Zwischen Krieg und Frieden: über demokratische Besatzung
In: Merkur: deutsche Zeitschrift für europäisches Denken, Band 61, Heft 10, S. 973-977
ISSN: 2510-4179
Die alliierte Besatzung Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von einigen zeitgenössischen Beobachtern keineswegs als Erfolg angesehen. Seit den späten 1940er Jahren sah ein nicht geringer Teil der britischen, amerikanischen und französischen Öffentlichkeit die Besatzungspolitik der Westalliierten in zwei wesentlichen Punkten sogar als gescheitert an: Die Entnazifizierung der deutschen Gesellschaft sei auf halbem Wege steckengeblieben und die Deutschen hätten die Niederlage, aber nicht die Schuld für die nationalsozialistischen Verbrechen akzeptiert. Davon abgesehen ist eine demokratische Besatzung, also eine Demokratie, die ein anderes Volk besetzt, um es zu demokratisieren, nach Meinung des Autors eine "Contradictio in adjecto". Dass dies nach 1945 in Deutschland und Japan dennoch gelang, hat mit einer einzigartigen historischen Konstellation zu tun, die vielleicht gerade aufgrund ihrer Einzigartigkeit bisher nicht den Weg in die politische Theoriebildung gefunden hat. Denn die Normen, Regeln und Institutionen der Besatzung und die globale politische Situation entwickelten sich nach 1945 in einem ungerichteten, oft chaotischen politischen Prozess, wie der Autor in seinem Aufsatz zeigt. (ICI2)