der deutschen Ordnung, die beide darauf abzielten, die Wirksamkeit der Nichtigkeitserklärung "flexibler" zu machen. Angesichts der obigen Ausführungen ist im Verlauf der Zeit nicht nur - wie schon geschrieben - eine gemeinsame Tendenz der Verfassungsgerichte erkennbar, die insbesondere den Umgang mit der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung prägt, sondern auch ein "konstantes" Bedürfnis, die "starre" Regelung der Rechtswirkungen zu reformieren, die – wenn auch nur zum Teil – eine wichtige Form der Umsetzung im Bundesverfassungsgerichtsgesetz fand. Das zweite Kapitel beginnt im 1. Abschnitt (Eine Stellungnahme: die Furcht vor den "Folgen" der Verfassungswidrigkeitserklärung und die Regelung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit) mit einer Überlegung zur Furcht des Verfassungsgerichts, die Ordnung im Anschluss an die Aufnahme einer Verfassungswidrigkeitserklärung negativ zu beeinflussen; wie in der maßgeblichen Lehre Sajas bestätigt, darf das Verfassungsgericht "das Gewicht" seiner eigenen Entscheidungen nicht übersehen, denn dieses ist voll und ganz in einen sozialwirtschaftlichen Rahmen eingefügt, dessen Dynamik es tatsächlich nicht kennen kann; das Bedürfnis einer größeren "Flexibilität" der dem Verfassungsgericht zur Verfügung stehenden Entscheidungshilfsmittel ist, wie im Übrigen im Verlauf des Abschnitts gezeigt wird, verschiedenen europäischen Erfahrungen gemein. Auch aus diesem Grund legte der Gesetzgeber – was vielleicht nicht überrascht – mit der Zeit verschiedene Gesetzesentwürfe vor, die darauf abzielten, den Aspekt der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile zu ändern. Diese Änderungsvorschläge werden (in der Zeit zurückgehend) im 2. Abschnitt (Die Reformversuche hinsichtlich der Regelung der Verfassungswidrigkeitserklärung) dargelegt: Die Analyse beginnt bei dem Gesetzesentwurf A. S. 1952, der verzeichnet ist unter "Änderungen der Gesetze Nr. 87 vom 11. März 1953 und Nr. 196 vom 31. Dezember 2009 zur Ermittlung und Transparenz in Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit", der nie diskutiert und daher nie aufgenommen wurde. Dieser letzte Änderungsversuch war durch das "Kostenurteil" Nr. 70 von 2015 angeregt worden, das wegen seiner vollständigen Rückwirkung die Wirtschaftsstruktur des Staates besonders belastete und den Gesetzgeber dazu veranlasste, eine Form der Positivierung der zeitlichen "Steuerung" der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung zu erfinden. In Art. 1, lit. c) des Gesetzesentwurfs ist vorgesehen, den Inhalt des dritten Absatzes, Art. 30, ital. Gesetz L. 87 von 1953 zu erweitern und somit neben der Nichtanwendung der als verfassungswidrig erklärten Norm den Einwand der Verfügung durch das Verfassungsgericht einer "anderen Handhabung der Wirksamkeit im Verlauf der Zeit derselben Entscheidung zum Schutz anderer Verfassungsgrundsätze" vorzusehen. Bedeutend scheint dabei der Verweis auf "Verfassungsgrundsätze", die, wenn korrekt und ausführlich beschrieben, nach der Ratio des vorliegenden Gesetzesentwurfs, den Antrag auf Steuerung der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung legitimieren können. Es folgt eine kurze Analyse des Verfassungsgesetzesentwurfs Nr. 22 von 2013, der, wie es schien, eine wesentliche Änderung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile einführen wollte und eine Bevollmächtigung des Gesetzgebers zur effektiven Steuerung der Wirksamkeit der erfolgten Verfassungswidrigkeitserklärung vorsah, denn der Gesetzesentwurf verwendete den Begriff "Abschaffung" für das Phänomen des aufhebenden Eingriffs des Verfassungsgerichts. Was vermutlich an diesem Änderungsentwurf am meisten interessiert, ist die Voraussicht der Spaltung zwischen dem Zeitpunkt der Feststellung und dem der "verfassungsgebenden" Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung: Man beachte in diesem Sinne Art. 1 der Gesetzesvorlage, laut der "[…] die Regierung […] die Initiative ergreift, den Kammern ein Aufhebungsgesetz oder eine Änderung des als verfassungswidrig erklärten Gesetzes vorzulegen; diese Initiative kann direkt von den Versammlungen ergriffen werden, […] sofern der Gesetzesentwurf nicht innerhalb der Frist der folgenden sechs Monate bzw. neun Monate bei Verfassungsgesetzen verabschiedet wird; dieselben Versammlungen erklären die Wirksamkeit des als verfassungswidrig erklärten Gesetzes als erloschen". Schließlich ist der am 30. Juni 1997 verabschiedete Entwurf zu beachten, in dem vorgesehen war, dass "wenn das Gericht die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift oder einer gesetzeskräftigen Maßnahme erklärt, die Wirksamkeit dieser Norm am Folgetag der Veröffentlichung der Entscheidung endet, außer dem Gericht bestimmt eine andere Frist, in jedem Fall nicht über einem Jahr ab Veröffentlichung der Entscheidung". Der besagte Entwurf ähnelt der österreichischen Praxis sehr, wo der Verfassungsgerichtshof über einen bestimmten Ermessensspielraum in Hinsicht auf die Möglichkeit verfügt, den Stichtag zeitlich zu verschieben, wie es zum Teil auch in der Praxis des Bundesverfassungsgerichts geschieht. Im 3. Abschnitt (Ein Verfassungsgericht, das handelt und die "traditionellen Einschränkungen" des Verfassungsrechts über die Verwaltung der Verfahrensregeln des Verfassungsprozesses hinaus überwindet) wird das Thema der Überwindung der traditionellen Einschränkungen des Verfassungsrechts durch die italienischen Verfassungsgerichte behandelt, insbesondere in Hinsicht auf die Einschränkung des Ermessensspielraums des Gesetzgebers. In diesem Sinne tritt der Beschluss Nr. 207 von 2018 hervor – der es vielleicht ermöglicht, das Thema der zeitlichen Steuerung der Rechtswirkungen wieder mit dem der Beziehung zwischen Verfassungsgericht und Parlament auf dem Gebiet des Strafrechts zu verbinden – mit dem das Verfassungsgericht meinte, mit einer ganz eigenen und besonders "gefestigten" Mahnung einzugreifen; weiter verfolge das Verfassungsgericht, wie der Verfassungsrichter Lattanzi schreibt, in letzter Zeit einen eher interventionistischen und weniger von Selbstbeschränkung geprägten Trend. In diesem Sinn treten einige Verkündigungen im Strafrecht hervor, darunter Urteil Nr. 236 von 2016 (auf das auch in dem erst kürzlich ergangenen Urteil Nr. 242 von 2019 verwiesen wird und das die "Sage" Cappato beendete), Urteil Nr. 222 von 2018, Urteil Nr. 233 von 2018, das allerdings nicht im Strafrecht eingeführte kürzliche Urteil Nr. 20 von 2019, das jedoch für die Rolle, die das Verfassungsgericht in Bezug auf das Legislativorgan einnimmt, von Bedeutung ist. Im 4. Abschnitt (Die Form der Entscheidungstechniken, mit denen das Verfassungsgericht die Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung "Richtung Vergangenheit" verwaltet) wird die "Form" der Entscheidungstechniken, mit denen das Verfassungsgericht die Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung steuert, untersucht: in diesem Sinn tritt das Mittel der Urteile der verschobenen Verfassungswidrigkeit hervor, welche den Urteilen der plötzlichen Verfassungswidrigkeit im weiteren Sinn ähneln, und sich dagegen von den Urteilen der Verfassungswidrigkeit im engeren Sinn, da letztere das Phänomen der Abfolge der Nomen im Verlauf der Zeit betreffen, abheben. Kurz gesagt, im 4. Abschnitt wird versucht – auf theoretischer Ebene – zu zeigen, wie das Verfassungsgericht das Hilfsmittel der eintretenden Verfassungswidrigkeit (in diesem Sinn ist Urteil Nr. 174 von 2015 vollkommen unerheblich) oder der verschobenen Verfassungswidrigkeit unter Ausschluss des Fehlens jeglicher Form der Positivierung des Umgangs mit dem Zeitfaktor hinsichtlich der Wirksamkeit der Annahmeurteile, verwendet. In diesen Fällen kommt dem Verfassungsgericht ein bestimmter Ermessensspielraum in der Bestimmung des Stichtags zu. Im 5. Abschnitt (Die Entscheidungen, die der Handhabung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile in Bezug auf die Vergangenheit zugrunde liegen) dagegen sollen die Gründe erkannt werden, die dem Bedürfnis, die Rechtswirkungen der Urteile im Verlauf der Zeit zu steuern, zugrunde liegen. Erstens tritt die Notwendigkeit hervor, den Grundsatz der Rechtskontinuität ganz allgemein zu schützen, der als ein zu schützender Grundsatz definiert wurde und tatsächlich zu den von der Verfassung abgesicherten Grundsätzen, Interessen und Rechtssituationen gehört, zweitens tritt das Bedürfnis hervor, schwere Schädigungen des öffentlichen Haushalts oder neue und höhere finanzielle Ausgaben für den Staat und die öffentlichen Einrichtungen zu verhindern. Dieser Grundsatz wurde, wie zu unterstreichen ist, als ein allgemeiner verfassungsrechtlicher Wert definiert. Nach einem ersten theoretischen Teil wird im zweiten Kapitel versucht, die zeitlich handhabende Praxis des Verfassungsgerichts zu untersuchen. Ende der achtziger Jahre führte das Verfassungsgericht die allerersten zeitlich handhabenden Urteile ein (Abschnitte 5.1 und 5.2) und begann mit den Urteilen Nr. 266 von 1988, 501 von 1988 und 50 von 1989 die zeitlichen Rechtswirkungen der Annahmeurteile zu regulieren; später verwaltete das Verfassungsgericht den Zeitfaktor der Rechtswirkungen der eigenen Entscheidungen weiter und beträchtlich, ohne allerdings jemals ausdrücklich zu erklären, in die Steuerung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile einzugreifen (eingreifen zu wollen). Zur Sparte der ersten zeitlich handhabenden Urteile gehört auch das Urteil Nr. 1 von 1991, das hinsichtlich der finanziellen Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung (wie auch bezüglich der vom Verfassungsgericht vor der Einführung desselben durchgeführten Ermittlung) von besonderer Bedeutung ist. Wenig später führte das Verfassungsgericht das Urteil Nr. 124 von 1991 ein (über dessen Wesen die Rechtslehre diskutiert, da sie teilweise der Meinung ist, es handele sich um ein Urteil zur plötzlichen Verfassungswidrigkeit im engeren Sinn), bei dem man ein weiteres Mal der Steuerung der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung beiwohnen konnte. Von Bedeutung ist auch Urteil Nr. 360 von 1996: bei dieser Gelegenheit erklärte das Verfassungsgericht die (alleinige) Verfassungswidrigkeit der ihm zur Beurteilung vorgelegten Verfügung der Gesetzesverordnung, ohne die Tragweite allgemein auf die wiederholten Verordnungen auszudehnen. In diesem Fall hätte das Verfassungsgericht in seiner Eigenschaft als Hüter der Rechtsordnung befunden, die Annullierung der wiederholten Gesetzesverordnungen angesichts des Grundsatzes der Rechtssicherheit zu "einzusparen". Am Rande der genannten Verkündigungen werden andere Entscheidungen in der Hauptsache untersucht, bei denen das Verfassungsgericht, wenn auch keine wahre zeitliche Handhabung der Rechtswirkungen vornahm, so doch eine erhebliche Furcht vor dem gezeigt hatte, was in der Rechtslehre als horror vacui bezeichnet wird. In Abschnitt 5.2.1 (Fokus: Urteil Nr. 1 von 2014: "ausgleichende" Bedeutung und horror vacui) wird Urteil Nr. 1 von 2014 Gegenstand der Untersuchung, bei dem das Verfassungsgericht zum Thema Wahlsystem eingriff und die Verfassungswidrigkeit des s.g. Porcellum erklärte, d.h des proportionalen WahlgesetzesmitMehrheitsprämieund starren Listen, welche die Wahl derAbgeordnetenkammerund desSenats der Republikin Italien in den Jahren2006,2008und2013 geregelt hatte. Das Verfassungsgericht hatte bei diesem Anlass von der Kategorie der abgeschlossenen Rechtsbeziehungen Gebrauch gemacht, um sich Handlungsspielraum hinsichtlich der zeitlichen Handhabung der Wirksamkeit der eignen Urteile zu verschaffen, nicht ohne die Prozessregeln politisch zu nutzen: Es handelt sich hierbei um einen der Fälle, bei denen das Verfassungsgericht angesichts des Nichtbestehens der Möglichkeit zur Steuerung der Rechtswirkungen der eignen Urteile bestimmt hat, die Regeln des eigenen Verfahrens vollkommen elastisch zu nutzen. Die Elastizität der Interpretation der Kategorie und der Regeln des Verfassungsverfahrens war im untersuchten durch das Bedürfnis, den Grundsatz zum Schutz des Staats und der verfassungsgemäß notwendigen Funktionen beizubehalten, vorgeschrieben. In diesem Sinn ähnelt die Ratio, die der besagte Spruch mit sich bringt, zum Teil einem der Anwendungsthemen der Unvereinbarkeitserklärungen, und zwar dem der "Rechtsfolgen". Nun tritt das Urteil Nr. 1 2014 in dieser Doktorarbeit hervor, da die Eigentümlichkeit der Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung (wie auch der Kategorie der s.g. abgeschlossenen Rechtsbeziehungen) angesichts der verfassungsgemäßen Bedürfnisse "gesteuert " worden wäre. Während in Abschnitt 5.2.2. (Am Rande des Urteils Nr. 1 von 2014) nochmals auf das Thema des s.g. horror vacui hingewiesen wird, so wird im 6. Abschnitt (Das Haushaltsgleichgewicht als Gegenspieler der Rückwirkung von Annahmeurteilen) der Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts als möglicher, im Übrigen nach Inkrafttreten des ital. Gesetzes L. Nr. 1 von 2012, das den Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts einführte, erstarkter Gegenspieler der in den Annahmeurteilen verwurzelten Rückwirkung, untersucht. Kurz gesagt, obwohl Art. 81, dritter Abs, ital. GG ("Jedes Gesetz, das neue oder höhere Ausgaben mit sich bringt, muss für die dafür notwendigen Mittel sorgen") nicht für die Tätigkeiten des Verfassungsorgans gilt, sondern nur für den Gesetzgeber, haben der Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts und somit die streng finanziellen Bedürfnisse das Verfassungsgericht dazu geführt, Entscheidungsmittel zur Steuerung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile einzusetzen (wie auch im Bereich der französischen und der spanischen Verfassungsjustiz), und zwar deshalb, weil das Verfassungsgericht sich – unvermeidlicherweise – in einem durch eingeschränkte wirtschaftliche Ressourcen charakterisierten Umfeld bewegt. Nicht nur hat es in der Verfassungsrechtsprechung verschiedene Verkündigungen gegeben, bei denen die Rückwirkung mit der konkreten Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Wirtschafts- und Finanzstruktur kontrastierte (man beachte, wenn auch unter anderen Gesichtspunkten, die Urteile Nr. 137 von 1986, Nr. 1 von 1991, Nr. 240 von 1994, Nr. 49 von 1995, Nr. 126 von 1995) und nicht nur wurde der letzte Änderungsvorschlag der Regelung der Annahmeurteile im Anschluss an die Aufnahme eines Kostenurteils vorgebracht, sondern vor allem beschloss das Verfassungsgericht mit Urteil Nr. 10 von 2015 zum ersten Mal mit Kenntnis der Sachlage, die Möglichkeit zur zeitlichen Handhabung der Rechtswirkungen der eigenen Urteile zu erklären. In dieser Arbeit wird insbesondere in Abschnitt 6.1 (Fokus: Das Urteil Nr. 10 von 2015: ein unicum in der Geschichte der Verfassungsjustiz) dem Urteil Nr. 10 von 2015 viel Raum gewidmet, da dieses tatsächlich ein unicum in der Geschichte der italienischen Verfassungsjustiz darstellt: Dabei bestimmte das Verfassungsgericht, den Verfassungsprozess nach vollkommen kreativen Regeln zu steuern und setzte das um, was als "Verfassungsgewalt" bezeichnet wurde und das, wie anscheinend behauptet werden kann, auf einer bestehenden starken Korrelation zwischen der Verfassungsjustiz und dem materiellen Verfassungsrecht basiert. In der Tat kann nicht geleugnet werden, dass das Thema der Handhabung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung im Verlauf der Zeit ein Thema des materiellen Verfassungsrechts ist, welches bedeutende Anregungen für eine Überlegung zur Beziehung zwischen dem Verfassungsgericht und seinem Verfahren bietet. Weiter zwingt die Überbeanspruchung des Mechanismus, auf den sich die Inzidentalität des Systems gründet, dazu, über die Bedeutung nachzudenken, welche die Abwägung der Interessen, die einen verfassungsmäßigen Schutz verdienen, erwirbt. Vor allem scheint sich das Thema der Identifizierung jener Interessen zu stellen, die einen derartigen verfassungsmäßigen Schutz verdienen, dass sie vielleicht eine Ausnahme von der Regelung zur Steuerung der Wirksamkeit der Annahmeurteile rechtfertigen. Nun meinte das Verfassungsgericht mit Urteil Nr. 10 von 2015 die Rückwirkung mit dem Grundsatz des Haushaltsgleichgewichts aufwiegen zu können und somit Art. 81 ital. GG im Sinne eines "Übergrundsatzes" einzuordnen. Das materielle Recht, der Schutz der Verfassungsgrundsätze und -werte kollidierte also mit der Garantie der Jura und somit der Anrechte der Einzelnen. Der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Verteidigung waren somit Gegenstand einer Abwägung mit Art. 81 ital. GG: Das Ergebnis war der Sieg des letzteren, da das Verfassungsgericht befand, dem besagten Urteil eine bloße ex nunc-Wirkung zu verleihen. Mit dem besagten Urteil erklärte das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit der s.g. Robin Hood tax, einer 2008 eingeführte der Erdölbranche auferlegte Steuer. Das Verfassungsgericht bestätigte äußerst vielsagend – nach einer vollkommen innovativen Logik – Folgendes: "Bei der Verkündigung der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Verfügungen kann dieses Verfassungsgericht den Einfluss, den eine solche Verkündigung auf andere Verfassungsgrundsätze ausübt, nicht unbeachtet lassen, um die eventuelle Notwendigkeit einer Abstufung der zeitlichen Rechtswirkungen der eigenen Entscheidungen über die anhängigen Beziehungen zu beurteilen. Die diesem Gerichtshof übertragene Rolle als Hüter der Verfassung in ihrer Gesamtheit erfordert es, zu verhindern, dass die Verfassungswidrigkeitserklärung einer gesetzlichen Verordnung paradoxerweise "mit der Verfassung noch weniger vereinbare Rechtswirkungen bestimmt" (Urteil Nr. 13 von 2004) als die, welche zur Zensierung der Gesetzesordnung geführt haben. Um dies zu verhindern, muss der Gerichtshof seine eigenen Entscheidungen auch unter dem zeitlichen Aspekt modulieren, sodass die Behauptung eines Verfassungsgrundsatzes nicht die Opferung eines anderen zur Folge hat. Dieser Gerichtshof klärte mit den (Urteilen Nr. 49 von 1970,Nr. 58 von 1967undNr. 127 von 1966) dass die Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitsverkündigungen ein allgemeines Prinzip ist (und sein muss), das in den Urteilen vor diesem Gerichtshof gilt; dieses ist jedoch nicht uneingeschränkt. Zunächst ist unbestreitbar, dass die Wirksamkeit der Annahmeurteile nicht in soweit rückwirkend ist, dass sie "in jedem Fall rechtskräftig gewordene Rechtslagen" d.h. "abgeschlossene Rechtsbeziehungen" umkehrt. Andernfalls wäre die Sicherheit der Rechtsverhältnisse beeinträchtigt (Urteile Nr. 49 von 1970,Nr. 26 von 1969,Nr. 58 von 1967undNr. 127 von 1966). Der Grundsatz der Rückwirkung "gilt […] nur für noch anhängige Verhältnisse, mit daraus folgendem Ausschluss der abgeschlossenen, die weiter durch das als verfassungswidrig erklärte Gesetz geregelt bleiben" (Urteil Nr. 139 von 1984, zuletzt wieder aufgenommen imUrteil Nr. 1 von 2014). In diesen Fällen gehört die konkrete Erkennung der Einschränkung der Rückwirkung, die von der besonderen Regelung der Abteilung abhängt – zum Beispiel bezüglich der Ablauf-, Verjährungs- oder Unanfechtbarkeitsfristen von Verwaltungsmaßnahmen – die jede weitere Rechtsmaßnahme oder -behelf ausschließt, in den Bereich der ordentlichen Auslegung, für den die gewöhnlichen Gerichte zuständig sind (ex plurimis bestätigter Grundsatz durchUrteile Nr. 58 von 1967undNr. 49 von 1970)". Das Verfassungsgericht behauptet weiter, um sein praeter legem-Vorgehen zu rechtfertigen: "der Vergleich mit anderen europäischen Verfassungsgerichten, wie beispielsweise dem österreichischen, dem deutschen, dem spanischen und dem portugiesischen zeigt im Übrigen, dass das Einschränken der Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitsentscheidungen auch in zwischenrangigen Verfahren eine verbreitete Vorgehensweise darstellt, unabhängig davon, ob die Verfassung oder der Gesetzgeber dem Verfassungsgericht diese Befugnisse ausdrücklich übertragen haben". Somit verließ das Verfassungsgericht bei dieser Verkündigung den Weg der "getarnten" Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit, um das Thema des Interventionismus zur Steuerung der Wirksamkeit der eigenen Verkündigungen im Verlauf der Zeit ausdrücklich in Angriff zu nehmen. In Abschnitt 6.2 (Die Rebellion des vorlegenden Gerichts gegenüber des mit Rückwirkungsklausel ausgezeichneten Aufschubs der Rückwirkung) wird versucht, über die von den vorlegenden Gerichten an den Tag gelegte Rebellion gegenüber dem Aufschub der Rechtswirkungen durch die Verkündigung Nr. 10 von 2015 nachgedacht: Der Kurzschluss Verfassungsgericht – Richter läuft Gefahr, mit der Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit beinahe ein unicum zu werden, sollte letztere nicht Gegenstand einer Positivierung durch den Gesetzgeber werden. Wie durch die maßgebliche Rechtslehre bestätigt, haben im Übrigen "die Richter" das letzte Wort. Wie im dritten Kapitel ausgeführt wird, übernehmen in diesem Sinn die Richter auch im deutschen System eine Hauptrolle in Bezug auf die Flexibilisierung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile, nicht nur hinsichtlich der "Folgen" der Unvereinbarkeitssprüche, sondern auch in dem Fall, wo der Gesetzgeber nicht innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht angegebenen Frist handelt, denn diese, wie durch maßgebliche Rechtslehre bestätigt, werden angerufen, um verfassungsmäßig zu entscheiden. In Abschnitt 6.3 (Ein inkohärentes Verfassungsgericht? Der "Einzelfall" des Urteils Nr. 10 von 2015 und die anschließende Rechtsprechung) werden die beiden, im Anschluss an das Urteil Nr. 10 von 2015 eingeführten Kostenurteile untersucht: das Urteil Nr. 70 von 2015 und das Urteil Nr. 178 von 2015. Bei erstgenanntem erklärte das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit derital. Gesetzesverordnung Nr. 201 vom 6. Dezember 2011 (Eilverfügungen zum Zuwachs, zur Angemessenheit und zur Konsolidierung der Staatsfinanzen), das mit Änderungen durch Art. 1, 1. Abs. ital. Gesetz Nr. 214 vom 22. Dezember 2011 umgewandelt wurde, ohne jegliche zeitliche Modulation der Rechtswirkungen vorzunehmen. Aus diesem Grund stufte die Rechtslehre die besagte Verkündigung als ein "überraschendes" Urteil ein, in Anbetracht der Tatsache, dass die aus den Einwirkungen auf die wirtschaftlich-finanzielle Basis entstehenden Kosten entschieden höher waren als die, welche aus der Aufnahme des Urteils Nr. 10 von 2015 entstanden wären, hätte man dieses ganz einfach mit Rückwirkung ausgestattet. Andererseits, während der Gerichtshof beim Urteil Nr. 10 von 2015 meinte, eine Ausnahme von der den Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärung zugrunde liegenden Regelung zu machen, obwohl die Aufnahme einer "physiologischen" Verfassungswidrigkeitserklärung von sich aus hohe Kosten "nur" in Bezug auf die Erdölbranche und insbesondere in Bezug auf einen bestimmten Unternehmenszweig bewirkt hätte, ist es schwer zu verstehen, warum das Verfassungsgericht im Fall des Urteil Nr. 70, das nicht nur die s.g. Goldpensionen, sondern auch das Rentensystem insgesamt betraf, befand, nicht nach derselben Logik zu verfahren. In diesem Sinn liegt eine Antwort auf diese Entscheidungsinkohärenz vielleicht in der mangelnden Verwendung durch das Verfassungsgericht der Ermittlungsbefugnisse, die weiter unten behandelt werden. Sicher ist, dass das Verfassungsgericht eine vollkommen ungeordnete Steuerung seiner Prozesse an den Tag legte und tatsächlich eine freie und unbefangene Vorgehensweise hinsichtlich der Regeln des verfassungsrechtlichen Prozesses bewies. Die obige Behauptung wird durch die Aufnahme des zum Thema Tarifverhandlungen eingeführten Urteils Nr. 178 von 2015 bewiesen, bei dem das Verfassungsgericht durch Verwendung des Hilfsmittels der plötzlichen Verfassungswidrigkeit erneut die zeitliche Wirksamkeit der Verfassungswidrigkeitserklärung steuerte. Das Verfassungsgericht behauptet nämlich: "Erst jetzt offenbarte sich vollkommen, wie strukturpolitisch die Verhandlungsaussetzung war, daher kann die eintretende Verfassungswidrigkeit, deren Rechtswirkungen im Anschluss an die Veröffentlichung dieses Urteils beginnen, als eingetreten angesehen werden. Der unversehens begonnene Mangel an Verfassungsmäßigkeit erklärt sich angesichts der Kritiken, die dem Verfassungsgericht im Anschluss an das "denkwürdige" Urteil Nr. 10 von 2015 entgegengebracht wurden. Darum kommentierte die Rechtslehre die besagte Verkündigung im Sinne eines Falls, bei dem "ein Mangel am selben Tag auftritt und verschwindet, an dem er durch den Richter erklärt wird, welcher gleichzeitig das Fehlen zum Zeitpunkt der Überweisung der Maßnahmen an das Verfassungsgericht feststellt". Im Wesentlichen ist unzweifelhaft, dass das Verfassungsgericht einen Aufschub der Rechtswirkungen seiner eigenen Verkündigung aus plausiblerweise mit den finanziellen Folgen verbundenen Gründen in die Tat umsetzte. Hier soll in jedem Fall hervorgehoben werden, dass, wie in dem der deutschen Praxis gewidmeten Kapitel ausgeführt wird, auch das Bundesverfassungsgericht manchmal, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet zeitlich handhabende und nicht vollkommen mit der grundlegenden Ratio kohärente Verkündigungen einführte. Außerhalb des Rahmens des zwischenrangigen Verfahrens führte das Verfassungsgericht im Bereich des Hauptverfahrens das Urteil Nr. 188 von 2016 ein, bei dem eine vollkommene Rückwirkung der Verkündigung, wieder einmal zum Zweck der maximalen Verminderung der finanziellen Beeinträchtigung durch die rückwirkende Rechtskraft verfügt wurde. Der Fall ergab sich aus einer Klage der Region Friuli Venezia Giulia bezüglich des Haushaltsgesetzes 2013, da die Region mit besonderer Rechtsstellung befand, dass einige Artikel einigen Bestimmungen der besonderen Rechtsstellung der Region, einigen Durchführungsbestimmungen dieser Rechtsstellung und anderen, aus dem System zur Steuerung der Beziehungen zwischen dem Staat und dieser Region ableitbare Grundsätzen auf finanziellem Gebiet widersprachen. Im Wesentlichen kommt das Verfassungsgericht, auch angesichts der Durchführung einer Ermittlung zu dem Schluss der Verfassungswidrigkeit der beurteilten Norm und behauptet im Einzelnen wie folgt: "Der Grundsatz des dynamischen Gleichgewichts, der eng verbunden ist mit dem für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen, finanziellen und vermögensrechtlichen Gleichgewichts im Verlauf der Zeit grundlegenden Prinzip der Haushaltskontinuität, […] kann auch zum Zweck des erweiterten Schutzes der Finanzlage der öffentlichen Hand angewendet werden, indem gestattet wird, die finanziellen Beziehungen bei Abkommen auch in Hinsicht auf die vergangenen Betriebsjahre angemessener umzugestalten" (Urteil r. 155 von 2015).Im Übrigen behauptete dieser Gerichtshof, wenn man einen anderen auf steuerrechtlichem Gebiet zwischenrangig eingeleiteten Fall untersucht, dass der Gesetzgeber rechtzeitig eingreifen muss, "um die verfassungsmäßige Auflage des Haushaltsgleichgewichts auch in dynamischer Hinsicht zu erfüllen (Urteile Nr. 40 von 2014,Nr. 266 von 2013,Nr. 250 von 2013,Nr. 213 von 2008,Nr. 384 von 1991eNr. 1 von 1966), […] dies eventuell auch, indem die erkannten Mängel der untersuchten Steuerregelung behoben werden" (Urteil Nr. 10 von 2015). Schließlich kann das Urteil Nr. 27 von 2018, ebenfalls auf wirtschaftlichem Gebiet interessieren. Im 7. Abschnitt (Eine Betrachtung über die Handhabung der Wirkungen: die Untersuchungsbefungnisse des Verfassungsgerichts) wird das Thema der Ermittlungsbefugnisse des Verfassungsgerichts untersucht, insbesondere in Bezug auf die Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit, ausgehend von der Voraussetzung, dass die Annahmeurteile tatsächlich "systemische" Rechtswirkungen erzeugen: daher erscheint es im höchsten Maße relevant, dass das Verfassungsrechtsorgan in Hinsicht auf die eventuell durch seine Urteile erzeugten Einwirkungen auf die Ordnung bewusste Entscheidungen aufnehmen kann. Der kritische Punkt ist, dass das Verfassungsgericht selten von seinen Ermittlungsbefugnissen Gebrauch macht (obwohl die vom Verfassungsgericht tatsächlich verwendbaren Hilfsmittel in den ergänzenden Normen besonders detailliert erläutert werden), was sich nicht nur, wie oben beschrieben in wirtschaftlich-finanzieller Hinsicht auswirkt, sondern auch auf dem Gebiet der Wissenschaft (vgl. Urteile Nr. 162 von 2014, Nr. 96 von 2015 und Nr. 84 von 2016). Ab dem 8. Abschnitt (Die Verschiebung des Stichtags: die Gründe, die der zeitlich Richtung Zukunft handhabenden Verfahrensweise zugrunde liegen) ist das zweite Kapitel der Arbeit den ein Prinzip ergänzenden Urteilen, den Urteilen zur ermittelten aber nicht erklärten Verfassungswidrigkeit und den mahnenden Urteilen gewidmet. Im Allgemeineren ist dieser Abschnitt den Gründen gewidmet, die der zeitlich handhabenden Vorgehensweise, bei denen der zukünftige Zeitabschnitt hervortritt, zugrunde liegen: Es handelt sich um die Fälle, in denen das Verfassungsgericht nicht festlegt (oder nicht nur festlegt), die Rückwirkung der Verfassungswidrigkeitserklärung bzgl. der Vergangenheit einzuschränken, sondern (auch) entscheidet, einen Anschluss zum Gesetzgeber zu suchen, indem der Stichtag aufgeschoben wird. Weiter im Einzelnen nutzt das Verfassungsgericht einige Entscheidungsstrategien, um der Bildung der s. g. Gesetzeslücken vorzubeugen, die an sich der Kontinuität der staatlichen Funktionen wie auch der Stabilität der Rechtsverhältnisse, der positiven Tendenz der Finanzlage der öffentlichen Hand wie auch der öffentlichen Verwaltung schaden. Die Gründe, auf denen die besagte zeitlich handhabende Vorgehensweise aufbaut, sind ein weiteres Mal denen sehr ähnlich, die den Unvereinbarkeitserklärungen zugrunde liegen: die Gefahr, dass sich im Fall der Einführung eines die Verfassungswidrigkeit einer Norm ganz einfach erklärenden Urteils ein "Chaos" innerhalb der Rechtsordnung bildet. Im 9. Abschnitt (Die Mittel zur Vorverlegung des Stichtags: Die Urteile zur ermittelten aber nicht erklärten Verfassungswidrigkeit) werden die Hauptmerkmale der ermittelten ab nicht erklärten Verfassungswidrigkeit dargelegt ("sentenze di incostituzionalità accertata ma non dichiarata") die den Entscheidungen der Unvereinbarkeitserklärungen erheblich ähneln, denn in beiden Fällen besteht der Mangel der Verfassungsmäßigkeit und der Gerichtshof mahnt gleichzeitig den Gesetzgeber zur (mehr oder weniger unverzüglichen) Handlung, um die Beseitigung der Verfassungswidrigkeit, die das Rechtssystem insgesamt gefährdet, zu beschleunigen. Der grundlegende Unterschied besteht in der Tatsache, dass im Fall der Unvereinbarkeitserklärungen, die Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht nur ermittelt, sondern auch erklärt wird und dies eben in Form der Unvereinbarkeitserklärung (und also nicht der Verfassungswidrigkeitserklärung). In Abschnitt 9.1 (Die Aufschiebung des Stichtags: die ein Prinzip ergänzenden Urteile) werden die ein Prinzip ergänzenden Urteile ("sentenze additive di principio") ebenfalls in ihren Hauptmerkmalen zum Gegenstand der Untersuchung; diese gehören, wie von der neuesten Rechtslehre bestätigt zu einem ungeschriebenen, der Rechtsprechung entspringenden Prozessrecht, auf das erst kürzlich vom Gerichtshof zum Thema der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitserklärungen auch mit Bezugnahme auf ausdrücklich komparatistische Bezüge verwiesen wurde. Mittels dieser Art der Entscheidung erklärt das Verfassungsgericht zwar die Verfassungswidrigkeit einer Norm für den Teil, in welchem diese keine bestimmte Voraussicht oder Regelung enthält, stellt jedoch gleichzeitig einen Grundsatz auf, der prinzipiell vom Gesetzgeber ausgeführt werden muss (welcher je nach Fall mehr oder weniger Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieses Grundsatzes haben kann). Wie man sieht, ähnelt das besagte Entscheidungshilfsmittel in seiner Art den Unvereinbarkeitserklärungen, da diese eine synergetische Form der Zusammenarbeit zwischen den Organen Verfassungsgericht, Gesetzgeber und Richter mit sich bringen. Doch nicht nur das: Der Gesetzgeber wird außerdem dazu aufgerufen, die Wiederherstellung der verletzten Verfassungslegalität zu optimieren, so wie mit Bezug auf die zeitlich handhabende deutsche Praxis, denn das, was die Unvereinbarkeitserklärung auszeichnet, ist die Reformpflicht, die s.g. Nachbesserungspflicht. Im Fall einer legislativen Untätigkeit im Anschluss an die Aufnahme eines ein Prinzip ergänzenden Urteils muss die "juristische Ebene" aktiviert werden: in Wirklichkeit ist vor dem Eingriff des Legislativorgans immer eine gewisse Zusammenarbeit zwischen den Richtern und dem Verfassungsgericht notwendig: in diesem Sinne haben die ein Prinzip ergänzenden Urteile eine weitere Ähnlichkeit mit den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen. Den Urteilen der "reinen" Unvereinbarkeit ebenfalls sehr ähnlich sind die mit einer allgemeinen Beschlussformel ausgestatteten, ein Prinzip ergänzenden Urteile ("sentenze additive di principio dotate di un dispositivo generico"): in diesem Fall im Anschluss an die erfolgte Verfassungswidrigkeitserklärung, wenn es dem Gericht schwerfällt, im Anschluss an eine wissenschaftliche Auslegung des vom selben Verfassungsgericht erkannten Grundsatzes eine anzuwendende Norm zu bestimmen. Nach diesen Erläuterungen darf das Urteil Nr. 243 von 1993, das in dieser Doktorarbeit ausgiebig behandelt wird, nicht unberücksichtigt bleiben. Mit diesem Urteil erklärte das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit eines bestimmten Mechanismus, der vom Gesetzgeber im Rentensystems erkannt wurde, ohne jedoch mit der Aufnahme eines Verfassungswidrigkeitsurteils mit ex tunc-Wirkung fortzufahren. Die mit der Aufnahme eines Urteils der ganz einfachen Annahme verbundenen Folgen wären nämlich für die Staatskassen übermäßig belastend gewesen. Die Rechtswirkungen einer derartigen Verkündigung, die daher von der Rechtslehre akkurat als ein einen Mechanismus ergänzendes Urteil definiert wird, erwiesen sich als denen der deutschen Unvereinbarkeitsurteile vollkommen ähnlich, insbesondere in Bezug auf die Beziehung zum Gesetzgeber: Letzterer wird nicht nur dazu angerufen, zu handeln, um den festgestellten Legitimitätsmangel zu beseitigen, sondern wird auch aufgefordert, innerhalb einer präzisen Frist einzugreifen; die Festsetzung einer Frist ist nämlich einer der Aspekte, der die zeitlich handhabende Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen am stärksten auszeichnen. Ebenfalls von Bedeutung ist das Urteil Nr. 170 von 2014, das eben durch den allgemeinen Grundsatz ein Paradox innerhalb der Rechtsordnung erzeugte: Es wurde eine homosexuelle Ehe vorgesehen, obwohl die homosexuelle Ehe in Italien noch nicht legalisiert ist (man beachte im Übrigen, dass dasselbe Verfassungsgericht "BVerfG 1. Senat Beschluss vom 27. Mai 2008, 1 BvL 10/05" zitiert). Der Fall ergab sich aus einem von einem Ehepaar (bei dem eine Person, ihr Geschlecht verändert hatte) eingeleiteten Verfahren, um die Löschung der Eintragung "Beendigung der Rechtswirkungen des amtlichen Ehebundes" zu erwirken, die der Standesbeamte zusammen mit der Eintragung im Auftrag des Gerichts zur Berichtigung (von "männlich" in "weiblich") des Geschlechts des Ehemanns unter die Heiratsurkunde gesetzt hatte; das Verfassungsgericht befand, das Fehlen jeglicher Regelung des besagten Paars stelle eine Verletzung der unantastbaren Menschenrechte laut Art 2 ital. GG dar. Dennoch behauptete das Verfassungsgericht: "Die reductio adlegitimitatemdurch eine handhabende Verkündigung, welche die automatische Scheidung durch eine beantragte Scheidung ersetzt, ist nicht möglich, da dies gleichbedeutend mit einer Fortdauer des Ehebundes zwischen Personen desselben Geschlechts, im Widerspruch zu Art. 29 ital. GG wäre. Es wird also Aufgabe des Gesetzgebers sein, eine alternative (und von der Ehe verschiedene) Form einzuführen, die es den Ehepartnern ermöglicht, den Übergang von einem Zustand höchsten rechtlichen Schutzes zu einer auf dieser Ebene absolut unbestimmten Bedingung zu verhindern. Und der Gesetzgeber wird angerufen, diese Aufgabe mit höchster Eile zu erfüllen, um die erkannte Gesetzeswidrigkeit der untersuchten Regelung unter dem Gesichtspunkt des heutigen Rechtsschutzdefizits der betroffenen Personen zu überwinden". Schließlich ist das ein Prinzip ergänzende Urteil Nr. 278 von 2013 zur Anonymität der Mutter und das Recht des Kindes, seine Herkunft zu kennen, um seine Grundrechte zu schützen, von Bedeutung. Abschnitt 9.2 (Der Aufschub des Stichtags: die Appelle und die "Geisterhandhabung ", die diese mit sich bringen) schließlich ist den Mahnungsurteilen gewidmet, die, obwohl sie nicht in die Steuerung der Verfassungswidrigkeitserklärung eingreifen, dennoch einen Ausgleich zwischen Grundsätzen und Werten mit sich bringen, der "typischerweise" die Grundlage der zeitlichen Handhabung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile ist: Der Gesetzgeber wird im Bereich eines Unzulässigkeitsurteils oder eines ablehnenden Urteils aufgefordert, in Bezug auf eine bestimmte Gesetzesordnung zu handeln, um die Legalität wiederherzustellen, von der angenommen wird, dass sie tatsächlich verletzt wurde. In Bezug auf Mahnungen ist Abschnitt 9.3 (In Bezug auf gefestigte Appelle: die Beziehung zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber angesichts des Beschlusses Nr. 207 von 2018) vollständig dem Fall Cappato gewidmet, einem wichtigen und bedeutenden juristischen Fall, der es gestattet, die Wechselbeziehungen zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber unter einer besonderen Lupe (auf dem Gebiet des Strafrechts) zu untersuchen. Zunächst scheint es relevant, die Sachlage zu erläutern: Der allgemein als DJ Fabo bekannte Fabiano Antoniani, der durch die Folgen eines Autounfalls 2014 querschnittsgelähmt und blind geworden war, bat Marco Cappato im Januar 2017, ihm zu helfen, die Schweiz zu erreichen, wo er die Euthanasie durch den sogenannten unterstützten Suizid beantragt hatte und am 27. Februar 2017 erhielt. Marco Cappato, dem bekannt war, dass auch die alleinige Hilfe bei der Beförderung in die Schweiz des Kranken, der darum bittet, nach italienischem Recht verboten ist, verklagte sich selbst bei seiner Rückkehr nach Italien. Gegen Marco Cappato wurde ein Verfahren eingeleitet, das später der Ausführung der Straftat nach gemäß Art. 580 ital. StGb als "Verleitung oder Hilfe zum Selbstmord" rubriziert wurde, nach dem "jeder, der Andere zum Selbstmord bringt oder sie in ihrem Suizidvorhaben bestärkt bzw. auf jedwede Weise dessen Ausführung erleichtert, wird, sofern der Selbstmord erfolgt mit fünf bis zwölf Jahren Haft bestraft". Die Prozessverhandlungen fanden am 8. November 2017, am 4. Und 13. Dezember 2017, am 17. Januar 2018 und am 14. Februar 2018 mit Verlesung des Beschlusses durch den Vorsitzenden des Geschworenengerichts Mailand statt, das die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Norm an das Verfassungsgericht verwies. Das Mailänder Gericht hatte zwei verfassungsrechtliche Legitimitätsfragen aufgeworfen: a) "dort, wo das Verhalten zur Hilfe zum Selbstmord statt des Verhaltens zur Verleitung zu Last gelegt wird und somit abgesehen von seinem Beitrag zur Entscheidung oder Bestärkung des Suizidvorhabens" wegen angenommenen Widerspruchs zu den Artikeln 2, 13, erster Absatz und 117 des ital. GG zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK, das in Rom, am 4. November 1950 unterzeichnet, ratifiziert und durch Gesetz Nr. 848 vom 4. August 1955 vollstreckbar wurde); b) "dort, wo das Verhalten der Erleichterung in der Ausführung des Selbstmords vorgesehen ist, das nicht auf den Weg der Entscheidungsfindung des Suizid-Anwärters einwirkt, mit einer Haftstrafe von 5 bis 10 [recte: 12] Jahren, ohne Unterschied zum Verhalten der Verleitung bestraft werden kann", wegen angenommenen Widerspruchs zu den Artikeln 3, 13, 25, zweiter Absatz, und 27, dritter Absatz, ital. GG. Das Verfassungsgericht bestätigte bei der Aufnahme des Beschlusses Nr. 207 von 2018 die Nicht-Unvereinbarkeit der Beschuldigung der Hilfe zum Selbstmord mit dem Grundgesetz; dennoch befand das Verfassungsgericht, spezifische Fälle zu erkennen, in denen das besagte Verbot fallen müsse. Es handele sich um völlig außergewöhnliche Situationen, und zwar solche, in denen die unterstützte Person sich selbst wie folgt identifiziere: (a) als an einer unheilbaren Krankheit leidend, die (b) körperliches und psychisches Leiden mit sich bringt, die von der Person als absolut nicht auszuhalten betrachtet werden, welche (c) durch lebenserhaltende Maßnahmen am Leben gehalten wird, aber (d) in der Lage ist, Entscheidungen frei und bewusst zu treffen. In allen anderen Fällen könnte sich der Sterbewille dank Anwendung des ital. Gesetz L. Nr. 219 von 2017 erfüllen, das als Normen zur aufgeklärten Einwilligung und Patientenverfügung) rubriziert ist und durch die Voraussichten des ital. Gesetzes Nr. 38 vom 15. März (Bestimmungen zur Gewährleistung des Zugangs zu Palliativpflege und Schmerztherapie) ergänzt wurde. Anschließend bestätigt das Verfassungsgericht bedeutungsvoll: "Dieses Gericht befindet im Übrigen, zumindest zu diesem Zeitpunkt, keine Abhilfe schaffen zu können gegen die erkannte Rechtsverletzung hinsichtlich der oben aufgeführten Grundsätze durch die bloße Ausweisung aus dem Anwendungsbereich der Strafverfügung jener Fälle, in denen die Hilfe gegenüber Personen geleistet wird, die sich in den gerade beschriebenen Zuständen befinden", denn "eine solche Lösung würde an sich die Leistung materieller Hilfe gegenüber von Patienten in diesen Zuständen, in einem ethisch-gesellschaftlich höchst empfindlichen Bereich, in welchem jeder mögliche Missbrauch mit Bestimmtheit auszuschließen ist, vollkommen ungeschützt lassen". Die besagte Regelung müsste anfangs dem Parlament anvertraut werden, da die normale Aufgabe dieses Gerichtshofs die Überprüfung der Vereinbarkeit der vom Gesetzgeber in Ausübung seines politischen Ermessensspielraums bereits vorgenommenen Entscheidungen mit den durch die Notwendigkeit der Beachtung der verfassungsrechtlichen Grundsätze und der Grundrechte der betroffenen Personen vorgeschriebenen Einschränkungen ist. Das Verfassungsgericht bestimmt also, "seine eigenen Befugnisse zur Steuerung des Verfassungsprozesses" zu nutzen und die nicht mit dem Grundgesetz übereinstimmende Vorschrift beizubehalten, ohne jedoch deren Anwendung durch die Richter zu verfügen, in Anbetracht der Tatsache, dass die Wirksamkeit der zensierten Regelung im vorliegenden Fall angesichts "dessen besonderer Eigenschaften und wegen der Bedeutung der damit verbundenen Werte" nicht als erlaubt gelten könnte. Wie man bemerken kann, scheint die Ratio der Unvereinbarkeitserklärung in diesem Fall tatsächlich die Rolle des "steinernen Gastes" übernommen zu haben. Der Gerichtshof bestätigt somit: "Um zu verhindern, dass die Vorschrift in dem hier angefochtenen Teil in der Zwischenzeit angewendet werden kann, wobei dem Parlament dennoch die Möglichkeit gegeben ist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, die grundsätzlich in seinem Ermessensspielraum bleiben – die Notwendigkeit, den Schutz der Patienten in den mit dieser Verkündigung angegebenen Einschränkungen zu gewährleisten, bleibt unangetastet – befindet der Gerichtshof somit auf andere Weise vorsorgen zu müssen, indem er also die Aufschiebung des laufenden Verfahrens verfügt und die Verhandlung zur neuen Diskussion der Verfassungsmäßigkeitsfragen für den 24. September 2019 anberaumt; in den anderen Verfahren dagegen obliegt es den Richtern, zu beurteilen, ob, angesichts der Angaben in dieser Verkündigung ähnliche Fragen zur Verfassungslegitimität der untersuchten Verfügungen als erheblich und nicht offensichtlich unbegründet anzunehmen sind, um die Anwendung derselben Verfügung in dem hier angefochtenen Teil zu vermeiden". Die besagte Verkündigung ist durch die nun sehr bekannte Beschlussformel, charakterisiert, welche die getroffene Erklärung der Verfassungswidrigkeit von Art. 580 ital. StGb nicht enthält. Darin heißt es: "Aus diesen Gründen wird die Behandlung der mit dem im Rubrum angegebenen Beschluss aufgeworfenen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit auf die öffentliche Verhandlung am 24. September 2019 verschoben". Es handelt sich nämlich um einen vorläufigen Beschluss, mit dem das Verfassungsgericht entschied, das Gerichtsverfahren aufzuschieben und die Verfassungswidrigkeit von Art. 580 ital. StGb auf die in derselben Verkündigung beschriebene Weise zu überprüfen. Die deutschen Unvereinbarkeitserklärungen ähneln jedoch in Ratio und Aufbau der besprochenen Verkündigung, denn derselbe Verfassungsrichter Modugno verwies in Bezug auf Beschluss Nr. 207 von 2018 bei der öffentlichen Verhandlung am 24. September 2019 ausdrücklich auf die deutsche Rechtsprechung. In erster Linie tritt die "Anwendungssperre der verfassungswidrigen Norm" hervor; in zweiter Linie tritt die für den Gesetzgeber vorgesehenen Frist und der Verweis auf eine "faire und dialektische institutionelle Zusammenarbeit" hervor; in dritter Linie tritt der weite Ermessensspielraum, den das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber zur verfassungsgemäßen Gestaltung der Regelung gelassen hat, hervor. Wie in der Rechtslehre bestätigt, handele es sich um ein "gefestigter" Appell, ein Urteil zur ermittelten aber nicht erklärten ganz eigenen Verfassungswidrigkeit, eine italienische Unvereinbarkeitserklärung. Außerdem besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass das Gebiet, auf welchem die besagte Verkündigung eingriff, das Strafrecht ist, indem das Ermessen des Gesetzgebers erheblich bedeutend ist. Trotz der Absicht des Verfassungsgerichts handelte der Gesetzgeber nicht innerhalb der vorgesehenen Frist, aus diesem Grund referierte das Verfassungsgericht in der am 25. Oktober 2019 veröffentlichten Pressemeldung, dass "der Gerichtshof in Erwartung eines unerlässlichen Eingriffs des Gesetzgebers die Nicht-Strafbarkeit der Beachtung der Verfahren, die in der Vorschrift zur aufgeklärten Einwilligung, zur Palliativpflege und zur kontinuierlichen tiefen Sedierung (Artikel 1 und 2 des ital. Gesetzes 219/2017) und der Überprüfung sowohl der erforderlichen Bedingungen als auch der Ausführungsverfahren durch eine öffentliche Einrichtung des staatlichen Gesundheitsdienstes nach Anhörung des Bescheids des örtlich zuständigen Ethik-Kommission vorgesehen sind, unterstellt". Vor wenigen Tagen wurde das Urteil Nr. 242 von 2019 hinterlegt, mit dem das Verfassungsgericht die "Sage" Cappato "abschloss": aus zeitlichen Gründen konnte diese Verkündigung, die jedoch in Bezug auf die Beziehung zwischen Verfassungsgericht und Gesetzgeber von erheblicher Bedeutung für diese Doktorarbeit ist, nicht untersucht werden. Das Verfassungsgericht entschied somit, die "Verfassungswidrigkeit von Art. 580 des ital. Strafgesetzbuchs dahingehend" zu erklären, "dass die Strafbarkeit dessen nicht ausgeschlossen wird, der mit der in den Artikeln 1 und 2 des ital. Gesetzes Nr. 2019 vom 22. Dezember 2017 (Normen zur aufgeklärten Einwilligung und Patientenverfügung)– d.h. in Bezug auf die Tatbestände vor der Veröffentlichung dieses Urteils im Amtsblatt der Republik mit gleichwertigen Vorgehensweisen wie in der Begründung – vorgesehenen Art und Weise die Ausführung des sich selbständig und frei gebildeten Suzidvorhabens einer durch lebenserhaltende Maßnahmen am Leben gehaltenen Person, die an einer unheilbaren Krankheit leidet, welche körperliche und psychische Leiden mit sich bringt, die von dieser als nicht auszuhalten angesehen werden, welche aber in der Lage ist, Entscheidungen frei und bewusst zu treffen, sofern diese Bedingungen und die Ausführungsverfahren durch eine öffentliche Einrichtung des staatlichen Gesundheitsdienstes überprüft werden nach Anhörung des Bescheids des örtlich zuständigen Ethik-Kommission erleichtert". Der Gesetzgeber, der zum Handeln im Anschluss an die erfolgte Aufschiebung der Rechtswirkungen des Urteils der "ermittelten" Verfassungswidrigkeit laut Beschluss Nr. 207 von 2018 aufgerufen wurde, scheint zusammen mit und vor allem durch seine Untätigkeit im Urteil Nr. 242 von 2019 in den Vordergrund zu treten. Das dritte Kapitel ist vollumfänglich der deutschen Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen gewidmet, deren wichtigste Vorteile und Problempunkte untersucht werden. Im 1. Abschnitt (Die Ratio eines Vergleichs zwischen der "alternativen Tenorierung" des BVerfG und der zeitlich handhabenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichts) wird versucht, die Gründe, auf denen das Interesse für die zeitlich handhabende deutsche Praxis beruht zu erklären. Erstens entspricht, wie weiter unten ausgeführt sowohl in der italienischen Ordnung wie auch in der deutschen die Verfassungswidrigkeit einer Norm faktisch seiner Ungültigkeit. Trotz dieser gemeinsamen Voraussetzung, eben in Hinsicht auf die Notwendigkeit, eine Steuerung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit der Verfassungswidrigerklärung vorzunehmen, sah der deutsche Gesetzgeber eine Änderung des BVerfGG vor, während dagegen, obwohl die Corte costituzionale in einigen Fällen befunden hatte, von der Rückwirkung der Annahmeurteile abzuweichen, das Verfassungssystem, wie im ersten und zweiten Kapitel zu zeigen versucht wurde, noch keine Form der Positivierung der Handhabung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit erfahren. Und dies trotz der kürzlichen Einführung von Urteil Nr. 10 von 2015 und Beschluss Nr. 207 von 2018: erstes enthält, wie bereits besprochen, einen ausdrücklichen Verweis auf die deutsche Praxis; zweiter dagegen verweist lediglich implizit auf den Aufbau und die Ratio der deutschen Unvereinbarkeitserklärungen. Die besagten Entscheidungen werden aufgrund ihrer Bedeutung Untersuchungsgegenstand in Abschnitt 1.1. (Die Ratio des Vergleichs: zwei aktuelle Beispiele). In Abschnitt 1.2. (Die Problematik eines Vergleichs zwischen der italienischen und der deutschen Praxis) wird die Problematik bezüglich eines Vergleichs zwischen der italienischen und der deutschen Praxis hervorgehoben. In erster Linie tritt die verschiedene gesetzliche Regelung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigerklärung hervor; in zweiter Linie die ungleichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Verfassungsorganen (zu denen das Verfassungsgericht offensichtlich gehört). In diesem Abschnitt werden diese beiden Aspekte beleuchtet, wobei jedoch nicht zu vergessen ist, dass, wenn auch die Beziehung zwischen BVerfG und dem Gesetzgeber entschieden entspannter ist als in der italienischen Situation, werden in der deutschen Rechtslehre dennoch die Problematiken hervorgehoben, die ein eventuelles Nicht-Erfüllen des Gesetzgebers der Vorgabe des Verfassungsgerichts mit sich bringt; gleichzeitig weisen die Unvereinbarkeitserklärungen Elemente der Unklarheit auf, und zwar in Bezug auf die Möglichkeit, ihre juristischen Folgen sicher kennen zu können, da diese konkret von den Entscheidungen des BVerfG abhängen; aus diesem Grund ist dieser Entscheid zum Teil auch Gegenstand der Kritik durch die deutsche Rechtslehre. Im Übrigen, während in Bezug auf die italienische Praxis die Unvereinbarkeitserklärungen vor allem angesichts der "unvorhersehbaren" Folgen kritisiert werden, kann man gleichzeitig nicht übersehen, dass dieselbe Kritik (und nicht nur diese) in der deutschen Rechtslehre angeführt wird, in der auch einige Problempunkte in Bezug auf die Beziehung zwischen Gesetzgeber und BVerfG mit besonderem Verweis auf die zeitlich handhabende Praxis hervorgehoben werden. In Abschnitt 1.3. (Ziel des Vergleichs mit den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen) wird das Ziel des Vergleichs unterstrichen, das nicht nur in einer Überlegung zur hypothetischen Übertragung dieses Entscheidungstyps in die Sammlung der Entscheidungsmittel des Verfassungsgerichts ist, sondern auch in einer Überlegung zum Thema der "Einschränkung" der Rückwirkung besteht. Die nachfolgenden Abschnitte sind der Untersuchung der Norm gewidmet. Im 2. Abschnitt (Die Nichtigkeitslehre und die Theorie der Vernichtbarkeit) geht es auf rein theoretischer und allgemeiner Ebene um die Grundzüge der Nichtigkeitslehre und der Vernichtbarkeitstheorie. Abschnitt 2.1. ist vollumfänglich der Ipso-iure-Nichtigkeit gewidmet, die das Panorama der deutschen Rechtslehre seit den fünfziger Jahren beherrscht; es werden die juristischen Modelle untersucht, auf denen sie beruht und auf die Verfassungsnormen und das einfache Recht verwiesen, auf das sie aufbaut. Abschnitt 2.2. (Die Theorie der Nichtigkeit im Grundgesetz) ist den Verfassungsnormen gewidmet, welche die Grundlage der Nichtigkeitslehre darzustellen scheinen. Abschnitt 2.3. (Die Nichtigkeit des Verfassungsgesetzes und die Hauptquelle: §78 BVerfGG) ist der Untersuchung von § 78 BVerfGG gewidmet, wo es heißt, "Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, dass Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig". Wie man sieht, bestätigt diese Verfügung die Nichtigkeit der für verfassungswidrige erklärten Norm und steht so im Widerspruch zur "bloßen" Erklärung der Unvereinbarkeit der verfassungswidrigen Norm. Abschnitt 2.4. (Die Gesichtspunkte der Flexibilisierung der Rechtswirkungen der Entscheidung angesichts der Ipso-iure-Nichtigkeit) ist den allerersten Versuchen des BVerfG gewidmet, eine Ausnahme vom Dogma der Nichtigkeit zu machen und sich auf dieser Weise dem zu nähern, was als "Anwendbarkeit des Rechts" definiert wurde. Abschnitt 2.5. ist vollumfänglich der Vernichtbarkeitstheorie des Gesetzes gewidmet; insbesondere werden im Verlauf desselben die theoretischen und gesetzlichen Grundlagen dieser These untersucht, die sich teilweise mit der Notwendigkeit der Überwindung der die Nichtigkeitserklärung charakterisierenden Problempunkten deckt, wobei die Bedeutung, die diese Theorie hinsichtlich der Unvereinbarkeitserklärungen annimmt zu berücksichtigen ist. Der 3. Abschnitt (Die Folgen der Nichtigkeitserklärung, §79 BVerfGG) ist der Untersuchung der Folgen (gegenüber Vergangenheit und Zukunft) der Verfassungswidrigerklärung gewidmet: Diese Analyse entwickelt sich angesichts einiger von einigen Autoren der deutschen Rechtslehre, darunter vor allen Kneser, Gusy und Ipsen vorgebrachten Thesen. Abschnitt 3.1. (Die Vorschläge zur Änderung der Rechtswirkungen der deutschen Nichtigkeitserklärung) ist, fast symmetrisch zum 2. Abschnitt des 2. Kapitels, der Untersuchung zweier bedeutender Versuche zur Änderung der Rechtswirkungen laut § 79, Abs. 1 BVerfGG (BT-Drs. V/3916) und (BT-Drs VI/388) gewidmet, die, obwohl nie verabschiedet zur Verbreitung einer möglichen Rechtfertigung der Theorie der Vernichtbarkeit der verfassungswidrigen Norm beigetragen haben. Nach einem Teil der Rechtslehre war der Grund für die mangelnde Änderung der Rechtswirkungen des Nichtigkeitsurteils laut §79 BVerfGG sehr einfach, denn jede Form der Kodifizierung würde die notwendige Handlungsflexibilität des BVerfG einschränken, welches im Übrigen durch den Gebrauch der Unvereinbarkeitserklärungen immer anwendbare Handlungen gefunden hat. In jedem Fall änderte der Gesetzgeber im Jahr 1970 durch das Vierte Gesetz zur Änderung des BVerfGG den §79 1. Abs. und den § 31 2. Abs., in denen die Möglichkeit vorgesehen ist, dass die verfassungswidrige Norm nicht nur nichtig erklärt wird, sondern auch unvereinbar. Der umfangreiche 4. Abschnitt (Die deutschen Unvereinbarkeitserklärungen) ist den deutschen Unvereinbarkeitserklärungen gewidmet, die unter mehreren Gesichtspunkten untersucht werden und in diesem Kapitel Hauptgegenstand der Studie sind. In Abschnitt 4.1. (Grundlage und Legitimation der Unvereinbarkeitserklärungen) werden die allgemeinen Gründe untersucht, die das BVerfG dazu führten, trotz der Vorgabe des § 78 BVerfGG einen von der Nichtigkeitserklärung verschiedenen Entscheidungstyp einzuführen. Der zu untersuchende Entscheidungstyp ist mit der Zeit nach einem Teil der Rechtslehre zu einer "Regel" geworden, denn §78 BVerfGG hätte (nach der Lehre Burkiczaks) ein primitives Wesen angenommen. Andererseits weist der Pragmatismus des BVerfG einige bedeutende Schwierigkeiten auf, wie hier hervorzuheben versucht wird: Erstens die der Erkennung einer juristisch-theoretischen Rechtfertigung des besprochenen Entscheidungstyps und zweitens das Problem der Beschreibung der Anwendungstopoi, in Anbetracht der Tatsache, dass die Anwendungskriterien der Unvereinbarkeitserklärungen oft Überlagerungen aufweisen. In Abschnitt 4.2. (§ 79 1. Abs. des BVerfGG und § 31, 2. Abs. BVerfGG: die Revolution des Vierten Gesetzes zur Änderung des BVerfGG) wird das Thema der Revolution des Vierten Gesetzes zur Änderung des BVerfGG in Angriff genommen, das §79 1. Abs. des BVerfGG und § 31 2. Abs. BVerfGG änderte und die Möglichkeit einfügte, die Norm für unvereinbar zu erklären. Während in Abschnitt 4.3. (Der § 31 des BVerfGG) eben § 31 des BVerfGG, untersucht wird, befasst sich Abschnitt 4.4. (Der § 35 des BVerfGG) mit § 35 des BVerfGG, welcher nicht nur die Grundlage der Fortgeltungsanordnung der unvereinbaren Norm, sondern auch die möglichen Formen zu deren Vollstreckung begründet. Gerade wegen der "pragmatischen" Natur der Unvereinbarkeitserklärungen ist es schwierig, die Anwendungstopoi dieses Entscheidungsmittels zu erkennen; nicht ohne Grund wird in der maßgeblichen Rechtslehre auf eine pragmatische, flexible und nicht dogmatische zeitlich handhabende Praxis verwiesen, die im 5. Abschnitt (Das Problem der Erkennung einer Kasuistik der Unvereinbarkeitserklärungen: die pragmatische, flexible und nicht dogmatische Praxis) behandelt wird. Ganz allgemein werden Unvereinbarkeitserklärungen in folgenden Fällen angewendet: a) wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, um den Mangel an Verfassungsmäßigkeit zu beseitigen, für gewöhnlich, wenn der Gleichheitsgrundsatz verletzt wird, da dem Gesetzgeber ein großer Ermessensspielraum zukommt, um die verletzte Legalität wiederherzustellen. In diesem Fall ist es der Schutz der Ermessenssphäre des Gesetzgebers der zur Grundlage der Beurteilung (oder wenn man will der Abwägung) der juristischen Folgen der Verfassungswidrigerklärung wird. Hinsichtlich der Beziehung zum Gesetzgeber wird in der Rechtslehre eine Form der spezifischen Koordinierung zwischen BVerfG und Gesetzgeber bezeichnet, in Anbetracht der Tatsache, dass die Unvereinbarkeitserklärung den Ermessensspielraum des Gesetzgebers in Hinsicht auf den Zeitraum zwischen der Erklärung der Unvereinbarkeit und der Einführung der neuen Gesetzesverordnung schützt. b) wenn ein Übergang von der verfassungswidrigen Lage zur verfassungsmäßigen Situation im Gemeininteresse notwendig ist. Im Wesentlichen erhält dieser Anwendungsbereich in dem Fall Bedeutung, wo die Aufnahme einer Verfassungswidrigerklärung die Verfassungswidrigkeit innerhalb der Rechtsordnung noch verschlimmern würde. In diesem Sinne tritt die "Chaos-Theorie" hervor, die im Übrigen an die Verletzung der Artt. 33. 1. Abs., 2. Abs., 3. Abs. und 21 1. Abs. GG anknüpft. Während man die Einwendung der möglichen Unbestimmtheit der s.g. Anwendungstopoi der Unvereinbarkeitserklärungen eben wegen des Fehlens einer umfassenden Gesetzesgrundlage, die in Abschnitt 5.1. (Gibt es einen Numerus clausus der Anwendungsfälle der Unvereinbarkeitserklärungen?) angesprochen wird, im Hinterkopf behält, wird im 6. Abschnitt (Die Unterkategorien der Unvereinbarkeitserklärungen) auf die notwendige Unterscheidung zwischen den Unvereinbarkeitsentscheidungen und den s.g. Appellentscheidungen hingewiesen, um dann im Verlauf von Abschnitt 6.1. (Das "reine" Unvereinbarkeitserklärung) zur Untersuchung der Hauptmerkmale der reinen (oder schlichten) Unvereinbarkeitserklärung überzugehen, die sich vor allem durch eine Reformpflicht (mit dem Ziel der Garantie der freien Ausübung durch den Gesetzgeber seines Werks zur Beseitigung des vom BVerfG entschiedenen Legitimitätsmangels) und durch die s.g. Anwendungssperre des für verfassungswidrig erklärten Gesetzes charakterisiert, wie im Übrigen in der allerersten Unvereinbarkeitsentscheidungen, BVerfGE 28, 227 (Steuerprivilegierung Landwirte) vorgesehen war. Abschnitt 6.2. (Die Unvereinbarkeitserklärung und die s.g. weitere Anwendbarkeit des für unvereinbar erklärten Gesetzes) ist der Untersuchung des Aufbaus der vom BVerfG verfügten Anordnung der Anwendung des für unvereinbar erklärten Gesetzes: wie in diesem Abschnitt gezeigt wird, betrachtet die Rechtslehre das Mittel der Fortgeltungsanordnung als eine Art "Ebene" des "reinen" Unvereinbarkeitsurteils; gleichzeitig wird deren so verschiedenartiger Aufbau untersucht. In diesem Sinn wird auf die vorläufige Weitergeltungsanordnung und die endgültige Weitergeltungsanordnung verwiesen. Die Fortgeltungsanordnung wird auch in Abschnitt 6.2.1. untersucht, wo die gesetzliche Grundlage der Fortgeltungsanordnung zum Analyseobjekt wird; gleichzeitig erfolgt eine Überlegung zur Möglichkeit, die Voraussicht der zeitlich beschränkten Anwendung des für unvereinbar erklärten Gesetzes mit der Normenhierarchie zu vereinen. Die Lösung scheint in dem vom BVerfG verspürten Bedürfnis, die verfassungsfernere Lösung auszuschließen zu liegen. In Abschnitt 6.2.2. (Die in der Motivation der Unvereinbarkeitserklärungen liegende Schwierigkeit, vor allem in Bezug auf die mit Fortgeltungsanordnung verbundenen Erklärungen) wird der Problempunkt der schwierigen Erkennung der Folgen, die sich aus den Unvereinbarkeitsurteilen ergeben können, behandelt, und insbesondere im Fall der mit Anordnung der s.g. weiteren Anwendbarkeit, verbundenen Entscheidungen, in Anbetracht der Tatsache, dass das BVerfG die Folgen der Unvereinbarkeitsentscheidungen offen lässt. In Abschnitt 6.3. (Die mit einer Übergangsregelung verbundenen Unvereinbarkeitserklärungen) werden dagegen die mit einer vom selben BVerfG bestimmten Übergangsregelung verbundenen Unvereinbarkeitsentscheidungen analysiert. Die besagten Übergangsregelungen bestehen auch unabhängig von der Anwendung der Unvereinbarkeitserklärungen, denn diese können an Nichtigkeitserklärungen gebunden sein: Man denke beispielsweise an die Entscheidungen BVerfGE 1, 39 – Schwangerschaftsabbruch 1 und BVerfGE 88, 203 – Schwangerschaftsabbruch II. Wie weiter unten gezeigt, übernehmen die Übergangsregelungen, wenn sie in Begleitung der Unvereinbarkeitserklärungen beschlossen werden, die Rolle der "Entscheidungsgrundlage", und zwar deshalb, weil die Übergangsregelung keinen unabhängigen Entscheidungstyp darstellt. Der 7. Abschnitt (Die Anwendungsgebiete der Unvereinbarkeitserklärungen) besteht aus mehreren Unterabschnitten und beschäftigt sich mit Überlegungen zu den Anwendungsgebieten der deutschen Unvereinbarkeitserklärungen, die vor allem in Bezug auf die italienische Praxis von besonderem Interesse sind. Wie weiter unten gezeigt, basieren die Unvereinbarkeitserklärungen auf denselben Gründen wie die vom Verfassungsgericht entwickelte umfangreiche Sammlung an Entscheidungsmitteln, d.h. zum Beispiel die Urteile mit verschobener Verfassungswidrigkeit, die ein Prinzip ergänzenden Urteile und die Urteile zur ermittelten aber nicht erklärten Verfassungswidrigkeit. Erstens ist der Anwendungstopos der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, zu berücksichtigen, der in Abschnitt 7.1. (Die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und der Schutz des Ermessensspielraums des Gesetzgebers) ausgehend von der ersten "offensichtlichen" Entscheidung mit Verzicht auf die Anwendung der Nichtigkeitserklärung BVerfGE 22, 349 (361-362) – Waisenrente und Wartezeit – untersucht wird. Das Ziel, die Optimierung der Beseitigung des Mangels an Verfassungsmäßigkeit zu gewährleisten, vereint sich im Fall der Verletzung des – in Art. 3 GG dargelegten Gleichheitsgrundsatzes – mit dem Schutz des Ermessensspielraums des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 17, 148; BVerfGE 93, 386; BVerfGE 71, 39; BVerfGE 105, 73; siehe schließlich auch das Urteil zum dritten Geschlecht vom 10. Oktober 2017). Während in Abschnitt 7.1.1. (Die Einführung der Nichtigerklärung im Fall der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes) die (außergewöhnlichen) Gründe behandelt werden, aufgrund derer das BVerfG verfügt, die Nichtigerklärung anzuwenden, obwohl ein Gleichheitsgrundsatz verletzt wurde, beschäftigt sich Abschnitt 7.2. (Die s.g. Chaos-Theorie) mit der Theorie, die auch als "Argument der juristischen Folgen" bezeichnet wird: Dieses Argument liegt, wie man im Verlauf dieses Kapitels sieht, dem Verzicht auf die Anwendung der Nichtigerklärung zugrunde, d.h. die Gefahr eines noch "verfassungsferneren Zustands bei Nichtigerklärung" (vgl. BVerfGE 37, 217; BVerfGE 33, 303; BVerfGE 132, 134). Es ist interessant zu bemerken, dass dieser Anwendungstopos im Bedürfnis, die Rechtssicherheit und den Rechtsstaat zu gewährleisten, substanziiert werden kann; weiter könnte das BVerfG nicht nur gesellschaftliche, sondern auch durch das Grundgesetz gewährleistete Grundrechte schützen wollen. Wegen der Bedeutung der Kategorie der Rechtssicherheit in der Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen ist Abschnitt 7.2.1. (Rechtssicherheit . Eine elastische Kategorie) einer Untersuchung der Beziehung zwischen diesem juristischen "Gut" und der zeitlich handhabenden Praxis des BVerfG gewidmet; in Abschnitt 7.2.2. (Der Schutz des Gemeinwohls und die mit Fortgeltungsanordnung verbundenen Unvereinbarkeitserklärungen) wird eine Überlegung zur Beziehung zwischen den mit Fortgeltungsanordnung verbundenen Unvereinbarkeitserklärungen und der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit zum Schutz des Gemeinwohls entwickelt (vgl. BVerfGE 91, 186; BVerfGE 198, 190; BVerfGE 109, 190); der nächste Abschnitt 7.3. (BVerfG und Strafrecht) behandelt die Verwendung der Unvereinbarkeitserklärungen (insbesondere der mit Fortgeltungsanordnung verbundenen) durch das BVerfG auf dem Gebiet des Strafrechts. Dieser Abschnitt ist für italienische Forscher besonders interessant, nicht nur angesichts des weiten Ermessensspielraums, der dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Strafrechts zukommt, sondern auch angesichts der Aufnahme des kürzlichen Beschlusses Nr. 208 von 2017, der im späteren Verlauf seine "Folge" in Urteil Nr. 242 von 2019 fand (vgl. BVerfGE 109, 190; die Verkündigung zur Sicherungsverwahrung vom 4. Mai 2011, oder weiter die Entscheidung vom 20. April 2016 zum Thema Bundeskriminalamtgesetz). Wie man sehen wird, scheinen der Gesetzgeber und das BVerfG auf dem Gebiet des Strafrechts zwischen den Vorgaben der Beachtung des legislativen Ermessens und der erfolgten Unvereinbarkeitserklärung der nicht mit der Verfassung zu vereinbarenden Strafnorm zu "dialogisieren". Abschnitt 7.4. (Der Topos der Finanz- und Haushaltsplanung) ist der zwischen der Annahme der Unvereinbarkeitserklärung, seiner zeitlichen Wirkung und der Notwendigkeit zum Schutz des Staatshaushalts bestehenden Beziehung gewidmet. Zu diesem Zweck darf man die Tatsache nicht vergessen, dass die Weitergeltungsanordnung eine ausreichende juristische Grundlage ist, um die Zahlung der Steuern von den Bürgern zu fordern und dass diese gleichzeitig ein mögliches Mittel darstellt, um das Auftreten einer unsicheren Rechtssituation zu verhindern, da die Steuereinnahmen des Bundes oder der Länder verloren gehen könnten (vgl. BVerfGE 138, 136; Urteil vom 15. Januar 2019 2 BvL 1/09). Der Abschnitt 7.5. (Die Unvereinbarkeitserklärungen gegenüber der legislativen Unterlassung) behandelt die Beziehung zwischen der Unterlassung des Gesetzgebers und dem Verzicht auf die Nichtigkeitserklärung einer Norm. Es handelt sich im Wesentlichen um ein vollkommen primitives – und problematisches – Kriterium der Anwendung der Unvereinbarkeitserklärungen, wie es auch die Kategorie hinsichtlich des Ermessens des Gesetzgebers ist, dessen Hauptmerkmale in Abschnitt 7.6. (Ein primitives Kriterium: der Ermessensspielraum des Gesetzgebers) untersucht werden. Im 8. Abschnitt (Die Folgen der Unvereinbarkeitserklärungen: Eine allgemeine Übersicht) werden die Folgen analysiert, die ganz allgemein die Anwendung der Unvereinbarkeitserklärung betreffen, wobei jedoch zu unterstreichen ist, dass die Folgen je nach der "konkreten" Praxis, die dasselbe BVerfG befindet, Änderungen unterliegen können. Die Auswirkungen der Unvereinbarkeitserklärung haben keine "klare Linie". Ganz allgemein folgt der Anwendung einer Unvereinbarkeitserklärung die Pflicht des Gesetzgebers, den Mangel an Verfassungsmäßigkeit zu beseitigen und die Pflicht der Richter, die Vorgabe des Gerichts in Bezug auf die für unvereinbar erklärte Norm zu befolgen. In Bezug auf die Beziehung zwischen BVerfG und Gesetzgeber wird in Abschnitt 8.1. (Die aus der Pflicht zur Reform der unvereinbaren Norm, der s.g. Nachbesserungspflicht entstehenden Folgen) die Reformpflicht des Gesetzgebers untersucht und deren ex tunc- bzw. ex nunc-Wirkung je nachdem, wie das Bundesverfassungsgericht von Fall zu Fall entscheidet. In diesem Abschnitt wird versucht, auch die Natur und das Gebundensein an die Frist zu untersuchen, einem nicht ganz unbekannten Instrument im Bereich des italienischen Verfassungsrechts. Obwohl der Deutsche Bundestag häufig innerhalb der vom BVerfG, vorgesehenen Frist eingreift, gibt es doch auch Fälle, in denen der Gesetzgeber nicht innerhalb des vorgesehenen Zeitraums gehandelt hat (vgl. BVerfGE 99, 300; und das Urteil zur Erbschaftssteuer vom 17. Dezember 2014). In Bezug auf Problematiken hinsichtlich der Untätigkeit des Gesetzgebers kommt man nicht umhin, das in der übermäßigen zeitlichen Verlängerung der Anwendungssperre liegende Risiko zu betrachten (vgl. BVerfGE 82, 136). In Hinsicht auf die anderen Verfassungsorgane hat die Rechtslehre im Fall von legislativer Untätigkeit zwei verschiedene Möglichkeiten zum "Sperren" des verfassungswidrigen Zustands erkannt: Eingriff der Gerichte, die dazu aufgerufen sind, verfassungsmäßig zu entscheiden und Eingriff desselben BVerfG in "Einzelfall" gemäß § 35 des BVerfGG. Hinzu kommt, wie man weiter unten sieht, dass es schwierig ist, die Nichtigkeit der für unvereinbar erklärten Norm bei Untätigkeit des Gesetzgebers vorauszusehen. In jedem Fall sind die Probleme hinsichtlich des mangelnden Nachkommens der Nachbesserungspflicht eher theoretischer Art, wenn man die bestehende gute Zusammenarbeit zwischen Gesetzgeber (Richtern) und BVerfG bei der Umsetzung der zeitlich handhabenden Praxis bedenkt. In Abschnitt 8.2. (Die spezifischen Folgen der Unvereinbarkeitserklärungen) werden die spezifischen juristischen Folgen der Unvereinbarkeitserklärungen untersucht, wobei vor allem die "reinen" und die mit weiterer Anwendbarkeit verbundenen Unvereinbarkeitserklärungen betrachtet werden. Der 9. Abschnitt (Der Zeitfaktor der Unvereinbarkeitserklärungen: ein flexibles Entscheidungsmittel) widmet sich der zeitlichen Orientierung, welche die Rechtswirkungen der Unvereinbarkeitsurteile annehmen können, und zwar ex tunc- oder ex nunc-Wirkung, je nach der ihrerseits von der Reformpflicht des Gesetzgebers angenommenen zeitlichen Orientierung. Die mit der bloßen ex nunc-Wirkung der Unvereinbarkeitserklärungen verbundenen Problematiken, die in den Bereichen zur Beurteilung der konkreten Normenkontrolle und der Verfassungsbeschwerde am deutlichsten hervortreten, sind für das italienische Verfassungsrecht besonders interessant, in Anbetracht der Tatsache, dass dieses weitgehend durch die Inzidentalität des Systems charakterisiert ist, das durch die Unterbrechung des Inzidentalitätszusammenhangs stark beeinträchtigt würde. Die gleichen Problematiken scheinen sich laut der deutschen Rechtslehre in Bezug auf die beiden eben angeführten deutschen Urteilstypen zu stellen; ein deutliches Beispiel ist das in diesem Abschnitt untersuchte Urteil, die Entscheidung vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14. Angesichts der Ausführungen im ersten, zweiten und dritten Kapitel werden im letzten die Schlüsse dieser Doktorarbeit gezogen und versucht einen roten Faden zwischen der zeitlich handhabenden Rechtsprechung des ital. Verfassungsgerichts und der des BVerfG zu finden, und zwar anhand der Untersuchung einiger Aspekte, die das heutige Verfassungsrecht zu "modellieren" scheinen und deren korrekte Funktionsweise dadurch beeinflussen. Die abschließenden Betrachtungen (4. Kapitel) drehen sich um die Beziehung zwischen Verfassungsgerichtshof und Gesetzgeber der italienischen Praxis einerseits und der deutschen andererseits (1. Abschnitt), um die Beachtung des legislativen Ermessens in der italienischen Praxis einerseits und der deutschen andererseits (2. Abschnitt) und um die Notwendigkeit, "übermäßige Folgen" zu verhindern, sowohl in der italienischen als auch in der deutschen Praxis (3. Abschnitt). Weiter angesichts der deutschen Praxis, die sich auf den Schutz der Grundrechte aber weitgehend auch der Rechtsordnung insgesamt zu konzentrieren scheint, wird versucht, über eine mögliche neue Theorie der "Verfassungsfestigkeit" des Rechtssystems nachzudenken (4. Abschnitt - Eine neue Theorie der "Verfassungsfestigkeit" des Rechtssystems? Überlegungen zur deutschen Praxis). Nach dieser Klarstellung kommt man zur Endaussage dieser Doktorarbeit, die mit dem 5. Abschnitt (Reformbedarf der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile. Auf welche Weise?) schließt: Es ist unbestreitbar, dass die Unumgänglichkeit der Rückwirkung den verfassungsrechtlichen (materiellen) Problematiken zugrunde liegt. Die deutsche Praxis der Unvereinbarkeitserklärungen beeinflusst das Verfassungsrecht unter mehreren Gesichtspunkten. Erstens in Hinsicht auf die Verbindung zwischen Verfassungsgericht und Legislativorgan. Eine Bestimmung des zeitlichen Elements der Rechtswirkungen der Entscheidungen der koordinierten Verfassungswidrigkeit gestattet es dem Gerichtshof, die Grenzen des Ermessensspielraums des Gesetzgebers zu ziehen. Daher die Bedeutung der Frist zur Eingrenzung der gesetzgebenden Gewalt innerhalb der verfassungsrechtlichen Trasse, um eine gemeinsame Beseitigung des Mangels an Verfassungsmäßigkeit zu fördern. Im Gegenfall muss das italienische Verfassungsgericht "alles alleine machen". Wie bereits angemerkt, sind die Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die beispielsweise die mangelnde Reform des Strafgesetzbuchs von 1930 mit sich bringt, das unter anderem zu einem "unsystematischen und ungenauen" wie auch nicht in den Werterahmen der Verfassungsurkunde passendes Strafsystem geworden ist. Von erheblicher Bedeutung ist in dieser Hinsicht die kürzliche Pressemitteilung in Bezug auf die endgültige Entscheidung in der "Cappato-Sage", die auf der offiziellen Website des Verfassungsgerichts am 25. September 2019 veröffentlicht und durch das entsprechende nachfolgende Urteil Nr. 242 von 2019 bestätigt und in dieser Studie bereit ausgiebig behandelt wurde. Aufgrund seiner Relevanz wird hier der Text der Mitteilung vollumfänglich wiedergegeben: "Das Verfassungsgericht hat sich zur Urteilsfindung zurückgezogen, um die vom Mailänder Geschworenengericht zu Artikel 580 des Strafgesetzbuchs aufgeworfenen Fragen zur Strafbarkeit der Hilfe zum Selbstmord gegenüber einer Person, die entschlossen ist, ihrem Leben ein Ende zu setzen, zu untersuchen. In Erwartung der Urteilshinterlegung lässt die Presseabteilung wissen, dass der Gerichtshof eine Person, welche die Ausführung des selbständig und frei gebildeten Suizidvorhabens eines durch lebenserhaltende Maßnahmen am Leben gehaltenen Patienten, der an einer unheilbaren Krankheit leidet, welche körperliche und psychische Leiden mit sich bringt, die von diesem als nicht auszuhalten angesehen werden, welcher aber in der Lage ist, Entscheidungen frei und bewusst zu treffen, erleichtert, unter bestimmten Bedingungen für nicht strafbar laut Artikel 580 des Strafgesetzbuchs hält. In Erwartung eines unerlässlichen Eingriffs des Gesetzgebers hat das Verfassungsgericht die Nicht-Strafbarkeit der Beachtung der Verfahren, die in der Vorschrift zur aufgeklärten Einwilligung, zur Palliativpflege und zur kontinuierlichen tiefen Sedierung (Artikel 1 und 2 des ital. Gesetzes 219/2017) und der Überprüfung sowohl der erforderlichen Bedingungen als auch der Ausführungsverfahren durch eine öffentliche Einrichtung des staatlichen Gesundheitsdienstes nach Anhörung des Bescheids des örtlich zuständigen Ethik-Kommission vorgesehen sind, unterstellt. Der Gerichtshof unterstreicht, dass die Festlegung dieser spezifischen Bedingungen und Verfahrensweisen, die aus bereits in der Ordnung vorhandenen Normen abgeleitet werden, notwendig wurde, um die Risiken des Missbrauchs gegenüber besonders schwachen Personen zu verhindern, wie bereits in Beschluss 207 von 2018 hervorgehoben. Gegenüber den bereits umgesetzten Verhalten wird das Gericht das Bestehen äquivalenter materieller Bedingungen zu den oben angeführten beurteilen". Wie man beim einfache Lesen der Mitteilung erahnen kann, war es Absicht des Verfassungsgerichts, bei der Erklärung der Nicht-Strafbarkeit der Person, die unter bestimmten Bedingungen die Ausführung des Suizidvorhabens erleichtert (es handelt sich um die in Beschluss Nr. 207 von 2018 festgelegten Bedingungen), den Gesetzgeber aufzufordern, der erneut auf dem Gebiet des Lebensendes durch eine eigene Regelung eingreifen soll: Zweck des Beschlusses Nr. 207 von 2018 war gerade die zeitliche Verschiebung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigerklärung, um "vor allem dem Parlament zu gestatten, durch eine angemessene Regelung einzugreifen". Und wie man sieht, befand das Verfassungsgericht, gegenüber der fehlenden gesetzgebenden Handlung in der Rechtsordnung eine Form des Schutzes der Einzelnen durch Anwendung der bestehenden Bestimmungen zum Lebensende zu erkennen: Daher die (offensichtliche) Bedeutung, die dem Thema der Abstimmung zwischen Verfassungsgericht und Legislativorgan zukommt. Der Fall Cappato bestätigt die Idee, dass die Zusammenarbeit zwischen Gerichtshof und Parlament, sich eben in Richtung einer möglichen Einführung der Trennung zwischen dem Zeitpunkt der Feststellung und dem der Erklärung der Verfassungswidrigkeit bewegen könnte, ohne den Inzidentalitätszusammenhang zu opfern. In diesem Sinn treten die Unvereinbarkeitsentscheidungen hervor, bei denen der Gesetzgeber dazu verpflichtet ist, den Mangel an Verfassungsmäßigkeit mit Rückwirkung zu "bereinigen", sodass ein solches Modell funktionieren kann; dennoch ist es notwendig, der Abstimmung zwischen Gerichtshof und Parlament – wenn möglich – einen bestimmten Grad juristischer Gebundenheit zu verleihen. Anhand der deutschen Praxis und in Hinsicht auf das (entschieden kreative) zu formulierende Gesetz könnte eine bedeutende Verfassungsreform, in dieser Richtung vom Verfassungsgesetzgeber in Betracht gezogen werden (auch in diesem Fall unter Voraussicht der Rückwirkung im vorgelegten Verfahren). Wie man sehen konnte, sind die Entscheidungen des BVerfG gesetzeskräftig und bindend für alle Verfassungsorgane; sicher ist diese Grundlage in erster Instanz vorgesehen und sicher beruht auch die Pflicht des deutschen Gesetzgebers zur Beachtung der Entscheidung des BVerfG theoretisch auf Verfassungsgesetzen: dennoch wäre es vielleicht nützlich, die Vorgaben des Art. 136 2. Abs. ital. GG aufzuwerten, der, wenn auch in Bezug auf eine Beurteilung der Nützlichkeit des Eingriffs durch die Kammern und die betroffenen Regionalversammlungen doch "eine ausdrückliche und dynamische Verbindlichkeit […] der Legislativfolgen" darzustellen scheint. Eine mögliche Festigung der Verbindung zum Gesetzgeber könnte also durch eine Verfassungsreform umgesetzt werden, und zwar insbesondere durch die Änderung von Art. 132 2. Abs. ital. GG. Auf diese Weise würde die Möglichkeit des Verfassungsgerichts zur Festlegung einer Frist für den Gesetzgeber gerechtfertigt, ein Verfahren, das im Übrigen in unserem Verfassungssystem sicher nicht unbekannt ist, wie man sehen konnte. Sollte das Verfassungsgericht aufgrund verfassungsrechtlicher Bedürfnisse befinden, auf eine Form der Modellierung der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit und damit einer zeitlichen Verschiebung der Wirksamkeit der Verfassungswidrigerklärung durch eine Rückwirkungsklausel nicht verzichten zu können, dann gäbe es zwei mögliche Lösungen, die in Bezug auf ihre konkrete (aber eventuelle) "leichte" Umsetzbarkeit in absteigender Reihenfolge erläutert werden, im Bewusstsein jedoch, dass die Annahme einer der drei Vorschläge erhebliche Schwierigkeiten aufweist, sodass es vielleicht ratsam wäre, dass der Gesetzgeber sie alle untersucht und so dem Gerichtshof Spielraum lässt, durch eine Abwägung nach Feststellung einer elastischen Regelung der Rechtswirkungen zu handeln. Es ist jedoch sicher, dass die zuerst umrissene Lösung in jedem Fall die zu sein scheint, die am ehesten einer "Rückkehr zum Ursprung" des Verfassungsrechts entspricht, einschließlich der für das österreichische Verfassungsrecht im Bereich der ex nunc-Wirkung so typischen "Umfassungsprämie", die es ermöglicht, gleichzeitig sowohl den Einzelfall als auch die Ordnung insgesamt zu schützen. a) angesichts einer angemessenen Ermittlung könnte das Verfassungsgericht die Rechtswirkung der Verfassungswidrigerklärung auf Grundlage einer strengen Reglementierung aller an die Folgen der Einschränkung oder "Aussetzung" der mit der Rückwirkung verbundenen Aspekte und der Fälle, in denen eine derartige relevante und bedeutende Ausnahme in vollkommen außergewöhnlicher Weise erfolgen könnte, in der Zeit verschieben (wie es in Bezug auf die deutsche Praxis nicht geschehen ist), ebenfalls nach einer "kelsenschen Orientierung" der Reform des Artikels 30 3. Abs. ital. GG. In diesem Sinn tritt das Gesetzesdekret d.d.l. Lanzillotta hervor, wo befunden wurde, zu einer "schlichten" Reglementierung jener Fälle überzugehen, in denen der Gerichtshof eine Modulation der Rechtswirkungen im Verlauf der Zeit legitimerweise hätte tätigen können. In Art. 1 des Gesetzesentwurfs A.S. 1952 war vorgesehen, "c)im dritten Absatz des Artikels 30 werden am Ende folgende Worte hinzugefügt: ", außer falls der Gerichtshof eine andere Handhabung der Wirksamkeit im Verlauf der Zeit derselben Entscheidung zum Schutz anderer Verfassungsgrundsätze verfügt". Die "allgemeine" Formulierung ähnelt dem ersten Änderungsvorschlag für § 79 des BVerfGG: Die Ausdehnung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigerklärung war in beiden Fällen vorgesehen, in denen wie hervorzuheben ist, das deutsche und das italienische Verfassungsgericht "freie Hand" gehabt hätten. Vielleicht könnte man aber in Hinsicht auf die gemeinsame Trendlinie bemerken, dass Grundlage einer eventuellen Positivierung der zeitlichen Handhabung der Rechtswirkungen der Verfassungswidrigkeitssprüche eine übermäßige Versteifung der Fälle, welche die Verfassungsgerichte zur Abweichung von der Rückwirkung der Verfassungswidrigerklärung legitimieren würden, sein könnte. b) man könnte – mit der angemessenen Vorsicht und im Bewusstsein der erheblichen Problematik, die diese aufweist – eine dritte Lösung von anderer Art erfinden, die von einer ganz einfachen bloßen ex nunc,-Wirkung geprägt und von der Zusammenarbeit des Gesetzgebers und der Gerichte begleitet wäre (grundsätzlich nach dem Vorbild jener Unvereinbarkeitsentscheidungen, die keine "reinen" Unvereinbarkeitsentscheidungen sind). Eine solche Hypothese und extreme Lösung könnte von der Betrachtung ausgehen, dass die Rettung allein des vorgelegten Verfahrens vor der gesetzlichen Priorität den Gleichheitsgrundsatz (und auch den damit verbundenen Grundsatz des Rechts auf Verteidigung) verletze. Abgesehen von der Vorliebe für das erste vorgeschlagene Modell könnte es sich vielleicht auch auf Grundlage einer elastischen Reform der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile als nützlich erweisen, dem Verfassungsgericht die Wahl des verfassungsrechtlich zwingenden Wegs – Auswegs – dem, welcher der geringsten Qual am nächsten kommt, zu überlassen, wobei alle Möglichkeiten sorgfältig abzuwägen sind, wenn man bedenkt, dass in der Tat im Fall a) einer "ungeregelten" Modulation ohne juristische Grundlage, b) der Vorgabe einer Modulation unter Beachtung des Grundsatzes der Rückwirkung nur im vorgelegten Verfahren und c) einer ganz einfachen Modulation ohne Beachtung des Rückwirkungsprinzips, man in jedem Fall einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes oder des Grundsatzes des Rechts auf Verteidigung (oder beider) beiwohnt. Sicher ist es nicht einfach, eine angemessene Änderung der Regelung der Rechtswirkungen der Annahmeurteile in Anlehnung an das deutsche Modell vorzusehen: Mit jeder Hypothese für das zu formulierende Gesetz sind erhebliche Schwierigkeiten verbunden. Und doch ist zum heutigen Stand vielleicht sicher, dass die Lösung, die Augen vor den vom Verfassungsgericht verspürten Bedürfnissen zu schließen, dem Rahmen, in welchem dieses sich bewegt, nicht gerecht werden würde, denn dieses sollte manchmal, eben aufgrund der Beachtung des Grundsatzes der höheren Stellung der Verfassung, die Möglichkeit haben, die Rückwirkung angesichts einer größeren Verfassungswidrigkeit auszuschließen und dem Gesetzgeber gestatten, durch eine gute Verwendung seines Ermessensspielraums wieder zu einer größeren Verfassungsmäßigkeit zu gelangen.