In: Anthropos: internationale Zeitschrift für Völker- und Sprachenkunde : international review of anthropology and linguistics : revue internationale d'ethnologie et de linguistique, Band 106, Heft 1, S. 31-48
"Der Autor setzt sich mit dem möglichen Beitrag von Milieu- und Lebensstilansätzen für die Analyse der künftigen, stärker wissensgesellschaftlich' geprägten Sozialstruktur auseinander. Er argumentiert, dass die Zunahme wissensbasierter Tätigkeiten sich seit längerem in der stetig wachsenden Zahl von Berufen im Informationssektor zeigt, was einhergeht mit neuen, von mehr Flexibilität, weniger Stabilität und neuen Kompetenzanforderungen geprägten Formen von Beruflichkeit. Was das für die berufsbasierten Klassen- und Schichtenmodelle bedeutet, ist noch weitgehend unklar. Die verschiedenen Konzepte der Informations- und Wissensgesellschaft (etwa von Bell, Touraine, Stehr und Castells) haben bisher die Frage nach der Klassenstruktur derselben nur wenig bzw. nicht hinreichend im Blick. Sozialstruktur- und Ungleichheitskonzepte müssen den Zugang zu und den Umgang mit der Ressource Wissen verstärkt aufnehmen und Wissensbestände, kognitive Erwartungen und Semantiken als eigenständige Aspekte der Sozialstruktur auffassen. Da Milieus aber nicht nur auf ungleichen Kompetenzen beruhen, sondern diese zugleich mit erzeugen, kommt auch der Frage nach der Entstehung von Milieus wachsende Bedeutung zu." (Autorenreferat)
Dieser Beitrag untersucht die Ergebnisse einer im Jahre 2003 im Rahmen des "Sozio-ökonomischen Panels" durchgeführten Sonderumfrage zum Thema "soziale Ungleichheit". Es zeigt sich, dass die Meinungen über soziale Ungleichheit durchaus variieren: So stimmten zwar 33 Prozent der Befragten "voll" und 34 Prozent "eher" dem Statement "Soziale Gerechtigkeit bedeutet, dass alle Bürger die gleichen Lebensbedingungen haben" zu. Noch größer ist allerdings mit rund 70 Prozent die Zustimmung zu dem Satz "Ein Anreiz für Leistungen besteht nur dann, wenn die Unterschiede im Einkommen groß genug sind", wobei 28 Prozent mit diesem Statement "voll" und 42 Prozent "eher" übereinstimmen. Offen bleibt bei derartigen Umfragen, was die Befragten unter (Un-)Gleichheit und (Un-)Gerechtigkeit verstehen - und vor allem, auf welche Art(en) von Ungleichheiten beziehungsweise auf welche Dimensionen sozialer Ungleichheit sie sich beziehen. Im internationalen Vergleich fiel in Deutschland Ende der neunziger Jahre die so genannte "Gerechtigkeitslücke", die im Rahmen des "International Social Survey Program" (ISSP) als Differenz zwischen dem geschätzten und dem als angemessen erachteten Einkommensunterschied zwischen "gelernten Fabrikarbeiter" und "Vorstandsvorsitzenden großer nationaler Unternehmen" gemessen wird, eher klein aus. (ICB2)
Bis ihn die neunziger Jahre hinein sind in Deutschland rapide Wohlstandssteigerungen zu verzeichnen. Dessen ungeachtet sind 'illegitime', dem Leistungsprinzip widersprechende 'Zugehörigkeiten' und Formen 'ständischer Regulierung' besonders wirksam (geblieben). Der Beitrag befasst sich insbesondere mit der Bildungsungleichheit und der Vermögens- und Einkommensungleichheit. (IAB2)
Der Verfasser unternimmt aus lebensverlaufstheoretischer Perspektive den Versuch eines empirischen Vergleichs der Erwerbsstruktur und -mobilität in West- und Ostdeutschland. Er zeigt, dass Lebensverläufe und Biographien in der DDR vor allem durch den arbeitsgesellschaftlichen Charakter der DDR-Gesellschaft mit ihrer außergewöhnlich umfassenden Einbindung der gesamten Bevölkerung in die Erwerbssphäre geprägt waren. Die hohe Standardisierung und Regulierung von Lebensläufen verlieh der DDR zudem Konturen einer altersstratifizierten Gesellschaft. Die ausgeprägten Stabilitäts- und Sicherheitserwartungen, die mit einem solchen Strukturmuster einhergingen, wurden durch den historisch beispiellosen Transformationsprozess der DDR-Gesellschaft und vor allem des ostdeutschen Arbeitsmarkts abrupt aufgebrochen. Diese "nachholende" Flexibilisierung von Erwerbsmustern und Entstandardisierung von Lebensläufen ist von mittleren und älteren Jahrgängen kaum zu verarbeiten und wird erhebliche Auswirkungen auf die Sozialmilieus der neuen Bundesländer haben. (ICE)
Es war vor allem der ausgeprägt arbeitsgesellschaftliche Charakter der DDR-Gesellschaft, der dort Lebensläufe und Biographien strukturierte. Eine im historischen und internationalen Vergleich außergewöhnlich umfangreiche, auch die Ränder der Aktivitätsphase betreffende und vor allem die Frauen fast vollständig umfassende Einbindung der Menschen in die Erwerbssphäre ließ Betriebe und Arbeitsstätten zum dominierenden Zentrum des Alltagslebens werden. Die seit jeher in der DDR geringe Ausprägung beruflicher Mobilität ließ die Lebensläufe in hohem Maße als standardisiert und normiert erscheinen. In der Spätphase der DDR ergab sich ein Bild zunehmender Schließung und Erstarrung. Mit der Standardisierung der Lebensläufe ging ein hohes Maß an Stabilitäts- und Sicherheitserwartungen einher. Diese Strukturmuster wurden nach der Wende durch historisch beispiellose Umschichtungen auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt aufgebrochen. Offen bleibt jedoch die Frage, inwieweit sich die subjektiven biographischen Entwürfe den gewandelten objektiven Verhältnissen anpassen werden. (ICE2)