In: L' homme: European review of feminist history : revue europénne d'histoire féministe : europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft, Volume 19, Issue 2
"Im letzten Jahrzehnt hat es in der Bundesrepublik vielfältige und erfolgreiche Versuche gegeben, die Frauengeschichte, sei es als Teilgebiet der Sozialgeschichte, sei es als historische Frauenforschung oder als feministische Geschichtswissenschaft im außer- und inneruniversitären Bereich, voranzutreiben und in ihrem Selbstverständnis und ihrer Beziehung zu anderen Disziplinen, zu neuen wissenschaftlichen Ansätzen und gesellschaftlichen Bewegungen näher zu bestimmen. Diese theoretische sowie bildungs- und gesellschaftspolitische Suchbewegung, die dazu dient, Frauengeschichte als unverzichtbaren Teil unserer historischen Tradition sichtbar zu machen, ist noch im Gange. In der gegenwärtigen Situation geht es in der Frauengeschichtsforschung vor allem darum, die Skepsis der Sozialhistoriker gegenüber der Frauengeschichte zu überwinden, ohne unverzichtbare Prämissen preiszugeben. Hierzu gehört nicht nur eine überzeugende, empirisch fundierte Forschungspraxis, sondern auch eine feministisch geleitete Methodologie, die uns auf der Basis neuer Erkenntnisse aus einer historischen Patriarchatskritik und der frauengeschichtlichen Forschung zu einer neuen Perspektive unserer allgemeinen Geschichte verhilft." (Autorenreferat)
In dem Beitrag wird untersucht, wie politisch Frauen in der Französischen Revolution sein durften und wie politisch sie heute als Nachfahren der Frauen von 1789 sein dürfen. Die politische Situation der Frauen von 1793 wird beschrieben, als die antifeministischen Aktionen der Jakobiner ihren Höhepunkt erreichten: Trotz der Anerkennung der Bedeutung der Frauen für die revolutionären Ereignisse seit 1789 werden die Frauen Ende 1793 von der Politik ausgeschlossen. Angesichts der historischen Tragweite der Jakobinerpolitik wird gefragt, warum der Frauenpolitik von 1793 so enge Grenzen gezogen wurden: Reicht es von einem traditionellen Antifeminismus zu sprechen, oder liegen spezifische gesellschaftliche und strukturelle Voraussetzungen vor, die die Vermutung hinsichtlich der historischen Notwendigkeit einer mehr oder minder planvollen Geschlechterpolitik unterstützen? Die Analyse zeigt, daß traditionelle Vorurteile genutzt wurden, um Neues auf dem Gebiet der revolutionären Gesellschafts- und Geschlechterpolitik durchzusetzen. Es wird gezeigt, welche Interessen dahinter standen, den Frauen das Recht einer eigenen politischen Artikulation in einer öffentlich sanktionierten Weise zu nehmen. (KW)
In dem Beitrag wird die These aufgestellt, daß derNS-Biopolitik ein bisher kaum beachteter, fundamentaler und struktureller Antifeminismus zugrunde liegt. Die historische Entwicklung des männlichen antifeministischen und biopolitischen Diskurses wird nachgezeichnet, um die originäre Leistung der nationalsozialistischen Biopolitik herauszuarbeiten. Es wird gezeigt, daß die faschistische Frauen- und Biopolitik in einer langen Tradition patriarchaler Politik und patriarchalen Denkens steht, deren konstituierendes Moment die männliche Kontrolle über die generativen Funktionen des Frauenkörpers ist. Die faschistische Biopolitik wird als ein Höhepunkt des Prozesses identifiziert, der die Enteignung des weiblichen Körpers zum Gegenstand hatte. Es wird gezeigt, daß im Faschismus der Frauenkörper zum "Schlachtfeld" wird, aus dem der "Volkskörper" hervorgehen sollte, und daß der Nationalsozialismus eine Politik der "Auslese und Ausmerze" praktizierte, die Millionen vernichtete und die in Frauen nichts anderes erblickte als ein unentbehrliches Medium für die Aufzucht der Herrenrasse. Die theoretischen Kontinuitätslinien der NS-Biopolitik werden skizziert, indem die Zerstörung der Weiblichkeit als integraler Teil patriarchaler Herrschaft und Kultur begriffen werden. Insgesamt wird gezeigt, daß die NS-Biopolitik in allen ihren Dimensionen im biopolitischen Diskurs vor 1933 theoretisch vorweggenommen worden ist. (ICA)
Es wird der Frage nachgegangen, ob der Feminismus als eine von der Frauenbewegung und der Frauenforschung entwickelte gesellschaftsanalytische Kategorie in der Lage ist, eine bisher verschlossene Perspektive innerhalb der Friedensforschung zu eröffnen. Bezogen wird sich dabei einerseits auf den Feminismus als eine Sichtweite innerhalb der Frauengeschichtsforschung und andererseits auf die historische Friedensforschung. In dem vorgestellten Ansatz wird davon ausgegangen, daß Militarismus, Gewalt und Krieg als bleibende Eigenschaften einer patriarchalen Gesellschaft anzusehen sind, die patriarchale Werte widerspiegelt, somit friedensbedrohende Potentiale perpetuiert und aufs neue produziert. Am Beispiel des "Historikerstreits" wird eine spezifisch deutsche Tradition des Antifeminismus sichtbar gemacht. Es wird die These vertreten, daß der Antifeminismus den faschistischen Ideologien gewissermaßen vorgelagert ist und in Folge der langen, fast 3000 jährigen patriarchalen Geschichte zu einer unerkannten, scheinbar naturhaften Prämisse dieser Ideologie geworden ist. (GF)
Eine kleine neokonservative Historikergruppe (Nolte, Stürmer, Hildebrand, Hillgruber) versucht seit einiger Zeit, insbesondere seit der "Wende", die schmerzliche, in ihrer Ungeheuerlichkeit kaum faßbare deutsche Unrechtsgeschichte zwischen 1933 und 1945 im Gewand angeblicher Wissenschaft umzubiegen in die "neue Auschwitz-Lüge" (R. Augstein). Konventionelle nationale Emotionen werden aufgestachelt durch Behauptungen wie der "Archipel Gulag" sei ursprünglicher als Auschwitz, der Massenmord in den KZs sei nur ein sekundäres, von den Bolschewisten inspiriertes Phänomen, die Nazi-Zeit sei nur ein "Betriebsunfall" gewesen. "Wehret den Anfängen." (LU)