In der jüngsten Bedrohungsanalyse der US-Geheimdienste werden die Entwicklungen im Westbalkan als Hauptherausforderung für die Stabilität Europas im Jahr 2010 bezeichnet. Und während die EU die Gestaltung der Lage in der Region zu ihren »bedeutenden außenpolitischen Prioritäten« zählt, untergraben konträre Ansichten der Mitgliedsländer zur künftigen Erweiterungspolitik die Fähigkeit der Gemeinschaft, den Sicherheitsrisiken im Westbalkan erfolgreicher Herr zu werden
Die Türkei hat in jüngster Zeit eine ausgesprochen rege Außenpolitik im Westbalkan betrieben. Sie strebt ganz offenbar danach, in der Region als unentbehrlicher Akteur wahrgenommen zu werden, der auf gleicher Augenhöhe mit dem Westen und Russland handelt. In der Region selbst treffen diese Bemühungen gleichermaßen auf begeisterten Zuspruch wie wütende Ablehnung. Je weniger realistisch ein baldiger Beitritt für die Westbalkanstaaten (mit Ausnahme Kroatiens) zur Europäischen Union erscheint, desto erstrebenswerter könnte eine politische Anlehnung an Ankara für jene politischen Kräfte in der Region werden, die sich der Türkei kulturell und religiös eng verbunden fühlen. Diese Konstellation sollte die EU in ihrer Erweiterungspolitik berücksichtigen
Bei der Europäischen Union werden in den nächsten Monaten formelle Beitrittsanträge mehrerer Westbalkanländer eingehen. Dabei mehren sich sowohl in Brüssel als auch in den Anwärterstaaten die Zweifel, ob den Staaten dieser Region derzeit entscheidende Fortschritte auf dem Weg zum EU-Beitritt möglich sind. Zugleich ist in Bosnien-Herzegowina und Kosovo keine Besserung der verfahrenen politischen Situation erkennbar. Gerade in den Krisengebieten im Westbalkan nimmt die EU aber für sich in Anspruch, als treibende Kraft der Konflikttransformation zu wirken
The European Union's success in its self-defined role as the driving force of conflict resolution in the West Balkans depends to a large extent on its accurate understanding of the interests and actions of the other two most important external actors: the USA and Russia. Russia has more often been the West's adversary than ally in the Western Balkans in the course of the last two decades since the disintegration of Yugoslavia started. In particular, the Kosovo crises and NATO's war against Serbia in the year 1999 caused deep rifts in Russia's relationship with the West. Russian President Dmitri Medvedev will visit Serbia at the end of this October signalling Moscow's continuing interest in the region. Russia is striving to limit US influence in the Western Balkans and to increase its own leverage. Russia's two main means to achieve this goal is to continue supporting Serbia's struggle to preserve its legal claim over Kosovo and to build the large gas pipeline 'South Stream' which will further increase Russia's importance for Europe's energy security
Das Wiedererstarken des politischen und wirtschaftlichen Einflusses Russlands im Westbalkan hat weitreichende Folgen für die Politik der Europäischen Union in dieser Region. Gegenwärtig geht es Russland darum, der Vorherrschaft der USA im Westbalkan Einhalt zu gebieten, um dadurch die eigene Rolle in den internationalen Beziehungen wieder zu stärken. Die seit 2005 wiederaufgeflammten Auseinandersetzungen um den zukünftigen Status Kosovos haben es Russland jedoch ermöglicht, seine politische Geltung in Serbien, dem größten und bevölkerungsreichsten Staat im Westbalkan, wieder stark zu erhöhen.Die EU verfügt im Westlichen Balkan über eindeutig mehr Einfluss als im Kaukasus oder in Zentralasien, den beiden anderen Gebieten, in denen derzeit westliche und russische Interessen aufeinandertreffen. Dieser Vorrang beruht vor allem auf der Beitrittsperspektive, die Brüssel den Staaten dieses Raums eröffnet hat. Allerdings kann die EU ihre Position nur dann behaupten, wenn sie die Erweiterungspolitik im Westbalkan auch tatsächlich zügig fortsetzt. Je mehr diese Länder "europäisiert" werden, desto schneller werden sie die bestehenden Konflikte überwinden können und umso weniger werden sie politische Unterstützung in Russland, den USA oder in den islamischen Staaten suchen.Um sich dauerhaft wieder mehr politisches Gewicht und wirtschaftliche Vorteile in Südosteuropa zu sichern, instrumentalisiert Russland seine Rolle als wichtigster Energielieferant der Region. Der Wunsch, am Bau der großen Erdgasleitung South Stream, dem südeuropäischen Gegenstück zur Ostseepipeline, beteiligt zu werden, hat fast alle Staaten der Region dazu bewogen, den politischen Beziehungen zu Moskau wieder eine gesteigerte Priorität einzuräumen
Die brüchige Stabilität im Westbalkan ist durch die erneute Zuspitzung der Kosovo-Krise in einer Weise bedroht, wie noch nie seit dem militärischen Eingriff der Nato im Jahre 1999. Serbien ist im Begriff, in den nationalistischen Populismus der neunziger Jahre zurückzufallen. Die Kosovo-Albaner werden ihren Drang nach Selbstbestimmung nicht wirklich durchsetzen können, wenn die UN-Verwaltung durch die EU-Mission abgelöst werden sollte, so dass ihre Frustration in Zukunft nur zunehmen kann. Die mögliche Sezession Kosovos gefährdet darüber hinaus auch den Zusammenhalt Bosnien-Herzegowinas und Makedoniens. Die Brüsseler Strategie, die Region durch eine allmähliche Heranführung an die EU langfristig zu stabilisieren, steht somit auf der Kippe. Zudem belastet die Verschärfung der Kosovo-Krise die ohnehin angegriffenen Beziehungen der USA und der EU zu Russland. Allerdings könnte die EU die benannten Bedrohungen noch in Erfolge verwandeln. Voraussetzung dafür wären entschlossene Schritte in der Erweiterungspolitik auf dem Westbalkan
Serbia's new prime minister could be again the old one: Vojislav Koštunica. A week ahead of the early parliamentary election on May 11, pollsters predict that none of the two big political blocs in Serbia will emerge from the elections strong enough to form a government single-handedly. The post-election negotiation about a new government could turn out to be long-lasting, chaotic and inconclusive. Koštunica will again occupy a decisive position, although he can garner only a fraction of the votes of each of the two big blocs. A new ruling coalition will most probably have to include his party in order to achieve the necessary parliamentary majority. Moreover, he could again demand for himself the position of the prime minister
George Bush und Vladimir Putin haben sich bei ihrem Treffen am 1. und 2. Juli in Kennebunkport (Maine, USA) darauf geeinigt, eine weitere Zuspitzung der Auseinandersetzungen zwischen den USA und Russland wegen Kosovo zumindest vorläufig zu vermeiden. Den Außenministern der beiden Staaten wurde aufgetragen, nach einer einvernehmlichen Regelung zu suchen. Die EU sollte die Atempause nutzen, um die Initiative zu ergreifen und die Weichen dafür zu stellen, dass das VN-Protektorat auch ohne endgültige Regelung der Statusfrage unter die Verwaltung der EU überführt wird. Dies ist derzeit der aussichtsreichste Weg zur friedlichen Transformation des gefährlichsten Konflikts in Europa. (SWP-aktuell/ SWP)
Einzig ein Veto Russlands oder Chinas scheint die Sezession Kosovos aus Serbien noch verhindern zu können. Die USA haben sich mit Unterstützung Großbritanniens für die Unabhängigkeit der Provinz ausgesprochen, noch bevor die von der UNO einberufenen Kosovo-Statusgespräche begannen. Moskau nimmt das Vorpreschen der USA als Gelegenheit wahr, die Kosovo-Frage für eigene Machtinteressen zu nutzen, vor allem im postsowjetischen Raum. Die meisten EU-Staaten bevorzugen dagegen eine behutsame Überführung Kosovos in einen neuen Status. Eine erzwungene Abtrennung Kosovos hätte negative Folgen: Zum einen entbindet sie die albanische Seite von der Pflicht, Kompromisse einzugehen. Zum anderen öffnet sie den nationalistischen und populistischen Kräften in Serbien erneut den Weg zur Macht. Die EU müsste entschiedener als bisher in den politischen Prozess eingreifen, um eine einvernehmliche Lösung für den Status Kosovos zu sichern, denn nur sie mindert die Gefahr erneuter Konflikte in der Region. (SWP-aktuell / SWP)
Die Stabilisierung des Westlichen Balkans könnte durch das Scheitern des EU-Verfassungsentwurfs und die daraufhin in einigen Mitgliedstaaten verstärkt erhobenen Forderungen nach einer Verzögerung oder gar Aufgabe der künftigen EU-Erweiterung einen folgenreichen Rückschlag erleiden. Das Entrücken der EU-Perspektive zeitigt mancherorts in der Region schon deutliche Wirkungen: Die nationalistischen Töne werden wieder lauter und in den Außenbeziehungen ist eine erneute Hinwendung zu den USA zu erkennen. In Kroatien, das von allen Ländern der Region dem Beitritt am nächsten ist, unterstützt nur noch jeder dritte Bürger die EU-Mitgliedschaft. Um einem Wiederaufflammen der ethnopolitischen Auseinandersetzungen vorzubeugen, aber auch um die Glaubwürdigkeit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu bewahren, sollte die EU die Bedingungen und den Fahrplan für die nächste Erweiterungsrunde konkretisieren. (SWP-aktuell / SWP)