Von der "Rotte" zum "Block": zur kulturellen Ikonographie der Demonstration im 19. Jahrhundert
In: Massenmedium Straße: zur Kulturgeschichte der Demonstration, S. 68-96
Dieser Beitrag untersucht die Frage nach den Herkunftsmotiven und der Formensprache einer politischen Kultur der Straße und - damit verbunden - nach diesbezüglichen Problemen unserer Geschichtsperspektive. Hierzu werden zunächst vier Entwicklungslinien nebeneinander gestellt, die - soziologisch und politisch betrachtet auf eine sehr unterschiedliche, ja gegensätzliche Herkunft verweisen. Eine dieser Entwicklungslinien wird durch die Straße als Handlungsfeld und als Schauplatz der politischen Arbeiterdemonstration bestimmt. Diese Straßenkultur zeigt eine Vielfalt unterschiedlicher Traditionen und Einzelformen. Ihre Entwicklung wird vom Autor in drei Etappen beschrieben, was auf eine geradlinige qualitative Höherentwicklung schließen läßt. Gegen diese Schlußfolgerung argumentiert er dann mit einer Gegenthese. Diese besagt, daß angesichts komplexer werdender gesellschaftlicher Orientierungsprobleme die wachsende Vielfalt der "Straßenkultur" als ein Spiegel erscheint, der die Auffächerung sozialer Orientierungshorizonte und die Ungleichmäßigkeit politischer Lernprozesse reflektiert. Weiterhin wird verdeutlicht, daß sich in der Geschichte von Sozialprotest und Demonstration auf der einen Seite zwei durchaus unterschiedliche Traditionen verkörpern, wobei die Demonstration stärker an politische Bewegungsformen gebunden ist. Gemeinsam ist ihnen andererseits die Verkörperung von Mustern der "Massenhaftigkeit" und der "Kollektivität". Abschließend wird es als Ironie der deutschen Geschichte gesehen, daß sich nirgends sonst im Europa des 19. Jahrhunderts so wenige Beispiele für die "Gewalt der Straße" vorfinden, und zugleich ein so ausgeprägter Mythos vom "gewalttätigen Straßenpöbel". (psz)