Markt, Hierarchie und soziale Beziehungen: zur Bedeutung reziproker Beziehungsnetzwerke in modernen Marktgesellschaften
In: Umbrüche gesellschaftlicher Arbeit, S. 65-84
Der inzwischen popularisierten "Kolonialisierungsthese" (Habermas) zufolge werden die normativen, moralischen und kulturellen Komponenten des Sozialen durch die Rationalität des ökonomischen Subsystems "aufgezehrt". Entgegen dieser These zeigt der vorliegende Beitrag, daß auch ökonomisches Handeln in modernen Marktgesellschaften nicht ohne die "gemeinschaftlichen" Strukturen sozialer Beziehungsnetzwerke funktionieren kann. Diese sind es, die ökonomische Transaktionen erst ermöglichen; und in ihnen kommt dem scheinbar "vormodernen" Prinzip der Reziprozität eine zentrale Bedeutung zu. In deutlichem Kontrast zu strukturfunktionalistischen und systemtheoretischen Einsichten in die Selbstreferenzialität des ökonomischen Systems betont insbesondere die sozio-ökonomische Netzwerkforschung, daß die "soziale Infrastruktur" ökonomischer Austauschbeziehungen in ständigen Interaktionsprozessen zwischen Individuen und Gruppen re-konstituiert wird und das ökonomische Präferenzen sowohl in dyadische Akteursbeziehungen als auch in die Strukturen umfassender Beziehungsnetzwerke eingebunden sind. (pmb)