Katarzyna Person behandelt das Schicksal polnischer Juden in Nachkriegsdeutschland. Dabei untersucht sie vor allem deren Verhältnis zu ihrem Umfeld: den polnischen Displaced Persons (DP), den einheimischen Deutschen, der Verwaltung und den Soldaten der Besatzungsmächte sowie den Vertretern der Hilfsorganisationen in den DP-Lagern. Es ist das Bild einer Gemeinschaft, deren Wurzeln in der jüdischen Bevölkerung im Polen der Vorkriegszeit liegen. Ihre Mitglieder waren nach wie vor Teil von Netzwerken aus der Vorkriegs- und Kriegszeit, während sie zugleich etwas Neues verkörperten - eine Gruppe, die ihr altes Heimatland ablehnte und sich eine neue Identität schuf, die Identität der Scher'it Hapleitah (hebr. 'der Rest, der überlebte') - der Überlebenden der Shoah. Im Zuge ihres jahrelangen Aufenthalts in Deutschland wurden aus den "polnischen Juden" "Juden aus Polen", und schließlich schlichtweg Juden, die ihr Leben außerhalb ihres Herkunftslandes aufbauten. Die Erfahrung der Shoah und der Glaube an eine Zukunft in Palästina hielt diese Gemeinschaft (unabhängig von dem letztlich gewählten Emigrationsort) zusammen. Die Scher'it Hapleitah sahen sich als Erben der sechs Millionen ermordeten Juden und zugleich als diejenigen, durch die die Nation wiedererstehen würde, frei von der Last des Lebens in der Diaspora
In Polen lebt eine sehr große Gruppe von Ukrainern. Das hat historische sowie wirtschaftliche Gründe. Anfang des Jahres ist ein Gesetz in Kraft getreten, das es den Ukrainern u.a. erleichtert, in Polen legal zu arbeiten.Viel mehr als eine MillionDie meisten Ukrainer in Polen sind Arbeitsmigranten. Einige kommen nur für ein paar Monate, andere bleiben für längere Zeit. Der Grund dafür sind geografische Nähe, kulturelle Ähnlichkeiten und Bedarf auf dem polnischen Arbeitsmarkt. Auch die Zahl der ukrainischen Studenten in Polen ist hoch. Die Daten für das akademische Jahr 2016/2017 zeigten, dass an polnischen Universitäten 35 500 Studierende aus der Ukraine studierten. Im Jahr 2020/21 waren es 38 400.In Polen leben auch Vertreter der ukrainischen Minderheit. Laut der Volkszählung 2011 wurde die ukrainische Nationalität von 51.001 Personen angegeben, von denen 27 630 sie als einzige Staatsangehörigkeit angaben. Von dieser Gruppe umfasst die tatsächliche ukrainische Minderheit in Polen (Personen mit polnischer Staatsangehörigkeit) 38 795 Personen.Insgesamt beträgt die derzeitige Zahl der ukrainischen Bürger in Polen laut Expertenschätzungen mehr als 1 Million, vielleicht sogar bis zu 1,3 Millionen Menschen. Diese Zahl ist in den letzten Monaten auf den Stand vor der Pandemie zurückgekehrt.Diese Zahlen werden zum Beispiel von den neusten Analysen des Krakauer Unternehmens Picodi bestätigt, das die Statistiken der Ausländerbehörden und das PESEL-Register ausgewertet hat (die polnische PESEL-Nummer ist ein 11-stelliges numerisches Symbol zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person. Ausländer dürfen sie auch beantragen, wenn sie länger als drei Monate in Polen bleiben). Anhand dieser Angaben kann geschätzt werden, dass in Polen 1.323.000 Menschen aus der Ukraine in Polen leben.Ukrainische Arbeitskräfte in Polen – die neusten RegelungenVor Kurzem hat die Regierung von Recht und Gerechtigkeit (PiS) mit Zustimmung der Opposition die Regeln für eine Arbeitsaufnahme in Polen unter anderem für Migranten aus der Ukraine erheblich gelockert. Die neuen Vorschriften bedeuten eine Reihe von Erleichterungen für diejenigen, die in Polen arbeiten oder Arbeit suchen.Das Gesetz beseitigt die Absurditäten, die jahrelang die Beschäftigung von Ausländern sowohl für die Ausländer selbst als auch für die Arbeitgeber lästig gemacht haben. Seit dem 29. Januar 2022 sind unter anderem die Verfahren vereinfacht und verkürzt worden, und die meisten Formalitäten können elektronisch erledigt werden.Bürger aus fünf Ländern - Armenien, Belarus, Georgien, Moldawien, Russland und der Ukraine - können jetzt ihren Aufenthalt in Polen wesentlich schneller legalisieren. Eine Änderung, die durch die Novelle eingeführt wurde, ist die 60-Tage-Frist für den Abschluss eines Verwaltungsverfahrens zur Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis für einen Ausländer.Bislang konnten Ausländer höchstens sechs Monate innerhalb eines Jahres in Polen arbeiten. Dann mussten sie für weitere sechs Monate nach Hause zurückkehren. Jetzt ist die Erklärung zwei Jahre lang gültig. Damit soll der illegale Handel mit Anmeldungen eingedämmt und den Arbeitgebern geholfen werden. Die Arbeitgeber haben sich darüber beschwert, dass die Vorschriften so formuliert sind, dass sie Arbeitnehmer verlieren, die sie gerade erst eingearbeitet haben. Trotzdem haben sie 2021 fast 2 Millionen Erklärungen bei den Arbeitsämtern eingereicht. Nach den Änderungen wurden die Büros buchstäblich mit ihnen überschwemmt.Eine weitere wichtige Änderung besteht darin, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, Ausländern mindestens den Mindestlohn für die geleistete Arbeit zu zahlen, der seit Januar dieses Jahres 3.010 PLN brutto beträgt.Die Regierung gibt zu, dass Ausländer auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden, und öffnet die Tore des Staates weit. Experten betonen, die Änderungen seien zwar notwendig, werden aber nicht alle Probleme der Wirtschaftsmigranten in Polen lösen. Die neuen Lösungen werden vor allem den Ukrainern zugute kommen, denn sie sind es, die heute in Polen am meisten arbeiten - legal bis zu 850.000, insgesamt, wie oben geschrieben, fast 1,3 Millionen.Die Änderung des Ausländergesetzes kann Migranten helfen, stabilere und gerechtere Beschäftigungsbedingungen zu erhalten. Und auch bis zu einem gewissen Grad unabhängig von Zwischenhändlern werden. Dies ist jedoch nur der erste Schritt. In einem Bericht über die Situation ukrainischer Migrantinnen aus dem Jahr 2021 postuliert die Stiftung "Unsere Wahl" unter anderem den Ausbau der Institution zur Verteidigung der Rechte ausländischer Arbeitnehmer, z.B. durch die Erweiterung der Kompetenzen der staatlichen Arbeitsaufsichtsbehörde. Mehr zum ThemaA.Łada, Ukraińscy studenci w Polsce. Motywacje, korzyści, wyzwania [PL]A.Łada, Ukrainian students in Poland. Motivations, benefits, challenges [ENG]A.Łada, #EngagEUkraine. Engagement der Ukrainer in Polen und Deutschland [DE]
Präsidentschaftswahlen – Wahlbeteiligung in Polen seit 1989Die Präsidentschaftswahlen stoßen in Polen auf großes Interesse, insbesondere wenn man sie mit den Parlamentswahlen vergleicht. Dennoch wird die Wahlbeteiligung erwartungsgemäß nicht so hoch sein wie in den 1990er Jahren. Wegen der Epidemie ist eine Einschätzung, wie viele Polen diesmal abstimmen werden, schwierig. Die Polarisierung der polnischen politischen Szene sowie die hohe Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen 2019 (45,68%) und den Parlamentswahlen 2019 (61,74%) lassen vermuten, dass auch am 28. Juni die Wahlbeteiligung hoch sein kann.Tabelle 1: Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen in Polen seit 1990Wahlbeteiligung der in Deutschland abstimmenden Polen Die Zahl der in Deutschland lebenden Polen, die nur die polnische und keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, beträgt ca. 850 000. Abstimmen dürfen aber auch alle diejenigen, die sowohl den polnischen als auch den deutschen Pass haben. Diese Zahl ist aber aus den deutschen Statistiken nicht genau zu ermitteln. Schätzungsweise leben in Deutschland insgesamt 2 Millionen Personen, die entweder nur die polnische Staatsbürgerschaft oder beide haben oder polnischer Abstammung sind. Wahlberechtigt sind aber nur diejenigen, die einen gültigen polnischen Pass besitzen. Abstimmen dürfen in Deutschland auch die Polen, die sich kurzfristig, zum Beispiel als Touristen oder Saisonarbeitnehmer, gerade in Deutschland befinden und eine Bescheinigung vorweisen können. Dieses Dokument wird von der Stadt- oder Gemeindeverwaltung in Polen ausgestellt, wo die Person jeweils angemeldet ist, und bestätigt die Wahlberechtigung. Wird sie abgeholt, so wird der- oder diejenige automatisch für diese Wahlen aus dem Wahlregister gestrichen und darf dann in jedem anderen Wahllokal abstimmen (und dort die Wahlunterlagen bekommen).Die Zahl der in Deutschland abstimmenden Polen ist bei den Parlamentswahlen 2019 im Vergleich zum Jahr 2015 deutlich gestiegen. Nach Informationen der polnischen Botschaft in Berlin haben sich für die Präsidentschaftswahlen 2020 (Abstimmung in Deutschland nur per Briefwahl möglich, mehr über Briefwahl in Polen im Blogbeitrag Nr.5) mehr als 50 000 Personen registriert.Die Zahl der in Deutschland (aber auch weltweit) abstimmenden Polen ist also sehr gering. Das mag mehrere Gründe haben. Als die Wahl nur im Wahllokal stattfinden durfte (und Briefwahl nicht möglich war), war es für viele zu kompliziert, sich an den Wahlen zu beteiligen und auf eigene Kosten in eine große Stadt zu fahren, wo die Wahlkommission ihren Sitz hatte. Auch die Anmeldung verlangte eine aktive Beteiligung noch vor der Wahlen, da man selbst sich im Konsulat registrieren oder die oben erwähnte Bescheinigung aus Polen besorgen musste, falls man dort noch gemeldet war. Diesmal wurde zwar einerseits der Prozess erleichtert, weil die Polen in Deutschland per Briefwahl abstimmen dürfen, also nicht extra dafür in das Wahllokal fahren müssen, andererseits wurde die Entscheidung darüber aber so spät getroffen und die Fristen waren so kurz, dass es einige möglicherweise gar nicht geschafft haben, sich zu registrieren.Tabelle 2: Zahl der in Deutschland abgegebenen Stimmen bei polnischen Wahlen, 2015 bis 2019Ausgewählte Ergebnisse Im Jahr 2015 hat unter den in Deutschland lebenden Polen der damalige Präsident und Kandidat der Bürgerplattform, Bronisław Komorowski, die meisten Stimmen erhalten, und nicht der spätere Wahlsieger Andrzej Duda.Tabelle 3: Präsidentschaftswahlen 2015 – Ergebnisse der Abstimmung in Deutschland im Vergleich zum Gesamtergebnis Parlamentswahlen 2019 Im Jahr 2019 haben die in Deutschland abstimmenden Polen an erster Stelle die Bürgerkoalition (KO) gewählt, wenngleich die Wahlen von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gewonnen wurden. Ähnlich war es in Großbritannien. In den Vereinigten Staaten hingegen erhielt die PiS fast doppelt so viele Stimmen wie die KO. Tabelle 4: Zahl der von den Polen gültig abgegebenen Stimmen und Ergebnisse einzelner Parteien bei den Parlamentswahlen 2019 in ausgewählten Ländern Im Jahr 2015 hat unter den in Deutschland lebenden Polen die PiS die meisten Stimmen erhalten. Im Jahr 2019 lag die Bürgerkoalition vorn, eine Koalition u.a. von PO und der Partei Nowoczesna. Die Wahlen 2019 hat insgesamt die PiS mit 43,59% gewonnen (KO – 27,4%).Tabelle 5: Ergebnisse von Bürgerplattform (PO) bzw. Recht und Gerechtigkeit (PiS) in den Parlamentswahlen in den Jahren 2005–2019 in Deutschland Die Spezifika dieser Präsidentschaftswahlen (in der Corona- Zeit und angesichts der Tatsache, dass die Wahlen schon einmal verschoben worden sind) führen dazu, dass es sehr schwierig ist zu sagen, wie die Polen in Deutschland abstimmen werden. Die Zahl der registrierten Wähler ist zwar bekannt – mehr als 50 000 –, ob sie es aber in so einer kurzen Zeit (Anmeldung bis zum 16. Juni, Rücksendung der Briefwahlunterlagen bis zum 26.Juni auf eigene Kosten) schaffen werden, sich am Wahlprozess zu beteiligen, bleibt offen. Auch die Ergebnisse sind schwer zu vorherzusagen, weil die Polen in Deutschland so wie die Polen in der Heimat politisch sehr gespalten sind.Mehr (auf Polnisch)Parlamentswahlen 2015 Präsidentschaftswahlen 2015 Parlamentswahlen 2019
Deutsche und polnische Forscher unternehmen den Versuch, die deutsch-polnischen Beziehungen auf den wichtigsten Gebieten zu analysieren und zu bewerten. Den zeitlichen Rahmen bilden der Regierungswechsel in Berlin 1998 und der Beitritt Polens zur Europäischen Union. Die letzten sechs Jahre stellen in den deutsch-polnischen Beziehungen eine Zäsur von epochaler Bedeutung dar - und das nicht nur für diese beiden Staaten. Die Mitgliedschaft Polens in der NATO und in der Europäischen Union bedeutet u.a., dass erstmalig in der Geschichte der Neuzeit beide Staaten in denselben Bündnisstrukturen verankert sind und auf die gleichen Werte und Ziele setzen. Andererseits haben die dramatischen Ereignisse auf internationaler Ebene Unterschiede in den Prioritäten der Außen- und Sicherheitspolitik Polens und Deutschlands herauskristallisiert. Gleichzeitig führt die Anhäufung innerer Probleme in beiden Ländern dazu, dass nach einer Anfangsphase des Aufbaus von Grundlagen "der guten Nachbarschaft und freundschaftlichen Zusammenarbeit" in den deutsch-polnischen Beziehungen nun die schwierigere Etappe der Verwirklichung der "Interessengemeinschaft" begonnen hat. Unterschiedliche Sichtweisen der aktuellen Realität verdecken allerdings nicht die gemeinsame grundlegende Sorge der Autoren darum, dass gegenseitige Loyalität und eine auf Vertrauen beruhende deutsch-polnische Zusammenarbeit die Basis für die bilateralen Beziehungen im europäischen Kontext sein müssen